Die beklagte Firma S. ist ein Abbruch- und Sprengunternehmen, dessen Hauptverwaltungssitz in Uckange/Frankreich liegt.
Im Jahre 1974 sprengte die Beklagte im Auftrag des saarländischen Innenministeriums auf dem Werksgelände der Firma R. GmbH einen Bunker. Da in dessen unmittelbarer Nähe zwei Gasleitungen der Klägerin, einer deutschen Gesellschaft, vorbeiführten, wurden von dieser nach verschiedenen Ortsterminen vor der Sprengung Sicherungsmaßnahmen zum Schutze der Gasleitungen durchgeführt. Die Parteien streiten in materiellrechtlicher Hinsicht darüber, ob die Beklagte aufgrund getroffener Vereinbarungen verpflichtet ist, die der Klägerin durch die Sicherungsmaßnahmen entstandenen Aufwendungen, die die Klägerin mit 23.482,78 DM beziffert, zu ersetzen.
Gegenüber der Zahlungsklage hat die Beklagte geltend gemacht, eine Zuständigkeit deutscher Gerichte sei hierfür nicht gegeben.
Durch Zwischenurteil vom 3.8.1976 hat das Landgericht Saarbrücken die Einrede der Unzuständigkeit verworfen.
Das Landgericht hat dabei seine Zuständigkeit aus Art. 5 Nr. 5 EuGVÜ abgeleitet, da eine Streitigkeit zumindest aus dem Betrieb einer Agentur vorliege. Dies ergebe sich aus den von der Beklagten verwendeten Briefbögen, die ausdrücklich eine „Vertretung für Deutschland“ angeben und an untergeordneter Stelle den Hinweis auf die „Haupt“-verwaltung enthalten.
Wegen der Einzelheiten wird auf das landgerichtliche Urteil verwiesen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte in zulässiger Weise Berufung eingelegt.
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug weiter darüber, ob sich eine Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit aus Art. 5 des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) vom 27.9.1968 begründen läßt.
Die Beklagte behauptet unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen, ihre Vertretung in Beckingen sei – wie der Klägerin bekannt sei – gänzlich abhängig von dem Geschäftssitz in Uckange; so habe Herr St., der Leiter ihrer Vertretung für Deutschland in Beckingen, nur nach genauer Abstimmung mit seinen Vorgesetzten in Uckange die Verhandlungen mit den saarländischen Behörden geführt.
Im übrigen habe sie in Beckingen nicht einmal eigene Räume, kein eigenes Mobiliar und keine gesonderte Buchführung; auch sei sie nicht mit einer Zweigniederlassung im Handelsregister eingetragen. Unter der Anschrift Beckingen halte sich lediglich zeitweise Herr St. auf, und zwar zur Vereinfachung des Kontakts zur deutschsprachigen Kundschaft. Mangels äußerer Anzeichen habe daher für die Klägerin der Eindruck des Bestehens einer Niederlassung oder Agentur überhaupt nicht entstehen können, vor allem nicht in der – für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblichen – Zeit vor der Sprengung.
Zu Unrecht sei das Landgericht bei seiner Argumentation schließlich davon ausgegangen, daß die in Art. 5 EuGVÜ verwendeten Begriffe mit den hier zugrundegelegten deutschen Begriffsbestimmungen deckungsgleich seien.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils das Landgericht Saarbrücken für unzuständig zu erklären.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich – außer auf Art. 5 Nr. 1 – insbesondere auf Art. 5 Nr. 5 EuGVÜ und vertritt die Auffassung, es handele sich um eine Streitigkeit aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung der Beklagten. In diesem Zusammenhang ist unstreitig, daß die Beklagte in Deutschland mit Briefbögen firmiert, auf denen als Absender angegeben ist:
„S., Vertretung für Deutschland, Tel., Bankverbindung“
Am unteren Rand dieser Geschäftsbriefbögen steht: „Hauptverwaltung: 57 270 Uckange (Frankreich) ...“.
