Die Klägerin nimmt die in Italien ansässige Beklagte aus eigenem sowie aus abgetretenem Recht der St. und P. GmbH (im folgenden: GmbH) auf Schadensersatz wegen schuldhaften Abbruchs eines in der Anbahnung begriffenen Vertragsverhältnisses in Anspruch, auf Grund dessen der Klägerin und der GmbH das Alleinvertriebsrecht von Erzeugnissen der Beklagten in einem Teil der Bundesrepublik übertragen werden sollte. Mit Urteil vom 29. Oktober 1975, auf dessen Tatbestand wegen des erstinstanzlichen Sachstandes verwiesen wird, hat das Landgericht die auf Zahlung eines Teilbetrages von DM 50.000,‑ nebst 5 % Zinsen seit dem 1. Juli 1974 gerichtete Klage mangels internationaler Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen: Der nach Art. 5 Nr. 1 des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuG-Übk) maßgebende, nach deutschem Recht zu bestimmende Erfüllungsort für die eingeklagte Verpflichtung der Beklagten sei gemäß § 269 (1) BGB deren Sitz in I. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Berufung: Es handle sich hier nicht um einen isolierten Einzelanspruch aus dem Handelsvertreterverhältnis, für den nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf in NJW 74, 2186 ein besonderer Erfüllungsort anzunehmen wäre, sondern um die Abwicklung eines zerschlagenen Verhältnisses insgesamt.
Dafür könne nur der Erfüllungsort des Handelsvertreterverhältnisses in seiner Gesamtheit, also der Ort der Handelsvertretertätigkeit, maßgebend sein. Wolle man stattdessen von der einzelnen Geldschuld ausgehen, so sei die in Art. 1182 Abs. 3 Satz 1 Codice civile liegende versteckte Rückverweisung zu beachten, wonach Erfüllungsort für Geldschulden der Sitz der Gläubigerin sei.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, zu erklären, daß das Landgericht Hamburg zur Entscheidung in der Sache international zuständig ist, und die Sache zur Verhandlung und Entscheidung über die Hauptsache an das Landgericht Hamburg zurückzuverweisen,
hilfsweise, sie zur Abwendung der vorläufigen Vollstreckbarkeit zu befugen.
Die Beklagte beantragt, Zurückweisung der Berufung,
hilfsweise, Befugung.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und tritt den Ausführungen der Klägerin entgegen. Ergänzend wird auf die Schriftsätze beider Rechtszüge nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung seine internationale Zuständigkeit verneint.
Der Streitfall liegt im räumlichen, zeitlichen (Art. 54 (1)) und sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuG-Übk).
Gemäß Art. 2 (1) EuGÜbk sind Personen grundsätzlich (ohne) Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten desjenigen Vertragsstaats zu verklagen, in dessen Hoheitsgebiet sie ihren Wohnsitz haben, die Beklagte mithin vor den italienischen Gerichten. Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte könnte nach der Sachlage nur gemäß Art. 5 Nr. 1 begründet sein, wonach Ansprüche aus einem Vertrag vor dem Gericht des Ortes einzuklagen sind, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Die von der Klägerin geltend gemachten vertraglichen bzw. vorvertraglichen Ansprüche sind aber nicht in Hamburg, sondern am Sitz der Beklagten in Italien zu erfüllen.
Das Landgericht geht zutreffend davon aus, daß der Erfüllungsort für die streitigen Ansprüche nach deutschem Recht zu bestimmen ist. Es handelt sich um einen Begriff des Schuldrechts. Eine Parteivereinbarung über das Schuldstatut liegt nicht vor: Zum Abschluß des Vertrages, der sowohl nach dem italienischen Entwurfstext (Anlage A, Ziffer 19) wie nach der deutschen Übersetzung (Anlage 2, Ziffer 21) die Maßgeblichkeit des italienischen Rechts vorsehen sollte, ist es nicht gekommen, und es ist auch nicht ersichtlich, daß die Parteien sich für ihre vorläufige Vertrags- oder vorvertraglichen Beziehungen auf die Geltung einer der genannten Klauseln oder sonstwie auf die Anwendbarkeit des italienischen Rechts ausdrücklich oder stillschweigend geeinigt hätten. Mangels Parteivereinbarung ist als hypothetisch gewolltes Schuldstatut das Recht des Ortes anzunehmen, an dem das Schuldverhältnis seinen Schwerpunkt hat (vgl. Palandt-Heldrich, BGB 35. Aufl., Vorbem. 2 a vor Art.12 EGBGB mit Nachweisen). Der Schwerpunkt des hier angestrebten Vertragsverhältnisses – gleich, ob es als Handelsvertreter oder als Eigenhändlerverhältnis zu qualifizieren ist – lag im vorgesehenen Tätigkeitsbereich der Klägerin und der GmbH im Norden und Westen der Bundesrepublik Deutschland; hier sollte nach dem Vertragszweck der Markt für die Beklagte erschlossen werden (vgl. BGHZ 53, 332 (337) NJW 70, 1002 (1003) und OLG Düsseldorf NJW 74, 2185). Die daraus folgende Anwendbarkeit des deutschen Schuldrechts umfaßt auch die Anwendbarkeit der deutschen Vorschriften über den Erfüllungsort.
