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Zusammenfassung der Entscheidung Die Klägerin, mit Sitz in Deutschland, betreibt ein Unternehmen zur Herstellung von Bohrwerkzeugen. Sie bot der in Andorra ansässigen Beklagten mit einem Fax an, deren Bohrmaschine für einen bestimmten Betrag zu reparieren. Dieses Angebot nahm die Beklagte per Fax an. Daraufhin wiederholte die Beklagte ihr Angebot; dieses zweite Schreiben war als Kostenvoranschlag bezeichnet und es waren ihm die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Klägerin beigefügt. Die Beklagte bestreitet den Zugang dieses Schreibens. Die Maschine wurde am Sitz der Klägerin repariert, danach holte die Beklagte die Maschine ab. Die Klägerin fordert mit der Klage die Zahlung des Werklohns. Sie trägt vor, der Beklagten sei von ihr zunächst telefonisch ein Angebot unter Hinweis auf ihre AGB gemacht worden.
Das Landgericht Siegen (DE) verneint seine internationale Zuständigkeit. Diese ergebe sich weder aus Art. 5 Nr. 1 noch aus Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ, denn das EuGVÜ gelte nur im Verhältnis der Staaten zueinander, die als Mitglieder der Europäischen Union diesem Abkommen beigetreten seien. Dazu gehöre Andorra nicht. Auch das LugÜ sei nicht anwendbar; es gelte innerhalb der EFTA-Staaten und zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union einerseits und den EFTA-Staaten andererseits. Auch diesem Abkommen sei Andorra nicht beigetreten. Auch nach den somit anwendbaren nationalen deutschen Zuständigkeitsregeln ergebe sich keine örtliche und internationale Zuständigkeit für das Landgericht Siegen (DE).
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Klage ist unzulässig.
Das Landgericht Siegen ist örtlich nicht zuständig.
Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich nicht aus Art. 5 Nr. 1 und Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ. Das Übereinkommen der europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. (EuGVÜ) gilt nur im Verhältnis der Staaten zueinander, die als Mitglieder der Europäischen Union diesem Abkommen beigetreten sind.
Dazu gehört Andorra nicht (vgl. MünchKommZPO-Gottwald, Art. 60 IZPR Rn. 2). Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Siegen ergibt sich auch nicht aus dem Lugano-Abkommen.
Dieses Übereinkommen stimmt im wesentlichen mit dem EuGVÜ überein. Das Lugano-Übereinkommen gilt innerhalb der EFTA-Staaten und zwischen den Mitgliedern der Europäischen Union und den EFTA-Staaten (MünchKommZPO-Gottwald IZPR Art. 54 b Rn. 3). Auch diesem Abkommen ist Andorra nicht beigetreten.
Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Siegen ergibt sich auch nicht aus § 38 ZPO. Die Vorschriften der ZPO sind gem. Art. 28 EGBGB anzuwenden. Die Klägerin hat mit der Reparatur der Maschine die vertragscharakteristische Leistung erbracht. Das wesentliche des zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrages gem. § 631 BGB war die Reparatur der Bohrmaschine. Der Vertrag ist durch das Angebot der Klägerin in ihrem Fax vom 11. Oktober 1994, die Reparatur der Maschine für 70.000 DM vorzunehmen, und durch Annahme dieses Angebots mit Fax der Beklagten vom 18. Oktober 1994 zustande gekommen.