Die Klägerin trägt vor, das Auslandsbüro der Beklagten in Beckingen sei eine Niederlassung bzw. Agentur iSd erwähnten Bestimmung. Die Beklagte wickle von dort ihre sämtlichen Geschäfte in der Bundesrepublik ab. Sie melde sich dort auch telefonisch als „Firma S.“ Das Büro werde von dem Zeugen St. geführt, der Entscheidungen über die zu treffenden Sicherungsmaßnahmen auch ohne Rücksprache mit der Hauptverwaltung in Uckange getroffen habe. Aufgrund dieser Umstände habe die Beklagte zumindest den Rechtsschein einer Niederlassung oder Agentur in Beckingen erweckt, an dem sie sich festhalten lassen müsse.
Im übrigen bezieht sie sich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil.
Auf das sonstige Vorbringen der Parteien und die von ihnen überreichten Unterlagen wird Bezug genommen.
Der Senat hat durch Beschluß vom 21.2.1978 (Bl. 125 ff.der Akten) dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 2 Nr. 2, Art. 3 Abs. 2 des Protokolls vom 3.6.1971 betr. die Auslegung des EuGVÜ vom 27.9.1968 (BGBl. 1972 Teil II, S. 846) einige für die Entscheidung des Rechtsstreits relevante Auslegungsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Auf das daraufhin ergangene Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 22.11.1978 (Bl. 132 ff.der Akten) nebst Anlagen wird Bezug genommen.
Aufgrund Beschlusses vom 5.1.1979 (Bl. 144 der Akten) hat der Senat Beweis erhoben. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme in der Sitzungsniederschrift vom 6.2.1979 (Bl. 150 ff.der Akten) wird hingewiesen.
Entscheidungsgründe:
A. Die Berufung ist zulässig.
Ihr steht nicht die Bestimmung des § 512 a ZPO entgegen, wonach in Rechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche die Berufung nicht darauf gestützt werden kann, daß das Gericht des ersten Rechtszuges mit Unrecht seine örtliche Zuständigkeit angenommen hat. Denn bei der Frage, ob ein deutsches oder ein ausländisches Gericht in der vermögensrechtlichen Sache zuständig ist, geht es begrifflich um etwas anderes als die örtliche Zuständigkeit i.S. dieser Bestimmung; Art und Gewicht der berührten privaten und staatlichen Belange erheischen hier eine unterschiedliche Regelung (BGH (GSZ) 44, 46 = NJW 65, 1665; Baumbach-Lauterbach-Albers § 512 a ZPO m. weit. Nachw.).
B. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Das Landgericht Saarbrücken hat zu Recht seine internationale Zuständigkeit für den vorliegenden Rechtsstreit bejaht.
Bei der internationalen Zuständigkeit geht es um die Grenzziehung zwischen der Zuständigkeit deutscher Gerichte und der Zuständigkeit ausländischer Gerichte. Diese Frage ist in der ZPO nicht ausdrücklich, sondern nur mittelbar geregelt, und zwar durch stillschweigende Verweisung auf die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit, §§ 12 ff ZPO. Soweit nach diesen Vorschriften ein deutsches Gericht örtlich zuständig ist, ist es nach deutschem Recht auch international, d.h. im Verhältnis zu ausländischen Gerichten zuständig (BGHZ 44, 46). In Rechtsstreitigkeiten mit Auslandsberührungen richtet sich die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts darüberhinaus nach den Bestimmungen des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaften über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 (EuGVÜ – BGBl. 1972, 11, 773 ff), das – für die Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu Frankreich am 1.2.1973 in Kraft getreten (BGBl. 1973, 11 60) – alle innerstaatlichen Normen über die internationale Zuständigkeit verdrängt.
I. Bei dem Rechtsstreit der Parteien handelt es sich um eine „Zivil- und Handelssache“ iS des Art. 1 Abs. 1 dieses Übereinkommens (z. Auslegung dieses Begriffs vgl. Geimer in Anm. zu Urteilen des EuGH NJW 77, 492). Gemäß dessen Art. 3 ist für die internationale Zuständigkeit die Regelung betr. den besonderen Gerichtsstand des Vermögens und des Streitgegenstandes (§ 23 ZPO) nicht anwendbar. Denn Art. 3 EuGVÜ schließt jedenfalls vor den Gerichten in der BRD die Geltendmachung des § 23 ZPO gegen Personen, die ihren Wohnsitz in Frankreich haben, aus.
