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Zusammenfassung der Entscheidung Die deutsche Klägerin hat bei der niederländischen Beklagten Ware per Fax bestellt. Die Beklagte hat per Fax das Angebot angenommen. Daraufhin hat die Klägerin ihre Bestellung auch per Post geschickt. Auf der Rückseite dieses Schreibens waren ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) abgedruckt, die eine Klausel zugunsten eines deutschen Gerichtsstands enthielten. Die AGB der Beklagten enthielten eine davon abweichende Gerichtsstandsklausel. Die Beklagte hat die Ware geliefert. Wegen verschiedener Mängel wurde die Ware zurückgesandt. Eine Neulieferung fand später statt. Im Anschluss an dieser Lieferung erfuhr die Klägerin, dass sie die gelieferte Ware in Deutschland nicht veräußern könnte. Sie klagt nunmehr gegen die Beklagte vor einem deutschen Gericht auf Aufhebung des Kaufvertrags sowie Schadensersatz.
Das Landgericht Gießen (DE) findet, dass die deutschen Gerichte gemäß Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVO international zuständig seien. Der Erfüllungsort im Sinne dieser Vorschrift bestimme sich nach dem CISG. Diesem Übereinkommen nach befinde sich der Erfüllungsort für Rückzahlungs- und Rückgabepflichten am Sitz des Käufers, im vorliegenden Fall also in Deutschland. Da sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bereits aus Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVO ergebe, könne die Frage, ob die Parteien eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 23 EuGVO abgeschlossen hätten, dahingestellt bleiben. Das Gericht geht allerdings davon aus, dass eine derartige Vereinbarung nicht vorliege. Die eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden AGB der Klägerin seien nicht in den streitigen Vertrag einbezogen worden. Außerdem enthielten die AGB der Beklagten eine abweichende Gerichtstandsklausel, so dass man angesichts des widersprechenden Inhalts beider Geschäftsbedingungen für die Bestimmung des Gerichtsstands auf die gesetzlichen Regeln der EuGVO zurückgreifen müsse.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Klägerin klagt auf Aufhebung eines Kaufvertrages und Schadensersatz unter Zugrundelegung von UN-Kaufrecht.
Die Klägerin bestellte am 2.12.1999 bei der Beklagten per Fax (Anlage K 2 Bl. 14 der Akten) 500.000 Stück Warndreiecke. Mit einem Antwort-Fax vom 6.12.1999 (Anlage K 3 Bl. 15 der Akten) nahm die Beklagte dieses Angebot an. Später wurde die Bestellung einvernehmlich auf 86.060 Stück reduziert. Hintergrund der Bestellung war die Einführung der Pflicht in Spanien, in jedem Fahrzeug zwei Warndreiecke mit zuführen.
Die Warndreiecke wurden bis zum 7.7.2000 geliefert. Die Klägerin verkaufte 10.460 Stück. Sie rügte aber auch Mängel. Insoweit einigten sich die Klägerin, die Beklagte und deren Lieferantin, die Firma ... über eine Neulieferung von 40.000 Stück, wie im einzelnen in der Anlage K7 (Bl. 24, 25 der Akten) festgehalten. Im Anschluss an die Ersatzlieferung von 40.000 Stück Ersatzwarndreiecken erfuhr die Klägerin am 4./5.8.2001 von einem Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 17.5.2001 (Anlage K 8, Bl. 27 der Akten), wonach der Verkauf und die Verwendung von Warendreiecken des gelieferten Typs im Bereich der Bundesrepublik Deutschland verboten worden war.
Die Klägerin verlangt nunmehr Aufhebung des Vertrages und Ersatz von Einlagerungskosten.
Die Klägerin behauptet, sie habe die Bestellung vom 2.12.1999 auch per Post an die Beklagte gesandt, wobei auf der Rückseite ihre Einkaufsbedingungen (Bl. 13 der Akten), die in Punkt 10 als Erfüllungsort für beide Teile den angegebenen Empfangsort für die Lieferungen und für Zahlungen Linden und als Gerichtsstand Gießen vorsehen, abgedruckt seien. Diese seien der Beklagten auch auf Grund der seit dem Jahre 1994 bestehenden geschäftlichen Beziehungen, bei denen Bestellung jeweils auch per Post übersandt worden seien, bekannt gewesen.
Die Warndreiecke seien aufgrund ihrer Mängel und Abweichungen von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit weder in Deutschland noch in der EU zu veräußern.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 202.839,72 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 1.5.2000 Zug um Zug gegen Rückübertragung von 69.600 Stück Warndreiecke des Typs YJ-D7-2 Fabrik- oder Handelsmarke YJ Hersteller ... zu zahlen.
