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Zusammenfassung der Entscheidung Die deutsche Klägerin und die belgische Beklagte haben einen Vertrag geschlossen, nach dem die Beklagte den Alleinverkauf der Erzeugnisse der Klägerin in Belgien und Luxemburg übernehmen sollte. In dem in französischer Sprache abgefassten Vertragstext war eine Gerichtsstandsklausel enthalten, welche die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte begründete. Die Klägerin kündigte den Vertrag und erhob vor einem deutschen Gericht Klage auf Feststellung, dass durch ihre Kündigung der Vertrag beendet worden sei. Die Beklagte hat die mangelnde Zuständigkeit der deutschen Gerichte gerügt, u.a. mit der Begründung, dass nach einem belgischen Gesetz über die einseitige Kündigung von Alleinverkaufsverträgen ein belgisches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei. Daraufhin hat sie sogar gegen die Klägerin Klage auf Schadensersatz vor einem belgischen Gericht erhoben.
Der Bundesgerichtshof (DE) ist der Auffassung, dass zwischen den Parteien eine wirksame, die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte begründende Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 17 EuGVÜ zustande gekommen sei. Diese Vereinbarung der Parteien erfasse auch die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage. Denn Gerichtsstandsvereinbarungen für „alle Streitigkeiten aus dem Vertrag“ bezögen sich auch auf Streitigkeiten über die Wirksamkeit und das Bestehen des Vertrags. Das von der Beklagten angeführte belgische Gesetz habe schon deshalb keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der abgeschlossenen Gerichtsstandsvereinbarung, weil es für den belgischen Vertriebshändler nur einen zusätzlichen und keinen ausschließlichen Gerichtsstand in Belgien schaffe.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die belgische Beklagte übernahm aufgrund eines Vertrags vom 10./16. Juli 1953 den Alleinverkauf der Erzeugnisse der Klägerin in Belgien und Luxemburg. In dem in französischer Sprache abgefaßten Vertragstext heißt es:
„VIII. Jurisdiction: En cas de litige seul le tribunal de …, …, doit être compétent pour toutes les transactions émanant de ce contrat.“
Die Klägerin hat am 27. März 1973 den Vertrag zum 30. Juni 1973 gekündigt. Sie hat in der Folgezeit Klage erhoben unter anderem mit dem Antrag auf Feststellung, daß durch ihre Kündigung der Vertrag beendet worden sei. Die Klage wurde der Beklagten am 22. Mai 1973 in Belgien im Rechtshilfeweg zugestellt.
Die Beklagte vertritt die Meinung, daß nach dem belgischen Gesetz über die einseitige Kündigung von Alleinverkaufsverträgen auf unbestimmte Dauer vom 27. Juli 1961, geändert am 13. April 1971, ein belgisches Gericht für den Streitfall ausschließlich zuständig sei. Sie hat deshalb ihrerseits in der Folgezeit eine Schadensersatzklage gegen die Klägerin beim Handelsgericht Brüssel erhoben. Im vorliegenden Rechtsstreit hat sie die mangelnde Zuständigkeit der deutschen Gerichte gerügt und vorsorglich, unter Verwahrung gegen die Kostenlast, den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch anerkannt.
Das Landgericht hat seine Zuständigkeit bejaht und der Feststellungsklage durch Teilanerkenntnisurteil stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Entscheidung des Landgerichts kein Anerkenntnisurteil sei.
Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage mangels internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte für diesen Streitfall.
Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe die Bedeutung von Nr. VIII des Vertrags der Parteien verkannt, wonach „einzig das Gericht in … zuständig sein solle für alle Transaktionen“, die diesem Vertrag entstammen. Diese Gerichtsstandsklausel habe sich nicht auf alle erdenklichen Streitigkeiten bezogen, die sich aus dem Vertragsverhältnis zwischen den Parteien hätten ergeben können. Das französische Wort „transaction“ habe hier ebenso wie bei der Verwendung an anderen Stellen des Vertrags die Bedeutung „Geschäfte“ gehabt. Die Gerichtsstandsklausel habe demnach Streitigkeiten über eine Vertragsbeendigung nicht umfaßt. Es verbleibe daher bei der Regelung nach Art. 3 des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (BGBl 1972 II S. 774 = EGÜbk), nach der am Wohnsitz der Beklagten ihr Gerichtsstand begründet sei.