II. Auch folgt die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Saarbrücken nicht aus Art. 5 Nr. 1 des Übereinkommens. Danach hängt die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit davon ab, ob ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. In diesem Fall ist das Gericht des Ortes zuständig, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Streitige Verpflichtung ist dabei sowohl nach deutschem Recht wie nach den Bestimmungen des EuGVÜ die in der Klage behauptete Verpflichtung des Beklagten (vgl. EuGH, NJW 77, 490; Baumb.-Lauterbach-Hartmann, ZPO, 37. Aufl., § 29 Anm. 3 A). Nach dem Sachvortrag der Klägerin ist zwischen ihr und der Beklagten eine Vertragsvereinbarung zustandegekommen, die die Beklagte verpflichtete, die Kosten für die von ihr veranlaßten und von der Klägerin ausgeführten Sicherungsmaßnahmen zu übernehmen. Diese Zahlungsverpflichtung der Beklagten wäre aber nicht im Bezirk des Landgerichts Saarbrücken zu erfüllen. Denn Erfüllungsort iSd Art. 5 Nr. 1 des Übereinkommens ist hier Uckange in Frankreich.
Bei der Definition des Erfüllungsortes kann nach Ansicht des OLG Oldenburg (NJW 76, 1043) nicht auf die Regeln des deutschen internationalen Zivilprozeßrechts zurückgegriffen werden; vielmehr sei darauf abzustellen, ob und in welchem Sinn bei den Vertragsstaaten eine gemeinsame, übereinstimmende Vorstellung über diesen Begriff vorausgesetzt werden kann, obwohl es an einer einheitlichen gesetzlichen Definition fehlt.
Demgegenüber vertritt der EuGH (NJW 77, 491) die Auffassung, das auf das betreffende Rechtsverhältnis anwendbare Recht sei von dem mit dem Rechtsstreit befaßten Gericht nach seinen Kollisionsnormen zu ermitteln und alsdann der Erfüllungsort der streitigen Verpflichtung nach diesem Recht zu bestimmen. Soweit das EuGVÜ auf den Erfüllungsort vertraglicher Verpflichtungen verweist, ist dies nur als Verweisung auf das nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befaßten Gerichts anwendbare Recht zu verstehen.
Der Senat schließt sich der vom EuGH vertretenen Auffassung an (zustimmend auch Spellenberg ZZP 91 (1978), S. 38 ff., 61, 63). Nur sie vermeidet ein Auseinanderfallen des materiell-rechtlichen und des prozessualen Erfüllungsortbegriffs (vgl. Geimer aaO mwN).
Maßgebend für die Bestimmung des Erfüllungsortes ist dabei nicht, daß irgendeine und sei es die das ganze Vertragsverhältnis prägende, also vertragstypische Leistung zu erbringen ist; vielmehr kommt es auf den Erfüllungsort für die jeweils eingeklagte Verpflichtung an (EuGH NJW 77, 490 m. zust. Anm. Geimer aaO S. 493). Dies führt beim gegenseitigen Vertrag zwar häufig zur Aufspaltung mit der Folge der Anwendbarkeit verschiedener staatlicher Rechtsordnungen, entspricht jedoch Ziel und Zweck des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ: Wo der Schuldner nach materiellem Recht leisten muß, soll er auch gerichtspflichtig sein (vgl. Geimer aaO).
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist materiell-rechtlich aufgrund des jedenfalls konkludent zum Ausdruck gekommenen Willens der Parteien von der Anwendbarkeit deutschen Rechts auszugehen.
Bezüglich des mit dem saarländischen Minister des Innern als Auftraggeber für die Sprengungen zustandegekommenen Vertrages hat die Beklagte Saarbrücken als Gerichtsstand vereinbart. Dessen Leistungen wie die der Beklagten waren in Saarbrücken zu erbringen. Hieran haben die Parteien stillschweigend angeknüpft. Auch die Leistungen der Klägerin sind in Saarbrücken erbracht. Dort wurden auch die Verhandlungen zwischen den Parteien geführt, die Sicherheitsbestimmungen und Auflagen zum Gegenstand hatten, die auf deutsches Recht zurückgingen. Schließlich sind sämtliche Vereinbarungen in deutscher Sprache getroffen worden.
