Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der S-G GmbH (im Folgenden: Gemeinschuldnerin). Die Beklagte ist mit einem 1/2-Anteil Gesellschafterin der Gemeinschuldnerin. Die mit einem Stammkapital von 50.000 DM ausgestattete Gemeinschuldnerin nahm von ihrer Hausbank, der L Bank, Darlehen und Kredite in Anspruch. Das Gesamtengagement der L Bank betrug in den Jahren 1994/95 rund 450.000 DM. Neben einer Absicherung der Kredite auf dem Betriebsgrundstück der Gemeinschuldnerin hat die L Bank die Einräumung der Kredite davon abhängig gemacht, dass die Beklagte als Gesellschafterin zusätzliche Sicherheiten stellte.
Die Beklagte stellte der L Bank über ihre Hausbank, die B P E, zur Absicherung der Kredite eine Bankgarantie in Höhe von 250.000 DM zur Verfügung. Ursprünglich betrug die Bankgarantie 480.000 DM und war zugunsten der S G-Z Bank AG ausgestellt. Diese hat die Bankgarantie an die L Bank abgetreten. Die L Bank hat mit Schreiben vom 15. Dezember 1993 die Ansprüche aus der Bankgarantie auf 250.000 DM beschränkt.
Nach Ablauf der ersten Bankgarantie übernahm die B P E eine Verlängerung der Bankgarantie über 250.000 DM bis zum 3. November 1995. Eine weitere Verlängerung der Bankgarantie erfolgte nicht.
Die L Bank reduzierte daraufhin die Kreditlinie. Da die Gemeinschuldnerin zu einer entsprechenden Rückführung der Kredite nicht in der Lage war, stellte sie am 5. Januar 1996 Konkursantrag; am 12. Februar 1996 wurde das Konkursverfahren über ihr Vermögen eröffnet.
Der Kläger bewertet die von der Beklagten gestellte Bankgarantie als Eigenkapitalersatz, da die Gemeinschuldnerin ab November 1994 in hohem Maße überschuldet gewesen sei. Da die Beklagte ihre Sicherheit nach Eintritt der Krise im November 1994 verlängert habe, habe sie die Finanzierungsverantwortung für die Gemeinschuldnerin übernommen. Sie müsse daher diese Finanzierungsverantwortung über den 3. November 1995 hinaus aufrechterhalten.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von 250.000 DM nebst Zinsen in Anspruch.
Die Beklagte tritt dem entgegen.
Sie rügt in erster Linie die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts und bestreitet im Übrigen das Vorliegen eines Eigenkapitalersatzes.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen mit der Begründung, das angerufene Gericht sei unzuständig. Die Klage sei gemäß Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ vor dem für die Beklagte zuständigen Gericht in Spanien zu erheben.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.
Er ist der Ansicht, dass EuGVÜ sei wegen des Ausnahmetatbestandes des Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 EuGVÜ nicht anwendbar, weil mit der Klage konkursrechtliche Ansprüche geltend gemacht würden. Im Übrigen sei das Landgericht Koblenz gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ international zuständig, weil vertragliche oder vertragsähnliche Ansprüche geltend gemacht würden.
Die Beklagte ist der Ansicht, bei dem behaupteten Anspruch aus §§ 30, 31 GmbHG analog bzw. 32b GmbHG handele es sich um gesellschaftsrechtliche und nicht um konkursrechtliche Ansprüche.
Beide Parteien wiederholen im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und ergänzen es.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Urkunden sowie das angefochtene Urteil verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung des Klägers hat in der Sache insoweit Erfolg, als das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit gemäß § 538 Abs. 1 ZPO an das Landgericht Koblenz zurückzuverweisen ist. Eine eigene Sachentscheidung des Berufungsgerichts ist nicht angebracht, weil es noch in erheblichem Umfang einer Sachverhaltsaufklärung bedarf. Der Kläger hat zudem die Zurückverweisung ausdrücklich beantragt.
Die Klage ist zulässig; es fehlt nicht an der internationalen Zuständigkeit des Landgerichts Koblenz.
