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Zusammenfassung der Entscheidung Die deutsche Klägerin macht gegen die französische Beklagte Ansprüche wegen Nichtlieferung von Geräten vor deutschen Gerichten geltend. Die Parteien hatten einen Formularvertrag abgeschlossen, der auf die Versteigerungsbedingungen (AGB) der Klägerin, welche eine Gerichtsstandsklausel enthielten, Bezug nahm.
Der Bundesgerichtshof (DE) verneint die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ sei nicht getroffen worden. Eine schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung oder eine mündliche mit schriftlicher Bestätigung getroffene Abrede komme durch Bezugnahme auf AGB nur dann wirksam zustande, wenn der Vertragspartner bei normaler Sorgfalt davon Kenntnis nehmen könne. Die Beklagte habe jedoch nicht die Möglichkeit gehabt, in zumutbarer Weise von den AGB der Klägerin Kenntnis zu nehmen. Auch die Voraussetzungen des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ seien nicht gegeben. Eine wirksame Erfüllungsortsvereinbarung sei nicht getroffen worden, da die maßgebliche englische Fassung der AGB der Klägerin keine Bestimmung über den Erfüllungsort enthalten habe. Für den Erfüllungsort sei auf die konkret streitige vertragliche Verpflichtung abzustellen, und zwar auch dann, wenn das Zustandekommen des Vertrages streitig sei. Für den Anspruch der Klägerin wegen Nichtlieferung der Geräte sei an den Erfüllungsort für die Hauptpflicht anzuknüpfen; dies müsse auch dann gelten, wenn eine Partei sich unberechtigt vom Vertrag losgesagt habe. Maßgeblich sei damit der Erfüllungsort für die Lieferung der Geräte seitens der Beklagten. Ein einheitlicher Erfüllungsort für sämtliche vertraglichen Ansprüche an dem Ort, der den Schwerpunkt des Vertrages bilde, sei nicht gegeben. Der Erfüllungsort der maßgeblichen Verpflichtung sei nach deutschen Recht zu bestimmen und liege danach am Geschäftssitz der Beklagten in Paris (FR).
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Rechtssache ist ohne grundsätzliche Bedeutung. Auch bietet die Revision keine Aussicht auf Erfolg (BVerfGE 54, 277).
Das Berufungsgericht hat die Klage, anders als das Landgericht, nicht als unbegründet, sondern wegen Fehlens der internationalen Zuständigkeit schon als unzulässig abgewiesen und die Klägerin auf eine Klage gegen ihre französische Geschäftspartnerin in Paris verwiesen. Die hiergegen erhobenen Rügen der Revision greifen nicht durch.
1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht das Vorhandensein einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung zwischen den Parteien im Sinne des Art. 17 EuGVÜ mit der Begründung verneint, der von dem Bevollmächtigten der Beklagten T. unterzeichnete Formulartext nehme zwar auf die Versteigerungsbedingungen der Klägerin Bezug, die auch die Gerichtsstandsklausel enthielten, lasse aber nicht erkennen, daß diese Bedingungen in den Katalogen der Klägerin zu finden seien, und gebe darüber hinaus Anlaß zur Irreführung. Selbst wenn unterstellt werde, daß die Kataloge der vorangegangenen Auktionen T. bei Unterzeichnung der Formulare vorgelegen hätten, fehle es daher an der erforderlichen Willenseinigung der Parteien.