Hierzu hat das Landgericht mit Recht angenommen, daß der Erfüllungsort für die streitige Verpflichtung der Beklagten gemäß § 269 (1) BGB an deren italienischem Sitz gelegen ist:
Ein anderer Ort ist weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen. Hierfür ist allerdings nicht auf die eingeklagte Schadensersatzverpflichtung als solche, sondern auf die ihr zugrunde liegenden Vertragspflichten abzustellen, aus deren Verletzung die Schadensersatzpflicht erwachsen sein soll (vgl. Wieczorek, ZPO 2. Aufl., § 29 Anm.B III d 2 und C I a, Soergel-Schmidt, BGB 10. Aufl., § 269 Anm.7), also auf die von der Klägerin als verletzt betrachtete Pflicht der Beklagten zum Abschluß des in Aussicht genommenen Vertrages und/oder zur Fortsetzung des bereits begonnenen Vertragsverhältnisses. Diese Verpflichtungen hatte die Beklagte aber – im Gegensatz zu denen, die ihren Vertragspartnern oblagen oder oblegen hätten – an ihrem Sitz in Italien zu erfüllen. Auch bei gegenseitigen Verträgen ist der Erfüllungsort grundsätzlich für die Verpflichtungen jedes Vertragsteils gesondert zu bestimmen, so daß sich für die wechselseitigen Verpflichtungen je nach Sachlage verschiedene Erfüllungsorte ergeben können (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB 35. Aufl., § 269 Anm.5, Soergel-Schmidt, BGB 10. Aufl., § 269 Anm.4, Wieczorek aaO B III d 2, C II a 2 (S. 244)). Ein notwendig einheitlicher Erfüllungsort für alle Vertragspflichten wird nur bei bestimmten Gruppen von Rechtsgeschäften aus der Natur des Schuldverhältnisses hergeleitet, so bei Barkäufen, Ladengeschäften, Kraftfahrzeugreparaturen für Durchreisende, Lagergeschäften, Arbeits- und sonstigen Dienstverträgen (Wieczorek aaO C II a 2 (S. 244), Soergel-Schmidt aaO Anm.5, Palandt-Heinrichs aaO Anm.5; vgl. OLG Celle NJW 66, 1975 für den Anwaltsvertrag, OLG Düsseldorf Betr.72,1065 für Steuerberatervertrag). All diesen Geschäftstypen ist gemeinsam, daß alle wesentlichen vertraglichen Aktivitäten sich an einem bestimmten Ort konzentrieren, bei den genannten Dienstverträgen im besonderen an dem Ort, wo der Dienstverpflichtete seine Tätigkeit zu entfalten hat, während sich die Vertragstätigkeit des Dienst- oder Auftragsgebers sich im wesentlichen auf die Zahlung der Vergütung beschränkt (vgl. OLG Düsseldorf NJW 74, 2185 (2187)).
Im vorliegenden Fall trifft dies jedoch ebenso wenig zu wie in dem vom Oberlandesgericht Düsseldorf (aaO, vgl. auch Palandt-Heinrichs aaO, Baumbach-Lauterbach, ZPO 34. Aufl. § 29 Anm. 3 B) entschiedenen Fall eines Handelsvertreterverhältnisses: Jeder der Vertragspartner ist Kaufmann mit eigener Niederlassung, von der aus er in eigenem Gewinnstreben zur Erzielung des mit dem Vertrag angestrebten Geschäftserfolgs tätig wird. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als die Klägerin bzw. die GmbH im Regelfall als Eigenhändler tätig werden, nämlich aufgrund eines ihr eingeräumten Alleinverkaufsrechts die Erzeugnisse der Beklagten von dieser mit bestimmtem Rabatt kaufen und im eigenem Namen weiterverkaufen sollte, wogegen die ebenfalls vorgesehene Direktbelieferung der Kunden durch die Beklagte mit Gewährung einer Provision an die Klägerin bzw. die GmbH als Ausnahme erscheint (vgl. Ziffern 1,2,3,5,6,7 der deutschen Vertragsübersetzung Anlage 2). In einem solchen Fall rechtfertigen es die Umstände nicht, von dem allgemeinen Grundsatz abzuweichen, wonach der Erfüllungsort für die Verpflichtungen jedes Vertragsteils gesondert zu bestimmen ist, und den Erfüllungsort des einen Vertragspartners auch für den anderen für maßgebend zu erklären. Dies ist auch der tragende Gesichtspunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf; dieses hat nur zusätzlich die dort gegebene Fallgestaltung aufgegriffen und Gründe aufgezeigt, aus denen auch und gerade der eingeklagte Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges am Sitz der Beklagten in Italien zu erfüllen sei.
