Der Kläger, Inhaber eines Konfektionsbetriebes in K., bestellte im Jahre 1979 bei der in Italien ansässigen Beklagten 65.000 Badeanzüge. Die Beklagte nahm die Bestellung an und begann im Juli 1979 mit der Auslieferung von Teilpartien.
Nachdem der Kläger im Juli 1979 zwei Lieferungen der Beklagten gegen Zahlung des in Rechnung gestellten Kaufpreises übernommen hatte, lieferte die Beklagte in zwei Teilpartien insgesamt 17.305 Badeanzüge des Modells „Pinki“ und stellte diese Lieferungen unter dem 23. Oktober 1979 und unter dem 26. Oktober 1979 mit insgesamt 70.950.500 Lire in Rechnung. Der Kläger über nahm auch diese beiden Lieferungen gegen Zahlung der Rechnungsbeträge.
Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger die Beklagte auf Rückzahlung des von ihm für die 17.305 Badeanzüge des Modells „Pinki“ gezahlten Kaufpreises und Schadenersatz in Anspruch.
Zur Begründung der Klage hat der Kläger vorgetragen:
Die von der Beklagten gelieferten Badeanzüge des Modells „Pinki“ seien mit so schwerwiegenden Mängeln behaftet gewesen, daß er sie nicht habe weiterverkaufen können; es handele sich um Paßformmängel und optische Mängel.
Durch die Schlechtlieferung sei ihm ein Schaden in Höhe von 55.636.730 Lire entstanden, denn bei ordnungsgemäßer Lieferung hätte er die Badeanzüge mit einem Gewinn von 5,50 DM pro Stück weiterverkaufen können.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 70.950.500 Lire zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgabe von 10.740 und 6.565 Badeanzüge des Modells „Pinki“;
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 55.636.730 Lire zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat vorab die internationale Unzuständigkeit des angerufenen Landgerichts Krefeld gerügt.
In der Sache selbst hat sie geltend gemacht, der Kläger habe die angeblichen Mängel der Badeanzüge nicht rechtzeitig gerügt; außerdem hat sie die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Es hat ausgeführt, nach dem europäischen Abkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 sei für die Klage grundsätzlich das italienische Gericht am Sitz der beklagten Partei zuständig. Die Voraussetzungen für die Zuständigkeit des angerufenen deutschen Gerichts gem. Art. 5 Nr. 1 des Übereinkommens lägen nicht vor. Erfüllungsort für eine etwaige Verpflichtung der Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises und zur Leistung von Schadenersatz sei nicht der Wohnsitz des Klägers. Nach den Bestimmungen des EKG, die für den Kaufvertrag der Parteien maßgebend seien, habe der Verkäufer an seinem Sitz den Kaufpreis zurückzugewähren und Schadensersatz zu leisten.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers.
Er ist der Ansicht, das Landgericht Krefeld sei für die von ihm erhobene Klage zuständig und begründet dies mit Rechtsausführungen.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen an ihn
1. 70.950.500 Lire nebst 5 % Zinsen seit dem 1.4.1980 Zug um Zug gegen Rückgabe von 10.740 einteiligen Badeanzügen Modell „Pinki“ und 6.565 einteiligen Badeanzügen mit Schale Modell „Pinki“;
2. weitere 55.636.730 Lire nebst 5 % Zinsen seit dem 1.3.1981 zu zahlen;
im Falle des Unterliegens: dem Kläger zu gestatten, Sicherheit auch durch Bank- oder Sparkassenbürgschaft zu leisten.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Landgericht habe zu Recht seine Zuständigkeit verneint.
Wegen des Vortrags der Parteien im einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil zu Recht seine internationale Zuständigkeit für die vorliegende Klage als nicht gegeben angesehen und die Klage als unzulässig abgewiesen.
1. Zutreffend ist das Landgericht bei seiner Entscheidung davon auf gegangen, die internationale Zuständigkeit für die erhobene Klage sei nach den Bestimmungen des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 (EuGVü) zu beurteilen.
Die Bundesrepublik Deutschland und Italien gehören zu den Vertragsstaaten des Übereinkommens. Die Ratifikationsurkunden sind gem. Art. 61 EuGVü von Italien am 10.8.1972 und von der Bundesrepublik Deutschland am 30.10.1972 hinterlegt worden (vgl. dazu Kroppholler, Kommentar zum EuGVü Art. 60, 61, 62).