2. Das Berufungsgericht hat Nr. VIII des Vertrags der Parteien für eine klare, von ihm auf alle Streitigkeiten der Parteien aus dem Vertrag bezogene Gerichtsstandsvereinbarung gehalten. Diese tatrichterliche Auslegung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Revision verkennt selbst nicht, daß das französische Wort „transaction“ verschiedene Bedeutungen haben kann, darunter auch „Übereinkommen“, „Vertrag“, (Handels-) „Geschäfte“ oder (Handels-) „Beziehungen“. Wenn die Parteien an anderer Stelle ihres Vertrags (Nr. IV) vereinbart hatten, daß „toutes transactions emanant de ce contrat“ = alle Geschäfte, die sich aus diesem Vertrag ergeben, auf der Basis der AGB (Allgemeine Geschäftsbedingunen) der Klägerin zu bewirken sind, so zwingt dies bei der gebotenen Auslegung der Parteierklärungen (§ 133 BGB) im Gegensatz zur Meinung der Revision nicht dazu, das französische Wort „transaction“ stets mit „Geschäft“ zu übersetzen. Die Fassung von Nr. VIII des Vertrags legt vielmehr die sprachlich mögliche und deshalb das Revisionsgericht bindende Auslegung des Berufungsgerichts nahe, daß sich die Gerichtsstandsklausel auf alle Streitigkeiten über die Beziehungen der Parteien aus dem Vertrag beziehen sollte. Daß eine solche Gerichtsstandsvereinbarung in der Regel auch Streitigkeiten über die Wirksamkeit und das Bestehen des abgeschlossenen Vertrags umfaßt, ist in der Rechtsprechung anerkannt (Senatsurteil vom 19. Januar 1960 – VIII ZR 35/59 = LM ZPO § 38 Nr. 4 = WM I960, 320; RGZ 140, 149, 151). Für einen entgegenstehenden Parteiwillen ist hier nichts ersichtlich.
II. 1. Die Revision meint, eine Vereinbarung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte für den vorliegenden Streitfall durch die Parteien im Jahre 1953 sei durch das belgische Gesetz vom 27. Juli 1961/13. April 1971 über die einseitige Kündigung von Alleinverkaufsverträgen auf unbestimmte Dauer aufgehoben worden. Nach Art. 4 dieses Gesetzes, das nach seinem Art. 6 auf alle bereits früher abgeschlossenen Verträge Anwendung findet, sei der Alleinverkaufsberechtigte bei einem derartigen Vertrag mit Auswirkungen auf belgischem Gebiet berechtigt, in Belgien Klage gegen den Konzessionsgeber beim Gericht seines eigenen Wohnsitzes oder beim Gericht des Wohnsitzes des Konzessionsgebers zu erheben, wobei das mit der Streitsache befaßte belgische Gericht ausschließlich belgisches Recht anzuwenden habe. Da das belgische Recht eine negative Feststellungsklage nicht kenne, stelle die Anrufung des deutschen Gerichts einen Rechtsmißbrauch der Klägerin dar.
2. Der letztgenannte Einwand greift schon deshalb nicht durch, weil der dem Revisionsgericht vorliegende Klageantrag nur eine positive Feststellungsklage zum Gegenstand hat.
3. Die Bundesrepublik Deutschland und Belgien sind Vertragsstaaten des EG-Übereinkommens vom 27. September 1968, das am 1. Februar 1973 in Kraft getreten (BGBl 1973 I 26) und das hier anzuwenden ist, weil die Klage nach diesem Zeitpunkt erst erhoben wurde (Art. 54 Abs. 1 EGÜbk). Haben nach Art. 17 Abs. 1 EGÜbk Parteien, von denen mindestens eine ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, durch eine schriftliche Vereinbarung bestimmt, daß die Gerichte eines Vertragsstaates über künftige, aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeiten entscheiden sollen, so sind diese Gerichte ausschließlich zuständig. Daß die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen dieser Bestimmung vorliegen, hat das Berufungsgericht festgestellt. Dann sind aber die deutschen Gerichte hier kraft der Vereinbarung der Parteien ausschließlich zuständig.
