Die Klägerin stellt in C. Brillengestelle her. Sie macht gegen den Beklagten, der einen Brillengroßhandlung in (...) betreibt, eine Kaufpreisforderung geltend.
Anläßlich der Messe MIDO 1982 in Mailand schlossen die Parteien am 7. Mai 1982 einen Kaufvertrag über die Lieferung von Brillengestellen und Vorführmustern. Dies war der erste Auftrag, den der Beklagte der Klägerin erteilt hat.
Die Klägerin bestätigte den Auftrag mit Schreiben vom 31. Mai 1982 und kündigte dabei an, sie werde die Muster und die Bestellung Ende Juli zusenden. Mit Schreiben vom 7. Juli 1982 bat der Beklagte im Hinblick darauf, daß die Klägerin die Muster noch nicht fertig hatte, ihm die sieben Musterkollektionen „auf jeden Fall bis Ende Juli 1982“ zuzusenden, die gesamte Lieferung aber erst im September zuzustellen, da sein Betrieb im Monat August in Urlaub sei. Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 15. Juli 1982, daß sie die gesamte Lieferung im September zustellen werde und die sieben Kollektionen „für Ende Juli oder am längsten am 6. August“ noch vor ihren eigenen Sommerferien liefern werde.
Eine Musterlieferung ging erst am 26. August 1982 bei dem Beklagten ein, wobei einige der bestellten Muster sogar fehlten. Vorher hatte die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 14. August 1982 mitgeteilt, sie werde unter diesem Datum 60 Muster seiner Bestellung mit der Post übersenden, die anderen später, sobald sie die Metalldekorteile aus Deutschland von ihrem Zulieferanten erhalten habe.
Die Hauptlieferung durchlief den italienischen Zoll am 23. September 1982. Die Ware traf nach Darstellung der Klägerin am 27. September 1982 bei der Deutschen Bundesbahn in (...) ein und wurde sofort dem Beklagten avisiert. Der Beklagte verweigerte die Annahme. Davon benachrichtigte die Deutsche Bundesbahn die Klägerin am 7. Oktober 1982 und nochmals am 5. November 1982, nachdem der Beklagte zuvor mit Schreiben vom 21. September 1982 gegenüber der Klägerin erklärt hatte, er storniere den im Mai gegebenen Auftrag wegen verspäteter Lieferung der Muster. Am 12. Oktober 1982 erteilte der Beklagte der Bahn den Auftrag, die unvollständigen Muster als verspätet zurückgehen zu lassen. Er wies auch die Hauptlieferung zurück.
Die Klägerin erstellte zwei Rechnungen: am 14. August 1982 über die gelieferten 60 Muster im Betrage von 492.000 Lira und am 13. September 1982 über die Hauptlieferung im Betrag von 6.393.600 Lira.
Mit der Klage begehrt die Klägerin die Zahlung dieser Beträge in DM nach dem zu den Rechnungsdaten jeweils geltenden Umrechnungskurs. Sie fordert einen Betrag von 816,74 DM sowie einen Betrag in Höhe von 11.214,37 DM, zusammen 12.031,11 DM. Hilfsweise verlangt sie die Bezahlung der Rechnungen in italienischen Lira. Zudem macht die Klägerin Verzugszinsen geltend.
Beide Parteien gehen vom einheitlichen Kaufrecht aus. Der Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, mit der Klägerin ein Termingeschäft abgeschlossen zu haben und zur Vertragsaufhebung befugt gewesen zu sein, weil die Klägerin die vereinbarten Fristen nicht eingehalten habe.
Das Landgericht hat durch ein am 25. Oktober 1983 verkündetes Urteil der Klage stattgegeben mit der Begründung, der Kaufvertrag sei weder aufgehoben noch habe der Beklagte wirksam den Rücktritt vom Vertrage erklärt. Wegen der Einzelheiten wird gemäß § 543 ZPO auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils (Bl. 63-69 GA) Bezug genommen.
Mit seiner Berufung, deren Rechtzeitigkeit in der mündlichen Verhandlung (Bl. 118 GA) festgestellt worden ist, verfolgt der Beklagte sein Begehren auf Klageabweisung weiter und meint, die Aufhebung des Vertrages sei schon kraft Gesetzes erfolgt.
