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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragstellerin erstritt vor der Arrondissementsrechtbank s'Gravenhage (NL) ein Versäumnisurteil, durch das der Antragsgegner unter Androhung eines Zwangsgeldes zugunsten der Antragstellerin („dwangsom“) verurteilt wurde, eine Versicherung für das Todesfallrisiko in Höhe von 425.000,-- EUR mit der Antragstellerin als der Begünstigten abzuschließen. Sie beantragte, dieses Urteil wegen des darin zu ihren Gunsten ausgeurteilten Zwangsgeldes von insgesamt 500.000,-- EUR für in Deutschland vollstreckbar zu erklären. Das zuständige deutsche Landgericht wies den Antrag mit der Begründung zurück, dass das Zwangsgeld nicht festgesetzt, sondern nur angedroht worden sei. Eine Vollstreckbarerklärung käme auch deshalb nicht in Betracht, weil das Zwangsgeld der Höhe nach so sehr außer Verhältnis zum Vollstreckungsinteresse der Antragstellerin stehe, dass der deutsche ordre public einer Anerkennung der Entscheidung entgegenstehe. Die Antragstellerin erhob Beschwerde.
Das Oberlandesgericht Oldenburg (DE) entscheidet, dass Art. 38 Abs. 1, 49 EuGVO, wonach die Höhe des Zwangsgeldes endgültig festgesetzt sein müsse, der Vollstreckbarerklärung nicht entgegenstehen. Im niederländischen Recht wirke schon die Androhung als Festsetzung des Zwangsgeldes, mit der ein Vollstreckungstitel entstehe. Auch der deutsche ordre public (Art. 34 Nr. 1 EuGVO) stehe der Vollstreckung in Deutschland nicht entgegen. Dem Landgericht sei es gemäß Art. 41 EuGVO ohnehin verwehrt gewesen, eine Prüfung nach den Art. 34 und 35 EuGVO vorzunehmen. In der Beschwerdeinstanz habe sich der Antragsgegner hierauf dann nicht berufen. Ein ordre-public-Verstoß könne im Übrigen auch nicht festgestellt werden. Zwar kenne das deutsche Recht ein der „dwangsom“ vergleichbares Rechtsinstitut nicht, jedoch könnten auch nach deutschem Recht Zwangs- und Ordnungsgelder von erheblicher Höhe verhängt werden. Das Vollstreckungsinteresse der Antragstellerin stehe auch nicht außer Verhältnis zur Höhe der „dwangsom“.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Antragstellerin hat vor der Arrondissementrechtbank s’Gravenhage ein Versäumnisurteil erstritten, durch das der Beklagte verurteilt worden ist, eine Versicherung für das Todesfallrisiko in Höhe von 425.000, EUR mit der Klägerin als der Begünstigten abzuschließen, und zwar unter Androhung eines Zwangsgeldes zugunsten der Klägerin in Höhe von 425.000, EUR sowie eines Zwangsgeldes von 10.000, EUR für jeden Tag oder Teil eines Tages, an dem der Beklagte mit der Befolgung des Urteils in Verzug kommt. Sie beantragt, dieses Urteil wegen des darin zu ihren Gunsten ausgeurteilten Zwangsgeldes von insgesamt 500.000, EUR für vollstreckbar zu erklären.
Der Vorsitzende der Zivilkammer des Landgerichts Aurich hat den Antrag auf Vollstreckbarerklärung mit der Begründung zurückgewiesen, dass nicht festzustellen sei, dass gegen den Antragsgegner überhaupt ein Zwangsgeld festgesetzt worden sei; die Übersetzung des Urteils spreche nur von der Androhung eines Zwangsgeldes. Soweit die Androhung eines Zwangsgeldes nach niederländischem Recht ausreiche, komme eine Vollstreckbarerklärung nicht in Betracht, weil das Zwangsgeld der Höhe nach so sehr außer Verhältnis zum Vollstreckungsinteresse der Antragstellerin stehe, dass der deutsche ordre public einer Anerkennung dieser ausländischen Entscheidung entgegenstehe.
Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Der Antragsgegner hat von der ihm gebotenen Möglichkeit zur Stellungnahme (§ 13 AVAG) keinen Gebrauch gemacht.
Die gemäß Art. 13 EuGVVO, § 11 AVAG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Vollstreckung des Zwangsgeldes aus dem niederländischen Urteil ist zuzulassen, der Titel ist mit der Vollstreckungsklausel zu versehen (§ 6 AVAG).
Gemäß den Art. 38 Abs. 1, 49 EuGVVO wird eine ausländische Entscheidung, die auf die Zahlung eines Zwangsgeldes lautet, im Vollstreckungsmitgliedstaat nur dann für vollstreckbar erklärt, wenn die Höhe des Zwangsgeldes durch die Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats endgültig festgesetzt ist. Diese Voraussetzung steht entgegen der Auffassung des Landgerichts einer Vollstreckbarerklärung im hier zu entscheidenden Fall nicht entgegen.
