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Zusammenfassung der Entscheidung Die deutsche Klägerin und die niederländische Beklagte haben einen Werkvertrag abgeschlossen. Die vertraglich vereinbarten Werkleistungen sollten von der Klägerin erbracht werden. Die Beklagte traf die Pflicht, bei Abholung der Ware den Werklohn in bar zu bezahlen. Die Beklagte hat ihre Pflicht nicht erfüllt. Deshalb hat die Klägerin gegen sie Klage auf Zahlung des Werklohns vor einem deutschen Gericht erhoben.
Das Oberlandesgericht Schleswig (DE) ist der Auffassung, dass das erstinstanzliche Gericht zurecht seine internationale Zuständigkeit verneint habe. Grundsätzlich seien gemäß Art. 2 EuGVÜ die Gerichte am Sitz des Beklagten, also die niederländischen Gerichte, international zuständig. Auch eine besondere Zuständigkeit nach dem EuGVÜ sei nicht begründet. Insbesondere Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ sei nicht anwendbar. Der Erfüllungsort im Sinne dieser Vorschrift bestimme sich nach dem Recht, das nach den Kollisionsnormen des angerufenen Gerichts für die streitige Verpflichtung maßgeblich sei. Dies sei im konkreten Fall das deutsche Recht. Nach § 269 BGB liege der Erfüllungsort für die Pflicht des Bestellers zur Zahlung des Werklohns am Sitz des Schuldners, hier also in den Niederlanden.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
Mit Recht hat das Landgericht seine internationale Zuständigkeit für die vorliegende Werklohnklage verneint.
Maßgeblich für die Beurteilung ist das EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (GVÜ) vom 27. September 1968, das im Verhältnis zu den Niederlanden am 1. Februar 1973 in Kraft getreten ist (Zöller-Geimer, 17. Aufl., Art. 1 GVÜ Rn. 1). Danach ist grundsätzlich international zuständig das Wohnsitzgericht des Schuldners (Art. 2 GVÜ), hier also das Wohnsitzgericht der Beklagten. Ausnahmsweise kommt vorliegend die besondere Zuständigkeit des Erfüllungsortes nach Art. 5 Nr. 1 GVÜ in Betracht. Dieser liegt jedoch auch bei der Beklagten.
Art. 5 Nr. 1 GVÜ geht zunächst grundsätzlich davon aus, daß bei einem gegenseitigen Vertrag auf den Erfüllungsort der konkreten streitigen Verpflichtung abzustellen ist, die Gegenstand der Klage ist (EuGH NJW 1987, 1131; LG Kaiserslautern NJW 1988, 652; Zöller-Geimer, Art. 5 GVÜ Rn. 29). Der konkrete Erfüllungsort iSd Art. 5 Nr. 1 GVÜ richtet sich ferner nach demjenigen Recht, das nach den Kollisionsnormen des mit der Sache befaßten Gerichts für die streitige Verpflichtung maßgeblich ist (EuGH NJW 1987, 1132; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 50. Aufl., Art. 5 GVÜ Anm. zu Nr. 1 mwN). Das ist vorliegend deutsches Recht, da – falls nicht schon die entsprechende Rechtswahl nach Art. 27 Abs. 1 EGBGB eingreift – jedenfalls die nicht widerlegte Vermutung des Art. 28 EGBGB gegeben ist. Bei einem Werkvertrag wird die charakteristische Leistung vom Unternehmer erbracht (Palandt-Heldrich, Art. 28 EGBGB Rn. 14, 3). Mithin ist § 269 BGB maßgeblich.
Grundsätzlich muß bei einem gegenseitigen Vertrag der Leistungsort (Erfüllungsort) nach § 269 BGB für jede Verpflichtung gesondert bestimmt werden, er ist nicht notwendig einheitlich (BGH NJW 1986, 935). Das gilt auch für die Zahlungsverpflichtung (§§ 270 Abs. 4, 269 Abs. 1 BGB). Leistungsort für Geldschulden ist in der Regel der Wohnort des Schuldners zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses, hier also der Sitz der Beklagten in Holland, es sei denn, es ist ein Ort für die Leistung bestimmt oder aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses zu entnehmen (§ 269 Abs. 1 BGB).