Im übrigen würde eine ergänzende Vertragsauslegung, auf dem hypothetischen Willen der Parteien fußend, zu dem gleichen Ergebnis gelangen. Der Schwerpunkt des gesamten Vertragsverhältnisses – auf den dann abzustellen wäre (vgl. Palandt-Heldrich, 38. Aufl., (IPR) Vorbem. vor EGBGB 12 Anm. 2 a cc mwN) – liegt aufgrund der o.a. näher umschriebenen objektiven Anhaltspunkte unzweifelhaft im deutschen Recht.
Bei der von der Beklagten mit der Klage geforderten Leistung handelt es sich – ungeachtet der genauen rechtlichen Einordnung des zwischen den Parteien nach dem Vortrag der Klägerin zustandegekommenen Schuldverhältnisses – um eine Geldschuld. Diese ist gemäß § 269 BGB am Wohnsitz des Schuldners – hier der Beklagten – und mithin in Uckange in Frankreich zu erbringen.
III. In Übereinstimmung mit dem landgerichtlichen Urteil ist eine Zuständigkeit deutscher Gerichte jedoch aufgrund Art. 5 Nr. 5 EuGVÜ zu bejahen, wonach bei Streitigkeiten aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung das Gericht des Ortes zuständig ist, an dem sich diese befindet.
1. a) Der Senat hat zur Auslegung dieser Bestimmung dem EuGH aufgrund Vorlagebeschluß vom 21.2.1978 (Bl. 125 f.der Akten) gem. Art. 2 Nr. 2, 3 Abs. 2 des Protokolls vom 3.6.1971 betr. die Auslegung des EuGVÜ die Frage vorgelegt, ob die Zuständigkeitsvoraussetzungen „laus dem Betrieb einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung“ in Art. 5 Nr. 5, EuGVÜ
aa) aufgrund des Rechts des Staates, dessen Gerichte angerufen sind, oder
bb) aufgrund des Rechts der beteiligten Staaten (Qualifikation nach dem in der Hauptsache an zuwendenden Recht), oder
cc) autonom, d.h. aufgrund der Zielsetzung und Systematik des EuGVÜ sowie der allgemeinen Rechtsgrundsätze, die sich aus der Gesamtheit der innerstaatlichen Rechtsordnungen ergeben (EuGH, Urteil vom 14.10.1976 – „Eurocontrol“, NJW 1977, 489, 490) zu bestimmen sind.
Diese Frage hat der EuGH mit für den Senat bindender Wirkung durch Urteil vom 22.11.1978 – 33/78 (Bl. 132 ff.der Akten) dahin beantwortet, daß das Bestreben, die Rechtssicherheit und die Gleichheit der Rechte und Pflichten der Parteien im Hinblick auf die Möglichkeit der Abweichung von der allgemeinen Zuständigkeitsvorschrift des Artikels 2 zu gewährleisten, eine autonome und damit allen Vertragsstaaten gemeinsame Auslegung der in Art. 5 Nr. 5 des Übereinkommens aufgeführten Begriffe gebietet.
b) Für den Fall, daß die genannten Begriffe autonom auszulegen sind, hatte der Senat mit einer zweiten Frage ersucht klarzustellen, welche Auslegungskriterien in bezug auf die Selbständigkeit von Entscheidungen (u.a. Geschäftsabschlüsse) sowie den Umfang der äußeren Einrichtung gelten. Eine dritte Frage ging dahin, ob bei der Auslegung der erwähnten Begriffe – wie etwa nach deutschem Recht (vgl. § 21 ZPO, Baumbach-Lauterbach aaO, Anm. 2 A d, Stein-Jonas, 19. Aufl., Anm. II 2; OLG Köln NJW 53, 1834; OLG Breslau HRR 39 Nr. 111) – Prinzipien der Haftung für einen nach außen, d.h. Dritten gegenüber begründeten Rechtsschein für das Bestehen einer Zweigniederlassung oder Agentur mit der Rechtsfolge anzuwenden sind, daß derjenige, der einen solchen Anschein erweckt, so zu behandeln ist, als habe er eine Zweigniederlassung oder Agentur betrieben.
