I. Die Kläger sind Landwirte, die in … und … voll- und nebenerwerblich Milchwirtschaft und Sonderkulturen (Wein-, Gemüse-, Obstbau) betreiben. Die Beklagte ist ein französischer Chemiekonzern, der in seinem Zweigwerk in … 4 bis 5 km westlich von den Betrieben der Kläger, das Insektizid … hergestellt hat. Dieses wird aus dem chemischen Wirkstoff Hexachlorcyclohexan (HCH) gewonnen. Bei der Produktion bleiben als Rückstände hochgiftige HCH-Isomere (alpha, beta, delta, epsilon) kristallin und in Form von Schlamm übrig. Bis etwa zur Jahresmitte 1973 hat die Beklagte den bei der Produktion anfallenden Staub durch Exhaustoren ins Freie blasen lassen. Bis dahin waren auch die Abfälle auf dem Betriebsgelände offen gelagert, danach wurden sie teilweise abgedeckt.
Im Herbst 1972 wurden in der Milch aus den Betrieben der Kläger HCH-Rückstände von alpha- und beta-Isomeren festgestellt, die in der Folgezeit anstiegen und im Frühjahr 1973 häufig Werte von 0,6 ppm (mg je kg) und höher erreichten. Aus diesen Gründen wurde den Klägern durch die zuständige Behörde im März 1973 jede Verwertung der Milch untersagt und ihre Vernichtung angeordnet. Schließlich mußten die Kläger im Oktober 1973 auf Veranlassung des Regierungspräsidiums Südbaden ihren gesamten Bestand an Milchvieh bis auf drei Tiere Schlachten.
Während des Prozesses hat die Beklagte das Werk am 1.8.1974 stillgelegt und die letzten Produktionsrückstände Ende Juni 1975 vom Betriebsgelände fortschaffen lassen.
II. Die Kläger haben behauptet, die Verseuchung ihrer Milch sei auf die …-Produktion und die Ablagerung der Rückstände ohne die notwendigen Sicherungs- und Schutzmaßnahmen durch die Beklagte zurückzuführen. Die Rückstände hätten sich daher mit dem Flugstaub verbunden und seien mit dem Westwind über den … getragen worden. Auch bei dem Produktionsvorgang selbst seien giftige Schadstoffe emittiert worden. Die Verursachung durch die Beklagte ergebe sich besonders daraus, daß die Probenfunde mit zunehmender Nähe zum Werk steigende Werte aufwiesen. In weitem Umkreis habe nur die Beklagte HCH hergestellt und verarbeitet.
Die Kläger haben den ihnen in den Monaten April bis Juni 1973 entstandenen Schaden in einer Anlage zur Klageschrift, auf die Bezug genommnen wird, berechnet und dazu weiter vorgetragen: die Maßnahmen des Regierungspräsidiums bedeuteten für sie eine völlige Umstellung der Wirtschaftsweise mit Folgeschäden, deren Umfang noch nicht abzusehen sei. Es sei noch völlig offen, ob in Zukunft die Mastviehwirtschaft möglich bleibe.
Die Beklagte sei schon deshalb auch zur Unterlassung verpflichtet, weil die von ihrem Werk ausgehenden Beeinträchtigungen durch zumutbare Maßnahmen zu verhindern seien.
Die Kläger haben beantragt:
1. die Beklagte wird unter Androhung von Geldstrafe in unbeschränkter Höhe oder von – an ihrem Präsidenten zu vollstreckender – Haftstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung verurteilt, alle Emissionen von HCH aus ihrem Werk ... zu unterlassen, die eine Beeinträchtigung der den Klägern gehörenden landwirtschaftlichen Grundstücke auf den Gemarkungen … und … und/oder eine Schädigung oder Beeinträchtigung der von den Klägern dort gezogenen tierischen oder pflanzlichen Agrarprodukte zur Folge haben.
Fürsorglich:
Die Beklagte wird verurteilt, in ihrem Werk … für die Produktion von … und für die Beseitigung und Lagerung von Produktionsrückständen Einrichtungen zu schaffen, welche schädigende oder beeinträchtigende Immissionen von HCH auf die den Klägern gehörenden landwirtschaftlichen Grundstücke auf den Gemarkungen … und … und/oder die von den Klägern dort gezogenen tierischen oder pflanzlichen Agrarprodukte ausschließen.