Ob in der von der Klägerin behaupteten – neuerdings streitigen – Vereinbarung, daß die Beklagte bei der Abholung Barzahlung leisten solle, die Vereinbarung eines Leistungsortes für die Zahlung liegt, ist zweifelhaft. Die bloße Festlegung eines Ablieferungsortes für Geld im Rahmen der Regelung der Zahlungsmodalitäten ist in der Regel noch keine Vereinbarung über den Leistungsort, sondern nur die Vereinbarung einer Schickschuld (Ermann-Sirp, 8. Aufl., § 269 BGB Rn. 5; Soergel-Wolf, 12. Aufl., Rn. 16; Keller in München.Komm., 2. Aufl., Rn. 13). Sollte – bei gegenteiliger Auffassung – die Vereinbarung eines Leistungsortes gleichwohl ohne weiteres möglich sein, so würde in Entsprechung auch eine nachträgliche Änderungsvereinbarung über den Leistungsort – die ohne weiteres zulässig ist (Keller, aaO, Rn. 23) – keine höheren Anforderungen stellen, so daß – dem Landgericht folgend – die Vereinbarung einer abweichenden Zahlung – Überweisung von Holland aus – bei der Abholung der Sache als eine derartige Änderung des Leistungsortes anzusehen wäre. Daß die Angestellte E der Klägerin insoweit keine Vollmacht hatte – wie nunmehr behauptet – ist unerheblich, da mit der Übersendung der Rechnung diese ohne Vollmacht getroffene Absprache von der Klägerin genehmigt worden wäre. Nach allem ist Flensburg nicht als Leistungsort vereinbart.
Zu prüfen ist deshalb, ob beim vorliegenden Werkvertrag auch für die Zahlungsverpflichtung als Leistungsort der Ort zu bestimmen ist, wo diejenige Verpflichtung zu erfüllen ist, der nach dem Inhalt des Vertrages die größere Bedeutung zukommt und die deshalb dem Vertrag das wesentliche Gepräge gibt (Keller, aaO, Rn. 6 mwN). Das wäre der Ort der Werkleistung der Klägerin, die in Deutschland zu erfüllen war. Diese Frage wird in Rechtsprechung und Lehre nunmehr für Bauverträge fast einhellig und für Kraftfahrzeugreparaturen überwiegend bejaht (vgl. Nachweise bei Palandt-Heinrichs, § 269 BGB, Rn. 12). Leitbild für diese Rechtsprechung ist der Bauvertrag (BGH NJW 1986, 935; BayObLGZ 1983, 64, 66 ff.). Dort ist maßgeblich die Ortsbezogenheit der Werkleistung (hier muß der Unternehmer seine Leistung erbringen, hier muß der Besteller abnehmen, hier ist im Falle eines Streits über Aufmaß und Mängel die Beweisaufnahme kostengünstig). Das alles gilt im wesentlichen für die vorliegende Werkleistung der Klägerin – Färben und Bügeln von Kleidungsstücken – wegen der Beweglichkeit der Vertragsgegenstände nicht. Schon die Abnahme wird erst nach Entladung des Lkw bei der Beklagten in Holland erfolgen. Desgleichen wird – wie sich im vorliegenden Rechtsstreit abzeichnet – die Werkleistung dort zu begutachten sein.
Nach allem ist dem Landgericht zu folgen und kein gemeinsamer Erfüllungsort anzunehmen. Dabei sind auch zu berücksichtigen der Schuldnerschutz und die Rechtssicherheit bei der Bestimmung des für den Gerichtsstand maßgeblichen Erfüllungsortes.