Vergeblich beruft die Klägerin sich in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes in BGHZ 53, 332 (337) (NJW 70, 1002). Dort ist nur – wie oben auch für den vorliegenden Fall ausgewertet – die Frage des Schuldstatuts behandelt, nämlich dargelegt, daß auf ein Handelsvertreterverhältnis in der Regel das Recht des Ortes der Niederlassung des Handelsvertreters Anwendung findet.
Diese Frage ist mit derjenigen nach dem Erfüllungsort für die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen nicht identisch: Das Schuldstatut muß für ein und dasselbe Schuldverhältnis mit allen wechselseitigen Rechten und Pflichten einheitlich bestimmt werden. Dort ist daher bei Fehlen einer Parteivereinbarung ein Ort zu ermitteln, an den der hypothetische Parteiwille für die Festlegung der für das gesamte Schuldverhältnis maßgebenden Rechtsordnung am ehesten angeknüpft hätte, und dieser Ort ist – nach Möglichkeit – da zu suchen, wo das Schuldverhältnis seinen Schwerpunkt hat, mögen auch andere Orte daneben für seine Abwicklung eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Die so getroffene Entscheidung über das Schuldstatut besagt als solche noch nichts über den Erfüllungsort für die mit dem Schuldverhältnis entstandenen Verpflichtungen in dem Sinne, daß auch der Erfüllungsort einheitlich im Bereich des Staates liegen müßte, dessen Recht für das Schuldverhältnis maßgebend ist. Vielmehr ist der Erfüllungsort für die jeweils streitige Verpflichtung erst nach der als Schuldstatut gefundenen Rechtsordnung zu ermitteln. Dabei kann die Anwendung des deutschen Schuldstatuts mit § 269 BGB, der wie gezeigt grundsätzlich für jede Verpflichtung aus dem Schuldverhältnis eine gesonderte Prüfung vorschreibt, je nach Lage des Falles für eine bestimmte streitige Verpflichtung auch zur Annahme eines im Ausland gelegenen Erfüllungsortes führen. So ist es im vorliegenden Fall.
Schließlich ist die Zuständigkeit der deutschen Gerichte auch nicht, wie die Klägerin meint, aufgrund einer versteckten Rückverweisung des italienischen Rechts gegeben.
Eine Rückverweisung des italienischen Rechts könnte nur dann in Betracht kommen, wenn das deutsche Kollisionsrecht zunächst auf das italienische Recht verwiese. Das ist aber, wie gezeigt, nicht der Fall; vielmehr führt, wie auch die Klägerin nicht verkennt und selbst vertritt, die Berücksichtigung des hypothetischen Parteiwillens entsprechend dem Schwerpunkt der Vertragsbeziehung zur Anwendung der deutschen Rechtsordnung als Schuldstatut. Wenn die deutsche Vorschrift des § 269 BGB Bologna als Erfüllungsort bestimmt, so folgt daraus nicht, wie die Klägerin meint, daß damit auch italienisches sachliches Recht auf die streitigen Rechtsbeziehungen Anwendung fände, nach welchem der Erfüllungsort wiederum anderweit zu bestimmen sein könnte. Vielmehr bleibt es bei Bologna als Erfüllungsort mit der Folge, daß gemäß Art. 2 (1) und 5 Nr. 1 EuG-Übk die Zuständigkeit nicht der deutschen, sondern der italienischen Gerichte gegeben ist. Es handelt sich auch nicht um einen Fall versteckter Rückverweisung. Von einer solchen wird nur gesprochen, wenn die ausländische Rechtsordnung, auf die die deutsche verweist, nicht ausdrücklich auf das deutsche sachliche Recht zurückverweist, sondern nur in „versteckter“ Form einer prozessualen Zuständigkeitsregelung, die sinngemäß auch zur Anwendung des am Gerichtsort geltenden sachlichen Rechts führen soll (vgl. Erman-Arndt, BGB 6. Aufl., Anm. 7 zu Art. 27 EGBGB, Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, S. 159, Palandt-Heldrich aaO Anm. 1 zu Art. 27 EGBGB). Auch eine versteckte Rückverweisung würde voraussetzen, daß die deutschen Kollisionsnormen zunächst zur Anwendung italienischen Rechts führten. Daran fehlt es. Die Klägerin wird mithin darauf angewiesen sein, die Beklagte vor dem zuständigen italienischen Gericht zu verklagen. Dieses wird, selbst wenn es aufgrund der italienischen Kollisionsnormen zur Anwendung des italienischen Rechts als Schuldstatut gelangen und gemäß Art. 1182 (3) c.c. den deutschen Gläubigerwohnsitz als Erfüllungsort annehmen sollte, seine internationale Zuständigkeit gemäß Art. 2 (1) EuG-Übk nicht leugnen können, da der Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach Art. 5 Nr. 1 EuG-Übk im Gegensatz zu den ausschließlichen Zuständigkeiten nach Art.16 EuG-Übk den allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten im Staat ihres Sitzes (Art.2 (1) EuGÜbk) nicht verdrängt. Das Problem des negativen internationalen Kompetenzkonflikts stellt sich hier also nicht.
Nach alldem hat das Landgericht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte mit Recht verneint. Die Berufung ist daher als unbegründet zurückzuweisen.