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Zusammenfassung der Entscheidung Der Kläger, ein Rechtsanwalt mit Sitz in Deutschland, verlangt vom französischen Beklagten Zahlung von Anwaltsgebühren. Dafür hat er einen Mahnbescheid erwirkt. Der Beklagte hat gegen den Mahnbescheid Widerspruch eingelegt. Daraufhin wurde das Verfahren an das im Mahnbescheid bestimmte Amtsgericht Saarlouis (DE) abgegeben. Der Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit dieses Gerichts gerügt. Anschließend haben die Parteien die Zuständigkeit des Amtsgerichts Saarbrücken (DE) schriftlich vereinbart. Daraufhin hat sich das Amtsgericht Saarlouis (DE) für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das Amtsgericht Saarbrücken (DE) verwiesen. Der Beklagte hat auch die mangelnde Zuständigkeit dieses Gerichts gerügt. Das Amtsgericht Saarbrücken (DE) hat sich daraufhin ebenfalls für unzuständig erklärt und das Landgericht Saarbrücken (DE) zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 ZPO angerufen.
Das Landgericht Saarbrücken (DE) findet, dass der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Saarlouis (DE) für das Amtsgericht Saarbrücken (DE) bindend gewesen sei. Er sei insbesondere nicht willkürlich, weil die Parteien die Zuständigkeit des Amtsgerichts Saarbrücken (DE) wirksam vereinbart hätten. Der Wirksamkeit dieser Vereinbarung stünden die Einschränkungen des § 38 Abs. 3 ZPO nicht entgegen. Die in Frage kommende Gerichtsstandsvereinbarung sei vielmehr an Art. 23 EuGVVO zu messen, der Vorrang vor § 38 Abs. 3 ZPO genieße. Da Art. 23 EuGVVO einen Bezug des Streitgegenstandes zum vereinbarten Gerichtsstand nicht voraussetze, hätten die Parteien vorliegend die internationale und örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Saarbrücken (DE) wirksam prorogiert.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
1. Der Kläger, Rechtsanwalt, verfolgt gegenüber dem in Frankreich wohnhaften Beklagten Gebührenansprüche. Unter dem 07.11.2002 hat er einen Mahnbescheid erwirkt, in dem als Gericht, an dem das streitige Verfahren durchzuführen ist, das Amtsgericht Saarlouis genannt wird. An dieses Gericht wurde die Sache abgegeben, nachdem der Beklagte gegen den Mahnbescheid Widerspruch eingelegt hatte.
2. In einem Beschluss vom 24.04.2003 hat das Amtsgericht Saarlouis u.a. darauf hingewiesen, „dass nach neuerer, wenn auch nicht unbestrittener Auffassung, § 29 ZPO auf den Anwaltsvertrag grundsätzlich keine Anwendung findet“.
3. Nachdem der Beklagte zunächst die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Saarlouis gerügt hatte, hat er in der Folge, nach Rechtshängigkeit, mit dem Kläger die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Saarbrücken schriftlich vereinbart (Bl. 65 der Akten). Daraufhin hat das Amtsgericht Saarlouis sich mit Beschluss vom 18.06.2003 für örtlich unzuständig erklärt und auf Grund der vorgenannten Gerichtsstandsvereinbarung die Sache auf Antrag des Klägers an das Amtsgericht Saarbrücken verwiesen. Das Amtsgericht Saarbrücken hält den Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Saarlouis vom 18.06.2003 für greifbar gesetzeswidrig und ist der Auffassung, dass insoweit keine Bindungswirkung eingetreten sei. Es hat die Übernahme der Sache mit Beschluss vom 17.7.2003 abgelehnt.
4. Nachdem in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Saarbrücken am 14.01.2004 der Beklagte die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Saarbrücken gerügt hatte, hat das Amtsgericht Saarbrücken die Sache dem Landgericht gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichtes vorgelegt.
II. Da sowohl das Amtsgericht Saarlouis als auch das Amtsgericht Saarbrücken sich jeweils durch Beschluss für örtlich unzuständig erklärt haben, liegen die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für eine Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichtes vor. Gemäß § 281 Abs. 2 S. 2 ZPO ist das Amtsgericht Saarbrücken örtlich zuständig.
