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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragsgegnerin erhob gegen den Beschluss eines deutschen Landgerichts, durch den ein französisches Berufungsurteil für in Deutschland vollstreckbar erklärt wurde, Beschwerde. Sie trug vor, dass das EuGVÜ nicht anwendbar sei, da das erstinstanzliche Urteil vor Inkrafttreten des EuGVÜ ergangen sei. Außerdem habe das französische Gericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen, da die Parteien den Gerichtsstand Hamburg (DE) vereinbart hätten.
Das Oberlandesgericht Hamburg (DE) hält die Beschwerde für unbegründet. Das EuGVÜ sei im vorliegenden Fall anwendbar. Maßgeblich sei das Datum der das erstinstanzliche Urteil bestätigenden Entscheidung der Cour d’Appel de Paris (FR). Diese sei am 27. 04. 1973 ergangen; Art. 54 Abs. 2 EuGVÜ müsse somit Anwendung finden. Die Antragstellerin habe die Vollstreckungsklausel erst nach Abschluss des Berufungsverfahrens aufgrund des bestätigenden Berufungsurteils verlangt. Mit dem Berufungsurteil liege eine neue vollstreckbare Entscheidung vor; auf diese könne sich ebenso wie auf die erste Entscheidung der Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel nach Art. 31 EuGVÜ beziehen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Zwangsvollstreckung nach Art. 54 Abs. 2 EuGVÜ lägen vor. Die Zuständigkeit des erstinstanzlichen französischen Gerichts habe aufgrund von Art. 6 Nr. 2 EuGVÜ bestanden. Auf eine Vereinbarung einer ausschließlichen Zuständigkeit der Hamburger Gerichte im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ könne sich die Antragsgegnerin nicht berufen. Eine solche Vereinbarung liege nach ihrem eigenen Vortrag nicht vor. Im Rahmen von Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ genüge eine Gerichtsstandsklausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen, die erstmals nach dem Abschluss der mündlichen oder schriftlichen Vertragsverhandlungen von einer Partei in einem Bestätigungsschreiben eingeführt worden seien, nicht, um die Verbindlichkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zu begründen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den am 4. Juni 1974 zugestellten Beschluß des Landgerichts ist zulässig (Art. 36, 37 des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968, BGBl. 72 II 774, – EuGÜbk -; §§ 11, 12 Ausf. G v. 29. Juli 1972 BGBl. I 1328), aber unbegründet.
Die Antragsgegnerin erhebt gegen den angefochtenen Beschluß im wesentlichen zwei Einwendungen:
1. Das EuGÜbk sei nicht anwendbar, weil die Entscheidung des Tribunal de Commerce de Paris vor dem Inkrafttreten des EuGÜbk am 1. Februar 1973, nämlich am 27. Januar 1972 ergangen sei (Art. 54 Abs. 2 EuGÜbk).
2. Das Pariser Gericht habe seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen, denn die Parteien hätten den Gerichtsstand Hamburg vereinbart.
Beide Einwendungen sind nicht gerechtfertigt.
Zu 1.: Das EuGÜbk ist im vorliegenden Fall anwendbar. Allerdings ist es richtig, daß das Urteil des Tribunal de Commerce de Paris am 27. Januar 1972, also vor dem Inkrafttreten des EuGÜbk ergangen ist. Darauf kommt es hier aber nicht entscheidend an.
Denn dieses Urteil war eine vorläufige Entscheidung, weil die Antragsgegnerin gegen sie das Rechtsmittel der Berufung eingelegt hatte und das Verfahren fortgesetzt wurde. Die das erstinstanzliche Urteil bestätigende Entscheidung der Cour d' Appel de Paris ist am 27. April 1973 und damit nach dem Inkrafttreten des EuGÜbk ergangen. Dieses Datum ist maßgeblich und Art. 54 Abs. 2 EuGÜbk muß hier Anwendung finden. Zwar können alle vollstreckbaren Entscheidungen, die in einem Vertragsstaat ergangen sind, in einem anderen Vertragsstaat mit der Vollstreckungsklausel versehen werden (Art. 31 EuGÜbk), auch wenn sie noch nicht rechtskräftig sind (vgl. auch §§ 29 – 31 Ausf.G). Das bedeutet, daß die Antragstellerin auch schon vor dem Abschluß des Berufungsverfahrens die Vollstreckbarerklärung hätte betreiben können, wenn das EuGÜbk schon gegolten hätte und falls französische erstinstanzliche Entscheidungen auch schon, wie nach deutschem Prozeßrecht, vorläufig vollstreckbar sind. Die Antragstellerin verlangt aber die Vollstreckungsklausel erst nach Abschluß des Berufungsverfahrens aufgrund des bestätigenden Berufungsurteils der Cour d' Appel de Paris. Nach deutschem Prozeßrecht ist die vorläufige Vollstreckbarkeit eines nicht rechtskräftigen Urteils auflösend bedingt durch die Aufhebung dieses Urteils in der höheren Instanz (vgl. Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 32. Aufl., Einf. §§ 708 – 720 Anm. 1). Die Bedingung fällt aus, wenn das Urteil nicht aufgehoben, sondern bestätigt wird. Wird ein Urteil, das ein Rechtsmittel verwirft oder zurückweist, für vorläufig vollstreckbar erklärt, so ist dies zugleich eine erneute Vollstreckbarerklärung des ersten Urteils (vgl. Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann aaO Anm. 3 B). Es liegt damit eine neue vollstreckbare Entscheidung vor und auf diese kann sich ebenso wie auf die erste Entscheidung der Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel nach Art. 31 EuGÜbk beziehen. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Antragstellerin soll es nach dem französischen Prozeßrecht sogar zu einer Vollstreckbarkeit des Urteils des Tribunal de Commerce de Paris vor dem Abschluß des Berufungsverfahrens überhaupt nicht gekommen sein. Dies kann indessen dahingestellt bleiben, in jedem Fall kommt es für die Anwendung des EuGÜbk darauf an, daß das französische Berufungsurteil nach dem Inkrafttreten des EuGÜbk ergangen ist.
