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Zusammenfassung der Entscheidung Der deutsche Kläger begehrt von der Beklagten, einer Gesellschaft mit Sitz in den USA, Rückzahlung von 180.649 DM und Zahlung von entgangenem Gewinn vor einem deutschen Gericht. Der Kläger verlor bei Optionsgeschäften auf US-amerikanische Aktien erhebliche Beträge. 1984 war der Kläger mit der H.F., mit Sitz in Frankfurt (DE) in Kontakt gekommen. Deren Mitarbeiter R soll ihn veranlasst haben, 3.000 USD auf das Konto der B.S. New York zu überweisen. Mit diesem Geld soll R für den Kläger zahlreiche Optionsgeschäfte getätigt haben. Für diese Geschäfte tätigte der Kläger mehrmals Überweisungen. Zahlungsempfängerin soll nach Vortrag des Klägers die Beklagte gewesen sein. Die Beklagte trägt vor, sie sei lediglich eine Tochtergesellschaft der H.F.; Vertragspartner des Klägers sei nicht sie, sondern die B.S. gewesen, welche auch alleinige Zahlungsempfängerin gewesen sei.
Das Oberlandesgericht Koblenz (DE) verneint die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Diese könne sich nur aus Art. 15 EuGVO ergeben, was voraussetzte, dass ein Vertrag oder Ansprüche aus Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Der Vertrag zwischen den Parteien sei sowohl für die Zulässigkeit wie auch für die Begründetheit der Klage erheblich (doppelrelevante Tatsache) und werde daher grundsätzlich erst bei Prüfung der Begründetheit festgestellt. Eine doppelrelevante Tatsache könne aber die Zuständigkeit nicht begründen, wenn der Sachvortrag des Klägers die von ihm behauptete Rechtsfolge (Vertrag mit der Beklagten) nicht ergebe. Da die Beklagte den Vertrag bestritten habe, sei es an dem Kläger gewesen, detaillierte Tatsachen zum Vertragsschluss vorzutragen; daran fehle es. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergebe sich auch nicht aus Art. 15 Abs. 2 EuGVO, da die H.F. nicht eine Niederlassung, sonder die Muttergesellschaft der Beklagten sei. Die Beklagte habe auch nicht den Anschein erweckt, dass es sich bei der H.F. um ihre Niederlassung handle.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
<Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tatbestand wurde vom Gericht nicht mitgeteilt.>
Entscheidungsgründe:
I. Die Parteien streiten über die vom Landgericht Bad Kreuznach im angefochtenen Zwischenurteil angenommene internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte. Letztlich begehrt der Kläger von der Beklagten, einer nach dem Recht des US – Bundesstaats Delaware gegründeten Gesellschaft mit Geschäftssitz in New York (USA), die Zahlung von 101.600,89 EUR nebst Zinsen.
Der Kläger verlor bei Optionsgeschäften auf US-amerikanische Aktien in den Jahren 1984 bis 1987 erhebliche Beträge. Anfang 1984 war der Kläger mit der H. F. GmbH (später ab Dezember 1984: H. F. AG) mit Sitz in Frankfurt/Main in Kontakt gekommen. Deren Mitarbeiter R. soll den Kläger veranlasst haben, auf das Konto der B. S. & Co. New York bei der C. M. Bank Frankfurt/Main am 10. Mai 1984 3.000 US$ zu überweisen (Bl. 19 GA). Mit diesem Geld und dem Erlös aus einem Aktienverkauf soll der Zeuge R. namens und in Vollmacht des Klägers zahlreiche Call-Optionen getätigt haben. Für diese Geschäfte überwies der Kläger von 1984 und März 1987 insgesamt 180.649,16 DM. Zahlungsempfängerin soll die Beklagte gewesen sein. Dazu verweist der Kläger unter anderem auf Kontoauszüge vom 31.12.1985 (Bl. 25 GA) und 27.3.1987 (Bl. 24 GA). Den Betrag von 180.649,16 DM und seinen entgangenen Gewinn macht er mit der Klage geltend. Er meint, die deutsche Gerichtsbarkeit sei gegeben.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Da sie lediglich eine Tochtergesellschaft der H. F. AG in Frankfurt sei, komme eine Zuständigkeit deutscher Gerichte nach dem allein zu erwägenden Art. 15 Abs. 2 EuGVVO nicht in Betracht. Vertragspartnerin des Klägers sei im Übrigen nicht die Beklagte sondern die B. S. & Co New York gewesen. Diese sei im maßgeblichen Zeitraum auch alleinige Zahlungsempfängerin gewesen. Bereichert sei sie – Beklagte – daher nicht. Ein Konto zur Durchführung von Börsentermingeschäften habe der Kläger bei ihr nämlich erst 1993 eröffnet. Der Zeuge R. sei Angestellter der H. F. AG in Frankfurt. Dort habe der börsenerfahrene Kläger von sich aus angerufen, um Optionsgeschäfte zu tätigen.