Die Klägerin tritt dem entgegen und beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung – auch mittels Bankbürgschaft – abzuwenden.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Urkunden und Schriftstücke Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie hat auch in der Sache Erfolg. Das Rechtsmittel führt in Abänderung des angefochtenen Urteils zur Abweisung der Klage.
I. Das Landgericht hat der Klägerin den Kaufpreis zu Unrecht zugesprochen.
1. Für die Klage sind das angerufene Landgericht Mainz und das im Berufungsrechtszug angegangene Oberlandesgericht international zuständig. Für die in jedem Rechtszug von Amtswegen (vgl. BGHZ 44, 46, 52; BGHZ 69, 44) zu prüfende Frage des innerdeutschen Gerichtsweges ist hier das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 („Brüsseler Übereinkommen“, EuGVÜ) maßgebend, das – bisher – im Verhältnis zu den sechs ursprünglichen EWG-Staaten gilt. Zu diesen gehören die Republik Italien und die Bundesrepublik Deutschland. Nach Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ sind Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben, vorbehaltlich dem Art. 2 vorgehender Vorschriften des Übereinkommens vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen, der Beklagte also vor dem für ihn örtlich und sachlich zuständigen Landgericht Mainz. Eine die allgemeine Zuständigkeitsregel des Art. 2 EuGVÜ ausschließende, vom Wohnsitz des Beklagten unabhängige ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 16 EuGVÜ kommt hier nicht in Betracht. Die Parteien haben auch keine, ebenfalls die allgemeine Zuständigkeitsregel des Art. 2 ausschließende (vgl. EuGH, Urteil vom 17.1.1980, Rs. 56/79, Zelger gegen Sanitri, WM 1980, 720, 722; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, Rn. 27 zu Art. 17) ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichtes nach Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ vereinbart. Das für den Wohnsitz des Beklagten örtlich und sachlich zuständige Landgericht Mainz und das im Berufungsrechtszug angegangene Oberlandesgericht sind daher für die Klage auch international zuständig.
2. Für den von der Klägerin verfolgten Kaufpreisanspruch sind – was das Landgericht beachtet hat – die Bestimmungen des einheitlichen Gesetzes über den internationalen Kauf beweglicher Sachen (EKG) vom 17. Juli 1973 maßgebend, das gleichermaßen für die Republik Italien wie für die Bundesrepublik Deutschland gilt. Nach Art. 1 Abs. 1 a EKG ist das Gesetz auf Kaufverträge über bewegliche Sachen zwischen Parteien anzuwenden, die ihre Niederlassung im Gebiet verschiedener Vertragsstaaten haben, wenn nach dem Vertrag die verkaufte Sache zur Zeit des Vertragsabschlusses oder später aus dem Gebiet eines Staates in das Gebiet des anderen Staates befördert wird oder befördert werden soll. Es genügt, daß die Beförderung ausdrücklich oder stillschweigend vorgesehen war. Jedenfalls das letztere war hier der Fall. Die dem Beklagten gelieferten Vorführmuster und die Hauptlieferung der von ihm zu vertreibenden Brillengestelle sollten von Italien in die Bundesrepublik verbracht werden, was auch geschehen ist.
Zwar können die Vertragspartner eines Kaufvertrages die Anwendung dieses Gesetzes ausdrücklich oder stillschweigend ausschließen (Art. 3 EKG). Das ist jedoch nicht geschehen. Im Gegenteil haben die Parteien im Rechtsstreit übereinstimmend erklärt, daß sie beide von der Anwendung des einheitlichen Gesetzes über den internationalen Kauf beweglicher Sachen ausgehen.
