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Zusammenfassung der Entscheidung Die Klägerin betreibt in Deutschland eine Backwarenfabrik. Die Beklagte hat, wie ihre Rechtsvorgängerin, ihren Sitz in Norwegen. Im November 1998 stellte die Klägerin eine Ladung mit Backwaren samt Verpackung zur Abholung durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten bereit und übergab sie deren Frachtführer. Zu weiteren Lieferungen kam es nicht, weil die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Bezahlung der Waren und weitere Lieferungen ablehnte, da Schimmel gefunden worden sei. Ein schriftlicher Vertrag der Parteien besteht nicht. Die Klägerin fordert Schadensersatz wegen Vertragsbruch. Sie trägt vor, ihr Geschäftsführer habe in Norwegen die Vertragsverhandlungen mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten persönlich geführt. Er habe mit ihr verbindlich vereinbart, dass sie ein bestimmtes Jahreskontingent von der Klägerin beziehen werde. Die Beklagte rügt die internationale Zuständigkeit und bestreitet den Zahlungsanspruch.
Das Landgericht Bad Kreuznach (DE) bejaht seine internationale Zuständigkeit aufgrund von Art. 5 Nr. 1 LugÜ. Gegenstand der Klage seien Ansprüche aus Vertrag im Sinne dieser Norm. Für die Zulässigkeit der Klage genüge, dass die Klägerin substantiiert dargelegt habe, dass die tatsächlichen Voraussetzungen eines Vertragsschlusses vorlägen. Das Bestreiten der Beklagten sei im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht zu berücksichtigen. Die geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz wegen Vertragsbruch, die an die Stelle der Abnahme- und Entgeltpflicht getreten seien, seien Ansprüche aus Vertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 LugÜ. Der Erfüllungsort aller den Gegenstand der Klage bildenden Ansprüche liege in Deutschland. Klagegegenstand seien die verletzten Pflichten zur Abnahme und Entgeltzahlung; an diese würden die geltend gemachten Sekundärpflichten angeknüpft. Sowohl die Abnahme- als auch die Zahlungspflicht der Beklagten wären gemäß dem hier maßgeblichen Art. 57 lit. a CISG am Sitz der Klägerin in Deutschland zu erfüllen gewesen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Klägerin betreibt in Stromberg eine Backwarenfabrik. Die Beklagte ist juristische Person des norwegischen Rechts und hat ihren Sitz in Oslo/Norwegen (Nr. ... des norwegischen Handelsregisters). Im November 1998 stellte die Klägerin eine Lkw-Ladung mit Backwaren samt Verpackung zur Abholung durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die ihren Sitz ebenfalls in Norwegen hatte, bereit und übergab sie deren Frachtführer. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten brachte die Backwaren auf den norwegischen Markt. Zu weiteren Lieferungen kam es nicht mehr, da die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Bezahlung der Waren mit der Begründung verweigerte, es sei Schimmel gefunden worden und jede weitere Lieferung ablehnte. Ein schriftlicher Vertrag zwischen den Parteien existiert nicht.
Die Klägerin trägt vor: Ihr Geschäftsführer habe sich, nachdem erste Geschäftskontakte bereits durch die Vermittlung von Handelsvertretern zustandegekommen waren, persönlich zu den Vertragsverhandlungen nach Norwegen begeben, wo er mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten verbindlich vereinbart habe, dass diese ein Jahreskontingent von 2 Mio. Pack Brötchen samt Verpackung von der Klägerin beziehe. Die Klägerin habe das gesamte Verpackungsmaterial geordert und in Absprache mit der Beklagten nach deren Vorgaben bedrucken lassen. Für die für sie nunmehr wertlose Folie habe sie den geltend gemachten Betrag verauslagt.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 70.267,46 EUR. nebst Verzugszinsen in Höhe von 12 % seit dem 05.06.1999 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte rügt die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Bad Kreuznach und bestreitet auch in materieller Hinsicht den geltend gemachten Zahlungsanspruch.
Das Gericht hat durch Beschluss vom 01.10.2004 mit Zustimmung beider Parteien das schriftliche Verfahren zur Vorabentscheidung über die Zulässigkeit der Klage angeordnet und bestimmt, dass beide Parteien bis zum 21.10.2004 Schriftsätze einreichen können.
Entscheidungsgründe:
Da die Parteien über die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Bad Kreuznach streiten, ist es sachdienlich und prozessökonomisch, vorab über die Zulässigkeit der Klage gem. §§ 280, 303 ZPO durch Zwischenurteil zu entscheiden.
Die Klage ist zulässig.
Die deutsche Gerichtsbarkeit ist zu bejahen. Sie ergibt sich aus Art. 5 Nr. 1 des Luganer Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LugÜ). Dieses ist auf den Rechtsstreit anwendbar, da Gegenstand des Verfahrens vertragliche Ansprüche bilden und deren Erfüllungsort in der Bundesrepublik Deutschland liegt.
