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Zusammenfassung der Entscheidung Die deutsche Klägerin hatte den Transport von Ware von den Niederlanden nach Mannheim (DE) versichert. Die deutsche Versicherungsnehmerin hat mit dem Transport die Beklagte beauftragt, ein Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden. Die Ware wurde während des Transports beschädigt. Die Klägerin hat ihrer Versicherungsnehmerin den Schaden ersetzt. Sie klagt nunmehr gegen die Beklagte vor einem deutschen Gericht auf Schadensersatz.
Der Bundesgerichtshof (DE) findet, dass die deutschen Gerichte gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ international zuständig seien. Die hier streitige Verpflichtung der Beklagten, die Ware zu befördern, sei am Ablieferungsort zu erfüllen, im vorliegenden Fall also in Mannheim (DE). Der Anwendung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ stünden die Regelungen des deutschen Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrtssachen nicht entgegen, weil das EuGVÜ vor dem autonomen deutschen Recht Vorrang genieße. Das Gericht fügt ferner hinzu, dass zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten keine wirksame, einen deutschen Gerichtsstand begründende Vereinbarung zustande gekommen sei. Die Vertragsverhandlungen mit der Versicherungsnehmerin habe seitens der Beklagten eine Schwesterfirma geführt. Deren Transportbedingungen, die eine Gerichtsstandsklausel enthielten, seien nicht Vertragsinhalt geworden. Auch wenn man dies unterstellen würde, wäre die Zuständigkeit des Schifffahrtsgerichts Mannheim (DE) nicht begründet, da die in Frage kommende Gerichtsstandsklausel nur allgemein Mannheim als Gerichtsstand bezeichne.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Klägerin hatte den Transport einer Partie von rund 575 t Reis mit MS „H“ von Rotterdam zum Oberrhein versichert. Für den Transport hatte die Versicherungsnehmerin der Klägerin, die H Mühle in M, die Beklagte zu 1 eingeschaltet, die ihren Sitz in Rotterdam hat. Diese hatte ihrerseits den in Amsterdam ansässigen Eigner und Schiffer des MS „H“, den Beklagten zu 2, mit der Beförderung der Partie betraut. Während der Reise ist in Höhe der Ortslage Wesel Wasser in die Laderäume des MS „H“ eingedrungen und hat einen Teil der Partie beschädigt. Den Schaden hat die Klägerin ihrer Versicherungsnehmerin ersetzt. Nunmehr nimmt sie – aus abgetretenem und übergegangenem Recht – die Beklagten wegen des Ladungsschadens in Anspruch. Sie hat behauptet, die Schotten der Laderäume des MS „H“ seien von Reisebeginn an undicht gewesen, so daß Wasser aus dem nicht völlig geschlossenen Rohrleitungssystem des Schiffes in die Laderäume habe gelangen können. Mit der beim Schiffahrtsgericht Mannheim erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner (den Beklagten zu 2 dinglich mit MS „H“ sowie persönlich im Rahmen des § 114 BinnSchG haftend) zur Zahlung von 192.422,38 DM nebst Zinsen zu verurteilen.
Die Beklagten haben in erster Linie die Unzuständigkeit des angerufenen Schiffahrtsgerichts gerügt. Ausweislich des „Konnossements“ vom 25. August 1978 in Verbindung mit § 26 der Übernahme- und Transportbedingungen der Beklagten zu 1 sei Rotterdam als Gerichtsstand für alle Streitigkeiten vereinbart. Ferner habe die Beklagte zu 1 lediglich dort ihre Vertragspflichten gegenüber der H. Mühle zu erfüllen gehabt, da sie für diese nur als Spediteur und nicht als Frachtführer tätig gewesen sei. Im übrigen sei Ablieferungsort für die Partie Straßburg gewesen.
Demgegenüber hat die Klägerin vorgetragen: Zwischen ihrer Rechtsvorgängerin und der Beklagten zu 1 habe ein (Haupt-) Frachtvertrag bestanden, nach dessen Inhalt die Verlade- und Transportbedingungen der R.-L. M., einer Schwesterfirma der Beklagten zu 1, gegolten hätten. § 26 dieser Bedingungen bestimme Mannheim zum Gerichtsstand für alle Streitigkeiten. Dorthin sei auch – allerdings aus Gründen legaler Zollersparnis über Straßburg – der Transport der Partie durchzuführen gewesen.