Auf die Fragen 2 und 3 hat der EuGH wie folgt vorabentschieden:
„Mit dem Begriff der Zweigniederlassung, der Agentur oder der sonstigen Niederlassung ist ein Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit gemeint, der auf Dauer als Außenstelle eines Stammhauses hervortritt, eine Geschäftsführung hat und sachlich so ausgestattet ist, daß er in der Weise Geschäfte mit Dritten betreiben kann, daß diese, obgleich sie wissen, daß möglicherweise ein Rechtsverhältnis mit dem im Ausland ansässigen Stammhaus begründet wird, sich nicht unmittelbar an dieses zu wenden brauchen, sondern Geschäfte an dem Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit abschließen können, der dessen Außenstelle ist.“
Unter den Begriff „aus dem Betrieb“ fallen
– die Rechtsstreitigkeiten, in denen es um vertragliche oder außervertragliche Rechte und Pflichten in bezug auf die eigentliche Führung der Agentur, der Zweigniederlassung oder der sonstigen Niederlassung selbst geht, wie etwa die Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Vermietung des Grundstücks, auf dem die genannten Einheiten errichtet sind, oder mit der am Ort vorgenommenen Einstellung des dort beschäftigten Personals;
– die Rechtsstreitigkeiten, die sich auf Verbindlichkeiten beziehen, welche der vorstehend beschriebene Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit im Namen des Stammhauses eingegangen ist und die in dem Vertragsstaat zu erfüllen sind, in dem dieser Mittelpunkt besteht, sowie die Rechtsstreitigkeiten über außervertragliche Verpflichtungen, die aus der Tätigkeit entstehen, welche die Zweigniederlassung, die Agentur oder die sonstige Niederlassung im oben angegebenen Sinne an dem Ort für Rechnung des Stammhauses ausgeübt hat, an dem sie errichtet ist.
Das angerufene Gericht hat in jedem Einzelfall die Anhaltspunkte, anhand deren sich das Bestehen eines tatsächlichen Mittelpunkts geschäftlicher Tätigkeit feststellen läßt, zu bestimmen und das in Frage stehende Rechtsverhältnis in bezug auf den Begriff „aus dem Betrieb“, so wie er hier ausgelegt wird, zu qualifizieren.
2. Bei Beachtung vorstehender Grundsätze sind die Voraussetzungen des Art. 5 Nr. 5 EuGVÜ zu bejahen.
a) Wie die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme ergeben hat, hat die Beklagte in Beckingen einen Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit der vom EuGH umschriebenen Art geschaffen. Sie hat durch ihren für das technische Sprengwesen verantwortlichen Direktor S. dort über einen Raum im Hause des Zeugen U. verfügen können, der für sie und ihre Kunden die Funktion eines Geschäftsraumes hatte. Zwar war diese Räumlichkeit nicht als Geschäftsraum der Beklagten – etwa durch ein Firmenschild – ausdrücklich ausgewiesen. In dem Büroraum gab es auch keinen eigenen Telefonanschluß und keine Möbel, die der Beklagten gehörten. Der Zeuge S. hatte auch keinen eigenen Schlüssel zu dem Büro und war selbst nicht ständig (etwa zweimal in der Woche) dort zu erreichen.
Für die Entscheidung des Rechtsstreits ausschlaggebend ist jedoch, daß dennoch alle Voraussetzungen gegeben waren, die es der Beklagten ermöglichten, den Raum entsprechend ihrem jeweiligen Geschäftsbedarf zu nutzen, und daß die Beklagte in diesem Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit für ihre Kunden ständig ansprechbar gewesen ist.
Der Büroraum war sachlich so ausgestattet, daß die Beklagte die anfallenden Geschäfte mit Dritten betreiben konnte. In diesem Zusammenhang ist nicht unwesentlich, daß der Geschäftsbereich der Beklagte in der Bundesrepublik sich seiner Natur nach (Abbruch- und Sprengungsarbeiten) auf einen eng begrenzten Kundenkreis beschränkte. Für diesen Kreis von Beteiligten war die Beklagte seit den Vereinbarungen, die S. etwa im Jahre 1974 mit U. getroffen hatte, in Beckingen erreichbar. Der Wohnungs- und Telefonanschlußinhaber U., der in dieser Branche selbst fachkundig war – er hatte den Zeugen S. als Sprengmeister in den 50er Jahren ausgebildet – nahm aufgrund dieser Absprache Telefonate für die Beklagte entgegen, wobei dahingestellt bleiben kann, ob er sich dabei zunächst nur mit „U.“ gemeldet und erst anschließend, je nach der Person des Anrufers, seine Zuständigkeit für die Beklagte zu erkennen gegeben hat. Aufgrund besonderer familiärer Umstände im Hause U. war garantiert, daß dort ständig, auch während Ferienzeiten, jemand zu erreichen war. Der Zeuge S. konnte daher auch jederzeit in den Büroraum gelangen, wenn er dies wollte, und im übrigen zu U., den er nach seinen eigenen Worten als freien Mitarbeiter für die Beklagte eingeschaltet hatte, den jeweiligen geschäftlichen Erfordernissen gemäß Kontakt halten.