2. Die Beklagte wird verurteilt,
an den Kläger Ziff. 1) 3.185,27 DM,
an den Kläger Ziff. 2) 5.771,36 DM,
an den Kläger Ziff. 3) 4.325,89 DM,
an den Kläger Ziff. 4) 5.399,27 DM,
an den Kläger Ziff. 5) 3.281,91 DM,
an den Kläger Ziff. 6) 5.841,62 DM,
an den Kläger Ziff. 7) 1.506,80 DM,
an den Kläger Ziff. 8) 82, 74 DM,
an den Kläger Ziff. 9) 4.526,59 DM,
an den Kläger Ziff 10) 4.426,59 DM,
jeweils nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern alle weiteren Schäden zu ersetzen, die diesen aus schädigenden oder beeinträchtigenden Immissionen von HCH aus dem Werk … der Beklagten auf die den Klägern gehörenden landwirtschaftlichen Grundstücke auf den Gemarkungen … und … und/oder die dort von den Klägern gezogenen tierischen oder pflanzlichen Agrarprodukte entstanden sind und zukünftig entstehen werden.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die mangelnde örtliche und internationale Zuständigkeit des Landgerichts Freiburg gerügt und geltend gemacht, der Gerichtsstand für diese Klage liege nur in Frankreich.
Die angeblich aufgetretenen Beeinträchtigungen der Kläger seien nicht durch die …-Produktion und ihre Folgen im Werk … hervorgerufen worden. Die Ursache der Verseuchung sei in HCH-haltigen Pestiziden in der Landwirtschaft sowie in der Verwendung von mit unreinen Produkten behandelten Futtermitteln, die aus anderen Erzeugerländern zugekauft worden seien, zu sehen. Außerdem stimme die von den Untersuchungsbehörden festgestellte prozentuale Verteilung der HCH-Isomeren nicht mit der Zusammensetzung der Abfallprodukte im Werk der Beklagten überein.
III. Das Landgericht hat Beweis erhoben durch schriftliche Auskünfte des Regierungspräsidiums Freiburg (I 133-143) und des Departements des Inneren des Kantons Basel-Stadt (I 149) sowie ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. … vom 9.1.1975 (I 157-175) mit Ergänzung vom 14.5.1975 (I 237-239), auf die Bezug genommen wird. Nachdem das Sachverständigengutachten bei der Beklagten am 22.1.1975 eingegangen und am 27.2.1975 zur Sache verhandelt worden war, hat die Beklagte den Sachverständigen mit Schriftsatz vom 15.3.1975 wegen Befangenheit abgelehnt, wobei sie die Begründung auf im Gutachten enthaltene Äußerungen des Sachverständigen gestützt hat.
Weiter haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung: die Monographie „…“ von …, die Meßergebnisse der Milchproben und Aerosoluntersuchungen (Anlage 1-3, 5-8), der Erlaß des Regierungspräsidiums Freiburg vom 2.4.1973 (Anlage 4), Lichtbilder vom Werk der Beklagten und der Deponie. Auf den Inhalt der Urkunden und Augenscheinsobjekte wird verwiesen.
Durch Urteil vom 5.8.1975 hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Freiburg der Klage – den bezifferten Schadensersatzansprüchen dem Grunde nach – im wesentlichen stattgegeben. Das Landgericht hat es für erwiesen erachtet, daß die Schäden der Kläger durch das Werk der Beklagten verursacht worden sind. Das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen sei unbegründet, da das Gutachten keine Zweifel an seiner Unbefangenheit erwecke. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils wird verwiesen.
IV. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie hält die Rüge der örtlichen und internationalen Zuständigkeit aufrecht und bemängelt auch, daß das Landgericht nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, die Sache bis zur Entscheidung des in M./E. anhängigen Parallelprozesses auszusetzen.
