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Zusammenfassung der Entscheidung Die französische Beklagte bestellte bei der deutschen Klägerin Waren. Auf dem Bestellschein befand sich ein Vermerk, dass für den Auftrag die Allgemeinen Geschäftsbedigungen (AGB) der deutschen Oberbekleidungsindustrie gelten sollen, sowie „Tribunal d’arbitrage: Gelsenkirchen-Buer“ (DE). Die AGB bestimmen in § 1 als Erfüllungsort und in § 2 als Gerichtsstand den Ort der Niederlassung der Klägerin. Nach § 12 AGB sind Streitigkeiten aus dem Vertrag durch das ordentliche Gericht oder ein vereinbartes Schiedsgericht zu entscheiden; zuständig ist das zuerst angerufene Gericht, wenn nicht das Schiedsgericht als ausschließlich zuständig vereinbart ist. Die Beklagte lehnte die Abnahme der Ware ab. Die Klägerin erhob Klage vor dem Landgericht Essen (DE). Die Beklagte rügte die Zuständigkeit des Gerichts.
Das Oberlandesgericht Hamm (DE) verneint die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Die Parteien hätten keine nach Art. 17 EuGVÜ notwendige schriftliche oder schriftlich bestätigte mündliche Gerichtsstandsvereinbarung getroffen. Der Vermerk „Tribunal d’arbitrage: Gelsenkirchen-Buer“ beziehe sich nur auf ein Schiedsgericht, das nicht vereinbart worden sei. Aus § 12 AGB in Verbindung mit dem Vermerk ergebe sich kein Gerichtsstand in Gelsenkirchen-Buer (DE). § 12 bestimme nur allgemein, dass entweder ein ordentliches Gericht oder ein Schiedsgericht zu entscheiden habe und in welchem Verhältnis diese Gericht zueinander zuständig seien. § 12 AGB genüge den Formerfordernissen des Art. 17 EuGVÜ nicht. Eine schriftliche Bestätigung der Geltung der AGB liege nicht vor. Auch eine Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ sei nicht begründet, da die Vereinbarung eines Erfüllungsortes den Formerfordernissen des Art. 17 EuGVÜ entsprechen müsse, wenn – wie hier – ersichtlich sei, dass dadurch (nur) ein Gerichtsstand vereinbart werden sollte.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Beklagte, die in … ein Konfektions- und Möbelgeschäft betreibt und beim Handelsgericht … im Régistre du Commerce unter Nr. … eingetragen ist, bestellte unter dem 28. November 1972 bei der Klägerin über deren Handelsvertreter ... 6 Hosenanzüge, 10 Mäntel und 2 Jacken für das Frühjahrsgeschäft 1973. Nach dem Bestellschein, der in französischer Sprache abgefaßt ist, war als Liefertermin Ende März 1973 ab Fabrik vorgesehen. Auf der Vorderseite des Scheines befindet sich vorgedruckt u.a. der Vermerk, daß für den Auftrag nur die Allgemeinen Bedingungen der deutschen Oberbekleidungsindustrie gelten sollten, und weiter Tribunal d 'arbritrage ….
Sowohl die Einheitsbedingungen vom 1. Januar 1960 in deutscher als auch die vom 1. Juli 1968 in französischer Sprache bestimmen in § 1 als Erfüllungsort für alle Leistungen aus dem Liefervertrage den Ort der Handelsniederlassung des Verkäufers und in § 2 als Gerichtsstand den Ort der Handelsniederlassung des Klägers oder den Sitzes seiner Zuständigen Fach- oder Kartellbehörde. Nach § 12 der Bedingungen sind Streitigkeiten aus dem Vertrag durch das ordentliche Gericht oder ein vereinbartes Schiedsgericht zu entscheiden, wobei das zuerst angerufene Gericht zuständig sein soll, wenn das Schiedsgericht nicht als ausschließlich zuständig vereinbart ist.
Mit Schreiben vom 8. Februar 1973 an die Klägerin bat die Beklagte unter Hinweis auf die in Avignon bereits angelaufene Frühjahrssaison um schnellste Auslieferung der Bestellung. Für die Klägerin kündigte deren Vertreter … unter dem 13. Februar 1973 an, daß die Textilien zum Versand bereitständen, wies aber gleichzeitig darauf hin, daß Rückstände aus der letzten Saison noch nicht ausgeglichen waren. Mit Schreiben von 16. Februar 1973 an zeigte die Beklagte an, daß sie ihren Verpflichtungen der Klägerin gegenüber schon längst nachgekommen sei, und forderte erneut die Ware dringend an. Unter dem 24. Februar 1973 kündigte sie der Klägerin gegenüber unter Hinweis auf die bereits begonnene Saison Ablehnung der Annahme der bestellten Textilien an.
