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Zusammenfassung der Entscheidung Der Kläger, wohnhaft in Deutschland, beauftragte die Beklagte zu 2, ansässig in der Schweiz, mit der Verwaltung von 7 Mio. DM. Dabei wurde schriftlich für Streitigkeiten aus dem Auftragsverhältnis als ausschließlicher Gerichtsstand Zürich (CH) vereinbart. Der Kläger überwies das Geld auf Konten in Zürich. Der Beklagte zu 1, wohnhaft in der Schweiz, ist der einzelvertretungsberechtigte Vizepräsident der Beklagten zu 2. Der Kläger behauptete, der Beklagte zu 1 habe ihm bei einem Gespräch in München (DE) vorgetäuscht, dass das Vermögen sich nicht verringert habe, sondern abgehe „wie eine Rakete“, wenn das Depot aufgebaut sei. Auch habe er ihm trotz gebotener Aufklärung verschwiegen, dass bereits zum damaligen Zeitpunkt ein beträchtlicher Verlust eingetreten war. Der Kläger forderte Ersatz des eingetretenen Schadens.Das Landgericht München (DE) verneint seine internationale Zuständigkeit. Für die Beklagte zu 2 seien aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 17 Abs. 1 lit. a LugÜ ausschließlich die Gerichte in Zürich zuständig. Die Gerichtsstandsklausel erfasse auch die deliktischen Ansprüche, da sie in einem so engen Zusammenhang mit dem konkreten Rechtsverhältnis zwischen den Parteien stünden, dass es gerechtfertigt erscheine, die Gerichtsstandsvereinbarung auf sie auszudehnen. Für die Klage gegen den Beklagten zu 1 bestehe ebenfalls keine internationale Zuständigkeit in Deutschland, da der Ort des Eintritts des schädigenden Ereignisses im Sinne von Art. 5 Nr. 3 EuGVO in der Schweiz liege. Für die Bestimmung des Schadensorts sei allein der in der Schweiz eingetretene Erstschaden maßgeblich. Der Ort des ursächlichen Geschehens liege ebenfalls in der Schweiz. Der Klägervortrag sei nicht geeignet, schlüssig ein deliktisches Verhalten des Beklagten zu 1 in Deutschland zu belegen, weder hinsichtlich der angeblichen Täuschungshandlung während des Gesprächs in München, noch hinsichtlich der Unterlassung der gebotenen Aufklärung.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Parteien streiten um Schadensersatz für Verluste aus einer Vermögensverwaltung.
Die Beklagte zu 2) ist eine AG schweizerischen Rechts mit Domizil in Zürich, deren einzelvertretungsberechtigter Vizepräsident der Beklagte zu 1) ist. Der Kläger beauftragte die Beklagte zu 2) auf Empfehlung seines Steuerberaters aufgrund zweier Verträge vom 26.5.2000 (Anlagen K3 und K4) mit der Verwaltung von insgesamt DM 7,0 Mio. Hierzu überwies er am 19.7.2000 DM 5,0 Mio. auf ein Konto bei der Bank J. in Zürich mit der Nummer 468468 sowie weitere DM 2,0 Mio. auf ein Konto bei der C. Bank in Zürich mit der Nummer 786643.
Der Kläger behauptet, bei einem Gespräch am 20.3.2001 im Restaurant Via Veneto in München habe der Beklagte zu 1) vorgetäuscht, dass sich das angelegte Vermögen nicht verringert habe, sondern im Gegenteil abgehen würde „wie eine Rakete“, wenn er das Depot aufgebaut hätte. Auch habe der Beklagte trotz gebotener Aufklärung verschwiegen, dass bereits zum damaligen Zeitpunkt ein Verlust von über EUR 500.000,‑ eingetreten war. Die Beklagten seien dem Kläger zum Ersatz des insgesamt entstandenen Schadens von EUR 1.463.012,15 verpflichtet.
Der Kläger beantragt daher, die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an den Kläger EUR 1.463.012,15 zu zahlen.
Der Beklagte zu 1) beantragt Abweisung der Klage als unzulässig.
Die Beklagte zu 2) beantragt Klageabweisung.
