-
Zusammenfassung der Entscheidung Der Beschwerdeführer hatte bei der Beschwerdegegnerin eine Wohnung in Wien (AT) angemietet. Das österreichische Bezirksgericht Innere Stadt Wien verurteilte den Beschwerdeführer zur Zahlung von ausstehendem Mietzins an die Beschwerdegegnerin. Seine Berufung wurde zurückgewiesen. Das österreichische Urteil wurde von einem deutschen Gericht für vorläufig vollstreckbar erklärt. Dagegen hat der Beschwerdeführer Beschwerde vor dem Oberlandesgericht Celle (DE) eingelegt, da die Beschwerdegegnerin das Urteil durch arglistige Täuschung erschlichen habe, was einen Verstoß gegen den „ordre public" darstelle. Er habe nämlich bei seinem Wegzug mit ihr vereinbart, dass sie gleichwertige Nachmieter zu der mit ihm vereinbarten Miete akzeptiere, woran sie sich später nicht gehalten habe. Ferner sei die Höhe der Forderung unberechtigt, da die Beschwerdegegnerin von ihm noch Kaution habe sowie Investitionen in der Wohnung übernommen habe.
Das Oberlandesgericht weist die Beschwerde zurück. Ein Vollstreckungs- und Anerkennungshindernis nach Art. 34 Nr. 1 EuGVO liege nicht vor. Der Beschwerdeführer habe lediglich Einwendungen erhoben, die sich alleine gegen die sachliche Richtigkeit der ausländischen Entscheidung richten. Diese seien wegen des Verbots der inhaltlichen Nachprüfung der anzuerkennenden Entscheidung (Art. 36, 45 Abs. 2 EuGVO) nicht zu berücksichtigen. Im Interesse eines zügigen Vollstreckbarkeitsverfahrens seien Einwendungen, die auf Gründen beruhen, die erst nach dem Erlass der Entscheidung entstanden sind, nur zulässig, wenn diese entweder rechtskräftig festgestellt oder unstreitig sind.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Antragstellerin begehrt die Erteilung der Vollstreckungsklausel für das am 10. Mai 2005 ergangene Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien (Republik Österreich), durch das der Antragsgegner verurteilt worden ist, an die Antragstellerin 6.374,60 EUR samt 4 % Zinsen seit dem 2. April 2005 zu zahlen.
Mit ihrem Antrag vom 20. Oktober 2005 hat die Antragstellerin hierzu eine beglaubigte Abschrift des Urteils des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 10. Mai 2005, des Urteils des Landgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 6. Juli 2005, sowie die Bescheinigung nach Art. 54 der Verordnung (EG) 44/2001 betreffend gerichtliche Entscheidungen und Prozessvergleiche (EuGVVO) vorgelegt.
Der Antragsteller hatte bei der Antragsgegnerin eine Wohnung in dem ihr gehörenden Haus xxx in Wien für einen Mietzins von 637,46 EUR monatlich angemietet. Zwischen den Parteien war es zum Streit darüber gekommen, ob das Mietverhältnis zum 30. Juni 2004 einvernehmlich aufgehoben worden war oder fortbestand. Die Antragstellerin hatte den Antragsgegner auf Zahlung des Mietzinses für die Zeit von Juli 2004 bis April 2005 in Anspruch genommen. Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien war auf der Grundlage der vorgelegten Urkunden sowie nach Vernehmung der Antragstellerin sowie des Antragsgegners zu dem Ergebnis gekommen, dass es zu einer einverständlichen Vertragsaufhebung zum 30. Juni 2004 nicht gekommen war und hatte den Antragsgegner u.a. zur Zahlung des Mietzinses von 6.374,60 EUR verurteilt. Die Berufung des Antragsgegners wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts für Zivilsachen Wien vom 26. Juli 2005 zurückgewiesen.
Die Antragstellerin begehrt die Erteilung der Vollstreckungsklausel lediglich in Höhe eines Betrages von 6.149,52 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 2. April 2005, weil sie die vom Antragsgegner geleistete Kaution vorab mit nach Erlass des Urteils weiter aufgelaufenen Mietrückständen verrechnet und nur noch den verbleibenden Restbetrag von 225,08 EUR von der ausgeurteilten Forderung in Abzug gebracht hat.