a) Die vorwiegend auf tatrichterlichem Gebiet liegende (BGH, Beschluß vom 31. Oktober 1989 – VIII ZR 330/88 – IPRax 1991, 326) Auslegung des Berufungsgerichts, wonach eine schriftliche Willenseinigung der Parteien über die Einbeziehung der Versteigerungsbedingungen der Klägerin nicht zustande gekommen sei, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Zwar ist nicht Voraussetzung, daß sich die Willenseinigung der Parteien ausdrücklich auf die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommene Gerichtsstandsklausel beziehen muß (Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht 4. Aufl. Art. 17 Rn. 30; Kohler, IPRax 1991, 299, 300). Der Rechtsprechung ist jedoch zu entnehmen, daß eine schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung und eine mündliche mit schriftlicher Bestätigung getroffene Abrede (sogenannte halbe Schriftlichkeit) nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 lit b EuGVÜ durch Bezugnahme auf Allgemeine Geschäftsbedingungen nur dann wirksam zustande kommen, wenn der Vertragspartner bei normaler Sorgfalt davon Kenntnis nehmen konnte (vgl. EuGH NJW 1977, 494; vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1994 – VIII ZR 185/92 – NJW 1994, 2699; Kropholler aaO Art. 17 Rn. 32; vgl. Kohler aaO). Die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ sind eng auszulegen. Daß die besondere gerichtliche Zuständigkeit Gegenstand einer Willenseinigung der Parteien war, muß klar und deutlich zum Ausdruck kommen. Die Formerfordernisse des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 sollen gewährleisten, daß die Einigung zwischen den Parteien tatsächlich feststeht (BGH aaO mwN; Kropholler aaO Art. 17 Rn. 20 und 32). Für Kaufleute gilt kein Sonderrecht (Zöller/Geimer, ZPO 19. Aufl. Art. 17 GVÜ Rn. 13).
Daß die Klägerin der Beklagten die Möglichkeit, in zumutbarer Weise von ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen Kenntnis zu nehmen, verschafft habe, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Auch wenn die Kataloge zu früheren Auktionen bei dem Gespräch der Parteien am 29. März 1993 in Paris vorgelegen haben, fehlt es zum einen an einem Hinweis der Klägerin, daß dort die Versteigerungsbedingungen zu finden sind. Daß sie T. mündlich hierauf aufmerksam gemacht habe, hat die Klägerin selbst nicht behauptet. Zum anderen stellt das Berufungsgericht zu Recht darauf ab, daß durch die Verweisung auf eine Liste in dem englischen Text der Irrtum erregt werden kann, mit den Geschäftsbedingungen sei die auf der Rückseite des Formulars abgedruckte Liste gemeint.
b) Die Revision hat diese Erwägungen des Berufungsgerichts nicht beanstandet, lastet ihm aber an, es habe die auch in dem englischen Text des Formulares enthaltene Bestätigung unberücksichtigt gelassen (§ 286 ZPO), der Einlieferer versichere, die Bedingungen gelesen und verstanden zu haben. Diese Floskel, die als Beweislastklausel nach materiellem deutschen Recht grundsätzlich gegen § 11 Nr. 15 b AGB-Gesetz verstößt (Senatsurteil vom 24. März 1988 – III ZR 21/87 – NJW 1988, 2106, 2108), ist aber bei dem autonom zu verstehenden Begriff der Vereinbarung (Kohler aaO; Kropholler aaO Art. 17 Rn. 20; Zöller/Geimer aaO Art. 17 GVÜ Rn. 12) ohne rechtliche Bedeutung für die Frage, ob der Einlieferer von den Bedingungen Kenntnis genommen hat oder bei zumutbarer Sorgfalt hiervon Kenntnis nehmen konnte. Daß der Inhalt der Klausel im Falle der Beklagten zutreffend ist, daß T. nämlich tatsächlich die Bedingungen gelesen und verstanden habe, hat die Klägerin selbst nicht behauptet.
2. Auch die Voraussetzungen des Gerichtsstands des Erfüllungsortes (Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ) hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei als nicht gegeben angesehen.
a) Der Erfüllungsort, für dessen Bestimmung das Berufungsgericht zutreffend deutsches Recht zugrunde gelegt hat, – und zwar wegen der Anwendbarkeit deutschen Rechts nach Nr. 34 der Geschäftsbedingungen der Klägerin, falls sie nach deutschem Recht wirksam vereinbart worden wären, jedenfalls aber mit Rücksicht auf Art. 28 Abs. 1 und 2 EGBGB -, ist für die geltend gemachte Forderung wegen der Nichtlieferung der Geräte der Geschäftssitz der Beklagten in Paris (§ 269 Abs. 1 BGB iVm § 270 Abs. 4 BGB).
