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Zusammenfassung der Entscheidung Zwischen der deutschen Klägerin als Lizenzgeberin und der englischen Beklagten als Lizenznehmerin kam es zum Rechtsstreit über die Zahlung einer Lizenzgebühr. Zwischen den Parteien wurde 1985 ein Lizenzvertrag in englischer Sprache geschlossen, dessen Ziffer 13a wie folgt lautet: „This Agreement shall be deemed to be a contract made under the laws of England and (...) the parties submit to the jurisdiction of the English Courts“ (Dieser Vertrag ist als unter englischem Recht errichtet zu erachten und (...) die Parteien unterwerfen sich der englischen Gerichtsbarkeit). Der 1986 erhobenen Klage widersetzte sich die Beklagte im Wesentlichen mit der Behauptung, das deutsche Gericht sei für die Entscheidung nicht zuständig. Es sei die ausschließliche Zuständigkeit der englischen Gerichte vereinbart.
Das OLG München (DE) weist die Klage mangels internationaler Zuständigkeit ab. Art. 17 EuGVÜ komme dabei nicht zur Anwendung. Zwar sei das am 9.10.1978 mit Großbritannien abgeschlossene Beitrittsabkommen am 1.1.1987 in Kraft getreten; im maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung seien Großbritannien und die Bundesrepublik Deutschland jedoch noch nicht Vertragspartner gewesen. Somit komme deutsches autonomes Prozessrecht zur Anwendung. Danach sei die Gerichtsstandsvereinbarung wirksam und die gebotene Auslegung ergebe die ausschließliche Zuständigkeit der englischen Gerichte. Im Vertrag zwischen den Parteien sei auch die Anwendung englischen Rechts vereinbart worden. Da englisches Recht, das weitgehend Richterrecht ist, zweckmäßigerweise aber auch von englischen Gerichten angewandt werde, sei aus der Regelung in Ziffer 13a bei der gebotenen Gesamtwürdigung zu entnehmen, dass Rechtsstreitigkeiten ausschließlich vor englischen Gerichten ausgetragen werden sollten. Dies sei im Interesse der Rechtssicherheit geboten.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Zwischen den Parteien wurde am 14.3./29.5.1985 ein Lizenzvertrag in englischer Sprache geschlossen, dessen Ziffer 13 a wie folgt lautet:
This Agreement shall be deemed to be a contract made under the laws of England and for all purposes shall be interpreted in its entirety in accordance with the laws of England and the parties submit to the jurisdiction of the English Courts.
Die Klägerin hat als Lizenzgeberin vor dem Landgericht München I gegen die Beklagte als Lizenznehmerin Klage auf Zahlung einer Lizenzgebühr in Höhe von DM 43.441,30 erhoben. Die Beklagte hat sich dem Klagebegehren im wesentlichen mit der Behauptung widersetzt, das Landgericht München I sei für die Entscheidung nicht zuständig. Es sei die ausschließliche Zuständigkeit der englischen Gerichte vereinbart.
Die Beklagte hat die Klageforderung vor der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht bezahlt. Daraufhin haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache einverständlich für erledigt erklärt. Sie haben beantragt, jeweils der Gegenseite die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Mit Beschluß vom 16.12.1986 hat das Landgericht München I die Kosten der Beklagten auferlegt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, Ziffer 13 a des Vertrages vom 14.3./ 29.5.1985 enthalte keine Gerichtsstandsvereinbarung. Es werde lediglich bestimmt, daß Streitigkeiten zwischen den Parteien nach englischem Recht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung der englischen Gerichte. zu beurteilen seien.
Gegen diese Entscheidung, die der Beklagten am 23.12.1986 zugestellt wurde, richtet sich deren sofortige Beschwerde, die am 5.1.1987 bei Gericht eingegangen ist. Die Beklagte beantragt,
den Beschluß vom 16.12.1986 aufzuheben und der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Die Klägerin beantragt
Zurückweisung der sofortigen Beschwerde.
Wegen der Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze mit Anlagen verwiesen.
II. Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 91 a Abs. 2 ZPO).
Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 577, 569 ZPO).
Die sofortige Beschwerde ist begründet.
1. Die Parteien haben den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Somit ist nach § 91 a ZPO über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Bei dieser Entscheidung ist der das Zivilprozeßrecht beherrschende Grundsatz zu beachten, daß derjenigen Partei die Kosten aufzuerlegen sind, die bei Fortsetzung des Verfahrens, also ohne das erledigende Ereignis, voraussichtlich unterlegen wäre.
2. Ohne die Erklärung der Hauptsacheerledigung hätte die Klage abgewiesen werden müssen, da die Parteien die ausschließliche internationale Zuständigkeit der englischen Gerichte vereinbart haben. Die Kosten des Rechtsstreits sind daher, entgegen der Auffassung des Landgerichts, der Klägerin aufzuerlegen.
a) Die Vereinbarung eines Gerichtsstandes ist ein Vertrag über prozeßrechtliche Beziehungen. Zulässigkeit und Wirkung einer vor dem Prozeß getroffenen internationalen Gerichtsstandsvereinbarung beurteilen sich, wenn ein deutsches Gericht angerufen wird, nach deutschem Prozeßrecht. Dies gilt auch für eine die deutsche internationale Zuständigkeit derogierende Gerichtsstandsvereinbarung. Wird – wie hier – eine Klage bei dem ohne Prorogation zuständigen deutschen Gericht erhoben und die vereinbarte Ausschließlichkeit eines ausländischen Gerichtes eingewandt, ist zunächst zu prüfen, ob die Vereinbarung nach deutschem Recht wirksam ist (BGH NJW 1986, 1438, 1439 unter Hinweis auf Stein-Jonas-Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 38 Rn. 67).