3. Nach diesem Gesetz ist der Beklagte nicht verpflichtet, der Klägerin die gelieferten Vorführmuster und Brillengestelle zu bezahlen. Der Kaufpreisanspruch (Art. 56, 61 Abs. 1 EKG) ist nämlich entfallen, weil der Kaufvertrag kraft Gesetzes aufgehoben worden ist. Die Vertragsaufhebung ist nach Art. 26 Abs. 1, 30 Abs. 1 EKG erfolgt. Nach dieser Bestimmung kann der Käufer, der die bestellte Lieferung nicht zu dem festgesetzten Zeitpunkt erhält, unter der Voraussetzung, daß dieser Umstand eine wesentliche Vertragsverletzung ausmacht, entweder weiterhin auf der Erfüllung des Vertrages bestehen oder die Vertragsaufhebung erklären.
Äußert er sich hierzu jedoch nicht „innerhalb angemessener Frist“, ist der Vertrag „kraft Gesetzes“ aufgehoben.
a) Der Beklagte hat jedenfalls die bestellte Lieferung von Vorführmustern nicht zu dem festgesetzten Zeitpunkt erhalten.
Vorliegend hatte die Klägerin dem Beklagten nach dem zwischen den Parteien getroffenen vertraglichen Abreden nicht nur Brillengestelle, die der Beklagte als Großhändler weiterveräußern lassen wollte, sondern auch die dazu gehörigen Vorführmuster zu liefern. Die Parteien hatten sowohl für die Musterlieferung wie auch für die Hauptlieferung den Lieferzeitpunkt kalendermäßig festgesetzt (Art. 20 EKG; vgl. Dölle/Huber, Einheitskaufrecht, Art. 20 bis 22 Rn. 7). Die Musterlieferung sollte Ende Juli, spätestens aber bis 6. August 1982 erfolgen und die Lieferung der Brillengestelle selbst im September 1982. Die Klägerin hat die so festgesetzten Lieferfristen jedenfalls bei den Vorführmustern nicht eingehalten.
Die Lieferung besteht nach dem EKG in der Aushändigung einer vertragsgemäßen Sache (Art. 19 Abs. 1 EKG). Sie wird, wenn – wie hier – nach dem Vertrag eine Beförderung der Sache erforderlich ist, dadurch bewirkt, daß die Sache dem Beförderer zur Übermittlung an den Käufer ausgehändigt wird, es sei denn, daß ein anderer Ort für sie vereinbart ist (Art. 19 Abs. 2 EKG). Hier ist die Aushändigung der Vorführmuster an den Beförderer zur Übermittlung an den Käufer maßgebend. Schriftlich war jedenfalls kein anderer Ort für die Lieferung vereinbart. Dem steht der Gebrauch des Wortes „zustellen“ in den Schreiben der Parteien schon deshalb nicht entgegen, weil es nur für die Hauptlieferung verwendet worden ist, nicht aber für die Lieferung der Vorführmuster. In Bezug auf die Lieferung von Vorführmustern war immer nur von Zusenden – so der Beklagte im Schreiben vom 7. Juli 1982 – oder nur einfach von Liefern – so die Klägerin in ihrem Schreiben vom 15. Juli 1982 – die Rede.
Ob die Parteien auf der Messe MIDO 1982 in Mailand mündlich auf das Eintreffen der Ware in (...) abgestellt haben, wie der Beklagte behauptet, kann dahinstehen. Denn auch dann, wenn dies nicht so gewesen sein sollte, ist jedenfalls die Übergabe der Vorführmuster an den Beförderer zu spät bewirkt worden. Die Klägerin hat nach ihrer Versandanzeige im Schreiben vom 14. August 1982 an jenem Tage die unvollständigen Vorführmuster der Post zur Beförderung an den Beklagten ausgehändigt. Die Lieferung zu diesem Zeitpunkt stellt, wenn kein anderer Lieferort vereinbart war im Hinblick darauf, daß sie 8 Tage nach dem kalendermäßig auf spätestens 6. August 1982 festgesetzten Liefertermin liegt, eine Vertragsverletzung der Klägerin nach Art. 20 EKG dar, ganz abgesehen davon, daß die Klägerin ihre Pflicht zur Lieferung hinsichtlich der Vorführmuster auch deshalb verletzt hat, weil die Mustersendung unvollständig war (Art. 33 Abs. 1 lit. a EKG).
b) Es stellt auch eine wesentliche Vertragsverletzung im Sinne des Art. 26 Abs. 1 EKG dar, daß die Lieferung der Vorführmuster nicht in dem festgesetzten Zeitpunkt bewirkt worden ist.