Die Klägerin hat weder bewiesen, noch unter Beweis gestellt, daß zwischen den Parteien Siegen als Gerichtsstand vereinbart worden ist. In dem Fax vom 11. Oktober 1994 hat die Klägerin nicht auf ihre Geschäftsbedingungen verwiesen. Ferner findet sich dort kein Hinweis, daß der Gerichtsstand in Siegen sein solle. Zwar sieht Ziff. 9 der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin Siegen als Gerichtsstand vor, wenn der Besteller Vollkaufmann ist. Jedoch findet sich in dem Schreiben der Klägerin vom 19. Oktober 1994 keine Bezugnahme auf ihre Geschäftsbedingungen. Ob die bloße Beifügung eines Formulars mit abgedruckten Geschäftsbedingungen ohne konkrete Bezugnahme darauf oder ob der Hinweis auf der Fußleiste eines Schreibens „Gerichtsstand für beide Teile ist Siegen“ für eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung ausreichend ist, kann dahinstehen. Denn die Beklagte hat den Zugang sowohl des Schreibens vom 19. Oktober 1997 als auch eines Formulars mit den Geschäftsbedingungen der Klägerin bestritten. Die Klägerin hat lediglich Beweis durch Vernehmung des Zeugen … für die Behauptung angetreten, daß das Schreiben vom 19. Oktober 1994 mit einem beigefügten Formular der Geschäftsbedingungen abgeschickt worden sei. Der Zugang läßt sich hiermit jedoch nicht beweisen.
Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Siegen läßt sich auch nicht aus § 29 ZPO herleiten. Siegen ist nicht Erfüllungsort für die Zahlungsverpflichtung der Beklagten. Beim gegenseitigen Vertrag ist der Erfüllungsort für die Verbindlichkeit beider Vertragsteile in der Regel selbständig zu bestimmen (Zöller-Vollkommer, ZPO 18. Aufl., § 29 Rn. 24). Leistungsort ist bei Geldschulden grundsätzlich der Sitz oder Wohnsitz des Schuldners bei Vertragsabschluß (§§ 269 Abs. 1, 270 Abs. 4 BGB). Zwar wird in manchen Fällen von der Rechtsprechung ein gemeinsamer Erfüllungsort anerkannt. Dabei ist maßgebend der Ort, an dem die für den Vertrag charakteristische Leistung erbracht wird. Grundlage für diese Rechtsprechung ist der Bauvertrag. Dort liegt der Schwerpunkt des Vertrages wegen der besonderen Ortsbezogenheit der vertragstypischen Werkleistung eindeutig am Ort des Bauwerkes. Hier muß der Unternehmer seine Leistung erbringen. Hier erfolgt die Abnahme (vgl. BGH NJW 1986, 935). Dies gilt jedoch nicht, wenn die Werkleistung eine bewegliche Sache betrifft (vgl. OLG Schleswig, NJW-RR 1993 314). Hier war die Maschine für die Reparatur von Andorra nach Deutschland gebracht worden. Nach den Reparaturarbeiten wurde sie von der Beklagten abgeholt und in ihrem Betrieb in Andorra auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft. Danach kann der Sitz der Klägerin nicht als Erfüllungsort für die Zahlungspflicht der Beklagten angesehen werden. Dem steht auch nicht entgegen, daß die Rechtsprechung beim Kfz-Reparaturvertrag einen gemeinsamen Erfüllungsort annimmt (vgl. OLG Düsseldorf MDR 1976, 496). Denn bei der Kfz-Reparatur erfolgt in der Regel die Abnahme bei Abholung des Kfz durch den Besteller in der Kfz-Werkstatt. Wegen § 647 BGB verlangt der Unternehmer, wenn er den Besteller nicht kennt, grundsätzlich auch Zahlung vor Herausgabe des Fahrzeugs. Dies trifft für den vorliegenden Fall jedoch nicht zu. Ob und wo eine Abnahme der Reparatur der Bohrmaschine erfolgt ist, haben die Parteien nicht vorgetragen. Eine Abnahme in ihrem Betrieb hat die Klägerin nicht behauptet. Die Funktionsfähigkeit der Maschine im praktischen Einsatz konnte nur bei der Beklagten festgestellt und überprüft werden. Hierfür spricht auch die Tatsache, daß Mitarbeiter der Klägerin nach Andorra gefahren sind, um die Maschine in Betrieb zu setzen. Eine etwaige Beweissicherung oder eine Beweisaufnahme könnten hier auch nicht im Betrieb der Klägerin erfolgen. Vielmehr müßte dies am Standort der Maschine in Andorra geschehen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 91 Abs. 1, 709 Satz 1 ZPO.