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Zusammenfassung der Entscheidung Die deutsche Klägerin klagte gegen die niederländische Beklagte vor einem deutschen Gericht auf Zahlung von Werklohn. Die Beklagte hatte die Klägerin im Rahmen von Bauarbeiten in Berlin (DE) mit dem Einsatz eines Baggerschiffs beauftragt. Die Klägerin legte für die von ihr erbrachten Leistungen Schlussrechnung und machte Zahlungsansprüche gegen die Beklagte geltend. Weiterhin verlangte die Klägerin unter Berücksichtigung erbrachter Abschlagszahlungen weitere Zahlungen.
Das Kammergericht Berlin (DE) führt aus, dass das LG Berlin (DE) zu Unrecht seine internationale Zuständigkeit verneint habe. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ eröffne im vorliegenden Fall die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Der Erfüllungsort i.S.v. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ bestimme sich nach dem Vertragsstatut, das von den Normen des Internationalen Privatrechts des angerufenen Gerichts bestimmt wird. Unterliege ein Bauvertrag für ein in Deutschland durchzuführendes Bauvorhaben dem deutschen Recht, so begründe Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ regelmäßig die deutsche internationale Zuständigkeit für sämtliche Vertragsverpflichtungen. Denn Streitigkeiten aus einem Bauvertrag könnten am einfachsten und kostengünstigsten vor dem Gericht am Ort des Bauvorhabens ausgetragen werden.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Klägerin wehrt sich mit ihrer Berufung gegen ein im schriftlichen Vorverfahren als sogenanntes unechtes Versäumnisurteil ergangenes klageabweisendes Urteil des Landgerichts, in welchem es seine Zuständigkeit verneinte.
Die Beklagte ist ein in den Niederlanden ansässiges Unternehmen. Sie beauftragte die Klägerin im Rahmen von Bauarbeiten an der Eisenbahnbrücke am L. in Berlin-Spandau mit dem Einsatz eines Baggerschiffs inklusive dessen Anlieferung, Baggerarbeiten, Bodenabbaggerung und Entsorgung. Für die von ihr erbrachten Leistungen legte die Klägerin unter dem 5.9.97 Schlussrechnung und verlangt unter Berücksichtigung erbrachter Abschlagszahlungen noch 44.401,44 DM. Ferner begehrt sie die Zahlung einer weiteren Rechnung vom 18.9.97 über 3.673,78 DM.
Das Landgericht hat ein schriftliches Vorverfahren anberaumt, in welchem die Klägerin beantragt hat, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 48.075,22 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 25.11.1997 zu zahlen.
Die Beklagte hat sich erstinstanzlich nicht eingelassen.
Das Landgericht hat seine Zuständigkeit verneint und deswegen die Klage als unzulässig abgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie eine Verurteilung der Beklagten, hilfsweise die Zurückverweisung des Rechtsstreits, begehrt.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Sache war unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, § 538 Abs. 1 Ziffer 2 ZPO.
Das Landgericht hat seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint.
1. Im Geltungsbereich des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ), das im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und den Niederlanden am 1. Februar 1973 in Kraft trat, richtet sich in Fällen mit Auslandsberührung die internationale Zuständigkeit nach diesem Übereinkommen. Gemäß Artikel 5 Nr. 1 EuGVÜ kann in Abweichung von der Grundregel des Artikel 2 eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, auch vor dem Gericht des Ortes eines anderen Vertragsstaates verklagt werden, an dem die Ansprüche aus dem Vertrag zu erfüllen wären. Wo dieser Erfüllungsort liegt, bestimmt sich nach den Sachnormen, die das Schuldverhältnis materiell-rechtlich beherrschen, was anhand der Kollisionsnormen des Gerichtsstaates zu ermitteln ist (z.B. BGH Iprax 97, 416, 417; EuGH JZ 95, 244, 245; Baumbach/Albers, 57. Aufl., Artikel 5 EuGVÜ Rn. 8 mwN).
Der Vertrag unterliegt deutschem materiellen Recht, da – falls nicht schon die entsprechende Rechtswahl nach Artikel 27 Abs. 1 EGBGB eingreift – jedenfalls die Vermutung des Artikel 28 EGBGB gegeben ist.