Schon wegen der Betriebsschließung und der Entfernung der Abfälle seien der Unterlassungs- und Feststellungsanspruch unbegründet. Das Landgericht habe aber auch zu Unrecht den Kausalzusammenhang bejaht, weil das Gutachten des Sachverständigen Prof. …, den sie zu Recht wegen Befangenheit abgelehnt habe, unhaltbar sei. Das Gutachten wiederhole nur die Erkenntnisse der mit der Sache befassten Behörden und liefere keine eigene Begründung, weil der Sachverständige offenbar von seinem Fachgebiet als Pharmakologe her nicht geeignet sei. Gegen die Verursachung durch die Beklagte spreche auch die Tatsache, daß sie in … 40 Jahre lang … produziert habe, aber erst 1972 Verunreinigungen festgestellt worden seien. Das Landgericht hatte die Sache nur durch ein Gremium von Sachverständigen der Wissenschaftsgebiete Chemie, Biologie und Meteorologie hinreichend aufklären können.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den von ihr im ersten Rechtszug zuletzt gestellten Anträgen zu erkennen, fürsorglich, ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, wobei diese auch durch die Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erfolgen könne.
Die Kläger erklären den Unterlassungsanspruch für erledigt und beantragen im übrigen, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigen das Gutachten des Sachverständigen. Die Verseuchung sei erst 1972 festgestellt worden, weil vorher keine Messungen durchgeführt worden seien. Schon die ungeschützte Lagerung von 2000 t giftiger HCH-Rückstände deute klar auf die Beklagte als Verursacher hin. Die Beklagte trage keine Tatsachen vor, die geeignet seien, die Beweiswürdigung des Landgerichts zu erschüttern.
Das Feststellungsbegehren sei nicht erledigt, da das verbreitete Gift noch jetzt fortwirke und weitere Schäden verursachen könne.
Dem Senat liegen weiter vor die Bestätigung des Direktors … vom 24.10.1975 (II 53/57) und des mineralogischen Bezirks von M., Dienststelle C. (II 55/59) sowie das im Prozeß in M. erhobene Gutachten der Sachverständigen … und ... (II 133-173). Auf den Inhalt dieser Urkunden wird verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
I. Mit Recht hat das Landgericht seine internationale Zuständigkeit bejaht. Diese ergibt sich hier aus Art. 5 Nr. 3 des Übereinkommens vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ).
Nach dieser Vorschrift kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn Ansprüche aus einer unerlaubten Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Die Fassung der Vorschrift läßt rein sprachlich keine eindeutige Auslegung zu, welcher Gerichtsstand damit eingeräumt wird. Da jedoch sowohl der Ort des ursächlichen Geschehens als auch der Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, einen sachgerechten Anknüpfungspunkt für die gerichtliche Zuständigkeit bieten, ist Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ so zu verstehen, dass er den Klägern die Wahlmöglichkeit einräumt, die Klage entweder am Ort der schadenstiftenden Handlung oder am Ort des Schadenserfolges zu erheben (EuGH NJW 77, 493). Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ ist gegenüber der allgemeinen Zuständigkeitsregelung des Art. 2 nur dann von praktischer Bedeutung, wenn auch der Ort des Schadenseintritts die Zuständigkeit begründet (EuGH aaO). Diese Auslegung entspricht der im deutschen Recht zum Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) allgemein vertretenen Auffassung.
Nach dem Vortrag der Kläger hat sich die Produktion von … und die Lagerung der Rückstände auf ihre Grundstücke in W. und H. negativ ausgewirkt. Zuständig in erster Instanz ist daher auch das Landgericht Freiburg.
II. Das Landgericht hat dadurch, daß es die Entscheidung nicht gemäß Art. 22 EuGVÜ ausgesetzt hat, keinen Verfahrensfehler begangen. Dies gilt selbst dann, wenn man eine im Sinne von Art. 22 Abs. 3 EuGVÜ hinreichend enge Beziehung zwischen diesem Prozeß und dem in M. anhängigen Verfahren bejaht. Art. 22 EuGVÜ verpflichtet nicht zur Aussetzung, sondern räumt dem später angerufenen Gericht lediglich diese Möglichkeit ein. Daß das Landgericht von der Aussetzung keinen Gebrauch gemacht hat, könnte deshalb nur beanstandet werden, wenn es damit das ihm eingeräumte Ermessen mißbraucht hätte. Davon kann jedoch keine Rede sein. Die Anwesen der Kläger des in M. anhängigen Verfahrens liegen in der Schweiz und zwar teilweise in anderer Richtung als die Betriebe der in … und ... wohnenden Kläger. Schon deshalb erscheint es durchaus möglich, daß für das Verfahren in M. teilweise andere sachliche Gesichtspunkte als hier von Bedeutung sind. Es war daher unbedingt sachgerecht, daß das Landgericht seine Entscheidung nicht ausgesetzt hat.