4. Nach dem eigenen Vortrag des Beklagten bestimmt Art. 4 des belgischen Gesetzes vom 27. Juli 1961/13. April 1971, nur, daß der Alleinverkaufsberechtigte stets das Recht hat, in Belgien Klage gegen seinen Konzessionsgeber zu erheben. Das schafft im Gegensatz zur Meinung der Revision schon dem Wortlaut nach keinen ausschließlichen Gerichtsstand für solche Streitfälle. Nichts anderes ergibt sich daraus, daß es in Art. 4 Abs. 2 des belgischen Gesetzes weiter heißt, „das mit der Streitfrage befaßte belgische Gericht wendet ausschließlich belgisches Recht an“. Diese Formulierung läßt für den Streitfall die Möglichkeit eines ausländischen (= nicht belgischen) Gerichtsstands offen, an dem dann auch eine fremde Rechtsordnung angewandt werden kann. Das von der Beklagten angeführte belgische Gesetz hat nicht etwa Gerichtsstandsvereinbarungen für die von ihm erfaßten Streitfälle verboten oder schon bestehende Gerichtsstandsvereinbarungen für unwirksam erklärt, sondern nur für den Alleinvertriebsberechtigten einen zusätzlichen, nach belgischem Recht durch Parteivereinbarung nicht ausschließbaren Gerichtsstand in Belgien geschaffen. Diese Meinung wird auch in dem von der Klägerin vorgelegten Aufsatz aus „Journal des tribunaux“ vom 16. Juni 1973 vertreten, in dem unter Anführung einer Entscheidung des Tribunals Brüssel vom 14. Februar 1973 darauf hingewiesen wird, daß der Konzessionär seinen Lieferanten nach seiner Wahl vor dem Gericht seines eigenen Wohnsitzes verklagen kann („peut“). Für Klagen des Konzessionsgebers und um eine solche handelt es sich hier, enthält das genannte belgische Gesetz keine Regelung des Gerichtsstands. Die Frage, ob im Hinblick auf Art. 17 EGÜbk aufgrund des belgischen Gesetzes vom 27. Juli 1961/13. April 1971 heute noch entgegen einer wirksam getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung vom Alleinvertriebsberechtigten in Belgien Klage erhoben werden kann, kann sich nur einem aufgrund dieses Gesetzes angerufenen belgischen Gericht stellen.
III. Soweit das Berufungsgericht die Anwendung des deutschen materiellen Rechts für die Frage, ob der Vertrag wirksam gekündigt worden ist, aufgrund seiner Auslegung der Vereinbarung der Parteien (§ 133 BGB) bejaht hat, ist ein Rechtsfehler nicht zu erkennen.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß die Parteien stillschweigend die Anwendung des deutschen Rechts auf ihr Vertragsverhältnis vereinbart haben. Es hat dies daraus abgeleitet, daß alle Geschäfte, die sich aus dem Vertrag ergeben, kraft ausdrücklicher Vereinbarung in Nr. IV auf der Basis der AGB der Klägerin bewirkt werden sollten, die dem Vertragswerk beigefügt waren. Es entspreche der Interessenlage bei solchen Verträgen, daß ein Produzent seine sämtlichen Vertriebsverträge nach einheitlichen Bedingungen und damit nach einer einheitlichen Rechtsordnung abwickeln wolle, während demgegenüber das Interesse eines einzelnen Konzessionärs nach Meinung des Berufungsgerichts zurücktreten müsse.