Die Beklagten rügen die Unzulässigkeit der Klage aufgrund fehlender internationaler Zuständigkeit des Landgerichts München I.
Das Gericht hat mit Beschluss vom 4.7.2003 die abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage angeordnet. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unzulässig, da das Landgericht München I international unzuständig ist.
1. Die internationale Zuständigkeit richtet sich vorliegend nach dem Luganer Übereinkommen (LugÜ) vom 16.9.1988 (BGBl. 1994 II 2658). Für die Klage gegen die Beklagte zu 2) ergibt sich die fehlende internationale Zuständigkeit aus einer zwischen den Parteien getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 17 Abs. 1 lit. a) LugÜ. In beiden schriftlichen Mandatsverträgen vom 26.5.2000 (Anlagen K3 und K4) ist unter Ziffer 6 vereinbart, dass ausschließlicher Gerichtsstand für Streitigkeiten aus der vorliegenden Vereinbarung Zürich ist. Diese der Schriftform des Art. 17, Abs. 1 lit. a) LugÜ genügende Gerichtsstandsklausel erfasst auch die vom Kläger geltend gemachten deliktischen Ansprüche, da sie in engem Zusammenhang mit dem konkreten Rechtsverhältnis, der Mandatsbeziehung, zwischen den Parteien stehen. Maßgeblich ist für die Frage der Reichweite der Prorogation, dass zwischen der von der Klagepartei behaupteten deliktischen Handlung, hier der vermeintlichen Äußerungen des Beklagten zu 1) als Vertreter der Beklagten zu 2), ein so enger Zusammenhang besteht, dass es gerechtfertigt erscheint, die Gerichtsstandsvereinbarung auf deliktische Anspruchsgrundlagen auszudehnen. Ebenso wie in dem von der Beklagten zu 2) zitierten Urteil des OLG München vom 8.3.1989 (RIW 1989, 901, 902) liegt prozessual ein Streitgegenstand vor, wenn der Kläger seinen vermeintlichen Schadensersatzanspruch sowohl auf eine Pflichtverletzung im Rahmen der Vermögensverwalterverträge als auch auf die deliktischen Anspruchsgrundlagen der §§ 823 Abs. 2 BGB iVm 263, 266 StGB und § 826 BGB stützt, die durch das Verhalten des Beklagten zu 1) am 20.3.2001 verwirklicht worden sein sollen. Der Kläger kann sich jedoch nicht dadurch einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 17 Abs. 1 lit. a) LugÜ entziehen, dass er seine Ansprüche bei vorliegender Anspruchskonkurrenz lediglich auf die deliktischen Anspruchsgrundlagen stützt. Keine Partei hat bei Abschluss der Mandatsverträge vernünftigerweise regeln wollen, dass vertragliche Ansprüche und deliktische Ansprüche gleichen Inhalts teilweise in Zürich teilweise in München geltend gemacht werden sollen.
Die Beklagte zu 2) hat sich entgegen der Ansicht des Klägers im Schriftsatz vom 15.12.2003 auch nicht nach Art. 18 LugÜ am Gerichtsstand München rügelos eingelassen. Mit Beschluss vom 4.7.2003 hatte das Landgericht München I die abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit nach § 280 Abs. 1 ZPO angeordnet, worauf die Beklagte zu 2) mit Schriftsatz vom 4.11.2003 auf Seite 2 bis 7 ausführlich die fehlende internationale Zuständigkeit des angegangenen Gerichts gerügt hat. In der mündlichen Verhandlung vom 28.11.2004, in der ausschließlich die internationale Zuständigkeit erörtert wurde, hat sie nach erneuter mündlicher Rüge der Zuständigkeit den Antrag unter Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 4.11.2003 gestellt. Entgegen den feinsinnigen Ausführungen des Klägervertreters im Schriftsatz vom 15.12.2003 ergab sich daher bei verständiger Auslegung des Antrags der Beklagten zu 2), dass sie die Abweisung der Klage als unzulässig begehrt hat.