Das Landgericht hat sich im angefochtenen Zwischenurteil für international zuständig erklärt und sich dabei auf Art. 15 EuGVO gestützt. Dass die Beklagte einen Vertrag mit dem Kläger bestreite, sei unerheblich, da es sich bei dieser Behauptung um eine doppelrelevante Tatsache handele (BGHZ 124, 241). Das entsprechende Klagevorbringen sei daher ausreichend. Im Übrigen habe die Beklagte in zurechenbarer Weise den Anschein hervorgerufen, die H. F. AG in Frankfurt sei ihre Niederlassung.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie wiederholt den Antrag, die Klage als unzulässig abzuweisen. Zur Begründung wiederholt, vertieft und ergänzt sie ihren erstinstanzlichen Sachvortrag.
Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Landgerichts mit Rechts- und Sachausführungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 8. September 2005 verwiesen.
II. Die zulässige Berufung hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Zwischenurteils. Die Klage musste als unzulässig abgewiesen werden. Es fehlt an der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte.
Diese kann sich nach übereinstimmender und zutreffender Auffassung der Parteien nur aus Art. 15 EuGVVO ergeben.
Eine Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 15 Abs. 1 EuGGVO setzt unter anderem voraus, dass ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Damit ist gemeint, dass vertragliche Ansprüche aus einem zwischen den Parteien des Rechtsstreits geschlossenen Rechtsgeschäft durchgesetzt werden sollen.
Die Beklagte bestreitet, in den Jahren 1984 bis 1987 Vertragspartnerin des Klägers gewesen zu sein. Das Landgericht hat diese Verteidigung als unerheblich angesehen und zur Begründung auf die Entscheidung BGHZ 124, 241 ff verwiesen. Dort ist ausgeführt, dass im deutschen Zivilprozessrecht der Grundsatz gilt, dass Tatsachen, die sowohl für die Zulässigkeit als auch für die Begründetheit einer Klage notwendigerweise erheblich sind (so genannte doppelrelevante Tatsachen), erst bei Prüfung der Begründetheit festgestellt werden.
Dieser rechtliche Ausgangspunkt trifft zu. Er führt im vorliegenden Fall aber nicht zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte. Nach Auffassung des Senats hat das Landgericht nicht hinreichend bedacht, dass eine doppelrelevante Tatsache die Zuständigkeit nicht begründen kann, wenn der Sachvortrag der Klagepartei die von ihr behauptete Rechtsfolge (hier: einen Vertrag des Klägers mit der Beklagten) nicht ergibt.