Die Funktion dieses Büros als Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit der Beklagten erhellt auch aus der Tatsache, daß S., wenn er dort selbst zugegen war, sich am Telefon mit „Firma S „ meldete und auch in Kopf der Briefbögen der beklagten als Telefonnummer der Anschluß des Zeugen U. als ihre eigene Nummer angegeben war. Daß das Büro in Beckingen speziell für die Kunden der Beklagten als Außenstelle fungieren sollte, entsprach dem Willen der Beklagten. Sie wollte damit den Kontakt zu ihren Kunden im deutschsprachigen Geschäftsbereich – im wesentlichen handelte es sich hierbei um das Saarland – erleichtern. Zu diesem Zweck hatte sie Briefbögen mit der Anschrift: S. ... Vertretung für Deutschland unter der Beckinger Telefonadresse aufgeführt. Auch die darin von ihr angegebene Bankverbindung war in Saarbrücken und wurde von deutschen Kunden auch genutzt.
Nicht zuletzt durch den Zusatz am unteren Rand des Briefbogens „Hauptverwaltung- Uckange/Frankreich“ ist zum Ausdruck gebracht, daß es sich bei der „Vertretung für Deutschland“ auch um eine Art von Verwaltung handelt, die jedenfalls mit dem Begriff einer Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung in dem oben beschriebenen Sinn gleichzusetzen ist.
Die Notwendigkeit, sich rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen wegen an die Hauptverwaltung der Beklagten in Uckange zu wenden, bestand angesichts dieser sachlichen Ausstattung ihrer Vertretung für Kunden der Beklagten nicht. Diese Feststellung erfährt eine zusätzliche Stütze daraus, daß der für die Beklagte in Beckingen handelnde Zeuge S. im Organisationsgefüge der Beklagten nicht etwa eine untergeordnete Position bekleidete, sondern als Direktor im technischen Sprengwesen technische und kaufmännische Kompetenzen hatte. Sowohl über technische wie kaufmännische – preisliche – Fragen hat bei Aufträgen aus dem Saarland der Zeuge S., wie er bekundete, selbst entschieden. Daß er diese Kompetenzen hatte, ist auch nach außen gegenüber Dritten deutlich geworden, wie sich aus der Aussage des für die Klägerin mit ihm verhandelnden Zeugen S. ergeben hat, S. habe alle Entscheidungen betr. den hier anstehenden Sachverhalt selbst getroffen.
Dieses Ergebnis deckt sich auch mit dem Inhalt von Urkunden, die die Parteien vorgelegt haben.
So wurde das Angebot für die vom saarländischen Innenministerium der Beklagten in Auftrag gegebenen Arbeiten von dem Zeugen S. gefertigt.
Das Angebot trägt außer seiner Unterschrift einen Stempel mit dem Zusatz „Vertretung für Deutschland“ und wurde in Beckingen ausgefüllt. Auch die von Beckingen ausgehende Korrespondenz, die sowohl Angebote der Beklagten wie Zahlungsaufforderungen umfasste, stammt von dem Zeugen S. – in Zusammenarbeit mit dem Zeugen U. Der vorerwähnte, von ihm benutzte Stempel wurde zusammen mit den Briefköpfen mit der Bezeichnung „Vertretung für Deutschland“ seit etwa 1973 verwandt.