Art. 49 EuGVVO, der Art. 43 EuGVÜ entspricht, betrifft eine Einzelheit aus der Vollstreckung von Handlungs und Unterlassungspflichten und ist zugeschnitten auf das in Frankreich und den BeneluxStaaten geltende System der „astreintes“. Die „astreinte“ des französischen Rechts und die „dwangsom“ des Rechts der BeneluxStaaten dienen im wesentlichen dazu, Handlungen oder Unterlassungen zu erzwingen. Beide unterscheiden sich vom Zwangsgeld deutschen Rechts gemäss § 888 ZPO dadurch, dass sie an den Gegner zu zahlen sind, wodurch sie in die Nähe einer nachträglich auferlegten Vertragsstrafe rücken (vgl. Mincke, Einführung in das niederländische Recht, Rn. 390). Die Entscheidung über die Auferlegung einer „dwangsom“ und über deren Höhe trifft der niederländische Richter nach eigenem Ermessen auf Antrag des Klägers.
Anders als im französischem Recht, das nach einer Androhung der „astreinte“ deren endgültige Festsetzung fordert, um einen Vollstreckungstitel entstehen zu lassen, bedarf es im Recht der BeneluxStaaten keiner besonderen Bestätigungsfestsetzung; schon die Androhung wirkt als Festsetzung (vgl. Münchener Kommentar/Gottwald, ZPO, 2. Aufl., Art. 43 EuGVÜ Rn. 1; Schlosser, EUZivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 49 EuGVVO Rn. 2). Auch wenn also der niederländische Titel ausweislich der von der Antragstellerin vorgelegten Übersetzung nur die Androhung einer „dwangsom“ enthält, genügt dies für die Vollstreckung im Ausland; ein Bestätigungsverfahren muss nicht durchgeführt werden.
Die Vollstreckbarerklärung hat weiter nicht deshalb zu unterbleiben, weil die niederländische Entscheidung dem deutschen ordre public widerspricht (Art. 34 Nr. 1 EuGVVO). Dem Landgericht war es gemäß Art. 41 EuGVVO ohnehin verwehrt, eine Prüfung nach den Art. 34 und 35 vorzunehmen; die Rechte des Schuldners sind durch Art. 43 Abs. 1 EuGVVO gewahrt, die Geltendmachung von Versagungsgründen bleibt der Beschwerde zum OLG vorbehalten (vgl. ZöllerGeimer, ZPO, 23. Aufl., Art. 41 EuGVVO Rn. 1 bis 3). Auf derartige Versagungsgründe hat sich der Antragsgegner auch nach Gewährung rechtlichen Gehörs in der Beschwerdeinstanz nicht berufen. Es kommt hinzu, dass der Antragsgegner in dem zugrundeliegenden Klageverfahren vor der niederländischen Arondissementrechtbank die Möglichkeit gehabt hätte, Einwendungen gegen die Höhe des Zwangsgeldes zu erheben und eine Herabsetzung gegenüber dem Antrag zu erreichen. Auch davon hat er keinen Gebrauch gemacht; er hat vielmehr ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen lassen.
Im Übrigen kann nicht festgestellt werden, dass die Vollstreckbarerklärung der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland offensichtlich widerspricht (vgl. zu den Voraussetzungen Zöller/Geimer aaO, Art. 34 EuGVVO Rn. 7 ff). Es darf zwar geprüft werden, ob das Ergebnis der ausländischen Rechtsanwendung mit dem inländischen ordre public vereinbar ist; die Anerkennung kann jedoch nur dann versagt werden, wenn der Inhalt der vom ausländischen Gericht seiner Entscheidung zugrundegelegten Norm aus deutscher Sicht nicht hingenommen werden kann. Daran sind nach allgemeiner Ansicht strenge Maßstäbe zu stellen; ein Verstoß gegen den nationalen ordre public wird nur ausnahmsweise anzunehmen sein.
Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen für einen Verstoß gegen den deutschen ordre public nicht vor. Der Umstand, dass das deutsche Recht ein der „dwangsom“ des Rechts der BeneluxStaaten entsprechendes Zwangsgeld nicht kennt, ist schon deshalb unerheblich, weil auch das deutsche Vollstreckungsrecht Zwangs und Ordnungsgelder in unter Umständen erheblicher Höhe vorsieht. Das Vollstreckungsinteresse der Klägerin steht weiter nicht außer jedem Verhältnis zur Höhe der „dwangsom“. Zwar dient die Verpflichtung, eine Lebensversicherung zugunsten der Antragstellerin abzuschließen, nur der Sicherung von deren Forderungen gegen einen Dritten, nämlich eine Gesellschaft deutschen Rechts, deren Mitgesellschafter/Mitgeschäftsführer der Antragsgegner war; jedoch ist die Antragstellerin, falls sie dort mit ihren Forderungen ausfallen sollte, auf die von dem Antragsgegner zu stellenden Sicherheiten angewiesen.