Das Schiffahrtsgericht hat seine örtliche Zuständigkeit verneint und die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Schiffahrtsobergericht hat die Berufung der Klägerin „mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Rechtsstreit gegen den Zweitbeklagten im Umfang des hilfsweisen Klagevorbringens an das örtlich zuständige Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort verwiesen wird“. Mit der Revision beantragt die Klägerin, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben, soweit sie die Klage gegenüber der Beklagten zu 1 kostenpflichtig abgewiesen haben, und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Schiffahrtsgericht Mannheim zurückzuverweisen, hilfsweise sie an das Landgericht Mannheim zu verweisen. Die Beklagte zu 1 stellt den Antrag, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist das Schiffahrtsgericht Mannheim für die Verhandlung und Entscheidung über den von der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 verfolgten Schadensersatzanspruch zuständig.
1. Allerdings ist dem Berufungsgericht zuzustimmen, daß die Rechtsvorgängerin der Klägerin und die Beklagte zu 1 die Zuständigkeit des Schiffahrtsgerichts Mannheim für Streitigkeiten aus ihren vertraglichen Beziehungen nicht vereinbart haben. Dabei kann offen bleiben, ob, wie das Berufungsgericht meint, die Gerichtsstandklausel in § 26 der Verlade- und Transportbedingungen der R.-L. M. („Für alle Rechtsstreitigkeiten unterwerfen sich die Parteien dem Gerichtsstand Mannheim“) zwischen den Parteien deshalb nicht anwendbar ist, weil die Klausel in das Vertragsverhältnis zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Beklagten zu 1 keinen Eingang gefunden habe. Denn auch wenn man mit der Revision die gegenteilige Ansicht vertritt, so hilft das der Klägerin nicht weiter. Die Klausel bezeichnet nur allgemein Mannheim als Gerichtsstand, hingegen besagt sie nichts über eine Zuständigkeit des dortigen Schiffahrtsgerichts.
2. Nicht zu folgen ist dem Berufungsgericht hingegen, soweit es die gesetzliche Zuständigkeit des Schiffahrtsgerichts Mannheim verneint hat.
a) Vorweg ist zu bemerken:
Bei der Forderung, welche die Klägerin gegen die Beklagte zu 1 verfolgt, handelt es sich um einen frachtvertraglichen Schadensersatzanspruch nach § 58 Abs. 1 BinnSchG und nicht, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, um einen Anspruch aus einem zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Beklagten zu 1 begründeten Speditionsverhältnis. Für ein solches Verhältnis geben weder das Auftragsschreiben der Rechtsvorgängerin der Klägerin vom 12. August 1978 an die Beklagte zu 1 noch die Durchführung der Beförderung oder die sonstigen Umstände des Falles hinreichende Anhaltspunkte her. In dem genannten Schreiben wird der Beklagten zu 1 der Auftrag erteilt, die mit SS „M“ aus Übersee in Rotterdam ankommende Partie Reis nach Mannheim – Option Straßburg – weiterzuverfrachten. Diesen Auftrag hat die Beklagte zu 1 mit Schreiben vom 25. August 1978 übernommen, nachdem zuvor die Fracht für den Transport Rotterdam – Mannheim (18,‑ DM p. t.) beziehungsweise für die Option Rotterdam – Straßburg – Mannheim (24,‑ DM p. t.) ausgehandelt worden war. Allerdings liegt insoweit lediglich ein Bestätigungsschreiben der R.-L. M. vom 18. August 1978 und nicht der Beklagten zu 1 vor. Indes hat die Beklagte zu 1 nicht substantiiert bestreiten können, daß R.-L. M. die Fracht für sie mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin ausgehandelt hat und die Fracht entsprechend dieser Absprache auch abgerechnet worden ist. Auch hat sich die Beklagte zu 1 zweifellos selbst als (Haupt-) Frachtführer angesehen. In dem von ihr auf einem Formular der L.-Firmengruppe ausgefüllten „Konnossement“ vom 25. August 1978 ist bestimmt, daß dem Transport ihre Übernahme- und Transportbedingungen (Konnossementsbedingungen) zugrundeliegen. Diese sind aber auf die Tätigkeit als Frachtführer zugeschnitten und bezeichnen die Beklagte zu 1 jeweils als „Reederei“. Daß diese in dem „Konnossement“ ihren Namen in der Spalte „Absender/Ablader“ eingetragen hat, gibt für eine Spediteurstätigkeit nichts weiter her, weil der Hauptfrachtführer im Verhältnis zum Unterfrachtführer Absender ist. Schließlich ist es ohne wesentliche Bedeutung, daß die Beklagte zu 1 über keine eigenen Schiffe verfügt und dieser Umstand der Rechtsvorgängerin der Klägerin auch bekannt gewesen sein soll. Das nötigt schon deshalb nicht zu der Annahme einer speditionellen Tätigkeit der Beklagten zu 1, weil die Tätigkeit eines Frachtführers in der Binnenschiffahrt keine eigenen Schiffe voraussetzt.