Eine Vertragsverletzung wird im Sinne des EKG immer dann als wesentlich angesehen, wenn die beiden Voraussetzungen des Art. 10 EKG vorliegen: Erstens muß infolge der Versäumung des Liefertermins das Interesse des Käufers an der Lieferung überhaupt weggefallen oder mindestens erheblich beeinträchtigt seien; zweitens muß für den Verkäufer dieser Wegfall des Interesses des Käufers schon bei Vertragsschluß erkennbar gewesen sein (Dölle/Huber, Einheitskaufrecht. Art. 26, 27 Rn. 28). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Mit Ablauf des 6. August 1982 war ein Interesse des Beklagten an der Ausführung des Geschäfts mit der Klägerin wenn nicht weggefallen, so doch zumindest erheblich beeinträchtigt. Die Vorführmuster mußten nämlich, um wirksam für die Werbung des Beklagten eingesetzt werden zu können, den Handelsvertretern des Beklagten noch vor Beginn der in den August fallenden Betriebsferien zugestellt werden, damit bis zum Monat September die Aufträge der an den italienischen Brillengestellen interessierten Optiker vorliegen konnten (Bl. 101, 102 GA). Auch Brillen sind, was ihre Aufmachung insbesondere auch die der Gestelle angeht, der Mode unterworfen. Sie müssen deshalb rasch umgesetzt werden, bevor der gerade geltende Modetrend verrauscht ist. Daß dies so ist, stellt die Klägerin grundsätzlich nicht in Abrede, meint jedoch, der Beklagte habe gleichwohl auch weiterhin noch Interesse an den Brillengestellen gehabt, weil er erst am 21. September 1982 wegen verspäteter Lieferung den Auftrag „storniert“ habe mit der Begründung, die Mustersendung sei immer noch nicht komplett (Bl. 110 GA). Indessen kommt es nicht entscheidend darauf an, ob das Interesse des Beklagten erst später ganz entfallen ist. Es genügt, daß das Interesse des Beklagten an den Vorführmustern infolge der Versäumung des Liefertermins am 6. August 1982 zumindest schon erheblich beeinträchtigt war, so daß eine vernünftige Person in der Lage des Beklagten den Vertrag nicht geschlossen hätte (vgl. Dölle/Huber, Einheitskaufrecht, auch zu Art. 10 Rn. 18). Unter den gegebenen Umständen wäre aber einem vernünftigen Angehörigen des gleichen Geschäftszweiges keine Lieferung lieber gewesen als eine verspätete Lieferung (vgl. dazu Dölle/Huber, Einheitskaufrecht, Art. 26, 27 Rn. 28). Denn wenn die Unpünktlichkeit schon bei der Lieferung der dringend erforderlichen Vorführmuster begann und dadurch das geschäftliche Konzept des Beklagten in Gefahr geriet, bestand Grund genug auf das Geschäft mit der Klägerin zu verzichten. Das war für die Klägerin aufgrund ihrer Branchenkenntnisse ohne weiteres schon bei Vertragsabschluß erkennbar. Zudem hatte der Beklagte sie mit Schreiben vom 7. Juli 1982 noch darauf hingewiesen, daß sein Betrieb im Monat August 1982 Urlaub machen würde.
Die Klägerin wußte also, daß der Beklagte in Bezug auf die Auslieferung der dringend erforderlichen Vorführmuster noch vor Beginn seiner Betriebsferien tätig werden wollte und mußte. Die Klägerin hat nicht bewiesen, daß die Erfüllung ihrer vertraglichen Pflicht zum festgesetzten Zeitpunkt die Vorführmuster zu liefern, auf Umständen beruht, die nach den Absichten der Parteien bei Vertragsschluß weder in Betracht zu ziehen noch zu vermeiden waren (Art. 74 Abs. 1 EKG).
