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Zusammenfassung der Entscheidung Die deutsche Klägerin schloss mit S ein Handelsgeschäft ab; für dieses Geschäft galten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Klägerin. Diese AGB benannten als Erfüllungsort und Gerichtsstand Frankfurt a.M. (DE). Die französische Beklagte, die ebenso wie die S. von dem Geschäftsführer A. vertreten wird, übernahm die Zahlungsverpflichtung der S. Die Klägerin machte ihren Zahlungsanspruch gerichtlich gegen die Beklagte in Frankfurt a.M. (DE) geltend.
Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. (DE) verneint seine internationale Zuständigkeit. Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung sei zwischen den Parteien nicht getroffen worden, da diese nicht den Formerfordernissen des Art. 17 EuGVÜ entspreche. Eine stillschweigende Annahme der AGB für die Zahlungsverpflichtung reiche nicht aus und sei auch nicht anzunehmen. Auch eine Vereinbarung des Erfüllungsortes durch die AGB der Klägerin sei nicht gegeben, da die AGB im Verhältnis zur Beklagten keine Geltung hätten. Die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters der Beklagten, dass die Klägerin AGB verwendet, reiche zur Geltung derselben nicht aus, zumal zwischen den Parteien ansonsten keine Geschäftsbeziehungen bestünden. Anders als bei einen Geschäft mit Leistungsaustausch könne bei einer Übernahme von Zahlungsverpflichtungen nicht angenommen werden, der Übernehmer wolle zu seinen Ungunsten ihm aus dem Geschäft zwischen Gläubiger und Schuldner bekannte AGB gegen sich gelten lassen. Es sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, dass sich die Beklagte auf die Unzuständigkeit der deutschen Gerichte berufe, ohne stichhaltige sachliche Einwendungen gegen die Zahlungsverpflichtung vor zu bringen. Die Beklagte habe ein Recht darauf, dass ihr Rechtsstreit von dem zuständigen Gericht entschieden werde, ohne ihr Interesse daran begründen zu müssen. Dies gelte umso mehr, als es um die Frage der internationalen Zuständigkeit gehe. Der Rechtsstreit sei somit gemäß Art 2 Abs. 1 EuGVÜ von französischen Gerichten zu entscheiden.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere nicht nach § 512 a ZPO unstatthaft. Die Beklagte beruft sich nämlich auf die fehlende Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Die internationale Zuständigkeit ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 44, 46), der sich der erkennende Senat wiederholt angeschlossen hat, kein Fall der örtlichen Zuständigkeit. Die Partei kann die Berufung darauf stützen, daß das deutsche Gericht seine internationale Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe.
Das Urteil kann, soweit es mit der Berufung angegriffen ist, sachlich keinen Bestand haben. Die Klage ist unzulässig, denn das angerufene deutsche Gericht ist für die sachliche Entscheidung des Rechtsstreits unzuständig. Für den vorliegenden Rechtsstreit gegen die Beklagte ist nach Art. 2 Abs. 1 des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuG-Übk) vom 27. September 1968 (BGBl II 1972, 774) die Zuständigkeit eines französischen Gerichtes gegeben, weil die Beklagte ihren Sitz in Frankreich hat und sowohl Frankreich als auch die Bundesrepublik Deutschland zu den Vertragsstaaten gehören, zwischen denen das Abkommen in Kraft getreten ist (vgl. Bekanntmachung vom 12.1.1973, BGBl II 1973, 60). Die aus dem Abschluß eines Handelsgeschäftes stammende Klageforderung gehört auch in den Kreis der nach Art. 1 vom Abkommen erfaßten Handelssachen.
Es liegt weiterhin nicht der Ausnahmefall eines in der Bundesrepublik nach den Vorschriften des 2. bis 6. Abschnittes des Abkommens gegebenen Gerichtsstandes vor. Die Beklagte hat bereits in erster Instanz vorab die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt, so daß keine Zuständigkeit nach Art. 18 EuG-Übk begründet worden ist.
Entgegen der Auffassung der Klägerin gilt zwischen den Parteien kein vertraglich vereinbarter Gerichtsstand. Art. 17 Abs. 1 EuG-Übk fordert dafür entweder eine schriftliche oder eine mündliche, aber schriftlich bestätigte Vereinbarung. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß keine ausdrückliche schriftliche Gerichtstandsvereinbarung getroffen wurde. Die schriftliche Vereinbarung der Parteien vom 28. Mai 1973, aus der die Klägerin die Zahlungspflicht der Beklagten herleitet, enthält keinerlei Abreden darüber, wo im Falle eines Rechtsstreits mit der Beklagten zu klagen wäre. Es findet sich insoweit auch kein ausdrücklicher Hinweis auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, die in Ziff. 14 eine Bestimmung des Erfüllungsortes und des Gerichtsstandes in Frankfurt am Main enthalten.
Es kann aber auch nicht eine stillschweigende Übernahme der allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Zahlungsverpflichtung der Beklagten angenommen werden, die in der Vereinbarung vom 28. Mai 1973 niedergelegt wurde. Für die Vereinbarung eines Gerichtsstandes wäre dieser Weg der Geltung der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ohnehin nicht ausreichend im Sinne von Art. 17 EuG-Übk, denn die Gerichtsstandsklauseln müssen zu ihrer Wirksamkeit in irgendeiner Form schriftlich zwischen den Parteien in Erscheinung getreten sein, sei es durch unmittelbare schriftliche Vereinbarung, sei es durch schriftliche Bestätigung der mündlichen Vereinbarung.