1. Die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit erfolgt nach dem Übereinkommen der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) vom 27. September 1968. Die Parteien haben ihren Sitz in Deutschland bzw. Spanien. Beide Staaten sind dem Übereinkommen beigetreten. Ohne Zweifel betrifft der Rechtsstreit auch eine Zivil- und Handelssache im Sinne des Art. 1 Abs. 1 EuGVÜ.
2. Entgegen der Ansicht des Klägers ist im vorliegenden Rechtsstreit die Anwendung des Übereinkommens nicht ausgeschlossen.
a) Nach Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 EuGVÜ ist das Übereinkommen nicht auf Konkurse, Vergleiche oder ähnliche Verfahren anzuwenden. Gemeint sind damit in erster Linie die sogenannten Sammelverfahren. Gleiches gilt für einzelne Streitigkeiten, die sich unmittelbar aus diesen Sammelverfahren ergeben. Solche Einzelverfahren fallen aber nur dann unter den Ausschlusstatbestand, wenn sie unmittelbar aus dem Sammelverfahren hervorgehen und sich eng innerhalb des Rahmens eines Konkurs- oder Vergleichsverfahrens halten. So wird für Anfechtungsklagen des Konkursverwalters nach §§ 29 f KO die Unanwendbarkeit des EuGVÜ bejaht (vgl. Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, EuGVÜ, Art. 1 Rn. 88, 90; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 6. Auflage, EuGVÜ Art. 1 Nr. 35; BGH NJW 1990, 990).
b) Vorliegend handelt es sich nicht um ein solches konkursrechtliches Einzelverfahren.
Der Kläger macht aus dem Gesichtspunkt des Kapitalersatzes einen Erstattungsanspruch der Gemeinschuldnerin gegen die Beklagte geltend, weil diese nach der Darstellung des Klägers die Kredite der L Bank durch eine Bankgarantie zu einem Zeitpunkt abgesichert hat, zu dem bei der Gemeinschuldnerin bereits Überschuldung eingetreten war, und diese Bankgarantie über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten hat. Dieser Erstattungsanspruch besteht gemäß §§ 30 f GmbH-Gesetz in Verbindung mit der vom Bundesgerichtshof entwickelten Kapitalersatzgrundsätzen unabhängig von dem Konkursverfahren. Er hätte auch schon vor Eröffnung des Konkursverfahrens geltend gemacht werden bzw. von dem Geschäftsführer sogar geltend gemacht werden müssen (vgl. BGH NJW 1992, 1166).
3. In Anwendung des EuGVÜ ist die Beklagte gemäß Art. 2, 53 Abs. 1 EuGVÜ grundsätzlich an ihrem Sitz in Spanien zu verklagen. Dies gilt aber nicht, wenn nach den Bestimmungen des EuGVÜ ein besonderer oder ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist. So liegt es hier.
a) Allerdings besteht eine ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Koblenz nach Artikel 16 Nr. 2 EuGVÜ nicht. Diese Vorschrift betrifft nur Klagen, welche die Gültigkeit, Nichtigkeit oder die Auflösung einer Gesellschaft oder juristischen Person oder die Beschlüsse ihrer Organe zum Gegenstand haben. Andere als die genannten Rechtschutzgesuche unterfallen den allgemeinen Zuständigkeitsregeln, auch wenn sie eng mit den Innenbeziehungen einer Gesellschaft zusammenhängen (vgl. Zöller/Geimer ZPO, 22. Auflage, Anhang I Art. 16 GVÜ Rn. 8b).
b) Die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit ergibt sich aber aus Art. 5 Nr. 1, 53 Abs. 1 Satz 1 EuGVÜ.
Danach kann eine Gesellschaft, die ihren Sitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, in Abweichung von der allgemeinen Zuständigkeitsbestimmung des Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.