b) Nach § 2 Abs. 1 lit. c) des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrtssachen vom 27. September 1952 (BinnSchVerfG) sind die Schiffahrtsgerichte sachlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die mit der Benutzung von Binnengewässern durch Schiffahrt zusammenhängen und vertragliche Schadensersatzansprüche aus einem Unfall, der durch ein Schiff oder bei dem Betrieb eines Schiffes entstanden ist, zum Gegenstand haben. Um eine solche Rechtsstreitigkeit handelt es sich hier. Streitigkeiten zwischen dem Frachtführer und einem Ladungsinteressenten wegen Beschädigung der Ladung während des Transports mit dem von dem Frachtführer eingesetzten Schiff auf einer Binnenwasserstraße hängen, wie nicht weiter ausgeführt zu werden braucht, mit der Benutzung von Binnengewässern durch die Schiffahrt zusammen (vgl. auch Spreckelsen/Herber, Das Deutsche Bundesrecht VI E 20 S. 9). Ferner erscheint es nicht zweifelhaft, daß ein Unfall bei dem Betrieb eines Schiffes vorliegt, wenn, wie die Klägerin behauptet hat, während einer Schiffsreise Wasser wegen technischer Mängel des Fahrzeugs in die Laderäume eindringt und die Güter beschädigt.
c) Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 BinnSchVerfG ist – vorbehaltlich einer abweichenden Parteivereinbarung – in den Fällen des § 2 Abs. 1 lit. c) BinnSchVerfG nur das Schiffahrtsgericht (örtlich) zuständig, in dessen Bezirk sich die den Anspruch begründende Tatsache ereignet hat. Letzteres ist hier – unbestritten – im Bezirk des Schiffahrtsgerichts Mannheim nicht geschehen. Dessen Zuständigkeit läßt sich daher aus § 3 Abs. 1 Satz 2 BinnSchVerfG nicht herleiten. Die Vorschrift schließt aber auch, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, eine Anwendung des § 29 ZPO (Gerichtsstand des vertraglichen Erfüllungsorts) aus. Durch den Gebrauch des Wortes „nur“ macht sie deutlich, daß es sich – abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall einer abweichenden Parteiabsprache – um einen ausschließlichen Gerichtsstand handelt (ebenso Spreckelsen/Herber aaO S. 11; vgl. auch die in der Deutschen Justiz 1937 S. 175/176 veröffentlichte Begründung zu dem Gesetz über das Verfahren in Binnenschiffahrtssachen vom 30. Januar 1937 – RGBl. I 97, dessen Regelung der örtlichen Zuständigkeit der Schiffahrtsgerichte der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 2 BinnSchVerfG 1952 zugrundeliegt – BT.-Drucks. I/3303 S. 8; vgl. ferner Koffka in Deutsche Justiz 1937 S. 226).