Die BRD und das Königreich Norwegen sind Vertragsparteien des LugÜ. Das LugÜ ist sachlich anwendbar, weil die gerichtliche Zuständigkeit in einer Handelssache in Frage steht und die Beklagte ihren Sitz in Norwegen hat. Norwegen ist Vertragsstaat des LugÜ und weder Mitglied der europäischen Gemeinschaft noch Vertragspartei des EuGVÜ (Art. 54 b Abs. 2 a LugÜ). Auch in zeitlicher Hinsicht ist das LugÜ anwendbar. Es ist sowohl für Norwegen als auch für die BRD vor Entstehen der Streitigkeit in Kraft getreten.
Den Gegenstand des Verfahrens bilden Ansprüche aus einem Vertrag iSd Art. 5 Nr. 1 LugÜ. Für die Zulässigkeit der Klage genügt die substantiierte Behauptung des Klägers, die tatsächlichen Voraussetzungen eines Vertragsschlusses lägen vor (BayObLG, RIW 2001, 862; OLG Köln, NJW 1988, 2182). Die Klägerin hat einen Vertragschluss substantiiert dargelegt. Sie hat vorgetragen, dass ihr Geschäftsführer sich persönlich nach Norwegen begeben habe und dort mündlich den Vertrag über die Lieferung eines Jahreskontingents an Backwaren mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten abgeschlossen habe (Bl. 7 GA). Eine vertragliche Lieferbeziehung belegt auch der Umstand, dass die Beklagte bereits eine Lkw-Ladung der Backwaren auf den norwegischen Markt gebracht hat, denn dies zeigt, dass nicht etwa nur Muster zur Förderung eines späteren Vertragsschlusses dorthin versandt wurden, sondern die wirtschaftliche Durchführung des Vertragsverhältnisses in einer Lieferkette. Schon begonnen hatte. Den freiwillig verpflichtenden Charakter der Beziehungen verdeutlich auch das Schreiben der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 22.06.1999 (Bl. 25 GA). In diesem lehnt jene jegliche Zahlung mit der Begründung ab, es sei Schimmel gefunden worden, nicht aber damit, es bestehe gar kein vertragliches Lieferverhältnis. Das Bestreiten der Beklagten ist im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht zu berücksichtigen, sondern es ist zu unterstellen, dass die von der Klägerin vorgetragenen Tatsachen gegeben seien.
Bei den von der Klägerin geltend gemachten Ansprüchen auf Schadensersatz und Verzugszinsen wegen Vertragsbruches handelt es sich um Ansprüche aus dem Vertrag iSd Art. 5 Nr. 1 LugÜ. Sekundäre Pflichten, die an die Stelle der verletzten Primärpflicht treten, werden nicht gesondert beurteilt, sondern sind zuständigkeitsrechtlich Ansprüche aus dem Vertrag (EuGH, NJW 1977, 490; BayObLG, aaO).
Ob ein Anspruch rechtlich an die Stelle einer verletzten Hauptpflicht tritt, bestimmt sich nach dem Recht, dem der Vertrag nach dem internationalen Privatrecht des Gerichtsstaates unterliegt.
Dies ist vorliegend das UN-Kaufrechtsübereinkommen CISG, denn die Vorschriften des internationalen Privatrechts der BRD führen zu dessen Maßgeblichkeit. Das CISG bestimmt primär welchem Recht der Vertrag unterliegt. Nach Art. 3 Abs. 2 S. 1 EGBGB ist das seit 1990 für die BRD geltende CISG als unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht vorrangiges internationales Privatrecht und vor dem EGBGB heranzuziehen. Das CISG bestimmt sich sowohl gem. Art. 1 Abs. 1 a als auch b selbst zu dem auf den Vertrag anwendbaren Recht. Die vorliegende Streitigkeit über die Rechte und Pflichten aus einem Vertrag, der die Herstellung und Lieferung von Backwaren zum Gegenstand hat, also Werklieferungsvertrag ist, fällt in den sachlichen Anwendungsbereich des CISG nach Art. 3 Abs. 1, Art. 4 CISG. Weiterhin sind Norwegen und die BRD Vertragsstaaten des CISG. Auch führt deutsches internationales Privatrecht bei isolierter, Art. 3 Abs. 2 S. 1 EGBGB außer Acht lassender Betrachtung – zur Anwendung deutschen Rechts, also dem Recht eines Vertragsstaates iSd Art. 1 Abs. 1 b CISG, denn der streitgegenständliche Vertrag weist die engste Verbindung mit dem Recht dar BRD auf. Beim Werklieferungsvertrag erbringt die charakteristische Leistung der Werkunternehmer, hier also die Klägerin (OLG Frankfurt, NJW 1992, 634; OLG Düsseldorf, RIW 1993,95). Gem. Art. 28 Abs. 2 S. 2 EGBGB wird dann vermutet, dass der Vertrag die engste Verbindung mit dem Recht des Staates aufweist, in dem die Klägerin ihren Sitz hat (vgl. Staudinger-Magnus, CISG, Art. 92, Rn. 4 sowie Art. 1. Rn. 87 f).