Der Zeuge S. war es auch, der den ersten Kontakt mit der Klägerin knüpfte und die Sprenganzeige überbrachte. Er hat die Beklagte auch bei den nachfolgenden Verhandlungen vertreten, die Gegenstand dieses Rechtsstreits sind. Das Original der Sprenganzeige der Beklagten vom 4.1.1975 ist von dem Zeugen S. als „fachkundliche Person laut Gesetz“ unterzeichnet.
b) Bedenken gegen die Richtigkeit der von den Zeugen Sti. und St. gemachten Bekundungen hat die Beklagte selbst nicht geltend gemacht. Anhaltspunkte für entsprechende Zweifel haben sich auch für den Senat nicht ergeben. Die Zeugen waren sichtlich um eine objektive Sachdarstellung bemüht und hinterließen einen glaubwürdigen Eindruck.
c) Bei dieser Sachlage ist auch anzunehmen, daß es sich bei der vorliegenden Streitigkeit um eine solche „aus dem Betrieb“ der Beckinger Niederlassung der Beklagten handelt. Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch hat eine Verbindlichkeit zum Gegenstand, die der vorstehend beschriebene Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit im Namen der Beklagten nach dem Vortrag der Klägerin eingegangen ist. Wenn der EuGH in seiner Vorabentscheidung weiter ausführt, die Verbindlichkeit müsse in dem Vertragsstaat „zu erfüllen“ sein, in dem dieser Mittelpunkt bestehe, so kann hieraus nicht gefolgert werden, es müsse desweiteren der Erfüllungsort im Sinne des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ im Inland belegen sein. Eine solche Rechtsanwendung unter erneutem Zurückgreifen auf den – nach dem oben Gesagten in Frankreich liegenden – Erfüllungsort der Klageverbindlichkeit im Sinne des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ würde in dem in Frage stehenden Bereich vertraglicher Verpflichtungen die in Nr. 5 getroffene Regelung jedes eigenen Sinnes entkleiden. Hätte der EuGH eine solche weitreichende Folgerung ziehen wollen, so hätte er dies mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht. In Ermangelung anderweitiger verbindlicher Auslegungsrichtlinien erachtet es demgegenüber der Senat jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art als ausreichend und erforderlich, daß der geltend gemachte Zahlungsanspruch in einem engen, unmittelbaren Zusammenhang mit der das Vertragsverhältnis typisierenden Leistung der Beklagten steht. Nach dem Klagevortrag hat die Klägerin Sicherungsmaßnahmen vorgenommen, die zu treffen an sich Aufgabe der die Sprengarbeiten durchführenden Beklagten gewesen wäre. Demzufolge hat die Klägerin lediglich an Stelle der Beklagten gehandelt und ist hinsichtlich des entstandenen finanziellen Aufwandes, dessen Erstattung sie nunmehr begehrt, für die Beklagte gewissermaßen in Vorlage getreten. Diese enge Verknüpfung zwischen den seitens der Beklagten im Inland – einschließlich der Sicherheitsmaßnahmen – zu erbringenden Leistungen und dem Erstattungsanspruch der Klägerin läßt es gerechtfertigt erscheinen, von einem „Erfüllen“ dieser Verpflichtung im Inland im Sinne der Entscheidung des EuGH zu sprechen.
Soweit die Beklagte sich darauf beruft, die Ausstattung ihrer Vertretung für Deutschland in Beckingen mit hierfür als entscheidungsrelevant erachteten sachlichen Mitteln sei zum Teil erst nach den Verhandlungen erfolgt, die Gegenstand des Rechtsstreites sind, vermag dies eine andere rechtliche Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Die Argumentation der Beklagten übersieht, daß die Voraussetzungen für eine Zuständigkeit gemäß Art. 5 Nr. 5 EuGVÜ nicht aufgrund von Rechtsscheingrundsätzen bejaht wurden. Im übrigen ist jedenfalls für die zur Entscheidung stehende Frage der internationalen Zuständigkeit nicht auf den Zeitpunkt der Vertragsanbahnungen und Verhandlungen im Januar 1974 abzustellen, sondern es ist der Zeitpunkt der Einreichung der Klage oder der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend (vgl. Baumbach-Lauterbach-Hartmann aaO; Übers. § 12 Anm. 3 A; § 300 Anm. 3A).
Die Berufung der Beklagten war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung sowie der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus den §§ 97, 708 Nr. 10 ZPO.
Eine Zulassung der Revision gemäß § 546 Abs. 1 Nr. 1 ZPO war nicht gerechtfertigt, da die Auslegung der in Betracht kommenden grundsätzlichen Rechtsfragen nicht dem Bundesgerichtshof, sondern dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften obliegt, dieser jedoch bereits mit der Sache befaßt war.