b) Eine wirksame Vereinbarung über den Erfüllungsort durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin hinge zwar nicht von der in Art. 17 für Gerichtsstandsvereinbarungen vorgeschriebenen Form ab (EuGH WM 1980, 720; kritisch Kropholler aaO Art. 5 Rn. 17). Wie das Berufungsgericht festgestellt hat, enthalten die bei Vertragsschluß geltenden Geschäftsbedingungen der Klägerin in ihrer maßgeblichen englischen Fassung (anders als der in den Akten befindliche Katalog für die Versteigerung vom 28./29. September 1994) aber keine Bestimmung über den Erfüllungsort. Dies wird von der Revision nicht gerügt. Da englisch die zwischen den Parteien maßgebliche Verhandlungssprache war, ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß – wenn überhaupt – die englische Fassung der Geschäftsbedingungen, die in deutscher und englischer Sprache in den Katalogen niedergelegt sind, nach der stillschweigenden Vereinbarung der Parteien für ihre Vertragsbeziehungen maßgeblich ist. Dies wird auch von der Revision nicht gerügt.
c) Für den Erfüllungsort ist auf die konkret streitige vertragliche Verpflichtung abzustellen, die Gegenstand der Klage ist (EuGH NJW 1977, 490 und NJW 1995, 183), und zwar auch dann, wenn das Zustandekommen des Vertrages streitig ist (BGH, Urteil vom 9. März 1994 aaO). Für den Anspruch der Klägerin nach Nr. 22 ihrer Geschäftsbedingungen wegen Nichtlieferung der Geräte ist an den Erfüllungsort für die Hauptpflicht anzuknüpfen (EuGH aaO; BGH aaO; Zöller/Geimer aaO Art. 5 GVÜ Rn. 2); dies muß auch gelten, wenn sich der Gegner unberechtigt vom Vertrag losgesagt hat (vgl. EuGH aaO; zweifelnd Kropholler aaO Art. 5 Rn. 7 a.E.), was hier möglicherweise der Fall war. Maßgeblich ist demnach der Erfüllungsort für die Lieferung der Geräte seitens der Beklagten. Ein einheitlicher Erfüllungsort für sämtliche vertragliche Ansprüche an dem Ort, der den Schwerpunkt der vertraglichen Beziehungen bildet, ist nicht gegeben (BGH, Urteil vom 11. Februar 1988 – I ZR 201/86 – NJW 1988, 1466), grundsätzlich auch nicht an dem Ort, wo die das Vertragsverhältnis prägende, charakteristische Leistung zu erbringen ist (Kropholler aaO Art. 5 Rn. 8; Zöller/Geimer aaO Art. 5 GVÜ Rn. 4 a.E.).
d) Die Revision versucht, den Erfüllungsort an den Sitz der Klägerin als Ort der Versteigerung zu verlegen und wendet in diesem Zusammenhang auf das Vertragsverhältnis der Parteien Kommissionsrecht an. Dem ist im Ergebnis nicht zu folgen.
Nach herrschender Meinung ist Erfüllungsort für die Leistungen des Kommittenten jedenfalls dann dessen Niederlassung, wenn er – wie hier die Beklagte – ein Gewerbe betreibt (Koller in Staub, Großkommentar HGB 4. Aufl. § 383 Rn. 65; vgl. für den selbständigen Handelsvertreter OLG Düsseldorf NJW 1974, 2185 f). Auch nach innerdeutschem Recht besteht keine starke Tendenz zu einem einheitlichen Erfüllungsort (mehr). Die Frage, ob die in Art. 5 EuGVÜ vorgeschriebene Anknüpfung an die klageweise geltend gemachte Leistung durch Anwendung einer nach materiellem Recht gebildeten Schwerpunktzuständigkeit überspielt werden kann, braucht daher hier nicht entschieden zu werden.