2. Für die vom Kläger gegen den Beklagten zu 1) geltend gemachten Schadensersatzansprüche aus Delikt ist mangels eigener Gerichtstandsvereinbarung zwischen diesen Parteien Art. 5 Nr. 3 LugÜ einschlägig.
Die Deliktszuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ besteht an dem Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Nach.der Rechtsprechung des EuGH zum wortlautgleichen Art. 5 Nr. 3 des Brüsseler Übereinkommens (EuGVÜ) vom 27.9.1968 (BGBl. 1972 II 774), die aufgrund der bisher nicht erfolgten Revision des LugÜ trotz Inkrafttretens der EuGVVO uneingeschränkt herangezogen werden kann, ist unter dem Ort des schädigenden Ereignisses sowohl der Ort, an dem der Schaden entstanden ist, als auch der Ort des ursächlichen Geschehens zu verstehen (EuGH vom 30.11.1976, Rs. 21/76, Slg. 1976, 1735, 1746 – Bier./. Mines de Potasse d'Alsace).
a) Der Ort des Schadens liegt vorliegend in der Schweiz, wo laut Klägervortrag die dorthin transferierten Gelder durch vermeintliche Fehlinvestitionen verloren gegangen sind. Maßgeblich ist nur der Erstschaden in dem Land, in dem die Vermögenswerte belegen sind, nicht die Einbuße, die der Kläger an seinem möglicherweise weitgehend in Deutschland befindlichen Gesamtvermögen verspürt. Der Schadensort im Sinne des Art. 5 Nr. 3 LugÜ bzw. EuGVÜ kann nicht so weit ausgelegt werden, dass er jeden Ort umfasst, an dem die schädlichen Folgen eines Umstands spürbar werden, der bereits einen Erstschaden verursacht hat, der tatsächlich an einem anderen Ort entstanden ist (EuGH vom 19.9.1995, Rs. C-364/93, Slg. 1995, 1-2719, 2741 f. – Marinari./. Lloyds Bank). Ein Vermögensschaden bei einer Geldanlage im Ausland begründet daher keinen Deliktsgerichtsstand am Wohnsitzort des Anlegers (OLG Stuttgart, NJW-RR 1999,138).
b) Auch der Ort des ursächlichen Geschehens liegt im vorliegenden Rechtsstreit nicht im Bezirk des Landgerichts München I.
Für die Frage nach dessen Bestimmung bestehen in Literatur und Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen. Die Frage, was eine tatbestandsmäßige Handlung darstellt, lässt sich zum einen nach dem Recht des erkennenden Gerichts, der lex fori, entscheiden (so AG Hamburg vom 15.11.1988, RIW 1990, 319, 320). Gegen einen Rückgriff auf die lex fori spricht jedoch, dass diese zu willkürlichen Ergebnissen führt, da sich je nach angegangenem Gericht auch die Tatbestandsmäßigkeit des vermeintlich deliktischen Verhaltens verschieden beurteilt und sich internationaler Entscheidungseinklang nicht erreichen lässt. Die Anwendung der ansonsten denkbaren lex causae also des mittels Kollisionsrechts bestimmten, auf die deliktische Handlung anzuwendenden Sachrechts, hat den Vorzug, internationalen Entscheidungseinklang bereits bei der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit zu gewährleisten. Verschiedene Gerichte in verschiedenen Ländern, die ihre Zuständigkeit am Deliktsgerichtsstand beurteilen sollen, kommen jedenfalls dann zum gleichen Ergebnis, wenn sich die Kollisionsrechte in den verschiedenen Ländern gleichen und das in der Sache anwendbare materielle Deliktsrecht einheitlich berufen. Dennoch stellt die Anwendung der lex causae den Richter vor das Problem, dass die Zulässigkeitsprüfung mit kollisionsrechtlichen und materiellrechtlichen Problemen überfrachtet wird (Bülow-Böckstiegel-Geimer-Schütze/Auer, Bd. II, 2002, EuGVÜ und LugÜ, Art. 5, Rn. 117).