Die geltend gemachten Ansprüche treten vorliegend rechtlich an die Stelle der Abnahme- und Entgeltpflicht. Der Schadensersatzanspruch tritt an die Stelle der Hauptpflichten aus Art. 53 CISG, auf dessen Verletzung das Klagebegehren gestützt wird und ist zuständigkeitsrechtlich an diese anzuknüpfen. Der Verzugszinsanspruch tritt rechtlich an die Stelle der verletzten Pflicht zur Zahlung und ist wie dieser an die verletzte Zahlungspflicht anzuknüpfen. Wird er konkret nach Art. 74 CISG berechnet, teilt er rechtlich das Schicksal des Schadensersatzanspruches. Wird er pauschal nach Art. 78 CISG geltend gemacht, stellt er funktional einen pauschalierten Mindestschadensersatz dar und entfließt derselben Verletzung von Hauptpflichten, die auch schadensersatzbegründend wirkt.
Schließlich liegt der Erfüllungsort aller den Gegenstand des Verfahrens bildenden Ansprüche aus dem Vertrag im Hoheitsgebiet der BRD. Verfahrensgegenständlich sind die verletzten Pflichten zur Abnahme und zur Zahlung des vereinbarten Entgelts. An diese Pflichten wird die Pflicht zur Zahlung von Schadensersatz und Verzugszinsen angeknüpft. Die Abnahmepflicht und die Pflicht zur Zahlung des vereinbarten Entgelts waren am Sitz der Klägerin in Stromberg zu erfüllen gewesen. Dies folgt aus Art. 57 Abs. 1 a CISG. Das CISG ist auch maßgebliches Recht zur Bestimmung des Erfüllungsortes, denn der Erfüllungsort ist ebenfalls nach dem Recht zu bestimmen, dem nach dem internationalen Privatrecht des Gerichtsstaates der Vertrag unterliegt (BGH NJW 1999, 2443). Die Anwendung von Art. 57 a ist nicht, wie die Beklagte meint, deshalb ausgeschlossen, weil Norwegen nach Art. 92 Abs. 1 CISG die Verbindlichkeit der Vorschriften über den Vertragsschluss ausgeschlossen hat. Wäre dies so, führte ein Ausschluss der Vorschriften über den Vertragsschluss stets zur vollständigen Unanwendbarkeit des CISG. Auch legt Art. 92 fest, dass Teil II oder Teil III ausgeschlossen werden können und die Bindung nur hinsichtlich der Teile des CISG entfällt, auf den sich die Erklärung bezieht. Auch ergibt sich die Anwendbarkeit des Art. 57 CISG schon daraus, dass das CISG hier über Art. 1 b CISG iVm Art. 28 EGBGB als innerstaatliches deutsches Recht anwendbar ist und es gar nicht darauf ankommt, in welchem Umfang Norwegen an das CISG gebunden ist.
Soweit der Schadensersatz und Verzugszinsanspruch auf die Verletzung der Pflicht zur Werklohnzahlung gestützt werden, ergibt sich aus Art. 57 Abs. 1 a CISG, dass der den Gerichtsstand begründende Erfüllungsort der verletzten Hauptpflicht zur Werklohnzahlung, an den zuständigkeitsrechtlich die Schadensersatzpflicht angeknüpft wird; der Sitz der Klägerin ist.
Auch soweit der Schadensersatzanspruch auf die Verletzung der Pflicht zur Abnahme gestützt wird, führt Art. 57 Abs. 1 a CISG zum Erfüllungsort Stromberg. Die Abnahme hätte in Stromberg erfolgen müssen. Es liegt eine Holschuld vor. Diese ist die Grundform der Schuldarten im CISG. Von ihrem Vorliegen ist im Zweifel auszugehen. Für eine von der Holschuld abweichende Parteivereinbarung oder einen Handelsbrauch (Art. 9 CISG) hat die Beklagte nichts vorgetragen. Die Klägerin hat im Gegenteil unbestritten vorgetragen, dass die Ware von der Klägerin zur Abholung durch die Beklagte zur Verfügung gestellt wurde und die erste Lieferung dem Frachtführer, den die Beklagte selbst einsetzte, übergeben wurde (Bl. 3 GA). Das Schreiben der Klägerin vom 20.04.1999, auf das sich die Beklagte in diesem Zusammenhang beruft, ist insoweit irrelevant. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten bereits weitere Lieferungen durch die Klägerin abgelehnt. Die Klägerin machte nur noch Schadensersatzansprüche geltend und forderte die Rechtsvorgängerin der Beklagten in diesem Zusammenhang auf mitzuteilen, wohin das Verpackungsmaterial geliefert werden solle.