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Zusammenfassung der Entscheidung Die deutsche Klägerin vertreibt Leuchten. Die niederländische Beklagte hat bei ihr am 07.02.1984 fernmündlich 250 Leuchten bestellt. Die Klägerin bestätigte die Bestellung schriftlich. Auf der Rückseite des Bestätigungsschreibens waren ihre Verkaufs- und Lieferbedingungen (AGB) abgedruckt. Darin hieß es: „Erfüllungsort und Gerichtsstand für beide Vertragsteile ist U. in Deutschland“. Unstreitig ist der Beklagten bereits am 17.05.1982 eine solche Auftragsbestätigung zu gegangen. Auch auf den Rechnungsformularen der Klägerin war als Gerichtsstand U. (DE) angegeben. Die Parteien standen seit Mai 1982 in Geschäftsbeziehungen; sie tätigten eine Vielzahl von Geschäften. Dass der Beklagten die Rechnungen der Klägerin nicht zugegangen wären, wird nicht vorgetragen. Die Klägerin fordert vor dem Amtsgericht U. (DE) Kaufpreiszahlung. Dieses hielt sich für unzuständig.
Das Landgericht Dortmund (DE) bejaht die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung. Die Wirksamkeit der in den AGB der Klägerin vorgesehenen Gerichtsstandsvereinbarung richte sich nach Art. 17 EuGVÜ. Die Schriftform des Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ sei nicht eingehalten. Bei einem mündlich geschlossenen Vertrag sei den Formerfordernissen des Art. 17 Abs. 2 EuGVÜ grundsätzlich nur genügt, wenn die schriftliche Bestätigung durch den Verkäufer, der dessen Verkaufsbedingungen beigefügt seien, vom Käufer schriftlich angenommen worden sei. Auch dies sei hier nicht der Fall. Jedoch verstoße die Beklagte gegen Treu und Glauben, indem sie das Bestehen einer Zuständigkeitsvereinbarung leugne, weil der vorliegende Vertrag im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen abgeschlossen worden sei, und weil diese Beziehungen in ihrer Gesamtheit den AGB der Klägerin unterlägen, die die Gerichtsstandsklausel enthielten.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Klägerin vertreibt in Deutschland als GmbH Leuchten und Zubehörstücke; die Beklagte ist eine Gesellschaft mit Sitz in den Niederlanden.
Die Beklagte bestellte bei der Klägerin am 07.02.1984 fernmündlich 250 Leuchten. In einer schriftlichen Auftragsbestätigung vom 14.02.1984 bestätigte die Klägerin die Bestellung. Die auf der Rückseite abgedruckten Verkaufs- und Lieferbedingungen der Klägerin lauten u.a.: Erfüllungsort und Gerichtsstand für beide Vertragsteile ist Unna. Unstreitig ist der Beklagten bereits am 17.05.1982 eine solche Auftragsbestätigung zugegangen.
Die Ware wurde der Beklagten geliefert und unter dem 16.03.1984 mit 5.149,50 DM in Rechnung gestellt; unter dem 15.11.1984 wurde der Beklagten eine Gutschrift in Höhe von 155,‑ DM erteilt. Die Klägerin verfolgt im vorliegenden Rechtsstreit ihren Kaufpreisanspruch und beruft sich hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts auf ihre Verkaufs- und Lieferbedingungen.
Das Amtsgericht hat die Klage wegen Fehlens der örtlichen Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin mit der sie beantragt,
das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das angerufene Gericht ist aufgrund der zwischen den Parteien getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung örtlich zuständig.
Die Wirksamkeit der in den Verkaufs- und Lieferbedingungen der Klägerin vorgesehenen Gerichtsstandvereinbarung beurteilt sich ausschließlich nach Art. 17 des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) vom 21.09.1968. Das Abkommen ist im vorliegenden Fall anwendbar, da beide Parteien ihren Sitz im Gebiet eines jeweils anderen Vertragsstaates haben (Art. 2 Abs. 1, 4 Abs. 1 EuGVÜ) und Gegenstand des Rechtsstreits eine Handelssache im Sinne des Art. s 1 EuGVÜ ist.
Die Vorschrift des Art. 17 EuGVÜ geht als lex specialis dem durch die Gerichtsstandsnovelle vom 31.03.1974 neu gefaßten und am 01.04.1974 in Kraft getretenen § 38 ZPO vor. Dies gilt nach nunmehr ganz überwiegender Meinung nicht nur für § 38 Abs. 2 ZPO (vg1. dazu Thomas–Putzo, ZPO, 13. Aufl., § 38 II b bb mwN), sondern auch für § 38 Abs. 1 ZPO, der unter Vollkaufleuten eine formfreie Gerichtsstandsvereinbarung zuläßt.
Die von Art. 17 EuGVÜ für die Gerichtsstandsvereinbarung geforderte Schriftform ist im vorliegenden Fall allerdings nicht gewahrt. Art. 17 EuGVÜ verlangt für die Gerichtsstandsvereinbarung unabhängig davon, ob die Parteien Vollkaufleute sind oder nicht, die Einhaltung der Schriftform. Eine mündliche Vereinbarung muß schriftlich bestätigt werden (Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ). Die Voraussetzungen, die § 126 Abs. 2 BGB für die gesetzliche Schriftform eines Vertrages aufstellt, sind im vorliegenden Fall eindeutig nicht erfüllt. Auch bei einem mündlich geschlossen Vertrag ist nach der Entscheidung des EuGH vom 04.12.1976 (NJW 1977, 495) den Formerfordernissen des Art. 17 Abs. l EuGVÜ nur dann genügt, wenn die schriftliche Bestätigung durch den Verkäufer, der dessen Vertragsbedingungen beigefügt sind, vom Käufer schriftlich angenommen worden ist. Dies ist hier nicht der Fall.
Die Beklagte verstößt jedoch gegen Treu und Glauben, indem sie das Bestehen einer Zuständigkeitsvereinbarung leugnet, und zwar deshalb, weil der vorliegende Vertrag im. Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien abgeschlossen wurde, und weil diese Beziehungen in ihrer Gesamtheit den eine Gerichtsstandsklausel enthaltenen Verkaufs- und Lieferbedingungen der Klägerin unterliegen.
Die Rechtsbeziehungen der Parteien insgesamt, die die Klägerin in der Berufungsbegründungsschrift und unter Vorlage von Urkunden im einzelnen dargelegt hat, zwingen zu der Feststellung, daß der vorliegende Vertrag sich in laufende Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien einfügt. Dem Vertrag waren seit Mai 1982 eine Vielzahl von Geschäften vorausgegangen, was auch von der Beklagten nicht bestritten wird. Noch weitergehende Anforderungen können an den Begriff der laufenden Geschäftsverbindung nicht gestellt werden.
Diese Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien unterliegen insgesamt den Verkaufs- und Lieferbedingungen der Klägerin, also auch der darin enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Klägerin der Beklagten zumindest zweimal, nämlich am 17.05.1982 und am 14.02.1984 ihre Auftrags- und Lieferbedingungen übersandt hat. Auch auf den von der Klägerin verwandten Rechnungsformularen ist als Gerichtsstand Unna angegeben; daß die Beklagte diese Rechnungen nicht erhalten hat, wird nicht vorgetragen und wäre auch wenig wahrscheinlich.
Bei dieser Sachlage verstößt die Beklagte, die das Bestehen einer Zuständigkeitsvereinbarung leugnet, gegen Treu und Glauben, auch wenn es an einer schriftlichen Annahme ihrerseits fehlt. Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben und zur Entscheidung in der Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen.