Die Klägerin ist ein bedeutendes ... Unternehmen der Lebensmittelbranche, die Beklagte betreibt einen Groß- und Einzelhandel mit Lebensmitteln, welche, zumindest teilweise, insbesondere für italienische Endverbraucher in der Bundesrepublik bestimmt sind. Die Parteien stehen in Geschäftsbeziehungen zueinander. Sie schlossen am 1.5.1976 einen Vertriebsvertrag, der der Beklagten zu 1 das ausschließliche Wiederverkaufsrecht der Produkte der Klägerin in den Bundesländern Hessen, Bayern, Rheinland-Pfalz, Saarland und Baden-Württemberg einräumt. Wegen der Einzelheiten wird auf den bei den Akten befindlichen Vertrag (s. Abschrift des Originaltextes Bl. 10 ff. der Akten, Übersetzung Bl. 16 ff. der Akten) Bezug genommen.
Der Abschnitt Nr. 9 des Vertrages lautet:
„Maßgebendes Recht – Gerichtsstand
Es wird ausdrücklich vereinbart, dass dieser Vertrag durch das italienische Recht geregelt wird.
Soweit in diesem Vertrag nichts anderes vorgesehen ist, wird im besonderen auf die Bestimmungen des Art. 1559 ff. des C.C. (ital. Bürgerliches Gesetzbuch) verwiesen.
Für alle Streitigkeiten ist das Gericht Monza örtlich zuständig.“
Die Klägerin lieferte gemäß vom 20.11.1980 bis 9.12.1981 erteilter Rechnungen Ware zum Kaufpreis von 971.405,76 DM. Das Guthaben reduzierte sich durch Zahlungen und Verrechnungen auf 706.721,99 DM. Diesen Betrag hat die Klägerin mit der Klage gefordert. Die Beklagte zu 2 ist die persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten zu 1.
Die Klägerin hat vorgetragen, die Gerichtsstandsklausel sei ausschließlich zu ihren Gunsten getroffen worden. Sie könne daher zwischen dem vereinbarten und dem gesetzlichen Gerichtsstand der Beklagten wählen.
Die Beklagten haben bereits im ersten Rechtszug die Zuständigkeit des Gerichts gerügt und angeführt, aus den Umständen ergebe sich, dass die Gerichtsstandvereinbarung nicht nur im Interesse der Klägerin, sondern auch in ihrem Interesse getroffen worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien im ersten Rechtszug, insbesondere wegen der dort gestellten Anträge, wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Durch dieses Urteil hat das Landgericht die Klage als unzulässig mit der Begründung abgewiesen, das Landgericht Darmstadt sei nicht zuständig, sondern nur das Gericht in Monza sei zur Entscheidung des Rechtsstreits berufen. Durch die Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien sei für Klagen aus dem Vertragsverhältnis die ausschließliche Zuständigkeit des italienischen Gerichts vereinbart worden. Die Gerichtsstandvereinbarung sei zugunsten beider Parteien getroffen worden, denn nicht nur die Klägerin, sondern auch die Beklagten hätten eine so ausgeprägte Verbindung zu Italien, der italienischen Sprache und dem italienischen Rechtssystem, dass es auch für sie erstrebenswert gewesen sei, im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung diese vor einem italienischen Gericht austragen zu können.
Gegen dieses am 30.11.1982 verkündete und am 7.12.1982 zugestellte Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe ebenfalls in vollem Umfang Bezug genommen wird, hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt und das Rechtsmittel innerhalb rechtzeitig verlängerter Begründungsfrist ordnungsgemäß begründet.
Die Klägerin macht geltend, die Gerichtsstandvereinbarung sei nur in ihrem Interesse getroffen worden und deshalb habe sie mit Art. 17 Abs. 3 des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuG-Übk) das Recht behalten, jedes andere Gericht anzurufen, das aufgrund des Übereinkommens zuständig ist, also auch das Landgericht Darmstadt. Dass die Gerichtsstandsvereinbarung nur in ihrem Interesse erfolgt sei, ergebe sich zumindest aus der Wahl von „Monza“, wo sie als italienische Aktiengesellschaft ihren Sitz habe.