2. Diese Auslegung des Vertrags durch das Berufunsgericht ist möglich und daher für das Revisionsgericht bindend. Für die Frage, welche Rechtsordnung auf ein Vertragsverhältnis Anwendung findet, ist in erster Linie der Wille der Parteien maßgebend. Dieser kann sich auch aus einer stillschweigenden Übereinkunft der Parteien über das auf ihre Vertragsbeziehungen anzuwendende Recht ergeben (BGH Urteil vom 6. Februar 1970 – V ZR 158/66 – BGHZ 53, 189, 191 und vom 4. Juli 1969 – V ZR 69/66 = BGHZ 52, 239, 241). Indizien für eine solche durch schlüssiges Verhalten vereinbarte Rechtswahl können schon in einer Abrede über den Gerichtsstand liegen (Senatsurteil vom 1. Juli 1964 – VIII ZR 266/62 = WM 1964, 1023, 1024). Aber auch in der Vereinbarung, die AGB einer Partei anzuwenden, kann ein solches Indiz gesehen werden. Ohne Erfolg meint die Revision, das Berufungsgericht hätte für die Bestimmung der anzuwendenden Rechtsordnung auf den hypothetischen Parteiwillen zurückgreifen müssen, wobei es wegen der Tatsache, daß der Vertrag in Brüssel in französischer Sprache geschlossen wurde sowie wegen des in Belgien liegenden Schwerpunkts des Vertrags zur Anwendung belgischen Rechts hätte kommen müssen. Die Revision begibt sich damit auf das ihr verschlossene Gebiet der Nachprüfung einer in rechtlich möglicher Weise getroffenen Tatsachenwürdigung durch das Berufungsgericht. Vor allem übersieht sie, daß das Berufungsgericht in, wie ausgeführt, rechtlich unangreifbarer Weise eine – wenn auch stillschweigende – Vereinbarung der Anwendung deutschen Rechts angenommen hat. Dann aber kommt es auf den sogenannten hypothetischen Parteiwillen nicht an.
IV. Auch die Bejahung des rechtlichen Interesses der Klägerin an der begehrten Feststellung durch das Berufungsgericht greift die Revision vergeblich an.
Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Beklagte schon vor der Kündigung des Vertrags durch die Klägerin in einem Schreiben vom 21. November 1972 und dann später noch im Rechtsstreit die Auffassung vertreten hat, der Alleinvertriebsvertrag der Parteien sei jedenfalls nach belgischem Recht durch die Kündigung der Klägerin nicht aufgelöst worden. Das trifft zu (vgl. S. 4 des Schriftsatzes der Beklagten vom 14. August 1973 – Bl. 51 GA). Die Klägerin hatte danach ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Wirksamkeit ihrer Kündigung, weil sie in ihrer geschäftlichen Entschließungsfreiheit durch die eingetretene Unsicherheit behindert war (vgl. BGH Urteil vom 19. November 1971 -I ZR 72/70 = NJW 1972, 198; vom 28. Juni 1968 – V ZR 22/65 = LM ZPO § 256 Nr. 87). Durch das – „hilfsweise“ – von der Beklagten erklärte Anerkenntnis wurde das Feststellungsinteresse nicht beseitigt (Stein-Jonas ZPO 19. Aufl. IV 6 f zu § 256; Baumbach-Lauterbach ZPO 33. Aufl. 4 C zu § 256).
V. 1. Unzutreffend ist die Meinung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe mit ihrem Hilfsantrag kein Anerkenntnis im Sinne von § 307 ZPO abgegeben, sondern ein solches nur für den Fall der Bejahung der Zuständigkeit der deutschen Gerichte in Aussicht gestellt.
2. Die Beklagte mußte, nachdem eine abgesonderte Verhandlung über die Einrede der Unzuständigkeit nicht angeordnet war (§ 275 ZPO), trotz der von ihr erhobenen prozeßhindernden Einrede zur Sache verhandeln. Sie wollte nicht auf ihre Einrede verzichten, wohl aber sich sachlich gegen den Klageanspruch nicht verteidigen, weshalb sie ihn in der Sache ohne jede weitere Bedingung gemäß ihrem Hilfsantrag anerkannte. Ein solches Anerkenntnis ist für den Fall, daß die erhobene prozeßhindernde Einrede der internationalen Unzuständigkeit erfolglos bleibt, zulässig und mit Recht vom Landgericht als Grundlage einer Verurteilung gemäß § 307 ZPO angesehen worden. Die Auffassung des Berufungsgerichts, es habe hier kein Anerkenntnis im prozessualen Sinne vorgelegen, ein solches sei nur in Aussicht gestellt worden, ist rechtsirrig. Der Urteilsausspruch des Berufungsgerichts, durch den die Beklagte kostenmäßig beschwert sein kann, war dementsprechend zu berichtigen. Im übrigen war die Revision kostenpflichtig (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.