Die Klägern versandte die Kleidungsstücke in zwei Posten, die sie der Beklagten unter dem 6. März 1973 mit 2.962,80 FF und unter dem 20. März 1973 mit 660 FF berechnete. Die Lieferungen nahm die Beklagte nicht an. Nach Mitteilung der Spedition … in … vom 26. März 1973 gab sie als Begründung für die Annahmeverweigerung der ersten Sendung u.a. an, daß der vorgesehene Lieferzeitpunkt Februar 1973 nicht eingehalten sei. Die Entgegennahme der zweiten Sendung lehnte sie nach Mitteilung der Spedition ohne Grund ab. Auch ein weiterer Versuch im April 1974 blieb erfolglos.
Mit der Klage hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung und Abnahme der Kleidungsstücke verlangt. Das Landgericht Essen hat die Beklagte am 13. März 1975 durch Versäumnisurteil zur Zahlung von 3.622,80 FF nebst 14 % Jahreszinsen seit dem 2. Januar 1975 und zur Abnahme von 6 Hosenanzügen, 10 Mänteln und 2 Jacken, verurteilt.
Nach rechtzeitigem Einspruch der Beklagten hat die Klägerin behauptet, die erste Lieferung sei bereits Februar 1973, an die Beklagte abgegangen und ihr am 6. März 1973 angeboten.
Sie hat sich auf die Einheitsbedingungen der deutschen Textilindustrie berufen und beantragt, das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte hat beantragt, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie hat die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Essen und hilfsweise die funktionelle Zuständigkeit der Zivilkammer gerügt und im übrigen gemeint, wegen verspäteter Lieferung der Klägerin zur Abnahme und Bezahlung der Kleidungsstücke nicht verpflichtet zu sein.
Hierzu hat sie behauptet: Die Klägerin habe erst im April 1973 angeliefert. Sie habe sich deshalb für das Frühjahrsgeschäft anderweitig eindecken müssen.
Mit Urteil vom 22. Januar 1976, auf das samt seinen Verweisungen gemäß § 543 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht das Versäumnisurteil aufrechterhalten und ausgeführt, es sei zuständig aufgrund der Einheitsbedingungen der deutschen Textilindustrie. Die Zivilkammer sei zur Entscheidung befugt, weil die Beklagte nicht vorgetragen und bewiesen habe, daß sie im Handelsregister oder einer entsprechenden Listen in Frankreich eingetragen sei. Die Beklagte sei im übrigen nicht berechtigt gewesen, sich vom Vertrag loszusagen.
Gegen dieses am 25. Februar 1976 zugestellte Urteil richtet sich die am 23. März 1976 eingelegte Berufung der Beklagten, die sie nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 24. Mai 1976 verlängert hat.
Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens wendet sie sich vor allem gegen die Zuständigkeit des Landgerichts Essen, behauptet zusätzlich, es sei abgesprochen worden, daß die Ware Ende Januar/Anfang Februar 1973 angeliefert werde, und bestreitet die geltend gemachten Zinsen.
Sie beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 13. März 1975 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen sowie ihr nachzulassen, jede Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden.
Sie tritt unter Wiederholung und Ergänzung ihres Vorbringens erster Instanz der Berufung entgegen und behauptet, sie nehme seit dem 1. Januar 1975 Bankkredit zu Zinssätzen zwischen 13 und 8 % in Anspruch.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitsandes wird im übrigen auf den vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie am 24. Mai 1976 fristgemäß begründet worden, da die Begründungsfrist auf den 23. Mai 1976, einen Sonntag, verlängert war. § 512 a ZPO steht der Berufung nicht entgegen. Der Streit der Parteien geht um die internationale Zuständigkeit eines deutschen oder französischen Gerichts, der auch in der Berufungsinstanz entscheiden werden muss (vgl. BGHZ 44, 46, BGH NJW 71, 323).
Die Berufung ist auch begründet
Die Klage ist unzulässig (§ 274 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO). Das Landgericht Essen ist für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht zuständig.
Die Zuständigkeit richtet sich nach den Vorschriften des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaften über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968. Die Klage ist nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens am 1. Februar 1973 erhoben. Die Beklagte, die ihren Wohnsitz bzw. Ihre Niederlassung in Frankreich, einem der Vertragsstaaten hat, ist deshalb vorbehaltlich der Abschnitte 2 bis 6 des Übereinkommens grundsätzlich vor dem französischen Gericht zu verklagen (Art. 2, 3 EUG-Übk.). Die Abschnitte 2 bis 6 des Übereinkommens enthalten keine Vorschriften, nach denen die Zuständigkeit des Landgerichts Essen begründet ist.