Demgegenüber handelt es sich bei den Beklagten um deutsche Gesellschaften mit dem Sitz in Mühlheim am Main, deren Geschäftszweck im Import und Export von Lebensmitteln und Spirituosen aus dem EG-Raum, also nicht nur aus Italien, bestehe. Auch stelle die Anwendung der Vertragsklausel für die Beklagten grundsätzlich eine Erschwernis der Prozeßführung dar, die auch durch den Umstand nicht ausgeglichen werde, dass der Geschäftsführer der Beklagten zu 2 italienischer Staatsangehöriger ist.
Im übrigen sei die Gerichtsstandsvereinbarung und die Vereinbarung der Anwendung italienischen Rechts nur deshalb in den Vertrag aufgenommen worden, weil sie, die Klägerin, Wert darauf gelegt und sich durchgesetzt habe.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 706.721,96 DM zu zahlen nebst 22,25 % Zinsen
aus 188.783,22 DM vom 15.3.81 – 19.3.81,
aus 284.442,42 DM vom 20.3.81 – 26.3.81,
aus 469.888,50 DM vom 27.3.81 – 7.5.81,
aus 409.595,54 DM vom 8.5.81 – 22.10.81,
aus 401.273,22 DM vom 23.10.81 – 9.12.81,
aus 393.513,51 DM vom 10.12.81 – 5.1.82,
aus 376.913,51 DM vom 6.1.82 – 8.2.82,
aus 532.493,51 DM vom 9.2.82 – 27.2.82 und
aus 706.721,96 DM ab 28.2.1982.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, Vollstreckungsschutz zu gewähren.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil und vertreten die Auffassung, dass Art. 17 Abs. 3 EuG-Übk nicht anwendbar sei, weil die Vereinbarung über die Anwendung des italienischen Rechts und über den Gerichtsstand „Monza“ auch zu ihren Gunsten getroffen worden sei. Ihr Geschäftsführer sei Italiener, der die deutsche Sprache in Wort und Schrift nur schlecht beherrsche und dessen Rechtskenntnisse sich zum größten Teil auf das italienische Recht bezögen. Deshalb sei der Vertrag auch in italienischer Sprache abgefasst worden. Gegenstand der Rechtsbeziehungen der Parteien sei ausschließlich der Export italienischer Lebensmittel in die Bundesrepublik, wo sie vorwiegend an italienische Landsleute verkauft würden. Dieser Behauptung der Beklagten hat die Klägerin substantiiert nicht widersprochen. Auch aus dem Wortlaut des Vertrages ergeben sich keine Hinweise dafür, dass die Gerichtsstandvereinbarung nur zugunsten der Klägerin getroffen worden sei. Schließlich scheitere der Klageanspruch daran, dass die von der Klägerin gelieferten Waren nicht den deutschen lebensmittelrechtlichen Bestimmungen entsprochen hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 4.2.1983 (Bl. 133 ff. der Akten), 20.4.1983 (Bl. 152 ff. der Akten) und 7.9.1983 (Bl. 166 der Akten), sowie auf die Schriftsätze der Beklagten vom 10.3.1983 (Bl. 144 ff. der Akten) und vom 1.11.1983 (Bl. 173 der Akten) nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 3.5.1983 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat mit Recht seine örtliche Zuständigkeit verneint und die Klage deshalb als unzulässig abgewiesen.
Die Parteien haben im Vertrag vom 1.5.1976 die internationale und örtliche Zuständigkeit des italienischen Gerichts in Monza/Italien für Streitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis vereinbart. Diese Zuständigkeit ist nach Art. 17 Abs. 1 EuG-Übk eine ausschließliche, so dass die Klägerin keine Wahl zwischen Monza und dem Landgericht Darmstadt hatte, sondern den Rechtsstreit zulässigerweise nur vor dem Gericht in Monza hätte führen können.
Diese Folge der zwischen den Parteien getroffenen Gerichtsstandvereinbarung ist auch nicht durch Art. 17 Abs. 3 EuG-Übk ausgeschlossen, denn die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit dieser Bestimmung liegen nicht vor. Hierauf hat bereits das Landgericht im angefochtenen Urteil mit zutreffender Begründung hingewiesen, so dass auf seine Ausführungen weitgehend Bezug genommen werden kann.