Das wird durch folgende Überlegung noch unterstrichen: Wenn das nach dem 1. Februar 1973 ergangene zweitinstanzliche Urteil die vor diesem Zeitpunkt ergangene erstinstanzliche Entscheidung teilweise abgeändert, z. B. die Klage teilweise abgewiesen hätte, dann hätte die danach begehrte Vollstreckbarerklärung nach den Bestimmungen des EuGÜbk nur auf der Grundlage des Berufungsurteils verlangt werden können. Der Einwand, das EuGÜbk sei nicht anwendbar, wäre dann sicherlich unbegründet gewesen. Es kann nicht gut etwas anderes gelten, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Cour d' Appel das erstinstanzliche Urteil voll bestätigt hat.
Zu 2.: Voraussetzung für die Zulassung der Zwangsvollstreckung ist es nach Art. 54 Abs. 2 EuGÜbk, daß die französischen Gerichte in Paris aufgrund von Vorschriften zuständig waren, die mit den Zuständigkeitsregeln in Titel II des Übk übereinstimmen. Auch das trifft zu.
Mit Recht hat das Landgericht festgestellt, daß die Zuständigkeit des Tribunal de Commerce de Paris nach Art. 6 Nr. 2 EuGÜbk gegeben war (Klage auf Gewährleistung). Die Antragsgegnerin behauptet dagegen die Vereinbarung einer ausschließlichen Zuständigkeit der Hamburger Gerichte (Art. 17 Abs. 1 EuGÜbk). Das ist dann erheblich, wenn nicht Art. 18 EuGÜbk eingreift.
Es kann aber dahingestellt bleiben, ob sich die Antragsgegnerin auf das Verfahren in Paris nur eingelassen hat, um den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen (überraschend ist, daß sie dort offenbar die Unzuständigkeitseinrede überhaupt nicht begründet hat – vgl. die Entscheidung des Tribunal de Commerce de Paris vom 30.6.1970). Keinesfalls nämlich kann sich die Antragsgegnerin auf Art. 17 Abs. 1 EuGÜbk berufen. Eine im Sinne dieser Vorschrift gültige Gerichtsstandabrede setzt voraus, daß die Vereinbarung entweder schriftlich getroffen oder aber mündlich geschlossen und dann schriftlich bestätigt wird. Eine solche Vereinbarung liegt hier nach dem eigenen Vortrag der Antragsgegnerin nicht vor. Im Gegensatz zur deutschen Rechtsprechung genügt im Rahmen von Art. 17 Abs. 1 EuGÜbk eine Gerichtsstandklausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen, die erstmals nach dem Abschluß der mündlichen oder schriftlichen Vertragsverhandlungen von einer Partei in einem Bestätigungsschreiben eingeführt worden sind, nicht, um die Verbindlichkeit der Gerichtsstandvereinbarung zu begründen (vgl. v. Hoffmann AWD 1973, 57, 62).
3. Gegen die Fassung des Tenors der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts bestehen keine durchgreifenden Bedenken, abgesehen davon, daß die Antragsgegnerin sie auch nicht gerügt hat. Nach der französischen Entscheidung, die von der Cour d' Appel bestätigt worden ist, hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin für die Schuld gegenüber der Klägerin einzustehen („garanti“), was dahin zu verstehen ist, daß sie sie freizuhalten hat. Jedoch hat die Antragstellerin unwidersprochen vorgetragen, daß sie inzwischen von der Klägerin in Anspruch genommen worden sei, so daß sich der Freihaltungsanspruch in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.