Mit Beschluss vom 25. Oktober 2005 hat die Vorsitzende der Zivilkammer des Landgerichts das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 10. Mai 2005, durch das der Antragsteller unter anderem verurteilt worden ist, an die Antragstellerin 6.149,52 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 2. April 2005 zu zahlen, in dieser Höhe für vorläufig vollstreckbar erklärt. Gegen diesen ihm am 17. Januar 2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner mit Schreiben vom 4. Februar 2006, beim Oberlandesgericht eingegangen am 8. Februar 2006, Beschwerde eingelegt.
Der Antragsgegner behauptet, es sei zunächst unzulässig ein Versäumnisurteil in Wien versucht worden, weil an seine alte Anschrift, nicht dagegen an die neue deutsche Meldeadresse zugestellt worden sei. Ferner habe die Antragstellerin das Urteil durch arglistige Täuschung erschlichen, was einen Verstoß gegen den „ordre public“ darstelle. Er habe nämlich bei seinem Wegzug am 29. Juni 2004 nach Deutschland mit ihr vereinbart, dass sie gleichwertige Nachmieter mit der mit ihm vereinbarten Miete akzeptiere, woran sie sich später nicht gehalten habe. Ferner sei die Höhe der Forderung unberechtigt, da die Antragstellerin von ihm noch 2.000 EUR Kaution habe sowie Investitionen von 5.000 EUR in der Wohnung übernommen habe.
Der Antragsgegner beantragt, die Vollstreckung abzulehnen.
Die Antragstellerin hält die Beschwerde für unbegründet. Sie beruft sich darauf, es liege keines der Anerkennungshindernisse der Art. 34, 35 EuGVVO vor. Ob die Zustellung der Klageschrift wirksam erfolgt sei, sei unerheblich, weil der Antragsgegner in den Verfahren vor den Wiener Gerichten anwaltlich vertreten gewesen sei und sich verteidigt habe. Auch ein Verstoß gegen den ordre public komme nicht in Betracht, weil sich bereits die österreichischen Gerichte mit dem Vorwurf der arglistigen Täuschung auseinandergesetzt hätten und eine inhaltliche Überprüfung des ausländischen Urteils unzulässig sei. Ebenso könne nicht nachgeprüft werden, ob das ausländische Gericht die Höhe der Forderung richtig berechnet habe.
II. Die Beschwerde ist gem. Art. 43 EuGVVO iVm § 11 des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes vom 19. Februar 2001 (AVAG) zulässig, insbesondere wurde sie gem. Art. 43 Abs. 5 S. 1 EuGVVO iVm § 11 Abs. 3 AVAG fristgerecht innerhalb eines Monats nach Zustellung eingelegt.
Sie ist indessen unbegründet. Nach Art. 33 EuGVVO werden Entscheidungen eines Mitgliedsstaates in den anderen Mitgliedsstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Gem. Art. 45 Abs. 1 EuGVVO darf die Vollstreckbarerklärung von dem mit einem Rechtsbehelf befassten Gericht nur aus einem der in Art. 34 und 35 EuGVVO genannten Gründe versagt werden. Ein solcher Fall liegt hier indessen nicht vor.
1. Nach Art. 34 Ziff. 2 EuGVVO wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte. Hier war der Antragsgegner indessen in den Verfahren vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien und dem Landgericht für Zivilsachen Wien nicht nur anwaltlich vertreten, sondern ist vor dem Bezirksgericht selbst erscheinen und als Partei vernommen worden. Hierauf ergingen jeweils streitige Urteile. Von Art. 34 Ziff. 2 EuGVVO werden indessen nur solche Entscheidungen erfasst, bei denen der Beklagte sich nicht auf das Verfahren eingelassen hat.