Die Beklagte rügt die internationale Zuständigkeit und beantragt vorsorglich, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Zuständigkeit der deutschen Gerichte sei nicht gegeben. Sie behauptet, die Geschäftsbedingungen der Klägerin seien ihr nicht bekannt gewesen, auch nicht aus früheren Geschäftskontakten, die auch nur in einzelnen Fällen und nicht als dauernde Geschäftsverbindung bestanden hätten. Es seien nur fünf Aufträge abgewickelt worden. Die Beklagte habe auch nur unter Zugrundelegung der eigenen allgemeinen Geschäftsbedingungen geliefert. Eine per Post versandte Bestellung sei, falls diese erfolgt sei, nicht vor der Vertragsannahme am 6.12.1999 zugegangen. Der Erfüllungsort sei auch für eine Kaufpreisrückzahlung, wie aus Art. 57, 58 CISG folge, in den Niederlanden. Das gelte auch bei Berücksichtigung der vereinbarten Absicherung durch ein Akkreditiv, wonach die Dokumente in den Niederlanden zu präsentieren gewesen sein.
Eine wesentliche Vertragsverletzung liege im übrigen nicht vor, weil die Warndreiecke in Spanien hätten verkauft werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das von der Klägerin angerufene Landgericht Gießen ist zur Entscheidung des Rechtsstreits international und örtlich zuständig.
Da die Parteien hierüber und auch in der Sache selbst streiten, wobei die Begründetheit der Klageforderung voraussichtlich weitere Sachaufklärung erfordern wird, ist es sachgerecht, über die Zuständigkeit zunächst durch Zwischenurteil (§ 303 ZPO) zu entscheiden. Einer solchen Entscheidung steht nicht entgegen, dass keine abgesonderte Verhandlungen über die Zulässigkeit (§ 280 Abs. 1 ZPO) angeordnet worden ist. Das ist nicht zwingend erforderlich (Zöller, ZPO, 23. Aufl., § 280, Rn. 3).
Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte und die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Gießen ergeben sich daraus, dass der Erfüllungsort für die Verpflichtungen der Beklagen, auf deren Erfüllung sie mit der Klage in Anspruch genommen wird, sich am Sitz der Klägerin befindet.
Anzuwenden ist die EuGVVO, da die Klage nach ihrem Inkrafttreten am 1.3.2002 erhoben worden ist (Art. 76, Art. 66 Abs. 1). Unstreitig sind beide Parteien in Vertragsstaaten ansässig. Ferner gelten die Regelungen der CISG, da ein Kaufvertrag über Waren vorliegt (Art. 1 CISG).
Art. 5 Ziff 1 a EuGVVO, knüpft an den Gerichtsstand des Erfüllungsortes an.
Dieser befindet sich in ... so dass die Beklagte in der Bundesrepublik Deutschland vor dem Landgericht Gießen auf Aufhebung des Vertrages und Ersatz von Einlagerungskosten in Anspruch genommen werden kann.
Als Erfüllungsort ergibt sich hier in Anwendung der Art. 57 und 81 CISG ...
Die Kammer folgt der heute allgemein vertretenen Auffassung, wonach sich der Erfüllungsort für die Rückzahlungspflicht, der in der CISG nicht speziell geregelt ist, analog zu Art. 57 Abs. 1 lit. a CISG und der Erfüllungsort für die Rückgabepflicht analog zu Art. 31 lit. c CISG im Zweifel an dem Niederlassungsort des Käufers befinden, also eine Umkehrung des Leistungsortes der Primärleistungspflichten erfolgt (Staudinger CISG 1999, Art. 81, Rn. 19; Soergel CISG, 13. Aufl., Art. 81 CISG, Rn. 10; v. Caemmerer/Schlechtriem, CISG, 2. Aufl., Art. 81, Rn. 18 jeweils mwN; OLG Düsseldorf, RIW 1993, 845). Die Kammer verkennt nicht, dass der Bundesgerichtshof, (BGHZ 78, 257), allerdings noch zur Zeit der Geltung des EKG, als Erfüllungsort für die Kaufpreisrückgewähr den Ort der gewerblichen Niederlassung des Verkäufers angenommen hat. Sie ist allerdings der Auffassung, dass der heute allgemein vertretenen Auffassung der Vorzug zugeben ist, zumal der BGH wesentlich auf den Vorrang des Sitzes des Verkäufers als Erfüllungsort abstellt, was für die Situation nach der Vertragsaufhebung nicht zwingend erscheint.
Wenn demgemäß als Erfüllungsort der Ort der Niederlassung des jeweiligen Gläubigers anzunehmen ist, gilt dieser auch für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch (OLG Düsseldorf aaO).
Ob die Parteien auch eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung getroffen haben, durch die die Zuständigkeit des Landgerichts Gießen begründet worden ist kann damit dahinstehen.