III. Der bezifferte Schadensersatzanspruch ist dem Grunde nach aus Art. 1384 Abs. 1 Code civil gerechtfertigt.
1. Da die von den Klägern behauptete unerlaubte Handlung in Frankreich begangen worden ist und sich auch in Deutschland ausgewirkt bat, kommt das Recht beider Staaten in Betracht. Stellen beide Rechtsordnungen verschiedene Anforderungen an die Begründetheit des Klageanspruchs, ist das dem Kläger günstigere Recht anzuwenden (BGH NJW 64, 2012; Soergel-Siebert-Kegel, 10. Aufl., Art. 12 EGBGB Rn 1). Das ist hier, wie das Landgericht mit Recht angenommen hat, Art. 1384 Abs. 1 Code civil. Die Vorschrift lautet (deutsche Übersetzung nach Zweigert-Kötz, die Haftung für gefährliche Anlagen in den EWG-Ländern sowie in England und den Vereinigten Staaten von Amerika):
Man ist zum Ersatz nicht nur des Schadens verpflichtet, den man durch sein eigenes Verhalten verursacht hat, sondern auch des Schadens, der verursacht ist durch das Verhalten von Personen, für die man einstehen muß, und von Sachen, die man unter seiner Herrschaft hat.
Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Schadensersatzanspruch gegen den, der die Herrschaft über eine Sache ausübt, ohne Verschulden begründet; die Haftung kann nur durch den Beweis des Zufalls, der höheren Gewalt oder der Verursachung durch einen Dritten, für den der Sachhalter nicht einzustehen hat, ausgeschlossen werden (grundlegend Urteil der vereinigten Zivilkammern des Kassationshofes vom 13.2.1930, Sirey, 1930.1.121).
Die Beklagte ist daher nach dieser Vorschrift den Klägern schon dann zum Schadensersatz verpflichtet, wenn die …-Produktion in ihrem Werk in … und/oder die dortige Lagerung der Abfallprodukte die von den Klägern behauptete Verseuchung verursacht hat, ohne dass es auf weiteres ankommt; denn Umstände, die nach Art. 1384 Abs. 1 Code civil zu einem Ausschluss der Haftung führen, sind nicht einmal behauptet und liegen offensichtlich nicht vor (vgl. zur Haftung aus Art. 1384 Abs. 1 Code civil auch Zweigert/Kötz, aaO, Seite 3 bis 16).
2. Die Voraussetzungen des Art. 1384 Abs. 1 Code civil liegen hier vor; denn der Senat sieht es ebenso wie das Landgericht als erwiesen an, daß der von den Klägern behauptete Schaden durch das von der Beklagten bis 1974 in … betriebene Chemiewerk verursacht worden ist.
a) Aufgrund der Auskunft des Regierungspräsidiums Südbaden vom 16.10.1974 steht fest, daß die Milch aus den Betrieben der Kläger mindestens seit März 1973 einen Anteil an alpha- und beta-HCH enthielt, der gesundheitsschädlich ist und die noch vertretbaren Werte weit übersteigt. Die in den Betrieben der Kläger im Jahre 1973 vorgenommenen Messungen haben Werte bis zu 1,86 ppm (mg je kg), überwiegend zwischen 0,6 und 1,2 ppm erbracht. An der Richtigkeit dieser Messungen, die von einer staatlichen Behörde vorgenommen worden sind, kann nicht gezweifelt werden. Das Bürgermeisteramt ... als zuständige Ortspolizeibehörde hat deshalb auf Anweisung des Regierungspräsidiums im April 1973 den Klägern untersagt, die in ihren Betrieben erzeugte Milch in Verkehr zu bringen. Diese Maßnahme war rechtmäßig. Der Gehalt der Milch an alpha- und beta-Isomeren lag weit über der seit 15.5.1974 aufgrund der Verordnung über Höchstmengen an DDT und anderen Pestiziden in Lebensmitteln tierischer Herkunft vom 15.11.1973 gültigen Höchstmenge von 0,1 ppm. Wie der Erlaß des Regierungspräsidiums vom 2.4.1973 ergibt, hat, bevor die Vernichtung der Milch angeordnet wurde, eine Besprechung mit Vertretern der Ministerien für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung und für Ernährung, Landwirtschaft und Umwelt des Landes Baden-Württemberg sowie einem Toxikologen der Universität Freiburg stattgefunden, die zu dem Ergebnis führte, daß als höchstens duldbarer HCH-Rückstand in der Milch ein Wert von 0,2 ppm anzusehen sei. Diese Auffassung kann, da ein Jahr später der Gesetzgeber sogar nur die Hälfte der Höchstmenge zugelassen hat, nicht beanstandet werden. Der Verzehr der Milch aus den Betrieben der Kläger hätte daher eine Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung bedeutet und mußte aus diesen Gründen gemäß § 1 Polizeigesetz untersagt werden.