c) Auch die weitere Voraussetzung für eine Vertragsaufhebung kraft Gesetzes gemäß Art. 26 Abs. 1. 30 Abs. 1 EKG ist erfüllt. Der Beklagte hat weder innerhalb angemessener Frist geäußert, ob er auf der Erfüllung des Vertrages bestand, noch hat er innerhalb angemessener Frist die Vertragsaufhebung erklärt, so daß von daher einer Vertragsaufhebung kraft Gesetzes nichts im Wege steht. Wohl hat der Beklagte der Klägerin mit dem schon erwähnten Schreiben vom 21. September 1982 mitgeteilt, daß er den Auftrag wegen verspäteter Lieferung der Vorführmuster „storniere“. Diese Erklärung lag aber nicht mehr innerhalb der hier ab 6. August 1982 zu berechnenden angemessenen Frist. Der Begriff der angemessenen Frist ist im EKG nicht definiert (vgl. Dölle/Huber. Einheitskaufrecht Art. 11 Rn. 2). Sie bemisst sich aber wie der im EKG häufig verwendete Begriff der kurzen Frist (Art. 11 EKG) nach den Umständen; sie wird jedoch regelmäßig länger sein als die kurze Frist, weil sie eine Überlegungs- und Entschlußfrist einschließt (Dölle/Huber aaO). Eine Überlegungs- und Entschließungsfrist, die vom 6. August 1982 bis zum 21. September 1982 angedauert haben würde, wäre aber offensichtlich unangemessen. Solange braucht niemand, um die im vorliegenden Falle erforderlich gewesenen geschäftlichen Überlegungen anzustellen und zu entscheiden, wie er sich auf die durch die verzögerliche Belieferung eingetretenen Gegebenheiten einstellt.
4. Die Frage nach der Aufhebung des Vertrages kraft Gesetzes hängt dann aber davon ab, wie sich die Tatsache auswirkt, daß die Klägerin am 14. August 1982 60 Vorführmuster mit der Post an den Beklagten abgeschickt hat. Die Antwort gibt die in Art. 26 Abs. 3. Art. 30 Abs. 3 EKG getroffene Regelung. Danach wird die Möglichkeit automatischer Vertragsaufhebung versperrt, wenn der Verkäufer während der angemessenen (Art. 26 Abs. 1. 30 Abs. 1 EKG) Schwebezeit liefert (vgl. Piltz in IPrax 1983. 215. 216). Die zweite Möglichkeit einer Sperre nach Art. 26 Abs. 2. 30 Abs. 2 EKG scheidet hier schon deshalb aus, weil die Klägerin als Verkäufer den Beklagten als Käufer nicht aufgefordert hat, seine Entscheidung bekannt zugeben. Vorliegend hat die Klägerin aber nicht innerhalb der angemessenen Schwebezeit (Art. 26 Abs. 1. 30 Abs. 1 EKG) die Lieferung der 60 Muster bewirkt. Nachdem sie sich mit Schreiben vom 15. Juli 1982 die Lieferung der insgesamt 7 Kollektionen für Ende Juli 1982 ausbedungen hatte unter dem Vorbehalt, auch noch spätestens bis zum 6. August 1982 liefern zu dürfen, wäre es unangemessen, die unvollständige Musterlieferung vom 14. August 1982 als noch in der die Schwebezeit bestimmenden angemessenen Frist des EKG liegend anzunehmen. Der Beklagte seinerseits hätte seine Entscheidung, wenn er schon damals eine solche hätte erklären wollen, bis zum 14. August 1982 bekannt gegeben haben müssen. Der Vertragsaufhebungsautomatismus ist deshalb wirksam geworden, weil die Musterlieferung vom 14. August 1982 außerhalb der angemessenen Frist der Art. 26 Abs. 2, 30 Abs. 2 EKG liegt. Es blieb somit nicht bei der Wirksamkeit des Vertrages. Er ist entfallen. Das hat zur Folge, daß der geltend gemachte Kaufpreisanspruch der Klägerin weder für die unvollständig erfolgte Musterlieferung noch für die Hauptlieferung der Brillengestelle zusteht.
II. Da die Berufung vollen Erfolg hat, hat die Klägerin nach § 91 ZPO die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen.