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Zusammenfassung der Entscheidung Die Klägerin und die Beklagte waren beide Kostenschuldner für die Gerichtskosten eines teilweise gewonnenen und teilweise verlorenen Rechtsstreits. Die Beklagte hatte ihren Sitz in Paris (FR), die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland. Das Gericht machte seine Gerichtskosten nur gegenüber der Klägerin geltend, da sie hinsichtlich der Gerichtskosten mit der Beklagten gesamtschuldnerisch hafte und eine Vollstreckung im Ausland wenig Erfolg verspreche. Hiergegen wandte sich die Klägerin.
Das OLG Schleswig-Holstein (DE) entscheidet, dass die Gerichtskostenrechnung nicht nach dem EuGVÜ vollstreckbar sei und daher eine Vollstreckung gegenüber der Beklagten in Paris keine guten Erfolgsaussichten habe. Die Anwendbarkeit des EuGVÜ scheide deswegen aus, da es sich bei der Gerichtskostenrechnung nicht um eine „Entscheidung“ im Sinne von Art. 25 EuGVÜ handele, da diese nur einen Akt der Justizverwaltung darstelle und nicht einen Akt staatlicher Gerichtsbarkeit (wie dies z.B. im Falle eines Kostenfestsetzungsbeschlusses eines Urkundsbeamten der Fall wäre). Ebenso wenig handele es sich dabei um eine öffentliche Urkunde im Sinne von Art. 50 EuGVÜ. Dies sei auch keine übermäßige Härte gegenüber der Klägerin, da sie den durch sie zu viel gezahlten Betrag gerichtlich festsetzen und diesen wiederum in Frankreich vollstrecken lassen könne.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Als Antragstellerin der 2. Instanz ist die Klägerin nach § 49 GKG Kostenschuldnerin. Zwar ist nach § 54 Nr. 1 GKG daneben die Beklagte Kostenschuldnerin, weil ihr durch das Versäumnisurteil des 3. Zivilsenats vom 19. September 1995 die Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden sind. Nach § 58 Abs. 1 GKG haften mehrere Kostenschuldner als Gesamtschuldner, d. h., dass jeder Kostenschuldner die ganze Kostenschuld zu bewirken verpflichtet ist und der Gläubiger Leistung nach seiner Wahl von jedem der Schuldner vollständig oder zu einem Teil fordern kann (§ 421 Satz 1 BGB). Diese Rechtsfolge wird allerdings durch § 58 Abs. 2 Satz 1 GKG insofern eingeschränkt, als dann, wenn ein Kostenschuldner, wie hier die Beklagte, aufgrund von § 54 Nr. 1 GKG haftet, die Haftung eines anderen Kostenschuldners, der Klägerin, nur geltend gemacht werden soll, wenn eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des ersteren erfolglos geblieben ist oder aussichtslos erscheint. Diese Einschränkung hindert die Inanspruchnahme der Berufungsklägerin durch die Staatskasse nicht:
Die Beklagte hat ihren Sitz in Paris. Nach § 8 Abs. 1 Satz 3 Kostenverfügung (abgedruckt bei Hartmann, Kostengesetze, 26. Aufl., S. 1119 ff.) kann die Aussichtslosigkeit der Zwangsvollstreckung regelmäßig dann angenommen werden, wenn gegen den Erstschuldner im Ausland vollstreckt werden müsste. Für eine Vollstreckungsmöglichkeit im Inland bestehen keinerlei Anhaltspunkte; insbesondere hat die Klägerin innerhalb der ihr gewährten Monatsfrist nur darauf hingewiesen, dass sie zur Zeit selbst die Zwangsvollstreckung in Frankreich über Rechtsanwälte in Paris betreibe. In Rechtsprechung und Literatur wird zwar im allgemeinen vor der Heranziehung des Zweitschuldners verlangt, Erstschuldner im Ausland mindestens die Kostenrechnung zu übersenden und ihn zur Zahlung aufzufordern und eine angemessene Frist abzuwarten, ob der Erstschuldner der Aufforderung nachkommt (vgl. OLG Düsseldorf JurBüro 1994,111 mwN). lm vorliegenden Fall ist dies aber deshalb entbehrlich, weil aus dem Umstand, dass die Klägerin gegen die Beklagte die Zwangsvollstreckung in Frankreich betreibt, geschlossen werden kann, dass die Beklagte einer Aufforderung, die Gerichtskosten zu zahlen, nicht nachkommen würde. Hinzu kommt noch, dass die Beklagte auch ihre Lübecker erstinstanzlichen Anwälte nicht freiwillig bezahlt hat, so dass diese einen Beschluss nach § 19 BRAGO gegen sie erwirkt haben, der allerdings bisher nicht hat zugestellt werden können.
Eine Zwangsvollstreckung wegen der Gerichtskosten ist in Frankreich nicht möglich. Die Gerichtskosten sind öffentliche Abgaben, deren Beitreibung im Inland nach den Vorschriften der Justizbeitreibungsordnung im Verwaltungszwangsverfahren erfolgt. Dieses ist im Ausland gegen eine beklagte Partei nicht möglich (vgl. KG Rpfleger 1967, 233). Die vorgenannte Entscheidung des Kammergerichts betraf zwar eine etwaige Zwangsvollstreckung in Österreich. Im Verhältnis zu Frankreich gilt jedoch nichts anderes. Für den vorliegenden Rechtsstreit gilt das Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelsachen. Art. 31 dieses Übereinkommens lässt die Vollstreckung einer in einem Vertragsstaat ergangenen Entscheidung in einem anderen Vertragsstaat zu, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden ist. Nach Art. 25 des Übereinkommens ist unter „Entscheidung“ im Sinne des Übereinkommens jede von einem Gericht eines Vertragsstaates erlassene Entscheidung zu verstehen ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung wie Urteil, Beschluss oder Vollstreckungsbefehl, einschließlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses eines Urkundsbeamten. Es muss sich jedoch um einen Akt staatlicher Gerichtsbarkeit handeln, wie schon der Wortlaut zeigt (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 19. Aufl., Anh. I Art. 25 GVÜ Rn. 2). Die Gerichtskostenrechnung stellt eine Entscheidung in diesem Sinne nicht dar. Sie ist vielmehr ein Akt der Justizverwaltung (vgl. Markl, Gerichtskostengesetz, 2. Aufl., § 4 Rn. 3). Ebenso wenig handelt es sich bei der Gerichtskostenrechnung um eine öffentliche Urkunde im Sinne des Art. s 50 GVÜ.
Hiernach muss die Klägerin die Gerichtskostenrechnung in der richtig ermäßigten Höhe bezahlen. Ihr verbleibt der Weg, den gezahlten Betrag gegen die Beklagte festsetzen zu lassen und diesen Titel zu vollstrecken.