Art. 17 GVÜ kommt nicht zur Anwendung. Zwar ist das am 9.10.1978 mit Großbritannien abgeschlossene Beitrittsübereinkommen (BGBl. 1983, 11 802) am 1.1.1987 in Kraft getreten (BGBl. 1986, 11 1146); im maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung (vgl. Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung, I 205, 886) waren Großbritannien und die Bundesrepublik Deutschland jedoch noch nicht Vertragspartner. Es kommt somit § 38 ZPO zur Anwendung.
Die Klägerin hat im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand. Damit kann nach § 38 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszugs vereinbart werden, wobei nach § 38 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Vereinbarung schriftlich abgeschlossen oder schriftlich bestätigt werden muß. Die Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit für Streitigkeiten zwischen den Parteien ist im Vertrag vom 14.3./29.5.1985 enthalten, so daß die nach deutschem Recht erforderliche Schriftform gewahrt ist.
b) Die Parteien haben sich in Ziffer 13 a des Vertrages vom 14.3./29.5.1985 der „jurisdiction“ der englischen Gerichte unterworfen. „Jurisdiction“ bedeutet Zuständigkeit im Sinne von Gerichtshoheit (vgl. Weissenstein, Anglo-Amerikanisches Rechtswörterbuch, 1. Teil). Die Annahme des Landgerichts, die Parteien hätten sich lediglich auf die Anwendung englischen Rechts und der Rechtsprechung der englischen Gerichte geeinigt, ist mit dem Wortlaut des Vertrages nicht zu vereinbaren. Die Regelung in Ziffer 13 a enthält zwar die Vereinbarung, daß englisches Recht zur Anwendung kommen soll; sie bestimmt jedoch darüber hinaus auch die internationale Zuständigkeit der englischen Gerichte.
Die Einigung bezieht sich auch auf ein bestimmbares erstinstanzielles Gericht; dieses ist nach den einschlägigen Bestimmungen des englischen Rechts zu ermitteln.
c) Die Zuständigkeit der ausländischen Gerichte kann als ausschließliche Zuständigkeit vereinbart werden (vgl. Zöller, ZPO, 15. Aufl. 1987, § 38 Rn. 2 mN). Ob eine ausschließliche Zuständigkeit vereinbart ist oder nicht, ist im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln. Dabei spricht weder für noch gegen die Ausschließlichkeit eine Vermutung, wenn auch eine Gerichtsstandsvereinbarung, nach der ausländische Gerichte zuständig sind, in der Regel dahin auszulegen ist, daß jedenfalls für Ansprüche gegen den Vertragspartner, dessen Heimatgerichte zuständig sein sollen, die alleinige Zuständigkeit dieser Gerichte vereinbart ist (Zöller, aaO, Rn. 14; BGH NJW 1973, 422).
Im vorliegenden Fall werden Ansprüche gegen die Vertragspartei geltend gemacht, deren Heimatgerichte nach der getroffenen vertraglichen Regelung für die Entscheidung nicht zuständig sind. Die aufgeführte Regelauslegung ausschließlicher Zuständigkeit kommt damit nicht zur Anwendung. Die gebotene Auslegung ergibt jedoch, daß auch für den Fall, daß Ansprüche der Klägerin geltend gemacht werden, die ausschließliche Zuständigkeit der englischen Gerichte gewollt ist. In Ziffer 13 a des Vertrages ist, wie bereits ausgeführt, die Anwendung englischen Rechts vereinbart. Es wird darauf hingewiesen, daß der Vertrag selbst nach englischem Recht abgeschlossen wurde und daß alle Streitigkeiten in Übereinstimmung mit dem englischen Recht zu beurteilen sind. Da englisches Recht, das weitgehend Richterrecht ist, zweckmäßigerweise von englischen Gerichten angewandt wird, ist aus der Regelung in Ziffer 13 a bei der gebotenen Gesamtwürdigung zu entnehmen, daß Rechtsstreitigkeiten ausschließlich vor englischen Gerichten ausgetragen werden sollen. Dies ist im Interesse der Rechtssicherheit geboten.
Dieses Ergebnis steht mit der Entscheidung des OLG München in RIW 1986, 381, 382 nicht in Widerspruch. Im dort entschiedenen Fall war im ursprünglichen Vertragsentwurf eine Klausel enthalten, wonach die ausländischen Gerichte für Rechtsstreitigkeiten ausdrücklich ausschließlich zuständig sein sollten. In den maßgeblichen Vertrag wurde lediglich die Klausel aufgenommen, daß jeweils die Gerichte des Landes des Klägers entscheiden sollen. Es war somit von einem bewußten Verzicht auf eine ausschließliche Zuständigkeitsregelung auszugehen.
3. Da die Klägerin entgegen der Vereinbarung im Vertrag vom 14.3./29.5.1985 vor einem deutschen Gericht geklagt hat, hätte die Klage, wenn die Hauptsache nicht für erledigt erklärt worden wäre, als unzulässig abgewiesen werden müssen. Die sofortige Beschwerde der Beklagten hat somit Erfolg; die Kosten des Rechtsstreits sind der Klägerin aufzuerlegen.
Auf die weiteren von den Parteien dargelegten Fragen, insbesondere auf die Frage der ordnungsgemäßen Vertretung der Klägerin und die Fälligkeit der Klageforderung, kommt es nicht mehr an.