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Zusammenfassung der Entscheidung Der Antragsgegner wurde durch rechtskräftiges Urteil des Kantongerichts Arnheim (NL) verurteilt, eine Geldsumme an den Antragsteller zu zahlen. Insoweit wurde das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt. Das Urteil wurde dem Antragsgegner mit einfacher Post übersandt. Ferner wurde es durch den Obergerichtsvollzieher zugestellt. Gegen die Entscheidung des niederländischen Gerichts ist ein Rechtsmittel nicht statthaft. Der Antragssteller beantragte, das Urteil mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen. Der Antragsgegner machte geltend, dass die Anerkennung dem deutschen ordre public widerspreche.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf (DE) entscheidet, dass das Urteil für vollstreckbar zu erklären ist. Alleine die Tatsache, dass gegen das Urteil kein Rechtsbehelf gegeben sei, verletze nicht den deutschen ordre public. Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ stehe der Anerkennung und Vollstreckung also nicht entgegen. Das Fehlen einer Rechtsmittelinstanz stelle keine Verletzung wesentlicher Grundsätze des deutschen Rechts dar. Auch nach deutschem Recht sei nicht in jedem Fall gegen die Entscheidung des erstmals angerufenen Gerichts ein Rechtsmittel statthaft und zulässig. Eine Nachprüfung der Zuständigkeit des Ursprungsgerichts sei außerhalb des Art. 28 Abs. 1 EuGVÜ nicht möglich (Art. 28 Abs. 3 EuGVÜ). Bedenken gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung ergäben sich auch nicht daraus, dass eine förmliche Zustellung des Urteils an den Antragsgegner erstmals durch den Obergerichtsvollzieher erfolgt sei. Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ verlange den Nachweis der Zustellung, deren Form sich nach dem Recht des Urteilsstaates bestimme. Sehe dieses Recht wie hier eine förmliche Zustellung nicht vor, so reiche der Nachweis einer Inlandszustellung durch den Gerichtsvollzieher für die Erteilung der Vollstreckungsklausel aus. In einem solchen Fall könne der Nachweis einer vom Gericht des Urteilsstaates veranlassten förmlichen Zustellung jedenfalls nicht verlangt werden.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Der Antragsgegner ist durch Urteil des Kantongerecht te Arnheim vom 28. Juni 1993 verurteilt worden, an den Antragsteller 4.868,13 hfl zuzüglich gesetzlicher Zinsen ab 1. Januar 1992 zu zahlen. Insoweit ist das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt worden. Ferner ist er verurteilt worden, 845,05 hfl an Kosten zu zahlen.
Nach – vom Antragsgegner nicht bestrittener – Angabe des Antragstellers ist das Urteil rechtskräftig.
Das Urteil ist dem Antragsgegner durch das Kantongerecht mit einfacher Post am 30. Juni 1993 übersandt worden, ferner ist es ihm am 9. Februar 1994 durch den Obergerichtsvollzieher X. zugestellt worden.
Der Antragsteller hat beantragt, das Urteil des Kantongerechts te Arnheim für vollstreckbar zu erklären. Der Vorsitzende der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kleve hat mit Beschluß vom 2. März 1994 angeordnet, das Urteil des Kantongerecht Arnheim/NL vom 28. Juni 1993 (Rolle-Nr. 78/93), wonach der Antragsgegner an den Antragsteller 5.168,13 hfl nebst 12 % Zinsen vom 1. Januar 1992 bis 30. Juni 1993, 10 % Zinsen vom 1. Juli bis 31. Dezember 1993 und 9 % Zinsen seit dem 1. Januar 1994 sowie 845,05 hfl an Kosten zu zahlen habe, mit der Vollstreckungsklausel zu versehen.
Gegen diesen Beschluß des Landgerichts richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, mit der gerügt wird, die Anerkennung des Urteils würde dem Ordre Public der Bundesrepublik Deutschland widersprechen, weil das Kantongerecht international nicht zuständig gewesen sei und das Urteil des Kantongerechts einer Überprüfung durch ein Rechtsmittelgericht nicht unterliege.
Der Antragsteller ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.
Das Rechtsmittel ist statthaft (Art. 36 Abs. 1, 37 EuGVÜ, §§ 11, 12 AVAG) und auch innerhalb der vorgeschriebenen Frist eingelegt worden. In der Sache hat es in geringem Umfang Erfolg.
Der Vorsitzende der 4. Zivilkammer des örtlich zuständigen Landgerichts Kleve hat zu Recht durch den angefochtenen Beschluß die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Kantongerecht Arnheim zugelassen, denn Gründe, die eine Ablehnung des Antrages rechtfertigten (Art. 34 Abs. 2, Art. 27, 28 EuGVÜ), sind nicht ersichtlich.
1. Ob dem Antragsgegner das das Verfahren vor dem Kantongerecht Arnheim einleitende Schriftstück ordnungsgemäß zugestellt worden ist, kann dahinstehen, denn er hat sich auf das Verfahren eingelassen. Aus dem Urteil des Kantongerecht und dem Akteninhalt ist ersichtlich, daß er auf die „Klage“ erwidert und auch auf den „Replik-Schriftsatz“ des Klägers „dupliziert“ hat (Bl. 31, 44 der Akten).