Lediglich wenn man wegen des Inhalts von Ziff. 14 der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin einen Erfüllungsort in Frankfurt am Main als vereinbart ansehen könnte, käme ein Gerichtsstand nach Art. 5 Nr. 1 EuG-Übk in Betracht. Ob damit eine Umgehung der in Art. 17 EuG-Übk für die Gerichtsstandsvereinbarung aufgestellten Schriftlichkeitserfordernisse verbunden wäre, kann dahinstehen, denn die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin haben keine Geltung im Verhältnis zur Beklagten erlangt. Der Umstand, daß im Verhältnis der Firma L'Européene de Distribution, die ebenso wie die Beklagte von dem Geschäftsführer Wolfgang Anterist vertreten wird, zur Klägerin die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin für das ursprüngliche Geschäft galten, bewirkt noch keine Geltung der Geschäftsbedingungen für die Zahlungspflicht der Beklagten. Die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters der Beklagten, daß die Klägerin allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, reicht zur Geltung derselben nicht aus, zumal zwischen den Parteien dieses Prozesses sonst keine Geschäftsbeziehungen bestanden. Der Gläubiger kann auch bei einem Dritten, der für den Schuldner Zahlungspflichten übernimmt, nicht davon ausgehen, daß dieser über die ausdrücklich ausgehandelten Verpflichtungen hinaus weitere Nachteile auf Grund von allgemeinen Geschäftsbedingungen des Gläubigers übernehmen will. Anders als bei einem Geschäft mit Leistungsaustausch und gegenseitigen Interessen kann bei einer solchen Verpflichtung nicht angenommen werden, der Dritte wolle zu seinen Ungunsten ihm aus dem Geschäft zwischen Gläubiger und Schuldner bekannte auch gegen sich gelten lassen.
Es bedarf demgemäß auch nicht im vorliegenden Fall der Klärung, welcher Rechtsnatur die Verpflichtung der Beklagten in der Urkunde vom 28. Mai 1973 ist.
Schließlich kann der Beklagten auch nicht – wie das Landgericht meint – die Berufung auf die internationale Unzuständigkeit des Gerichts als unzulässige Rechtsausübung verwehrt werden.
Zwar wird in der Literatur vertreten, der Beklagte dürfe im Falle des fehlenden Gerichtsstandes sich nicht hinter der Unzuständigkeit verschanzen, ohne sachliche Einwände zu haben und nur um die Sache zu verschleppen (Baumbach/Hartmann, ZPO, 37. Aufl., Übersicht vor § 12 Anm. 4 B; ZÖller/Volkommer, ZPO, 12. Aufl., § 12 Anm. III 2 c). Es mag zweifelhaft sein, wie weit bei der nach gegenwärtigem Rechtsverständnis mehr und mehr in den Vordergrund gerückten Bedeutung des gesetzlichen Richters, einem Prinzip mit Verfassungsrang (vgl. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG – BVerfGE 3, 359; 48, 246), die Berufung auf die Unzuständigkeit eines Gerichts überhaupt rechtsmißbräuchlich sein kann. Jedenfalls kann aus der Tatsache allein, daß ein Beklagter sich auf die Unzuständigkeit beruft, ohne stichhaltige sachliche Einwendungen vorzubringen, noch nicht ein Rechtsmißbrauch gefolgert werden. Denn der Beklagte hat ein Recht darauf, daß sein Rechtsstreit von dem zuständigen Gericht entschieden wird, ohne sein Interesse daran begründen zu müssen (Baumgärtel, ZZP, 69, 89, 118 f.; 86, 353, 366).
Die Anforderungen an die Rechtsmißbräuchlichkeit müssen im vorliegenden Fall umso schärfer sein, als es um Fragen der internationalen Zuständigkeit geht. Mag man bei Fällen der örtlichen Unzuständigkeit noch aus der Regelung des Gesetzes in § 512 a ZPO auf eine wegen der Gleichartigkeit der Gerichte geringere Bedeutung der Einhaltung schließen, so muß in den Fällen, in denen grundsätzlich verschiedene Gerichte zur Wahl stehen, für die Rüge der Unzuständigkeit ein noch weiterer Spielraum gelten, ehe eine mißbräuchliche Geltendmachung in Betracht kommt. So hat das Oberlandesgericht Düsseldorf (BB 1977, 1523) zugelassen, dass sich der Beklagte, obwohl die Forderung unstreitig war, auf die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts berief, und die Unzulässigkeit der Klage vor dem ordentlichen Gericht angenommen. Entsprechendes muß gelten, wenn die Zuständigkeit eines französischen Gerichts statt eines deutschen Gerichtes in Betracht kommt. Es bedarf demgemäß keiner Prüfung, inwieweit die – im Verhältnis zur Unzuständigkeitsrüge hilfsweise vorgetragenen sachlichen Einwendungen der Beklagten fadenscheinig sind und nur die Klägerin hinhalten sollen, denn der Beklagten steht das Recht zu, daß die Stichhaltigkeit ihrer Einwendungen durch ein französisches Gericht geprüft wird.