Zutreffenderweise hat man daher für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ auf den Klägervortrag abzuheben. Es genügt die schlüssige Behauptung einer inländischen Handlung durch den Kläger, durch die er sich in einem deliktisch geschützten Recht verletzt sieht. Maßgeblich kann aber nicht jede vom Kläger behauptete Handlung sein. Hätte es der Kläger in der Hand, beliebige Handlungen zur Zuständigkeitsbegründung im Inland anzuführen, liefe dies auf einen einseitig bestimmbaren Klägergerichtsstand hinaus, der Sinn und Zweck des LugÜ gerade widerspricht. Vielmehr darf und muss der zuständigkeitsbegründende Klägervortrag mittels lex causae stets auf seine Schlüssigkeit geprüft werden (vgl. BGH vom 24.9.1986, BGHZ 98, 263,274).
Im vorliegenden Fall behauptet der Kläger, die zuständigkeitsbegründende Täuschungshandlung des Beklagten zu 1) habe darin bestanden, dass er am 20.3.2001 in München geäußert habe, das Vermögen habe sich nicht verringert, sondern würde vielmehr abgehen „wie eine Rakete“, wenn er das Depot aufgebaut habe. Zudem habe er am 20.3.2003 in München verschwiegen, dass bereits ein Verlust von EUR 500.000,‑ eingetreten war. Dieser Klägervortrag ist nicht geeignet, schlüssig ein deliktisches Verhalten des Beklagten zu 1) im Inland zu belegen. Nach Art. 40 Abs. 1 EGBGB ist auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung das Recht des Handlungsortes anzuwenden, wenn nicht der Verletzte bis zum Ende des frühen ersten Termins oder des schriftlichen Vorverfahrens für die Anwendung des Rechts des Erfolgsortes optiert. Für die Schlüssigkeitsprüfung maßgebliche lex causae ist somit das am behaupteten Münchner Handlungsort geltende deutsche Deliktsrecht. Der Klägervortrag ist jedoch nicht geeignet, eine Täuschungshandlung im Sinne des §§ 823 Abs. 2 iVm 263 StGB, eine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht nach §§ 823 Abs. 2 iVm 266 StGB oder eine sittenwidrige Schädigungshandlung im Sinne des § 826 BGB zu begründen. Bei der Äußerung, dass ein Depot abgehen werde wie eine Rakete, handelt es sich erkennbar um eine reißerische und aus Marketinggesichtpunkten eingesetzte Behauptung, die nicht konkret genug ist, um tatsächlich ein falsches Vorstellungsbild des Klägers über eine bestimmte Vermögensentwicklung hervorzurufen. Zudem war die Äußerung nach dem eigenen Vortrag des Klägers darauf bezogen, dass sich das Depot in Zukunft entsprechend entwickeln würde, wenn es der Beklagte zu 1) aufgebaut habe. Damit hat sich der Beklagte zu 1) auf eine unsichere künftige Entwicklung bezogen, deren Unvorhersehbarkeit dem Kläger klar sein musste und die bei ihm kein konkretes falsches Vorstellungsbild über Tatsachen hervorrufen konnte. Soweit sich der Kläger auf eine fehlende Aufklärung beruft, ist sein Vortrag im Hinblick auf deliktisches Verhalten nach der lex causae ebenfalls nicht schlüssig. Die behauptete Unterlassung ist kein Verhalten, das sich in einem bestimmten Land verorten lässt und das deshalb an jedem Ort, an dem sich der Handlungspflichtige aufhält, sofort einen Deliktsgerichtsstand nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ begründet. Dies gilt umso mehr, als eine mögliche Aufklärungspflicht bereits mit Eintritt der Verluste in der Schweiz eingetreten und vom Beklagten zu 1) mittels moderner Kommunikationsmittel auch mühelos erfüllbar gewesen wäre. Das Entstehen einer Aufklärungspflicht erst mit dem Zusammentreffen der Parteien in München anzunehmen, erscheint demgegenüber lebensfremd.
Ein besonderer Deliktsgerichtsstand besteht damit ebenso wie der allgemeine Wohnsitz- bzw. Niederlassungsgerichtsstand nach Art. 2 Abs. 1, 53 Abs. 1 LugÜ nur in der Schweiz, wo die Beklagten als Vermögensverwalter tätig waren.