2. Personen, Gesellschaften und juristische Personen sind gem. Art. 2 EuGVü grundsätzlich vor den Gerichten des Staates zu verklagen, in dem sie ihren Wohnsitz bzw. ihren Sitz haben, soweit sich aus den weiteren Vorschriften des Übereinkommens nichts anderes ergibt.
Der Sitz der Beklagten liegt in Italien.
3. Als Ausnahmevorschrift, die eine Zuständigkeit eines deutschen Gerichts für den vorliegenden Rechtsstreit begründen könnte, kommt nur Art. 5 Nr. 1 EuGVü in Betracht.
Nach dieser Bestimmung ist dann, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Rechtsstreits bilden, die Klage vor dem Gericht des Ortes zulässig, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.
Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil ausgeführt, die erforderlichen Voraussetzungen für die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts gem. Art. 5 Nr. 1 EuGVü seien im vorliegenden Fall nicht gegeben; dem ist zuzustimmen.
a) Bei der Ermittlung des Erfüllungsortes nach Art. 5 Nr. 1 EuGVü ist abzustellen auf die Verpflichtung, die Gegenstand der Klage bildet (EuGH NJW 1977, 490; BGH NJW 1981, 1158).
b) Der Text des Art. 5 Nr. 1 EuGVü läßt offen, nach welcher Rechtsordnung der Erfüllungsort für die streitige vertragliche Pflicht zu bestimmen ist.
Nachdem zu dieser Frage zunächst im Schrifttum die unterschiedlichsten Ansichten vertreten worden sind, ist nach der Entscheidung des EuGH vom 6. Oktober 1976 (NJW 1977, 490) allgemein anerkannt, daß maßgeblich das Recht ist, das nach der Kollisionsnorm des mit dem Rechtsstreit befaßten Gerichts für die streitige Verpflichtung gilt (BGH aaO, Kropholler Art. 5 Nr. 1 EuGVü Rn. 11 – 14, Geimer-Schütze: Internationale Urteilsanerkennung Bd. I, 1. Halbband, S. 592).
Auf den Kaufvertrag der Parteien ist das in der Bundesrepublik Deutschland und Italien geltende Einheitliche Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen (EKG) anzuwenden.
c) Als Anspruchsgrundlage für die mit der Klage erhobenen Forderungen kommen Art. 78 Abs. 2, 84 EKG in Betracht.
Bei der Lieferung von vertragswidrigen Sachen kann der Käufer unter den Voraussetzungen des Art. 41 EKG u.a. die Aufhebung des Vertrages erklären und gem. Art. 78 Abs. 2 EKG Rückzahlung des schon entrichteten Kaufpreises, sowie Schadensersatz gem. Art. 84 EKG verlangen.
An welchem Ort der Verkäufer den Kaufpreis zurückzugewähren und Schadensersatz zu leisten hat, bestimmt das EKG nicht.
Die Frage, von welchem Ort bei dieser Rechtslage als Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVü auszugehen ist, wird im Schrifttum und in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet.
aa) Im Schrifttum (Kropholler Art. 5 EuGVü Rn. 7 mit Fußnote 17, Geimer-Schütze aaO S. 588 mit Fußnote 190) wird die Ansicht vertreten, es sei bei der Ermittlung des Erfüllungsortes grundsätzlich auf die jeweils streitige vertragliche Hauptverpflichtung abzustellen; verlange der Kläger Auflösung des Vertrages, Rückgewähr von erbrachten Leistungen oder Schadensersatz, so sei diejenige vertragliche Verpflichtung heranzuziehen, deren Nichterfüllung zur Begründung der Klageforderungen behauptet werde.
Folgt man dieser Ansicht, so ergibt sich im vorliegenden Fall, daß der Erfüllungsort für die Lieferpflicht der Beklagten maßgebend ist, denn mit der Nichterfüllung dieser Verpflichtung begründet der Kläger seine Klageforderungen.