b) Urheber der Verseuchung ist die Beklagte durch die …- Produktion in … und die Lagerung der Rückstände im dortigen Werk.
aa) Die Fabrik der Beklagten war in der näheren und weiteren Umgebung von … und … der einzige Ort, an dem HCH erzeugt wurde. Wie aus der Auskunft des Regierungspräsidiums hervorgeht, wird nach den Feststellungen des Gewerbeaufsichtsamtes Freiburg im gesamten Regierungsbezirk Südbaden kein HCH hergestellt. Dasselbe gilt nach der Auskunft des Departements des Inneren des Kantons Basel-Stadt vom 17.10.1974 für die gesamte Schweiz. Auch in den benachbarten Gebieten Frankreichs ist kein weiterer Betrieb bekannt. Die Beklagte hat die Richtigkeit dieser Auskünfte nicht bestritten; sie hat auch keine andere Produktionsstätte benannt, die in jenem Grenzgebiet als Verursacherin in Betracht kommen könnte.
Das Werk der Beklagten war in der Luftlinie nur 4 bis 5 km von den Anwesen der Kläger entfernt. Diese liegen zudem von dort aus gesehen in der Hauptwindrichtung. Es ist allgemein bekannt, daß in der Oberrheinischen Tiefebene Winde aus westlicher Richtung vorherrschen. Auch das Gutachten der in M. tätig gewordenen Sachverständigen bestätigt, daß von … aus gesehen die meisten Winde in Richtung … wehen. Die Messungen der Staubbeläge, deren Richtigkeit die Beklagte nicht angegriffen hat, ergaben daß die Verseuchungen mit der Nähe zum Werk der Beklagten steigen. Während in W. die gemessenen Werte bei den Staubuntersuchungen sehr stark schwankten – zwischen 470 und 10420 ng/m² alpha-HCH, 390 und 2810 ng/m² beta-HCH je Woche – nehmen die Schwankungen im ca. 35 km vom Werk der Beklagten entfernten … bereits sehr stark ab – zwischen 70 und 160 ng/m² alpha-HCH, 65 und 140 ng/m² beta-HCH je Woche – und sind die Werte im ca. 70 km entfernten … nahezu ausgeglichen. Gerade dann, wenn die Immissionsbelastung in … sehr hoch war, betrugen die in … gemessenen Mengen weniger als 5 % davon, während die Messungen in … nur ca. 20 % der Immissionen von … ergaben. Zu dem selben Ergebnis kommen die französischen Sachverständigen für die in … gelegenen Grundstücke. Auch dort nimmt die Verunreinigung entsprechend der Entfernung zum Werk der Beklagten ab.