Im Interesse der Prozessökonomie und zur Vermeidung von Zuständigkeitsstreitigkeiten entzieht die vorgenannte Regelung auch einen sachlich zu Unrecht ergangenen Verweisungsbeschluss und die diesem Beschluss zu Grunde liegende Entscheidung über die Zuständigkeit grundsätzlich jeder Nachprüfung (vgl. BGH, NJW 2002, 3634; BGHZ 102, 338; BGH, NJW-RR 1992, 902; NJW 1993, 2810). Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung kommt einem Verweisungsbeschluss allenfalls dann keine Bindungswirkung zu, wenn er schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann, etwa weil er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss (vgl. BGH, NJW 2002, 3634; BGHZ 71, 69; BGH, NJW-RR 1992, 383). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
Eine willkürliche Verweisung an das Amtsgericht Saarbrücken liegt insbesondere nicht deshalb vor, weil der Kläger in dem Mahnbescheid das Amtsgericht Saarlouis als örtlich zuständiges Gericht genannt hat. Zwar ist der Kläger grundsätzlich an die Angabe im Mahnbescheid gebunden, wenn er dort eine Auswahl unter mehreren möglichen Gerichtsständen getroffen hat. Von dieser Konstellation ist das Amtsgericht Saarlouis jedoch in vertretbarer Weise nicht ausgegangen. Das Amtsgericht Saarlouis hat bereits mit seinem Beschluss vom 24.04.2003 darauf hingewiesen, dass es sich selbst überhaupt nicht für zuständig hält. Die dabei in Bezug genommene Regelung des § 29 ZPO lässt erkennen, dass das Amtsgericht Saarlouis der auch vom Bundesgerichtshof vertretenen Auffassung (vgl. Beschluss vom 11.11.2003, Betriebsberater 2003, 2709) gefolgt ist, nach der der Erfüllungsort für Honorarklagen des Anwaltes grundsätzlich am Wohn- oder Geschäftssitz seines Mandanten und nicht am Kanzleiort des Anwaltes liegt. Da hier das Amtsgericht Saarlouis allein unter dem Gesichtspunkt des Gerichtes des Erfüllungsortes als örtlich zuständiges Gericht in Betracht kommen kann, das Amtsgericht Saarlouis dies aber mit vertretbarer und keinesfalls willkürlicher Argumentation verneint hat, verstößt die Verweisung an das Amtsgericht Saarbrücken nicht – wie dort vertreten – gegen den Grundsatz der perpetuatio fori. Der vorgenannte Grundsatz setzt voraus, dass das Ausgangsgericht einmal örtlich zuständig war. Ist diese Zuständigkeit gegeben, kann sie durch nachträgliche Veränderungen nicht mehr beseitigt werden. Eine solche Konstellation hat das Amtsgericht Saarlouis hier aber in zumindest vertretbarer Weise gerade nicht angenommen.
Es kann offen bleiben, ob ein Verstoß gegen § 38 Abs. 3 S. 2 ZPO, auf den das Amtsgericht Saarbrücken in seiner Vorlageverfügung hinweist, ausreichend ist, ausnahmsweise die Bindungswirkung des § 281 Abs. 2 S. 2 ZPO entfallen zu lassen. Dabei muss nicht darauf eingegangen werden, ob die Prämisse des Amtsgerichts Saarbrücken richtig ist, dass in seinem Gerichtsbezirk nicht einmal der Erfüllungsort liegen kann (vgl. hierzu die Adresse, unter der der Beklagte am 20.03.2000 von dem Kläger angeschrieben worden – Bl. 58 der Akten -). § 38 Abs. 2 ZPO greift im vorliegenden Fall nämlich überhaupt nicht ein. Da der Beklagte in Frankreich und der Kläger in Deutschland wohnt, verdrängen die spezielleren Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Amtsblatt EG Nr. L 12 vom 16.01.2001, Seite 1 f – EuGVVO -) den vom Amtsgericht in Bezug genommenen § 38 Abs. 2 ZPO. Nach Artikel 23 Abs. 1 iVm Artikel 3 Abs. 1 EuGVVO konnte die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Saarbrücken im vorliegenden Falle ohne die Einschränkungen des § 38 Abs. 2 ZPO vereinbart werden (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, Anhang 1, Artikel 23 EuGVVO, Rn. 10, 32, 33). Dass ein Bezug des Streitgegenstandes zum vereinbarten Gerichtsstand gegeben ist, ist nach Art. 23 EuGVVO nicht notwendig (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, Anhang 1, Artikel 23 EuGVVO, Rn. 45).
Nach alledem liegt hier keine Fallgestaltung vor, bei der dem Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Saarlouis die Rechtswirksamkeit zu versagen wäre. Das Amtsgericht Saarbrücken ist deshalb das örtlich zuständige Gericht.