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Zusammenfassung der Entscheidung Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Vollstreckbarerklärung eines von einem Gericht in Bologna (IT)erlassenen Zahlungsbefehls (decreto ingiutivo) mit der Begründung, dass dessen Rechtsmittelbelehrung unzureichend gewesen sei. Daher habe er den Widerspruch gegen den Zahlungsbefehl nicht wirksam eingelegt und sich mithin nicht auf das Verfahren eingelassen, weshalb Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO der Anerkennung der Entscheidung entgegenstehe.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf (DE) erklärt den Anwendungsbereich der Art. 32 ff. Brüssel I-VO zwar für eröffnet, denn der auf einem Zahlungsbefehl basierende Titel stelle eine Entscheidung im Sinne des Art. 32 Brüssel I-VO dar. Die Anerkennung sei aber nicht nach Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO zu versagen. Zwar könne man zugunsten des Beschwerdeführers annehmen, dass es sich bei dem Zahlungsbefehl um ein verfahrenseinleitendes Schriftstück i.S.d. Art. 34 Nr. 2 handele und dass dieser sich in Ermangelung eines wirksamen Widerspruchs nicht auf das Verfahren eingelassen habe, jedoch sei er nicht aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Zustellung dieses Schriftstücks in seiner Verteidigung gehindert gewesen. Eine fehlerhafte bzw. unvollständige Rechtsmittelbelehrung lasse die Ordnungsgemäßheit der Zustellung unberührt. Art. 34 Nr. 2 besage nichts über den Inhalt des verfahrenseinleitenden Schriftstücks. Dem Beschwerdeführer sei auch durch den Hinweis „Gegen diesen Bescheid ist Widerspruch möglich innerhalb von fünfzig (50) Tagen ab der Bekanntgabe; bei Ausbleiben kommt es zur gesetzlich vorgeschriebenen Zwangsvollstreckung.” nicht die Möglichkeit genommen worden, ein Rechtsmittel einzulegen. Er durfte nicht davon ausgehen, dass ihm durch diesen Hinweis eine umfassende Rechtsmittelbelehrung gegeben werden sollte und außer der Frist keine weitere Förmlichkeit zu beachten wäre.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Durch Zahlungsbefehl des Landgerichts Bologna vom 10. Oktober 2005 (4994/2005) wurde der Antragsgegner verurteilt, an die Antragstellerin 28.197,36 EUR nebst 5 % Zinsen hieraus seit 05.01.2006, weitere 730,‑ EUR Verfahrenskosten und weitere 550,‑ EUR Gebühren zu zahlen.
Die Antragstellerin hat beantragt, den Zahlungsbefehl des Landgerichts Bologna vom 10. Oktober 2005 (4994/2005) für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland dahin für vollstreckbar zu erklären, dass der Antragsgegner verurteilt worden ist, an die Antragstellerin 28.197,36 EUR nebst 5 % Zinsen hieraus seit 05.01.2006, weitere 730,‑ EUR Verfahrenskosten und weitere 550,‑ EUR Gebühren zu zahlen.
Der Vorsitzende der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach hat durch Beschluss vom 20. Februar 2006 angeordnet:
„Der Zahlungsbefehl des Landgerichts Bologna – Aktenzeichen: 4994/2005 – vom 10.10. 2005 wird mit dem Inhalt für vollstreckbar erklärt, dem zu Folge der Antragsgegner zur Zahlung von EUR 28.197,36 nebst 5 % Zinsen hieraus seit 05.01.2006, ferner zur Zahlung von weiteren EUR 730,‑ EUR Verfahrenskosten und weiteren EUR 550,‑ Gebühren verurteilt worden ist.“ Gegen diesen dem Antragsgegner am 12. April 2006 zugestellten Beschluss wendet er sich mit seiner am 11. Mai 2006 eingegangenen Beschwerde, mit der er die Änderung des angefochtenen Beschlusses dahin, dass der Zahlungsbefehl des Landgerichts Bologna – Aktenzeichen: 4994/2005 – vom 10.10. 2005 nicht für vollstreckbar erklärt wird, begehrt.
Er begründet sein Rechtsmittel dahin, er habe gegen den am 5. Januar 2006 zugestellten Zahlungsbefehl am 16.02.2006 per Einschreiben gemäß der Rechtsbehelfsbelehrung des italienischen Gerichts innerhalb von 50 Tagen Widerspruch beim Landgericht Bologna eingelegt. Zu einem ordentlichen Verfahren sei es trotz Widerspruchs nicht gekommen. Da die Rechtsbehelfsbelehrung unzureichend gewesen sei, habe er Widerspruch nicht wirksam eingelegt und sich mithin nicht auf das Verfahren eingelassen, so dass der Zahlungsbefehl gemäß Art. 34 Nr. 2 EuGVVO nicht anerkannt werden dürfe.
Die Antragstellerin entgegnet, eine Rechtsbehelfbelehrung sei nicht erforderlich.
Sie bittet, die vorbehaltlose Zwangsvollstreckung zu gestatten.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das innerhalb eines Monats nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts eingegangene Rechtsmittel ist zulässig §§ 1 Abs. 2 b, 11 AVAG; Art. 43 EuGVVO), in der Sache indes nicht begründet.
1. Grundlage der Prüfung ist neben dem AVAG das Kapitel III der am 1. März 2002 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), welche gemäß ihrem Art. 76 am 1. März 2002 in den Mitgliedsstaaten der europäischen Gemeinschaft – mit Ausnahme Dänemarks – in Kraft getreten ist.
