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Zusammenfassung der Entscheidung Die französische Beklagte hat der deutschen Klägerin einen Lieferauftrag erteilt. Daraufhin hat die Klägerin der Beklagten eine Auftragsbestätigung gesendet, auf deren Vorderseite sich ein Hinweis auf ihre umseitig abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) befand. Diese Bedingungen enthielten eine Gerichtsstandsklausel, welche die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte begründete. Bei zwei vorher abgewickelten Aufträgen der Beklagten wurde in gleicher Weise verfahren. Die Klägerin klagt nunmehr gegen die Beklagte vor einem deutschen Gericht auf Zahlung fälliger Beträge.
Das Landgericht Heidelberg (DE) ist der Auffassung, dass die deutschen Gerichte nicht international zuständig seien. Eine wirksame, deren internationale Zuständigkeit prorogierende Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 17 EuGVÜ liege hier nicht vor. Nach dieser Vorschrift können Gerichtsstandsklauseln nur dann berücksichtigt werden, wenn zwischen den Parteien Einverständnis über ihre Geltung bestehe. Sei die Gerichtsstandsklausel in AGB enthalten, reiche dafür allerdings ein allgemeiner Hinweis auf die AGB nicht aus. Vielmehr sei eine gesonderte Verweisung auf die in den AGB enthaltene Gerichtsstandsklausel erforderlich. Daran mangele es jedoch im vorliegenden Fall.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Klägerin stellt Walzdraht her und hat ihren Sitz in …. Bei der Beklagten handelt es sich um ein Handelsunternehmen, das seinen Sitz in … (Frankreich) hat. In der Zeit von März bis September 1974 führte die Klägerin mehrere Bestellungen der Beklagten über geglühte Drähte aus. Am 13.09.1974 bestellte die Beklagte wiederum schriftlich 108 Tonnen weichgeglühten Eisendraht (AS. 19). Die Klägerin hat diesen Auftrag mit Datum vom 17.09.1974 schriftlich bestätigt (AS. 13 u. 14.). Dabei benutzte sie ein Formular, in dessen rechter oberer Hälfte ein Hinweis auf die rückseitig abgedruckten Allgemeinen Verkaufs- und Zahlungsbedingungen enthalten ist (AS. 115). Bei zwei vorher abgewickelten Aufträgen der Beklagten wurde in gleicher Weise verfahren. Unter dem Datum vom 06.12.1974 erteilte die Klägerin der Beklagten eine Rechnung über den Auftrag vom 13.09.1974 in Höhe von 122.220,40 DM. Nach Nr. 10 der Allgemeinen Verkaufs- und Zahlungsbedingungen ist die Klägerin berechtigt, die Klage gegen einen Käufer bei sachlicher Zuständigkeit des Landgerichts nach ihrer Wahl entweder beim Landgericht Heidelberg oder beim Landgericht Mosbach oder im allgemeinen Gerichtsstand des Käufers zu erheben.
Auf die Rüge der fehlenden internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts durch die Beklagte trägt die Klägerin. vor:
Im vorliegenden Rechtsstreit sei die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nach Art. 17 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968, BGBl. 1972 II 774 (EuGÜbk) zu beurteilen. Die Parteien hätten eine schriftliche Vereinbarung über die Zuständigkeit getroffen. Dazu bedürfe es nicht eines einheitlichen Papiers mit den Unterschriften beider Vertragsparteien, vielmehr genüge insoweit gewechselte Korrespondenz. Dies sei gegeben, denn es lägen – neben anderem Schriftwechsel – die schriftlichen Bestellungen der Beklagten und die Auftragsbestätigungen der Klägerin vor, die auf der Vorderseite einen deutlichen Hinweis auf die auf der Rückseite abgedruckten Allgemeinen Verkaufs- und Zahlungsbedingungen enthielten, deren Nr. 10 eine Gerichtsstandsvereinbarung treffe. Im übrigen ergebe sich aus dem Luxemburger Vorbehalt (Art. 1 Abs. II des Protokolls der Vertragsstaaten vom 27.9.1968), daß eine Verweisung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen in den übrigen Vertragsstaaten zur Wahrung der Form des Art. 17 EuGÜbk ausreichend sei. Die Klägerin beantragte am 14.04.1975 beim Landgericht Heidelberg einen Zahlungsbefehl über 122.220,40 DM, der am 28.7.1975 der Beklagten zugestellt und am 12.11.1975 für vorläufig vollstreckbar erklärt worden ist.