Auch die Art der Produktion und der Ablagerung der Rückstände deuten auf die Urheberschaft der Beklagten hin. Die Beklagte hat nicht bestritten, daß sie längere Zeit den bei der Produktion angefallenen Staub durch Exhaustoren ins Freie abgestoßen hat. Wie die vom Regierungspräsidium Südbaden vorgelegten Ergebnisse an den ausgelegten Staubmeßfolien zeigen, sind die Befallswerte gerade während der Betriebsferien der Beklagten im August 1973 auf ein Minimum zurückgegangen. Daraus folgt, daß die Produktion selbst Immissionen in erheblichem Ausmaß hervorgerufen hat. Die Lagerung der Rückstände geschah ohne die notwendigen Sicherungsmaßnahmen. Die Lichtbilder zeigen eindeutig, daß die giftigen HCH-Rückstände teilweise offen auf dem Werksgelände gelagert waren, was übrigens die Beklagte ebenfalls nicht bestritten hat. So konnten sie ohne weiteres durch Windeinfluß verwehen und, wie das Gutachten des Prof. Dr. … darlegt, zugleich verdampfen und durch nachfolgende Kondensation auf die Grundstücke der Kläger gelangen. Nach der Schätzung des Regierungspräsidiums Südbaden betrug die gelagerte Menge an Rückständen ca. 2000 t Das große Ausmaß an Ablagerungen ist im übrigen aus den Lichtbildern zu erkennen und auch daraus zu entnehmen, daß die Beseitigung mehrere Monate gedauert hat. Die Beklagte, die auch diese Schätzung nicht angegriffen hat, hat daher das HCH in einer Menge produziert und gelagert, die geeignet war, Immissionen von der festgestellten Intensität herbeizuführen.
bb) Die von der Beklagten behaupteten Schadensursachen scheiden aus.
Nach der Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. … kann die Verunreinigung nicht auf die Anwendung von … enthaltenden Pflanzenschutzmitteln in den Betrieben der Kläger zurückgehen. Es sei bisher weder in der Natur noch im Laboratorium beobachtet worden, daß Gamma-HCH sich in andere HCH-Isomeren umwandelt. Die Beklagte hat nichts vorgebracht, was Zweifel an der Richtigkeit dieser Darlegungen erweckt. Zudem sind, wie aus der Auskunft des Regierungspräsidiums hervorgeht, nach den Erhebungen des Landwirtschaftsamts Lörrach in dem fraglichen Gebiet keine HCH-haltigen Mittel zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt worden.
Der festgestellte HCH-Gehalt kann auch nicht durch aus anderen Ländern zugekaufte Futtermittel entstanden sein. Hierzu haben die Erhebungen des Landwirtschaftsamts Lörrach ergeben, daß die meisten Betriebe kein oder nur unerhebliche Mengen Fremdfutter hinzugekauft haben. Der hohe HCH-Gehalt der Milch ist daher, wie die Auskunft des Regierungspräsidiums betont, gerade auf die Verwendung des wirtschaftseigenen Futters zurückzuführen. Zu all dem hat die Berufung nichts konkretes vorgetragen.
Die von den Untersuchungsbehörden festgestellte prozentuale Verteilung der HCH-Isomeren spricht nicht gegen die Urheberschaft der Beklagten. Das Sachverständigengutachten hat dazu ausgeführt, HCH werde von grünen Pflanzen sowohl über die oberirdischen Teile als auch durch die Wurzeln aufgenommen. In der Nahrung bzw. dem Futter vorhandenes HCH werde von Mensch und Tier vorübergehend gespeichert und erst dann nach und nach ausgeschieden. Das HCH werde teilweise durch Abbaureaktionen im Körper reduziert dabei ist die Abbaugeschwindigkeit der einzelnen HCH-Isomere im Organismus unterschiedlich (Ulmann, Seite 105 f.). Schon deshalb braucht das in der Milch festgestellte Verhältnis von alpha und beta-Isomeren nicht demjenigen der bei der Beklagten lagernden Abfälle zu entsprechen. Außerdem weisen die französischen Sachverständigen daraufhin, daß dann, wenn alpha und beta-Isomere vom Wind fortgetragen werden, der Anteil der beta-Isomeren am gesamten HCH-Gehalt wegen ihrer chemischen Eigenschaften mit der Entfernung abnimmt.