Eine nach Art. 17 des Übereinkommens notwendige schriftliche oder schriftlich bestätigte mündliche Gerichtsstandvereinbarung haben die Parteien nicht getroffen. Das Bestellformular der Klägerin enthält keine entsprechende Klausel. Der Vermerk „Tribunal d’arbitrage …“ bezieht sich nur auf ein Schiedsgericht, das nicht vereinbart wurde. Es kann also dahinstehen, ob insoweit die Schriftlichkeit gewahrt ist. Denn entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich der Gerichtsstand … nicht aus § 12 der Einheitsbedingungen in Verbindung mit diesem Vermerk. § 12 bestimmt nur allgemein, daß das ordentliche Gericht oder ein Schiedsgericht zu entscheiden hat und in welchem Verhältnis diese Gerichte zueinander zur Entscheidung befugt sind.
Auch § 2 der Einheitsbedingungen genügt dem Formerfordernis des Art. 17 nicht, selbst wenn die Geltung der Bedingungen ausdrücklich vereinbart und deren Text der Beklagten übergeben ist. Das Formerschwernis des Art. 17 soll ersichtlich das unbemerkte Einfließen von Gerichtsstandsklausen verhindern (vgl. Samtleben NJW 74, 1590, 1592). Dieser Zweck wird durch die Übergabe oft umfangreicher Geschäftsbedingungen nicht ausreichend erfüllt. Ob eine zumindest schriftliche Bestätigung der Geltung der Bedingungen durch eine der Parteien genügt ist zweifelhaft (vgl. BGH AWD 1976, 297). Eine solche Bestätigung liegt aber hier nicht einmal vor. Die Bestellung vom 28. November 1972 enthält allerdings auf der Vorderseite handschriftlich den Namenszug der Inhaberin der Beklagten. Es wird aber nicht dafür dargetan, daß sie dieses Zeichen selbst geschrieben hat. Aber auch wenn das der Fall ist, sieht der Senat hierin keine schriftliche Bestätigung, da der Namenszug über dem Vermerk über die Einbeziehung der Einheitsbedingungen angebracht ist.
Nach § 1 der Einheitsbedingungen ist der Gerichtstand … ebenfalls nicht begründet. Zwar kann nach Art. 5 Abs. 1 des Übereinkommens ein nicht in Deutschland wohnender Beklagter auch am Erfüllungsort verklagt werden, doch müssen an die Vereinbarung ein Erfüllungsortes dieselben Formerfordernisse gestellt werden wie die einer Gerichtsstandsbestimmung (vgl. LG Braunschweig, AWD 74, 346 f), wenn, wie hier aus dem Zusammenhang mit § 2 und der unterschiedlichen Wortwahl der beiden Bestimmungen ersichtlich, ein Gerichtsstand vereinbart werden soll (vgl. Hofmann AWD 73, 57, 61; Samtleben NJW 74, 1591). Mit § 1 soll gerade nicht der tatsächliche Leistungsort bestimmt werden. Die Beklagte sollte in … weder die Ware abnehmen noch dort tatsächlich bezahlen. Für diese Verpflichtungen blieb es auch nach § 1 der Bedingungen bei der allgemeinen Regel des § 269 BGB, wonach der Erfüllungsort … als Wohnsitz der Beklagten ist.
Das Landgericht Essen ist auch nach Art. 18 des Übereinkommens nicht zuständig geworden. Die Beklagte hat sich vor ihm im Sinne dieser Vorschrift nicht eingelassen. Sieh hat in erster Linie die Zuständigkeit des Landgerichts gerügt und sich, nach deutschem Prozeßrecht zulässig, nur hilfsweise sachlich geäußert.
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision gemäß § 546 Abs. 2 ZPO zugelassen. Bei den immer zahlreicheren grenzüberschreitenden Handelsgeschäften sind die Fragen, ob und in welcher Weise Gerichtsstandsvereinbarungen durch Einbeziehung allgemeiner Geschäftsbedingungen wirksam sind, von entscheidender Bedeutung. Soweit ersichtlich sind die hier auftauchenden Probleme, ob die Übergabe allgemeiner Geschäftsbedingungen, die Gerichtsstandsklauseln und Erfüllungsortsbestimmungen enthalten, den Formvorschriften des Art. 17 des Übereinkommens genügt, bislang durch den Bundesgerichtshof nicht entschieden worden. In der in AWD 1976, 297 veröffentlichten Entscheidungen nimmt er dazu nicht Stellung.