Hiergegen hat die Beklagte form- und fristgerecht Einspruch erhoben. Durch Gerichtsbeschluß vom 05.02.1975 wurde die abgesonderte Verhandlung gemäß § 275 ZPO über die Frage der internationalen Zuständigkeit des Landgerichts Heidelberg angeordnet.
Die Klägerin stellt den Antrag,
die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Heidelberg festzustellen.
Die Beklagte beantragt:
Der Vollstreckungsbefehl des Amtsgerichts Heidelberg vom 12.11.1975 wird aufgehoben und die Klage als unzulässig abgewiesen.
Sie trägt vor:
Die Beklagte habe ihren Sitz in Frankreich. Eine die Zuständigkeit des Landgerichts Heidelberg begründende Gerichtsstandsvereinbarung, gemäß Art. 17 EuGÜbk zwischen den Parteien liege nicht vor, da die von Art. 17 EuGÜbk geforderte Form nicht gewahrt sei. Bei einer Verweisung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen sei Voraussetzung, daß die Verweisung eindeutig vom Willen der Vertragspartner umfaßt sei.
Zwar habe die Klägerin auf der Vorderseite des von ihr verwendeten Formulars für Auftragsbestätigungen einen pauschalen Hinweis auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen angebracht. Diese allgemein gehaltene Verweisung genüge aber den Erfordernissen der Schriftlichkeit des Art. 17 EuGÜbk nicht. Art. 17 des EuGÜbk wolle sicherstellen, daß beide Vertragspartner hinsichtlich des Gerichtsstandes eine eindeutige, für beide Teile leicht erkennbare und vom Willen beider Parteien umfaßte Regelung träfen. Deshalb sei im Falle einer Verweisung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen erforderlich, dass ein besonderer Hinweis auf die darin enthaltene Gerichtsstandsklausel erfolge.
Entscheidungsgründe
Der Vollstreckungsbefehl des Amtsgerichts Heidelberg vom 12.11.1975, gegen den zulässig Einspruch erhoben wurde (§ 700 S. 4 ZPO), ist aufzuheben, da die Klage als unzulässig abzuweisen ist.
Dem Landgericht Heidelberg fehlt die internationale Zuständigkeit. Die in den Allgemeinen Verkaufs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin enthaltene Gerichtsstandsklausel ist nicht wirksam vereinbart. Die Form des Art. 17 EuGÜbk ist nicht gewahrt.
Die Zulässigkeit des Rechtsstreits ist nach dem EuGÜbk zu beurteilen; die Parteien haben ihren Sitz in den Vertragsstaaten des EuGÜbk. Das EuGÜbk geht auch der Regelung des § 38 II ZPO vor (s. Anm. 4, A. zu § 38 ZPO in Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, 34. Auflage, 1976).
Nach Art. 17 EuGÜbk wird die ausschließliche Zuständigkeit eines Gerichts in den Vertragsstaaten durch Vereinbarung der Parteien dann begründet, wenn sie schriftlich (oder mündlich und sodann schriftlich bestätigt) getroffen wird. Dieses Formerfordernis ist aufgestellt worden, um solchen Gerichtsstandsklauseln die Wirkung zu nehmen, die unbemerkt in das Vertragsverhältnis eingeführt werden könnten, vgl. Bericht zu dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, abgedruckt bei Zöller, 11. Auflage 1975, S. 1380 ff., S. 1403. Deshalb sollen Gerichtsstandsklauseln nur berücksichtigt werden, wenn sie vereinbart sind, d.h., wenn zwischen den Parteien Einverständnis über ihre Geltung hergestellt ist, s. Bericht aaO, S. 1403. Daher sind Gerichtsstandsklauseln, die auf Vordrucken für Geschäftskorrespondenz oder Rechnungen enthalten sind, ohne Bedeutung, wenn sie von der Partei, der sie entgegengehalten werden, nicht angenommen worden sind, s. Bericht aaO, S. 1403.
Zwar ist eine „ausdrückliche“ Vereinbarung in einem einheitlichen Schriftstück mit der Unterschrift beider Parteien nicht erforderlich. Eine Verweisung auf die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Gerichtsstandsklauseln ist zulässig (s. von Hoffmann, AWD 1973, 57, 62 und im Anschluß an von Hoffmann Samtleben NJW 1974, 1592). Um aber ein unbemerktes Einfließen einer Gerichtsstandsklausel in dem Vertragsverhältnis zu verhindern, genügt eins pauschale Verweisung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht, vielmehr ist, um dem Schutzgedanken der Vorschrift Rechnung zu tragen, eine Verweisung auf die Gerichtsstandsklausel erforderlich.