Daß die Beklagte ca. 40 Jahre lang … produziert hat, Beanstandungen aber erst ab 1972 erhoben wurden, ist schließlich darauf zurückzuführen, daß vorher nie Messungen durchgeführt wurden.
cc) Der Sachverhalt ist hinreichend aufgeklärt, weiterer Beweiserhebungen bedarf es nicht. Die Angriffe der Beklagten gegen die fachliche Qualität des Sachverständigengutachtens sind nicht gerechtfertigt. Der Sachverständige Prof. Dr. … ist als Pharmakologe zur Klärung des Ursachenzusammenhangs geeignet, da es um Fragen der Herstellung eines chemischen Mittels zur Schädlingsbekämpfung geht. Das Literaturverzeichnis der vorliegenden Monographie von Ulmann weist den Sachverständigen als auf dem hier einschlägigen Gebiet anerkannten Fachmann aus (Seite 377, 381, 385), der über die Toxikologie des … und die mit der Herstellung und den Rückständen dieses Kittels verbundenen Umweltschutzfragen wissenschaftlich gearbeitet hat.
Der Sachverständige hat aufgrund seines Fachwissens die feststehenden Tatsachen gewürdigt und daraus den Schluß gezogen, daß alles für die Verursachung durch die Fabrik der Beklagten spricht. Dem Sachverständigen war die Art der Ablagerung der Rückstände aus Lichtbildern ebenso wie aus persönlicher Besichtigung bekannt. Das Gutachten hat die von der Beklagten erhobenen Einwände widerlegt.
Tatsachen, die gegen die vom Sachverständigen dargelegte Auffassung sprechen, hat die Beklagte nicht vorbringen können.
Im Gegenteil kommen die Sachverständigen des M. Prozesses in ihrem Gutachten, das die Beklagte nunmehr vorgelegt hat, für die östlich des Werks der Beklagten gelegenen Schweizer Grundstücke in … ebenfalls zu dem Ergebnis, daß die Verseuchung zumindest teilweise durch die Beklagte mitverursacht worden ist. Die Sachverständigen haben lediglich die Möglichkeit offen gelassen, daß auch andere Ursachen mitgewirkt haben, weil sie keine Feststellungen getroffen haben, die es rechtfertigen, diese auszuschließen. Ihrem Gutachten läßt sich nicht entnehmen, ob ihnen bekannt war, daß die Beklagte als einzige in weitem Umkreis HCH produzierte. Jedenfalls lagen ihnen keine Untersuchungen vor, wie sie hier das Landwirtschaftsamt Lörrach für die Kläger hinsichtlich des verwendeten Futters und der benutzten Schädlingsbekämpfungsmittels vorgenommen hat. Im übrigen würde eine bloße Mitverursachung nichts an der Schadensersatzpflicht der Beklagten ändern. Sie würde dann als Gesamtschuldner mit andern haften.
dd) Über das gegen den Sachverständigen Prof. Dr. … gerichtete Ablehnungsgesuch hat das Landgericht allerdings in verfahrensmäßig fehlerhafter Weise entschieden. Aus § 406 Abs. 5 ZPO folgt zwingend (vgl. BGRZ 28, 306), daß über den Antrag vorweg durch Beschluß zu befinden ist. Die Entscheidung darf nicht erst im Urteil erfolgen, weil der Partei dadurch die vom Gesetz eröffnete Möglichkeit genommen wird, noch in der Instanz selbst endgültig klären zu lassen ob das Sachverständigengutachten verwertbar ist oder als Beweismittel ausscheidet. Grundsätzlich muß deshalb ein Urteil, das die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch mitenthält, gemäß § 539 ZPO wegen Verfahrensfehlers unter Zurückverweisung der Sache aufgehoben werden (OLG Köln MDR 74, 761; OLG Hamm, MDR 74, 499).
Nach der Auffassung des Senats gilt dies jedoch nur dann, wenn die Partei das Ablehnungsgesuch in prozeßordnungsgemäßer Form und Frist gestellt hat. Steht mit Sicherheit fest, daß das Ablehnungsgesuch unzulässig war, hat es keinen Sinn, die Sache nur zurückzuverweisen, damit das Landgericht diese Feststellung durch Beschluß trifft. Ein derartiges Verfahren würde einen reinen Formalismus darstellen, der den Parteien lediglich eine erhebliche Verzögerung des Prozesses und unnötige weitere Kosten bringt. Eine Partei die einen unzulässigen Ablehnungsantrag anbringt, ist in ihren rechtlichen Interessen nicht verletzt, wenn das Gericht dieses Gesuch im Ergebnis richtig, aber in verfahrensmäßig fehlerhafter Form zurückweist. Da alle Bestimmungen des Prozeßrechts letztlich dem Zweck dienen einen vernünftigen und sachgerechten Verfahrensablauf zu sichern, kann eine Aufhebung und Zurückverweisung nicht wegen einer Prozeßhandlung gerechtfertigt sein, die einen unzulässigen Parteiantrag im Ergebnis richtig aber in verfahrensmäßig fehlerhafter Form bescheidet, wenn dadurch keine schutzwürdigen Rechte der Partei berührt werden.