2. Auch ein Vollstreckungs- und Anerkennungshindernis nach Art. 34 Ziff. 1 EuGVVO liegt nicht vor. Hiernach wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Mitgliedstaates, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde. Ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung liegt vor, wenn die Entscheidung des ausländischen Gerichts auf einem Verfahren beruht, das von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrens in einem solchen Maß abweicht, dass nach der deutschen Rechtsordnung die Entscheidung nicht mehr als in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann (vgl. Zöller – Geimer, ZPO, 25. Aufl., Anh I Art. 34 EuGVVO Rn. 11). Wegen des Verbotes einer Überprüfung der ausländischen Entscheidung in der Sache (vgl. Art. 36, 45 Abs. 2 EuGVVO) ist dagegen nicht zu prüfen, ob das Verfahren im allgemeinen ordnungsgemäß war sowie die Tatsachen zutreffend ermittelt und gewürdigt wurden (Zöller – Geimer, Anh. I Art. 34 EuGVVO Rn. 6). Auch ist ohne Bedeutung, ob das ausländische Gericht sein Recht richtig angewendet hat. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob das Urteil mit zwingendem deutschen Recht unvereinbar ist (BGH NJW 1993, 3269). Anders liegt es nur dann, wenn die Anerkennung des ausländischen Urteils zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundprinzipien des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist (vgl. § 328 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO; Zöller – Geimer, § 328 Rn. 152). Der ordre-public-Vorbehalt greift daher nur in krassen Ausnahmefällen ein.
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Der Antragsgegner stützt sich durchgehend auf Umstände, die er bereits umfänglich in den Verfahren vor den österreichischen Gerichten vorgebracht hat und die diese auf der Grundlage der ihnen vorliegenden Urkunden sowie nach Vernehmung der Antragstellerin und des Antragsgegners nicht für durchgreifend erachteten. Mit diesen Einwendungen, die sich alleine gegen die sachliche Richtigkeit der ausländischen Entscheidung richten, kann der Antragsgegner wegen des Verbotes der inhaltlichen Nachprüfung der anzuerkennenden Entscheidung indessen nicht gehört werden. Eine offensichtliche Unvereinbarkeit mit Grundprinzipien der deutschen Rechtsordnung liegt darin nicht.
3. Ohne Erfolg macht der Antragsgegner schließlich geltend, jedenfalls die Höhe der Forderung sei unrichtig berechnet. Soweit er sich damit bereits gegen den vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien berechneten und ausgeurteilten Forderungsbetrag zugunsten der Antragstellerin wendet, kann er damit schon deshalb nicht gehört werden, weil es sich hierbei um eine nach Art. 37, 45 Abs. 2 EuGVVO unzulässige Einwendung gegen die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung handelt.
Soweit der Antragsgegner ferner geltend macht, jedenfalls sei der lediglich mit 225,08 EUR angerechnete Restbetrag auf die ausgeurteilte Forderung aus dem österreichischen Urteil zu niedrig, weil die Antragstellerin von ihm fast 2.000 EUR Kaution erhalten habe und ferner Investitionen in die Wohnung im Wert von 5.000 EUR übernommen habe, ist dies für das Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren ebenfalls unerheblich. Zwar kann nach § 12 Abs. 1 AVAG der Verpflichtete mit der Beschwerde, die sich gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einer Entscheidung richtet, auch Einwendungen gegen den Anspruch selbst insoweit geltend machen, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Erlass der Entscheidung entstanden sind. Wegen der in Art. 45 Abs. 2 EuGVVO enthaltenen Regelung, dass die ausländische Entscheidung keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden darf, sind im Interesse eines zügigen Vollstreckbarkeitsverfahrens jedoch nur solche Einwendungen zulässig, die entweder rechtskräftig festgestellt oder unstreitig sind, sog. liquide Einwendungen (vgl. Zöller – Geimer, Anh. I Art. 45 EuGVVO Rn. 1; § 14 AVAG Rn. 1). Hier ist es zwischen den Parteien indessen gerade nicht unstreitig und auch nicht rechtskräftig festgestellt, dass dem Antragsgegner Gegenforderungen wegen der Kaution oder der Investitionen in die Wohnung zustehen, mit denen er gegen die rechtskräftig festgestellt und anzuerkennende Forderung aus dem ausländischen Urteil aufrechnen könnte. In derartigen Fällen ist der Antragsgegner vielmehr auf die Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO verwiesen, die bei dem Gericht einzulegen ist, das die Vollstreckungsklausel erlassen hat (Zöller – Geimer, Art. 45 EuGVVO Rn. 1).