So liegt es hier. Ungeachtet der Frage, ob die (behaupteten) Rechtsbeziehungen der Parteien sich materiell nach deutschem oder US-amerikanischen Recht (des Staates New York oder des Staates Delaware) richten, ergibt der Sachvortrag des Klägers keinen Vertrag mit der Beklagten. Mit der Behauptung, ein Vertrag sei geschlossen worden, wird ein Rechtsbegriff des täglichen Lebens vorgetragen (vgl. dazu Senat in NJW – RR 1993, 571-573). Das ist im Allgemeinen ausreichend, wenn der Prozessgegner nicht widerspricht. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte jedoch bestritten, dass von 1984 bis 1987 ein Vertrag mit dem Kläger bestand und dazu (obwohl nicht darlegungspflichtig) eingehend vorgetragen. Vor diesem Hintergrund war der Kläger gehalten, detailliert die Tatsachen vorzutragen, aus denen sich die von ihm behauptete Rechtsfolge (Vertrag) ergeben soll. Daran fehlt es.
Nach deutschem Recht setzt ein Vertrag zwei übereinstimmende Willenserklärungen der Vertragspartner voraus (§§ 145 ff BGB). Wie ein Vertrag nach US-amerikanischem Recht zustande kommt, ist dem Senat zwar unbekannt; gleichwohl bedarf es zur Klärung dieser Frage keines Rechtsgutachtens (§ 293 ZPO). Es erscheint ausgeschlossen, dass nach US-amerikanischem Recht ein Vertrag ohne jedes Zutun des behaupteten Vertragspartners zustande kommt. Dass der Kläger selbst der Beklagten ein Vertragsangebot unterbreitet hat, ist nicht behauptet und auch nicht zu ersehen. Allenfalls könnte der Zeuge R. oder ein anderer Angestellter der H. F. GmbH (später: H. F. AG) in Frankfurt namens und in Vollmacht des Klägers der Beklagten ein Vertragsangebot unterbreitet haben. Dazu fehlt jedoch ebenso hinreichender Sachvortrag wie zu der weiteren Voraussetzung, dass ein derartiges Angebot von der Beklagten in New York angenommen wurde.
Soweit der Kläger sich für seine abweichende Rechtsbehauptung auf Urkunden aus der Zeit nach 1988 stützt, ist das schon vom zeitlichen Ablauf her unerheblich. Die Beklagte räumt ein, ab 1993 in Vertragsbeziehungen zum Kläger gestanden zu haben. Aus hierauf sich beziehenden Urkunden kann nicht gefolgert werden, ein Vertrag habe auch in dem Zeitraum bestanden, auf den es im vorliegenden Rechtsstreit allein ankommt (1984 – 1987).
Richtig ist zwar, dass einige Urkunden aus diesem Zeitraum die Firmenbezeichnung der Beklagten enthalten. Das ist jedoch von der Beklagten plausibel damit erklärt worden, dass die amerikanische Vertragspartnerin des Klägers, die B. S. & Co. diese Urkunden aus den von der Beklagten im Einzelnen dargestellten Gründen ausgestellt habe. Das hat deshalb entscheidendes Gewicht, weil die zeitlich erste Zahlung nach dem eigenen Vorbringen des Klägers an die B. S. & Co. in New York geleistet wurde (Bl. 19 GA). Diese Gesellschaft war ausweislich des Überweisungsträgers auch Empfängerin einer der letzten Zahlungen des Klägers im Jahre 1987 (Bl. 23 GA). Das indiziert, dass diese Gesellschaft und nicht die Beklagte seinerzeit Vertragspartnerin des Klägers war. Jedenfalls hätte der Kläger angesichts der Urkundenlage nachvollziehbar darstellen müssen, aus welchen – der Beklagten zurechenbaren – Umständen sich ergeben soll, Vertragspartnerin sei nicht die B. S. & Co, sondern die Beklagte gewesen. Einen solchen nachvollziehbaren Tatsachenvortrag vermisst der Senat. Die bloße Rechtsbehauptung, einen Vertrag mit der Beklagten geschlossen zu haben, ist unzureichend.