2. Der Anerkennung des niederländischen Urteils stehen – entgegen der Auffassung des Antragsgegners – auch nicht Art. 27, 28 EuGVÜ entgegen.
a) Gemäß Art. 28 Abs. 1 EuGVÜ wird eine Entscheidung allerdings nicht anerkannt, wenn die Vorschriften (des dritten, vierten und fünften Abschnitts des Titels II) über die Zuständigkeit für Versicherungssachen, Verbrauchersachen oder die in Art. 16 enumerativ aufgezählten Klagen verletzt sind. Das trifft aber auf das vorliegende Verfahren, in dem es um Lohnforderungen aus einem Arbeitsverhältnis geht, nicht zu. Auch ein Fall des Art. 59 liegt erkennbar nicht vor.
Im übrigen verbietet Art. 28 Abs. 3 EuGVÜ dem mit dem Antrag auf Vollstreckbarkeitserklärung befaßten Gericht, die Zuständigkeit des Gerichts des Urteilsstaates nachzuprüfen, wobei HS 2 dieser Vorschrift bestimmt, daß eine Nachprüfung der Zuständigkeit des Gerichts des Urteilsstaates auch nicht unter Berufung auf den Ordre Public (Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ) zulässig ist.
b) Ob das Urteil des Kantongerecht Arnheim in einer besonderen Prozeßart des niederländischen Rechts, der sog. „Procedure ex Art. 1639 w BW“ ergangen ist, bei der gegen Entscheidung des Richters weder Berufung noch Revision möglich und zulässig ist, mag dahinstehen. Das Fehlen einer Rechtsmittelinstanz stellt keine Verletzung wesentlicher Grundsätze des deutschen Rechts dar. Auch nach deutschem Recht ist nicht in jedem Fall gegen die Entscheidung des erstmals angerufenen Gerichts ein Rechtsmittel statthaft und zulässig.
Das Urteil beruht auch nicht auf einem Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Wie aus dem Inhalt des Urteils ersichtlich ist, hat sich der niederländische Richter mit dem Vorbringen des Beklagten (Antragsgegners) auch zur Frage, welches Recht auf den vorliegenden Fall Anwendung finden muß, befaßt. Ob das Gericht insoweit zu Recht niederländisches Recht auf den Rechtsstreit angewendet hat, ist der überprüfung des mit dem Antrag auf Vollstreckbarkeitserklärung befaßten Gerichts entzogen.
3. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung ergeben sich auch nicht daraus, daß eine förmliche Zustellung des Urteils an den Antragsgegner erstmals am 9. Februar 1994 auf Betreiben des Antragstellers durch den Obergerichtsvollzieher X. erfolgte. Nach Art. 47 Ziff. 1 EuGVÜ hat der Antragsteller eine Urkunde vorzulegen, aus der sich ergibt, daß die Entscheidung zugestellt worden ist. Dabei bestimmen sich Form und Ordnungsmäßigkeit der Zustellung nach dem Recht des Urteilsstaates, einschließlich der dort anwendbaren Bestimmungen zwischenstaatlicher Abkommen. Das bedeutet, daß, wenn das Recht des Urteilsstaates eine förmliche Zustellung vorsieht, für die Zustellung in der Bundesrepublik Deutschland die zwischen dem betreffenden Urteilsstaat und der Bundesrepublik geltenden Übereinkommen oder Vereinbarungen maßgeblich sind. Ob in einem solchen Fall eine Zustellung in der Bundesrepublik Deutschland auf Betreiben einer Partei durch den Gerichtsvollzieher genügt oder die mit der erteilten Vollstreckungsklausel erfolgte Zustellung des Urteils nach § 9 AVAG ausreicht (so OLG Hamm, RIW 1993, 149), kann hier dahinstehen. Schreibt nämlich das Recht des Urteilsstaates eine förmliche Zustellung nicht vor – wovon hier die Parteien ausgehen und wie es sich aus dem von dem Antragsteller vorgelegten Schreiben des Kantongerecht Arnheim vom 20. Juli 1994 ergibt -, so reicht nach Auffassung des Senats der Nachweis einer Zustellung in Deutschland durch den Gerichtsvollzieher für die Erteilung der Vollstreckungsklausel aus. In einem solchen Fall kann der Nachweis einer vom Gericht des Urteilsstaates veranlaßten förmlichen Zustellung jedenfalls nicht verlangt werden.
4. Der landgerichtliche Beschluß war aber teilweise abzuändern, weil das Urteil des Kantongerecht Arnheim dem Antragsteller nur einen Betrag von 4.868,13 hfl zuspricht.
Daß in dem Urteil des Kantongerecht die Kosten von der vorläufigen Vollstreckbarkeit ausgenommen werden, steht der Erteilung der Vollstreckungsklausel auch hinsichtlich der Kosten nicht entgegen, da das Urteil nach der übereinstimmenden Erklärung der Parteien nicht angefochten und damit endgültig vollstreckbar ist.
Wegen der grundsätzlichen Frage, ob die Zustellung eines ausländischen Urteils in der Bundesrepublik Deutschland im Parteibetrieb durch den Gerichtsvollzieher dem Erfordernis des § 47 EuGVÜ genügt, hat der Senat die Rechtsbeschwerde gegen seine Entscheidung zugelassen.
Für eine Anordnung gemäß § 24 Abs. 2 AVAG hat der Senat keine Veranlassung gesehen.