2. Der Erfüllungsort im Sinne des § 29 ZPO bestimmt sich nach § 269 BGB. Die Leistung des Schuldners hat an dessen Wohnsitz zu erfolgen, sofern ein anderer Leistungsort weder bestimmt ist, noch den Umständen, insbesondere der Natur des Schuldverhältnisses entnommen werden kann. Hier ergibt sich aus der Natur des Schuldverhältnisses, dass die Zahlung der Werklohnforderung durch die Beklagte am Ort des Bauvorhabens zu erfolgen hat. Bei einem Bauvertrag liegt der Schwerpunkt des Vertrages wegen der besonderen Ortsbezogenheit der vertragstypischen Werkleistung am Ort des Bauvorhabens. Hier hat der Unternehmer seine Leistung zu erbringen. Hier muss der Besteller eine seiner Hauptpflichten, nämlich die Abnahme des Werkes gemäß § 640 BGB, erfüllen. Es entspricht der Natur dieses Schuldverhältnisses, wenn die Parteien auch ihre anderen das Bauvorhaben betreffenden Rechtsbeziehungen einheitlich an diesem Ort erledigen (vgl. BGH NJW 1986, 935).
Gegen die Annahme eines einheitlichen Erfüllungsortes am Ort des Bauvorhabens sprechen entgegen der Annahme des Landgerichts in seiner Verfügung vom 2.12.98 (Bl. 51) nicht die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs im Urteil vom 15. Januar 1987 (NJW 1987, 1131 ff.). Die dem Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegte Frage betraf einen anderen Sachverhalt. Das Ausgangsgericht war der Auffassung, die dort streitgegenständliche Honorarforderung eines Architekten sei nach deutschem Recht am Wohnsitz des Beklagten zu erfüllen. Das Gericht begehrte eine Entscheidung darüber, ob es für die Bestimmung des Erfüllungsortes im Sinne von Artikel 5 Nr. 1 EuGVÜ auf die nach deutschem Recht am Wohnsitz des Schuldners zu erfüllende Geldschuld oder auf die das Vertragsverhältnis prägende vertragstypische Leistung ankomme. Der EuGH hat klargestellt, dass allein der vom Ausgangsgericht erkannte Erfüllungsort maßgeblich sei. Nichts anderes ergibt sich aus den vom Landgericht zitierten weiteren Entscheidungen (de Bloos EuGH vom 6.10.76 = NJW 77, 490; Ivenel/Schwab EuGH vom 26.5.82 = Slg. 1982, 1891). Erfüllungsort im vorliegenden Fall ist jedoch nicht der Wohnsitz des Schuldners, sondern das Bauvorhaben in Berlin.
Es liegt auch im wohlverstandenen Interesse beider Parteien, eine gerichtliche Auseinandersetzung dort durchführen zu können, wo schon auf Grund der räumlichen Nähe zum Bauvorhaben Streitigkeiten regelmäßig einfacher und kostengünstiger durchgeführt werden können als am auswärtigen Wohnsitz des Auftraggebers. Auch bei Klagen auf Zahlung des Werklohns aus einem Bauvertrag wird sich der Streit häufig um Mängel der Werkleistung drehen. Zu ihrer Beurteilung – zudem nach deutschem Recht – ist das Gericht am Ort des Bauvorhabens weit leichter in der Lage als das Gericht des Wohnsitzes des ausländischen Auftraggebers. So weist auch der EuGH in NJW 1987, 1131, 1132 darauf hin, dass der Erfüllungsort in der Regel der Ort sei, der die engste Verbindung zwischen Streitigkeit und zuständigem Gericht aufweise. Diese Verbindung sei auch ausschlaggebend für die Schaffung des Gerichtsstandes des Erfüllungsortes der Verpflichtung bei Vertragsklagen gewesen (ebenso EuGH JZ 95, 244, 245 mwN).
Bei Bauverträgen über im Inland liegende Bauvorhaben, die gemäß deutschem Kollisionsrecht deutschem Recht unterliegen, eröffnen Artikel 5 Nr. 1 EuGVÜ und § 29 ZPO in Ermangelung abweichender Vereinbarungen somit regelmäßig die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für sämtliche Vertragsverpflichtungen (ebenso Kartzke, Internationaler Erfüllungsgerichtsstand bei Bau- und Architektenverträgen, ZfBR 1994, 1, 4; vgl. auch Senatsurteil vom 27. März 1998 – 21 U 4917/97 – zu 26 O 524/96 des LG Berlin).
3. Da die Beklagte auch materielle Einwendungen gegen die Klageforderung erhoben hat, war eine Entscheidung des Senats in der Sache nicht sachdienlich.