Dies gilt umso mehr, als der Kläger keinen vertraglichen Erfüllungsanspruch geltend macht, sondern Schadensersatz wegen Schlechterfüllung eines Anlageberatungs- oder -vermittlungsvertrages begehrt und erhebliche Pflichtverletzungen des Zeugen R. behauptet. Dieser Vertrag bestand jedoch unstreitig nicht zwischen dem Kläger und der Beklagten. Vertragspartnerin des Klägers war allein die Frankfurter GmbH (später AG), deren Angestellter und Erfüllungsgehilfe der Zeuge R. war. Aus welchem Rechtsgrund die Beklagte für dessen Versäumnisse haften sollte, ist nicht zu ersehen.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ergibt sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte auch nicht aus Art. 15 Abs. 2 EuGVVO.
Nach dieser Vorschrift begründet es die Zuständigkeit deutscher Gerichte, wenn der Vertragspartner mit Geschäftssitz außerhalb des Geltungsbereichs der Verordnung im Hoheitsgebiet des Vertragsstaates eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung hat.
Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, die H. F. AG in Frankfurt (Vertragspartnerin des Klägers) sei keine Niederlassung der Beklagten, sondern deren Muttergesellschaft. Soweit der Kläger in zweiter Instanz etwas anderes vorträgt, steht dem die Bindungswirkung der landgerichtlichen Tatsachenfeststellungen entgegen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Gleichwohl hat das Landgericht Art. 15 Abs. 2 EuGVVO für einschlägig gehalten, weil die Beklagte den Anschein erweckt habe, die namensähnliche Gesellschaft mit Geschäftssitz in Frankfurt sei eine Niederlassung der Beklagten.
Das ist nicht tragfähig. Ob der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts zutrifft, wonach ungeachtet der objektiven Gegebenheiten auch ein in zurechenbarer Weise gesetzter Rechtsschein ausreicht, um die internationale Zuständigkeit nach Art. 15 Abs. 2 EuGVVO zu begründen, kann dahinstehen. Selbst wenn diese Ansicht richtig sein sollte, fehlt es hier an einem entsprechenden von der Beklagten gesetzten Rechtsschein. Alles was das Landgericht zur Begründung seiner abweichenden Ansicht ausgeführt hat belegt – ebenso wie der Sachvortrag des Klägers allenfalls, dass die H. F. AG in Frankfurt den Anschein erweckt hat, sie sei eine Niederlassung der Beklagten. Darauf kann jedoch nicht abgestellt werden. Erforderlich ist vielmehr, dass die in Anspruch genommene Partei (hier: die Beklagte mit Geschäftssitz in New York) in zurechenbarer Weise den Anschein erweckt hat, bei dem inländischen Verhandlungspartner des Prozessgegners handele es sich um eine Niederlassung. Dass die Beklagte im hier maßgeblichen Zeitraum 1984 bis 1987 diesen Anschein erweckt hat, ist nicht zu ersehen.
Sähe man das anders, könnte eine inländische juristische Person durch den von ihr hervorgerufenen unzutreffenden Anschein, Niederlassung einer juristischen Person mit Geschäftssitz außerhalb des Geltungsbereichs EuGVVO zu sein, bewirken, dass diese Gesellschaft sich vor deutschen Gerichten verteidigen muss. Derart weit reichend ist die Zuständigkeitsbestimmung der EuGVVO für Verbrauchersachen nicht.
Letztlich ergibt sich eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte auch nicht für den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens in den Mittelpunkt gerückten Bereicherungsanspruch. Ein Bereicherungsanspruch setzt voraus, dass die Beklagte Zahlungsempfängerin war. Das ist hinsichtlich des mit der Klage begehrten Gesamtbetrages nicht zu ersehen. Soweit einzelne Urkunden über kleinere Beträge darauf deuten, es seien Zahlungen an die Beklagte geleistet worden, ist dies von der Berufungsbegründung ausgeräumt worden.
Nach alledem war die Klage mit den Nebenentscheidungen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO als unzulässig abzuweisen. Der Kläger kann die Beklagte nach den maßgeblichen US-amerikanischen Vorschriften im dortigen Gerichtsstand in Anspruch nehmen.
Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Fragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich nicht.