So liegt der Fall hier. Das Ablehnungsgesuch der Beklagten war verspätet und deshalb unzulässig. Es wurde allerdings mit Umständen begründet, die sich erst aus dem Gutachten selbst ergaben. Eine solche Ablehnung ist zulässig, wenn der Ablehnungsgrund vorher nicht geltend gemacht werden konnte (§ 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Daraus folgt, daß das Gesetz die Partei zu einer möglichst frühzeitigen Anbringung eines Ablehnungsantrags zwingen will. Deshalb muß ein Ablehnungsgesuch, welches sich auf das Gutachten selbst stützt, unverzüglich nach Kenntniserlangung erhoben werden (OLG München NJW 64, 1576; OLG Karlsruhe NJW 58, 188; OLG Oldenburg MDR 75, 408). Es kann davon abgesehen werden die Zeitspanne näher zu bestimmen, die das Gesetz damit einräumt; denn das Ablehnungsrecht geht in entsprechender Anwendung von § 43 ZPO für alle Instanzen verloren, wenn sich die Partei in Kenntnis des Gutachtens zur Sache einläßt (OLG Karlsruhe aaO; Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht, 11. Aufl., Seite 651). Hier hat die Beklagte, nach Zugang des Gutachtens am 22.1.1975, am 27.2.1975 zur Sache verhandelt ohne den Ablehnungsgrund geltend zu machen. Das danach am 14.3.1975 eingegangene Ablehnungsgesuch war damit verspätet und gemäß § 406 Abs. 2 ZPO unzulässig.
IV. Das Feststellungsbegehren ist ebenfalls zulässig und begründet.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Schaden der Kläger nunmehr abgeschlossen und endgültig bezifferbar ist. Im Zeitpunkt der Klageerhebung war das Werk der Beklagten noch in Betrieb und das Ausmaß des Schadens damit in keiner Weise übersehbar. Das galt selbst noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht, da die Entfernung der Rückstände vom Betriebsgelände erst Ende Juni 1975 abgeschlossen und Anfang 1975, wie sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. … ergibt, noch nicht erkennbar war, wie lange es dauern würde, bis die HCH-Rückstände wieder zulässige Werte erreichen. Aus diesen Tatsachen ergab sich das Feststellungsinteresse der Kläger. Ob die Kläger heute in der Lage sind, ihren Schaden abschließend zu berechnen, kann offenbleiben, weil der Kläger, der ursprünglich eine zulässige Feststellungsklage erhoben hat, grundsätzlich nicht zur Leistungsklage überzugehen braucht, wenn dies erst im Laufe des Prozesses möglich wird (BGH LM Nr. 92 zu § 256 ZPO).
Der Feststellungsantrag ist aus den zu II dargelegten Gründen sachlich gerechtfertigt; denn es ist sicher, daß den Klägern auch in der Zeit nach Klageerhebung ein Schaden entstanden ist.
V. Hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs war auf Antrag der Kläger die Hauptsache für erledigt zu erklären.
Der Anspruch war ursprünglich aus § 1004 BGB begründet. Solange sich HCH-Isomeren vom Werk der Beklagten auf den Grundstücken der Kläger ablagerten, hatten die Kläger gegen die Beklagte den Anspruch auf Unterlassung, da die von deren Werk ausgehenden Immissionen nicht nach § 906 BGB ortsüblich waren und die Beklagte sie im übrigen durch geeignete Schutzmaßnahmen hätte verhindern können.
Die Erledigung ist dadurch eingetreten, daß die Beklagte nicht nur die Produktion beendet, sondern auch alle Rückstände entfernt hat.