2. Die Vollstreckbarerklärung erfolgt nach den Vorschriften der Art. 32 ff. EuGVVO. Gemäß Art. 38, 41 EuGVVO werden die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, die in diesem Staat vollstreckbar sind, in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden sind. Nach Art. 53 EuGVVO hat die Partei, welche die Anerkennung einer Entscheidung geltend macht oder eine Vollstreckbarerklärung beantragt, eine Ausfertigung der Entscheidung vorzulegen, welche die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Sie hat ferner grundsätzlich eine Bescheinigung nach Art. 54 EuGVVO vorzulegen.
a) Der auf dem Zahlungsbefehl basierende italienische Titel stellt eine Entscheidung im Sinne des Art. 32 EuGVVO dar (vgl. OLG Köln – 16 W 7/03 vom 02.01.2006 zitiert nach Juris).
b) Die formellen Voraussetzungen sind erfüllt. Im ersten Rechtszug hat die Antragstellerin die erforderlichen Unterlagen, nämlich den Titel im Original sowie den Nachweis der Zustellung vorgelegt. Der Antragsgegner hat das Vorliegen der formalen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung nicht in Abrede gestellt.
c) Nach Art. 45 EuGVVO darf die Vollstreckbarerklärung vom Senat als Rechtsmittelgericht nur aus einem der in den Art. 34 und 35 aufgeführten Gründe versagt oder aufgehoben werden. Ein solcher Grund ist nicht gegeben.
aa) Insbesondere kann sich der Antragsgegner nicht auf den Versagungsgrund des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO berufen.
Es mag zugunsten des Antragsgegners davon ausgegangen werden, dass er dadurch, dass er – wie unter den Beteiligten unstreitig – einen formwirksamen Widerspruch gegen den italienischen Zahlungsbefehl nicht eingelegt, also eine wirksame Prozesshandlung nicht vorgenommen hat (vgl. Thomas-Putzo ZPO § 328 Rn. 10), sich nicht auf das Verfahren eingelassen hat und es sich bei dem Zahlungsbefehl (decreto ingiuntivo) zusammen mit der Antragsschrift nach Art. 633 c.p.c. um ein verfahrenseinleitendes Schriftstück im Sinne des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO handelt (EUGH EuZW 1995, 803; Thomas-Putzo aaO EuGVVO Art. 44 Rn. 6).
bb) Dass dem Antragsgegner der Zahlungsbefehl rechtzeitig zugestellt worden ist, steht außer Frage.
cc) Der Antraggegner war auch nicht aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Zustellung in seiner Verteidigung gehindert. Erfasst wird nur der Zustellungsakt als solcher (OLG Köln NJW-RR 1995, 446). Eine fehlerhafte bzw. unvollständige Rechtsmittelbelehrung – wie sie der Antragsgegner reklamiert – lässt indes die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung unberührt. Art. 34 Nr. 2 EuGVVO besagt nichts über den Inhalt des verfahrenseinleitenden Schriftstücks (Zöller-Geimer, ZPO 25. Aufl. 2005 § 328 Rn. 138 b). Nach der Rechsprechung des EuGH sind – wie vorliegend geschehen – die wesentlichen Klagegründe mitzuteilen (vgl. Zöller aaO Rn. 138 c).
dd) Zu Unrecht beanstandet der Antragsgegner im Übrigen, durch eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung des italienischen Gerichts („Gegen diesen Bescheid ist Widerspruch möglich innerhalb von fünfzig (50) Tagen ab der Bekanntgabe; bei Ausbleiben kommt es zur gesetzlich vorgeschriebenen Zwangsvollstreckung.“) sei ihm die Möglichkeit genommen worden, einen zulässigen Rechtsbehelf einzulegen. Denn der Antragsgegner durfte aufgrund des Inhalts und der Form der nicht als Rechtsmittelbelehrung abgesetzten und bezeichneten Formulierung nicht davon ausgehen, dass ihm hierdurch eine umfassende Rechtsmittelbelehrung gegeben werden sollte. Es handelte sich lediglich um den Hinweis, innerhalb welchen Zeitraums der Antragsgegner seine Rechte (unter Beachtung des italienischen Prozessrechts) zu wahren habe. Daraus, dass weitere Informationen über die zivilprozessualen Erfordernisse nicht gegeben wurden, konnte ein unbeteiligter Dritter anstelle des Erklärungsempfängers bei verständiger (inhaltlicher) Würdigung nicht schließen, dass mit Ausnahme der genannten Frist Förmlichkeiten nicht zu beachten seien. Dies gilt um so mehr als der Antragsgegner sich als einer der Gesellschafter der im Handel mit Italien tätigen T. GmbH in dem die geltend gemachte Hauptforderung begründenden Vertrag vom 6. April 1999, der im Falle der Auseinandersetzung als zuständiges Gericht Bologna und die Anwendung italienischen Rechts vorsah, als Bürge verpflichtet hat.
Es hätte also nahe gelegen, zeitnah einen Rechtsanwalt aufzusuchen und eine dem italienischen Prozessrecht entsprechende Rechtsverteidigung in die Wege zu leiten, woran der Antragsgegner durch den allein die Frist betreffenden Hinweis des italienischen Gerichts nicht gehindert war.