d) Dennoch ist die Zuständigkeit des Schiffahrtsgerichts Mannheim für die Klage gegen die Beklagte zu 1 gegeben. Insoweit greift zu Gunsten der Klägerin Art. 5 Nr. 1 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (EuGVÜ) – BGBl. 1972 II 774 ein, das für die Bundesrepublik Deutschland am 1. Februar 1973 in Kraft getreten ist – BGBl. II 60 und im Verhältnis zu den sechs ursprünglichen EWG-Staaten gilt (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 39. Aufl. S. 1965). Nach dieser Bestimmung kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem solchen den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Nun meint allerdings das Berufungsgericht, die Ausschließlichkeitsregelung des § 3 Abs. 1 Satz 2 BinnSchVerfG stehe in den Fällen des § 2 Abs. 1 lit. c) BinnSchVerfG auch einer Anwendung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ entgegen, weil „über die internationale Zuständigkeitsregelung nicht eine innerstaatliche örtliche Zuständigkeit vorgeschrieben werden kann, die das nationale Recht nicht vorsieht“. Dabei berücksichtigt es offenbar nicht, daß Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ Bestandteil einer von der Bundesrepublik Deutschland ratifizierten völkerrechtlichen Übereinkunft ist. Ferner beachtet es nicht die Erläuterungen zu Art. 5 und 6 EuGVÜ in dem Bericht zu dem Übereinkommen (Anlage zur Deutschen Denkschrift zu dem Übereinkommen – BT.-Drucks. VI/1973), wonach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ zu den Bestimmungen gehört, welche „den jeweiligen Gerichtsstand unmittelbar und ohne Bezug auf die innerstaatlichen Zuständigkeitsregeln des Staats, in dessen Gebiet das in Frage kommende Gericht seinen Sitz hat, festlegen“, damit „der Kläger jederzeit den Beklagten vor einem der in dem Übereinkommen vorgesehenen Gerichte verklagen kann, ohne daß dabei das innerstaatliche Recht des betreffenden Staats in Betracht zu ziehen ist“.
Zu bemerken bleibt noch, daß die Frage des Vorrangs von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ gegenüber § 3 Abs. 1 Satz 2 BinnSchVerfG mit der dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorbehaltenen Auslegung des Übereinkommens (vgl. Art. 1 und 3 des Protokolls betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof vom 3. Juni 1971 – BGBl. 1972 II 846) nichts zu tun hat, so daß es keiner Vorlage dieser Frage an diesen Gerichtshof zur Entscheidung bedarf.
e) Die Bedenken des Berufungsgerichts gegen Mannheim als Erfüllungsort der vertraglichen Verpflichtung der Beklagten zu 1 teilt der Senat nicht. Das Berufungsgericht leitet seine Bedenken im wesentlichen daraus her, daß zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Beklagten zu 1 kein (Haupt-) Frachtvertrag, sondern ein Speditionsvertrag bestanden habe. Das ist, wie unter a) bereits näher dargelegt, nicht richtig. Für die frachtrechtliche Verpflichtung der Beklagten zu 1, die Partie Reis nach Mannheim zu befördern und dort abzuliefern, war dieser Ort aber Erfüllungsort. Allerdings trifft es zu, daß die Beklagte zu 1 in der Auftragbestätigung vom 25. August 1978 von einem Transport nach „Straßburg (via Mannheim)“ gesprochen und in dem „Konnossement“ vom 25. August 1978 Frankreich als Bestimmungsort beziehungsweise als Bestimmungsland bezeichnet und ein im Straßburger Hafen ansässiges Unternehmen in der Spalte „Meldeadresse“ eingetragen hat. Daß sie damit bewußt von dem ihr von der Rechtsvorgängerin der Klägerin erteilten Transportauftrag hat abweichen wollen, ist um so weniger ersichtlich, als ihr aus dem Auftragsschreiben der Rechtsvorgängerin der Klägerin vom 11. August 1978 bekannt war, daß die Partie aus zolltechnischen Gründen über Straßburg nach Mannheim (Löschstelle: H. AG/H. Mühle KG, M.) zu befördern war, was auch in der Frachtvereinbarung seinen Niederschlag gefunden hat.