Erfüllungsort für die Lieferpflicht war der Sitz der Beklagten gem. Art. 19 Abs. 2 EKG.
bb) Der Bundesgerichtshof (aaO) hat bei der Entscheidung eines Falles, der im Sachverhalt mit dem des vorliegenden Rechtsstreits im wesentlichen übereinstimmte, demgegenüber ausgeführt, bei einer Klage auf Rückgewähr des Kaufpreises und auf Leistung auf Schadensersatz nach den Vorschriften des EKG müsse der Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVü den allgemeinen Grundsätzen entnommen werden, die dem EKG zugrunde liegen (Art. 17 EKG); mit der Frage, ob es nicht ohnehin nur auf den Erfüllungsort der vertraglichen Pflichten ankommt, an deren Stelle die Rückgewähr- und Schadensersatzpflichten als Sekundärpflichten getreten sind, hat sich der BGH nicht befaßt.
Der Bundesgerichtshof kommt zu dem Ergebnis, daß nach den dem EKG zugrunde liegenden Grundsätzen davon ausgegangen werden muß, daß für den Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises nach Art. 78 Abs. 2 EKG Erfüllungsort der Sitz des Verkäufers sei, denn diesem komme nach dem EKG der Vorrang zu; dort sei gem. Art. 59 Abs. 1 EKG der Kaufpreis zu zahlen und gem. Art. 19 Abs. 2 EKG die Lieferpflicht zu erfüllen. Es könne auch keinem Zweifel unterliegen, daß ein nach dem EKG zu leistender Schadensersatz grundsätzlich dort zu leisten ist, wo die Partei ihre entsprechenden Vertragspflichten hätte erfüllen müssen.
Der erkennende Senat hält die unter aa) erörterte rechtliche Beurteilung, wonach es in den Rechtsstreitigkeiten, die Sekundärpflichten zum Gegenstand haben, im Rahmen der Prüfung des Erfüllungsortes nach Art. 5 Nr. 1 EuGVü nur auf den Erfüllungsort der vertraglichen Hauptverpflichtung ankommt, an deren Stelle die Sekundärpflichten getreten sind, für überzeugender, zumal der Bundesgerichtshof bei der Festlegung des Erfüllungsortes für die Schadensersatzpflicht auch darauf abstellt, wo die Vertragspflicht hätte erfüllt werden müssen.
Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits kann jedoch dahinstehen, welcher Lösung der Vorzug zu geben ist, denn beide führen zu dem Ergebnis, daß der Erfüllungsort der streitigen vertraglichen Verpflichtung nicht in der Bundesrepublik, sondern in Italien belegen ist.
Der Kläger macht allerdings zutreffend geltend, daß im Schrift tum (Dölle Art. 78 EKG Rn. 6, Mertens-Rehbinder Intern. Kaufr. Art. 78 EKG Rn. 6) die Ansicht vertreten wird, aus der Regelung des Art. 59 Abs. 2 EKG zum Erfüllungsort für die Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises sei zu folgern, daß das EKG sich grundsätzlich dahin entschieden habe, den Sitz des Gläubigers zum Erfüllungsort für eine Geldschuld im Rahmen des Kaufvertrages zu bestimmen. Der Bundesgerichtshof (aaO) hat jedoch ausgeführt, diese Auslegung sei abzulehnen; für eine so weitgehende Bedeutung des Art. 59 Abs. 2 EKG spreche nichts. Entscheidend müsse bei der Ermittlung des Erfüllungsortes für die Verpflichtung zur Rückzahlung des Kaufpreises nach Art. 78 Abs. 2 EKG sein, daß das EKG generell dem Sitz des Verkäufers den Vorrang einräume. Dem ist zuzustimmen. Dölle sieht im übrigen selbst nicht in der Regelung des Art. 59 Abs. 2 EKG eine Bestimmung des Erfüllungsortes für alle Geldschulden, denn für die Verpflichtung des Verkäufers zur Zahlung von Schadensersatz nimmt auch er an, Erfüllungsort sei der Sitz des Verkäufers (EKG Vorbem. Art. 82-89 Rn. 78). Der Bundesgerichtshof (aaO) hat weiterhin zu Recht darauf hingewiesen, daß es als ein besonders unbefriedigendes Ergebnis angesehen werden muß, für den Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises und den Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, die nach dem EKG nebeneinander möglich sind, unterschiedliche Erfüllungsorte anzunehmen.
Nach alledem hat es bei der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts zu verbleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens ergibt sich aus § 97 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.