Nach der Rechtsprechung des EuGH dient der Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ als Kriterium zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs einer der besonderen Zuständigkeitsregeln, auf die der Kläger zurückgreifen kann. Der Begriff ist als autonomer Begriff anzusehen, bei dessen Auslegung im Rahmen der Anwendung des Übereinkommens in erster Linie die Systematik und die Zielsetzungen dieses Übereinkommens berücksichtigt werden müssen, damit dessen volle Wirksamkeit sichergestellt ist (vgl. EuGH NJW 1989, 1424 -- Arcado/Haviland). In Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ kommt das Bestreben zum Ausdruck, wegen der engen Bindungen, die ein Vertrag zwischen den Vertragsparteien schafft, sämtliche Schwierigkeiten, die bei der Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung auftreten können, vor ein und dasselbe Gericht, nämlich das Gericht des Erfüllungsortes zu bringen (vgl. Kropholler aaO Art. 5 Rn. 5).
c) Der Einordnung des von dem Kläger geltend gemachten Erstattungsanspruchs als solchen aus Vertrag steht nicht entgegen, dass es sich bei diesem Anspruch nicht um einen solchen handelt, der direkt im Vertrag vereinbart worden ist, sondern sich aus dem Gesetz (§§ 30 f GmbHG) in Verbindung mit den Rechtsprechungsgrundsätzen ergibt. Das Bestehen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung und damit das Vorliegen eines Gesellschaftsvertrages ist nämlich zwingende Voraussetzung für das Entstehen dieser Ansprüche. Zu den Verpflichtungen aus einem Vertrag gehören aber nicht nur die unmittelbaren Leistungs- und Zahlungs- oder Unterlassungspflichten, sondern auch die Verpflichtungen, die an die Stelle einer nicht erfüllten vertraglichen Verpflichtung treten, also vor allem Schadensersatz oder Rückzahlungsansprüche und zwar auch dann, wenn sie aus dem Gesetz folgen (vgl. Kropholler aaO Art. 5 Rn. 10).
Die Einbeziehung des Erstattungsanspruchs in Artikel 5 Nr. 1 EuGVÜ entspricht auch der Zielsetzung des Übereinkommens, die im Interesse der Rechtssicherheit sowie im Interesse der Parteien die Anwendung der Bestimmungen desjenigen nationalen Gerichts ermöglicht, das in territorialer Hinsicht zur Entscheidung über den Rechtsstreit am besten geeignet ist (vgl. EuGH IPrax 1983, 31, 33).
Gerade dieser Gedanke der Sachnähe, der der Regelung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ erkennbar zugrunde liegt, spricht für die Einbeziehung des geltend gemachten Erstattungsanspruches, bei dem es nicht nur auf die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse der Gesellschaft, sondern auch auf das Verhalten außenstehender Kreditgeber ankommt.
d) Der nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ maßgebliche Erfüllungsort richtet sich nach dem gemäß deutschem Kollisionsrecht anwendbaren Recht (vgl. EuGH NJW 1995, 183, 184; Geimer/Schütze aaO Art. 5 Rn. 64 f). Das ist im Streitfall das deutsche Gesellschaftsrecht. Nach der herrschenden Sitztheorie (vgl. BGH NJW 1996, 54, 55; Palandt/Heldrich, BGB, 59. Auflage, Anh. zu Art. 12 EGBGB Rn. 2) ist das Recht des Staates anwendbar, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat.
Nach deutschem Gesellschaftsrecht ist einheitlicher Erfüllungsort für die Forderungen der Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter der Sitz der Gesellschaft (vgl. Palandt/Heinrichs, aaO § 269, Rn. 13, 18). Dies gilt auch, wenn die Ansprüche der Gesellschaft durch einen Konkursverwalter geltend gemacht werden.
4. Die Zuständigkeit des Landgerichts ist auch gegeben, soweit es einen Erstattungsanspruch gemäß § 37 KO in Betracht ziehen sollte.
Wie dargelegt handelt es sich dann insoweit um eine konkursrechtliche Anfechtungsklage, auf die das EuGVÜ keine Anwendung findet. Die Zuständigkeit ergibt sich in diesem Falle aus dem besonderen Gerichtsstand der Mitgliedschaft gemäß § 22 ZPO und dem Gerichtsstand des Erfüllungsortes gemäß § 29 ZPO (vgl. Zöller/Vollkommer, aaO § 22 Rn. 6; § 29 Rn. 25 „Handelsgesellschaft“; OLG Karlsruhe BB 1998, 389, 390.