Aus dem Luxemburger Vorbehalt, wonach eine in Luxemburg wohnhafte Partei durch eine Gerichtsstandsabrede nur gebunden ist, wenn sie diese ausdrücklich und besonders angenommen hat, läßt sich nicht schließen, daß ein allgemeiner Hinweis auf Allgemeine Geschäftsbedingungen genügen soll (a.A. von Hoffmann aaO dessen Schlußfolgerung zumindest nicht zwingend ist). Vielmehr ist daraus nur zu entnehmen, daß eine ausdrückliche und besondere Annahme der Gerichtsstandsvereinbarung bei Parteien, die in den übrigen Vertragsstaaten ihren Wohnsitz haben, nicht erforderlich sein soll. Über die Einführung der Gerichtsstandklausel in das Vertragsverhältnis läßt sich dagegen aus dem Luxemburger Vorbehalt nichts entnehmen. Dabei wird nicht verkannt, daß die Leichtigkeit des Nachweises einer Annahme der Gerichtsstandsklausel von der Art ihrer Einführung in das Vertragsverhältnis abhängt.
Der Luxemburgische Vorbehalt besagt vielmehr, dass der Nachweis der Annahme einer Gerichtsstandsklausel nicht durch Darlegung von Umständen bewiesen werden kann, die auf eine konkludente Annahme schließen lassen. Da eine ausdrückliche und besondere Annahme gefordert wird, muß sich der Vertragspartner darum bemühen; eine solche Annahme lediglich auf Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu beziehen, ist praktisch kaum denkbar. Daher bedingt der Luxemburgische Vorbehalt durch die besonderen Anforderungen an die Annahme auch besondere Formen der Einführung der Klauseln in das Vertragsverhältnis.
In den übrigen Vertragsstaaten ist der Nachweis einer konkludenten Annahme der Klausel zulässig, etwa die widerspruchslose Hinnahme. Davon unabhängig ist die Frage, wie die Gerichtsstandsklauseln in das Vertragsverhältnis eingeführt werden müssen, damit sie wirksam werden können. Maßgebend ist hierbei der Schutzzweck des Art. 17 EuGÜbk. Das Formerfordernis soll das unmerkliche Einfließen (s. Samtleben, aaO) der Gerichtsstandsklausel in das Vertragsverhältnis verhindern. Deshalb kann einerseits die Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, ohne daß auf sie Bezug genommen wird, nur dann eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung begründen, wenn sie vom Vertragspartner angenommen wurden. Um einen übertriebenen Formalismus zu vermeiden, braucht andererseits die Abrede nicht im Brieftext zu erscheinen; eine Verweisung genügt. Da aber die Gerichtsstandsabrede nur durch eine echte Willensübereinstimmung begründet werden kann, (Bericht aaO, S. 1403) muß die Abrede auch als solche angenommen werden. Deshalb ist es erforderlich, daß auf sie selbst hingewiesen wird. Erst wenn auf diese Weise dem Formerfordernis des Art. 17 EuGÜbk entsprochen ist, ist der Weg offen zu der Prüfung, ob eine konkludente Annahme der Gerichtsstandsabrede vorliegt.
An dem so durch Auslegung und Konkretisierung ermittelten Inhalt des Art. 17 EuGÜbk ist zu messen, ob zwischen den Parteien eine wirksame Gerichtsstandabrede vorliegt. Zwar weist die Klägerin durch einen deutlichen Hinweis auf der Vorderseite ihres Formulars für Auftragsbestätigungen auf die auf der Rückseite des Formulars abgedruckten Allgemeinen Verkaufs- und Zahlungsbedingungen hin. Auf die darin enthaltene Gerichtsstandsklausel wird aber nicht gesondert hingewiesen. Das reicht nach den oben aufgestellten Grundsätzen nicht aus. Da eine ausdrückliche Annahme der Gerichtsstandsklausel durch die Beklagte nicht erfolgt ist, was die Klägerin auch nicht behauptet (s. Grunsky, JZ 1973, 641, 645), liegt eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 17 EuGÜbk nicht vor.
Somit gilt Art. 2 EuGÜbk, wonach Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben, vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen sind.
Damit ist die Klage als unzulässig abzuweisen.