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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragstellerin erwirkte gegen den Antragsgegner eine einstweilige Verfügung eines niederländischen Gerichts. Das Gericht verurteilte den Antragsgegner in der Entscheidung uneingeschränkt unter Zurückweisung der vom Antragsgegner geltend gemachten Aufrechnung. Dabei entschied das niederländische Gericht nicht aufgrund von Glaubhaftmachungen durch den Kläger sondern aufgrund von Urkunden und zwischen den Parteien unstreitigen oder vom Antragsgegner nicht substantiiert genug bestrittenen Tatsachen. Der Antragsgegner war beim ersten Termin durch einen Anwalt vertreten, dem nächsten Termin blieb er fern, da er sich mit einer Entscheidung nach Aktenlage einverstanden erklärte. Die Antragstellerin beantragte, das Urteil für in Deutschland vollstreckbar zu erklären. Dagegen wandte sich der Antragsgegner.
Das Oberlandesgericht Frankfurt (DE) entscheidet, dass dem Urteil die deutsche Vollstreckungsklausel zu erteilen sei. Anerkennungshindernisse nach Art. 27 EuGVÜ lägen nicht vor. Da der Antragsgegner im dem Termin anwaltlich vertreten war und schriftlich und mündlich zur Klage Stellung genommen habe, habe er sich gem. Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ auf das Verfahren eingelassen. Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ solle sicherstellen, dass der Beklagte Kenntnis von dem Verfahren habe und sich dort verteidigen könne. Dem sei hier genüge getan. Auch ein Verstoß gegen den deutschen ordre public (Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ) liege nicht vor. Der Antragsgegner habe ausreichend rechtliches Gehör erhalten. Zwar habe das niederländische Gericht – anders als im deutschen Arrest- oder Verfügungsverfahren – nicht aufgrund von Glaubhaftmachung entschieden und zudem die Aufrechnung des Antragstellers zurückgewiesen, was der Antragsgegner als Vorwegnahme der Hauptsache rüge. Dieses Verfahren verstoße aber nicht gegen Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die gemäß Art. 36 des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ), § 11 des Gesetzes zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen (AVAG) statthafte Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt, aber nicht begründet.
Die Erteilung der Vollstreckungsklausel mit dem Vorbehalt der Beschränkung auf Maßregeln der Sicherung und der Abwendungsbefugnis des Schuldners ist zu Recht erfolgt (Art. 31 ff EuGVÜ, §§ 3 ff, 8, 20 AVAG), weil die Entscheidung des Arrondissementsgerichts in Den Haag in der Bundesrepublik Deutschland anerkannt wird (Art. 36 EuGVÜ).
Ein Ausnahmefall von dem Grundsatz der Anerkennung der Entscheidung eines Vertragsstaates ist nicht gegeben. Art. 27 Ziff. 2 EuGVÜ steht der Anerkennung nicht entgegen. Die Beklagte hat sich auf das Verfahren eingelassen, denn sie war in dem Termin vom 30.08.1996 vor dem Arrondissementgericht anwaltlich vertreten und hat schriftlich und mündlich zu der Klage Stellung genommen.
Zu einem weiteren Termin ist es nur deshalb nicht gekommen, weil der Geschäftsführer der Beklagten es wegen anderer Termine ablehnte, zu dem vorgesehenen Gerichtstermin in den Niederlanden zu reisen und beide Parteien ein Urteil aufgrund der Aktenlage wünschten.
Die Beklagte hatte daher ausreichend rechtliches Gehör, so daß die Anerkennung des Urteils auch nicht an Art. 27 Ziff. 1 EuGVÜ scheitert.
Auch im übrigen widerspricht die Anerkennung des Urteils nicht der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland. Mit dem deutschen ordre public ist ein Urteil nicht schon dann unvereinbar, wenn nach deutschem Recht anders entschieden worden wäre, nicht einmal dann, wenn zwingendes deutsches Recht zu einer anderen Entscheidung geführt hätte (BGH NJW 1993, 3269, 3270).
Die Ausnahme des Art. 27 Ziff. 1 EuGVÜ ist eng auszulegen (Stein-Jonas-Roth, ZPO, 21. Aufl. § 328 ZPO Rn. 123) und nur dann gegeben, wenn das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der Deutschen Regelung und den in ihr enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, daß es nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint (Allgemeine Meinung; vgl. BGH a. a. O.; BGH NJW 1993, 1801, 1802).
Ein solcher Verstoß gegen Grundprinzipien des Deutschen Rechts ist nicht erkennbar.
Das Arrondissementgericht Den Haag und die 2. Zivilkammer des Gerichtshofs Den Haag haben die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht allein aus Art. 24 EuGVÜ hergeleitet, sondern die Zuständigkeit des Gerichts des Ortes zugrundegelegt, an dem die Verpflichtung aus dem Vertrag zu erfüllen ist, aus dem Ansprüche hergeleitet werden. Eine ähnliche Zuständigkeitsregelung ist der Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach deutschem Recht (§ 29 ZPO).
Auch die uneingeschränkte Verurteilung zur Zahlung von 40.000,‑ NLG unter Zurückweisung der Aufrechnung der Beklagten, was die Beklagte als Vorwegnahme der Hauptsache ansieht, verstößt nicht gegen tragende Grundsätze des deutschen Rechts.
Das Arrondissementgericht hat – anders als im deutschen Arrest oder Verfügungsverfahren – nicht aufgrund von Glaubhaftmachung allein durch den Kläger entschieden, sondern aufgrund der vorgelegten Urkunden und des Vortrags, soweit er unstreitig oder von der Beklagten nicht „konkret“ (nach deutschem Sprachgebrauch substantiiert) bestritten war. Es hat die Beklagte sodann zur Zahlung des Betrages verurteilt, der dem Kläger „in jedem Falle“ (mindestens) zusteht, so daß deshalb kein Rückzahlungsrisiko besteht.
Weder die endgültige Erledigung von Einwendungen, die nicht schlüssig dargelegt werden, noch der Ausschluß der Aufrechnung im summarischen Verfahren verstoßen gegen Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit (BGHZ 53, 357, 363).
Dies gilt auch für eine Überprüfung in einem ordentlichen Verfahren.
Nach deutschem Recht geht die Initiative für die Einleitung eines solchen Verfahrens vom Beklagten aus (§§ 926, 936 ZPO). Ohne seinen Antrag ist der Kläger zur Klageerhebung in der Hauptsache nicht verpflichtet.
Daß und gegebenenfalls ob die Beklagte insoweit etwas unternommen hat, ist nicht vorgetragen. Wenn der Kläger es daher bei dem Urteil im summarischen Verfahren bewenden ließ, verstößt auch dies nicht gegen Grundsätze des Deutschen Rechts.
Im übrigen stünde das Fehlen eines ordentlichen Verfahrens zur Überprüfung der Entscheidung im summarischen Verfahren einer Versagung rechtlichen Gehörs nicht gleich. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt keiner Partei den Anspruch auf eine bestimmte Verfahrensart, sondern nur darauf, in dem vom Gesetz vorgeschriebenen oder zugelassenen Verfahren gehört zu werden (BGH aaO S. 363). Dies ist, wie sich aus beiden Urteilen der niederländischen Gerichte ergibt, ausreichend geschehen.