Die Frage, in welcher Weise ermittelt werden soll, ob bei einer Gerichtsvereinbarung im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuG-Übk eine einseitig begünstigende Klausel vorliegt, ist umstritten. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass es nur darauf ankomme, ob die Gerichtsstandvereinbarung objektiv die Klägerin begünstigt, ohne dass es von Bedeutung sei, den subjektiven Willen der Parteien zu erforschen (so Landgericht Nürnberg-Fürth in IPRspr. 1975 Nr. 140; Landgericht Trier in IPRspr. 1975 Nr. 145). Andere verlangen für die Annahme einer einseitigen Begünstigung durch eine schriftlich getroffene Gerichtsstandvereinbarung konkrete Hinweise auf einen entsprechenden Willen aus dem Vertrag (so z.B. OLG München in IPRspr. 1980 Nr. 139; Kropholler, Europ. Zivilprozeßrecht, 1982, Art. 17 Rn. 67).
Einer Entscheidung dieser Streitfrage bedarf es indessen nicht, denn weder lässt sich feststellen, dass die Gerichtsstandvereinbarung der Parteien objektiv nur die Klägerin begünstigt, noch ergeben sich aus dem schriftlichen Vertrag konkrete Hinweise auf eine entsprechende Willenssicherung der Klägerin.
Die Gesamtumstände weisen vielmehr deutlich darauf hin, dass die Klausel zwar auf Veranlassung der Klägerin in den Vertragstext aufgenommen worden ist, dass dies aber durchaus auch objektiv im Interesse der Beklagten lag.
Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass der für die Beklagten handelnde Geschäftsführer ... Italiener ist, der – dies ist substantiiert nicht bestritten worden – die deutsche Sprache in Wort und Schrift nur unvollkommen beherrscht. Durch die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts in Monza ist sichergestellt, dass etwaige Streitigkeiten in italienischer Sprache verhandelt werden können, ferner, dass bereits die Informationsgespräche mit einem etwaigen Prozeßbevollmächtigten ebenfalls in italienischer Sprache geführt werden können.
Wenn die Klägerin, was in einem früheren Stadium des Prozesses einmal geschehen ist, noch immer bestreiten wollte, dass die Geschäftsführung der Beklagten zu 2 in „italienischer Hand“ liegt, dann hätte sie sich durch den von ihr vorgelegten Handelsregisterauszug (s. Anlage zum Schriftsatz vom 17.1.1983 Bl. 126 ff. der Akten) selbst widerlegt.
Schließlich kann davon ausgegangen werden, dass der Geschäftsführer der Beklagten zu 2 und damit auch der für die Beklagte zu 1 handelnde ... laienhafte Kenntnisse allenfalls des italienischen Prozeßrechts und des italienischen sachlichen Rechts hat, dagegen kaum über Kenntnisse des deutschen Rechts verfügt.
Dazukommt, dass der Gegenstand der Geschäftsbeziehungen der Parteien – dies ist ebenfalls substantiiert nicht bestritten worden – im Export bzw. Import von Lebensmitteln aus Italien in die Bundesrepublik Deutschland besteht, wo diese Waren hauptsächlich für italienische Abnehmer bestimmt sind. Dieser Gesichtspunkt legt es auch für die Beklagten nahe, die Zuständigkeit eines italienischen Gerichts zu vereinbaren, weil am ehesten dort über Streitigkeiten wegen der Beschaffenheit der Ware eine aus der Sicht der Beklagten – befriedigende Entscheidung zu erwarten war.
Aus der Tatsache, dass als Gerichtsstand gerade Monza, der Sitz der Klägerin, gewählt wurde, kann im vorliegenden Falle nicht geschlossen werden, dass deshalb die gesamte Gerichtsstandvereinbarung ausschließlich zugunsten der Klägerin getroffen worden sei. Da die Beklagten trotz ihrer starken Beziehungen zu Italien dort keinen Sitz oder einen sonstigen örtlichen Beziehungspunkt hatten, lag es nahe, im Rahmen der Vereinbarung der für beide Parteien interessanten Zuständigkeit eines italienischen Gerichts gerade dasjenige am Sitz der Klägerin zu wählen.
Es mag sein, daß die hier vereinbarte Gerichtsstandklausel sich bei Verwendung gegenüber anderen Kunden der Klägerin, nämlich solchen ohne enge Beziehungen zu Italien, als einseitig begünstigend erweist. Darauf kommt es indessen nicht an. In dem hier allein entscheidenden Verhältnis der Klägerin zu den Beklagten wirkt sich die Klausel auch für die Beklagten vorteilhaft aus.