In Sachen ... Klägerin/Berufungsklägerin Prozeßbevollmächtigte: ... gegen... Beklagte/Berufungsbeklagte Prozeßbevollmächtigter: ... wegen Forderung hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 1977 durch: Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Dr. Weymann, Richter am Oberlandesgericht Köhler und Dr. Morawietz; für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 5. Februar 1976 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2 000 DM nebst 12 % Zinsen hieraus seit dem 1. Januar 1974 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin trägt 1/3, die Beklagte 2/3 der Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Beschwer der Klägerin beträgt 1.119,25 DM, die der Beklagten 2.000 DM.
Tatbestand
Die Klägerin importiert Schuh- und Lederwaren. Zu Beginn des Jahres 1973 besuchte der Inhaber der Klägerin eine Agentur der Beklagten in Italien, besah die Kollektion der Beklagten, einer Schuhfabrikantin mit Sitz in Italien, und bestellte eine Mustersendung, welche die Klägerin auch erhielt.
Aufgrund dieser Mustersendung und der dieser beigefügten Rechnung, aus welcher sich die Preise und Liefermöglichkeiten der Beklagten ergaben, bestellte die Klägerin bei der Beklagten mit Aufträgen Nr. 2750 vom 17.4.1973, Nr. 2808 vom 11.5.1973 und Nr. 2876 vom 25.5.1973 (I 9-13) 720 Paar Schuhe zum Gesamtkaufpreis von 2.520.000,‑ italienischen Lire. Die Auftragsformulare der Klägerin bestehen aus einem Durchschreibesatz mit insgesamt drei Blatt. Das erste Blatt (Farbe weiß) ist für den Auftragnehmer bestimmt und wird diesem zusammen mit dem als Auftragsbestätigung bezeichneten zweiten Blatt (Farbe gelb) übersandt. Das dritte Blatt (Farbe rosa) verbleibt bei den Unterlagen der Klägerin. Die Beklagte hat bezüglich aller drei Aufträge das zweite gelbe Blatt (Auftragsbestätigung), auf dessen Rückseite die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin in deutscher und italienischer Sprache abgedruckt sind, unterschrieben an die Klägerin zurückgesandt.
Nachdem die Lieferungen nicht – wie vereinbart – in der „II. Dekade Juli 73“ (Bestellung vom 17.4.1973) bzw. in der „II Dekade August 73“ (Bestellungen vom 11. und 25.5.1973) bei der Klägerin eingingen, setzte diese der Beklagten mit Schreiben vom 8.10. 1973 (I 7) – dessen Erhalt die Beklagte bestreitet – eine Nachfrist zur Lieferung der Schuhe und drohte an, daß sie im Falle der Nichtlieferung Schadensersatz verlangen werde. Sodann teilte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 6.11.1973 (1 153) mit, daß sie die Aufträge stornieren müsse und 30 % der Auftragssumme als Schadensersatz verlange, da die Beklagte bis dahin nicht geliefert habe.
Diesen beiden Schreiben der Klägerin lagen Kopien der Aufträge der Allgemeinen Einkaufs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin bei. Die Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben vom 13.11.19 (I 165/167, II 59) und vom 3.1.1974 (I 139/141). In dem zuletzt genannten Schreiben teilte sie der Klägerin mit, daß ihr die Lieferung der Schuhe infolge „höherer Gewalt, Streiks, fehlender Lieferungen ihrer Lieferanten etc.“ nicht möglich gewesen sei, und wies nochmals darauf hin, daß sie das Schreiben der Klägerin vom 8.10.1973 nicht erhalten habe.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen Nichtlieferung der bestellten Schuhe. Sie beziffert den ihr entgangenen Gewinn auf DM 3.119,25, das sind 30 % der Auftragssumme unter Zugrundelegung eines Kurses von 4,126 für 1.000,‑ LIT.
Die Klägerin hat vorgetragen, das Landgericht Karlsruhe sei für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig. Dies ergebe sich aus Art. 17 des Europäischen Übereinkommens vom 27.9.1968 in Verbindung mit Nrn. 10-12 ihrer Allgemeinen Einkaufs- und Zahlungsbedingungen, die wie folgt lauten:
„10. Auf die gesamten Geschäftsbeziehungen der Vertragsparteien, und insbesondere auf alle Kaufverträge findet ausschließlich deutsches Recht Anwendung.
11. Für alle Rechtsstreitigkeiten ist unabhängig von der Höhe des Streitwertes ausschließlich das Amtsgericht am Sitz des Käufers zuständig, auch wenn der strittige Kaufvertrag am Sitz des Verkäufers zustande gekommen und unterzeichnet ist.
12. Erfüllungsort für beide Teile ist der Sitz des Käufers.“
Da die Beklagte auch jeweils den von der Klägerin unterzeichneten Auftrag, welcher sich mit dem Text der Auftragsbestätigung deckt, erhalten habe, seien beide Parteien im Besitze einer von der Gegenseite unterzeichneten, gleichlautenden Urkunde. Damit sei der in Art. 17 des Europäischen Übereinkommens vom 27.9.1968 geforderten Schriftform Genüge getan.
Im übrigen sei das Erfordernis der Schriftform nach Art. 17 des Europäischen Übereinkommens vom 27.9.1968 auch dadurch gewahrt, daß der Beklagten mit Schreiben vom 8.10.1973 – nachdem der Klägerin die von der Beklagten gegengezeichneten Auftragsbestätigungen bereits vorgelegen hätten – nochmals Fotokopien der Aufträge und der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin übersandt worden seien. Darüber hinaus sei gemäß Nr. 12 der Allgemeinen Einkaufs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin als Erfüllungsort der Sitz der Klägerin vereinbart worden, so daß sich die Zuständigkeit des Landgerichts Karlsruhe auch aus Art. 5 des Europäischen Übereinkommens vom 27.9.1968 ergebe.
Zur Schadenshöhe hat sie behauptet, sie kalkuliere ihre Verkaufspreise hinsichtlich modischer italienischer Schuhe der hier streitbefangenen Art mit 45-50 % Aufschlag auf den Einkaufspreis Durch die Nichtlieferung der Beklagten habe sie keine wesentlichen Kosten erspart.
Die Klägerin hat ferner darauf hingewiesen, daß sie – wie die Beklagte nicht bestritten hat – mit Bankkredit arbeite, für den sie mindestens 12 % Zins zahlen müsse.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin DM 3.119,25 nebst 12 % Zinsen hieraus seit dem 1.1.1974 zu zahlen.
Die Beklagte hat
Klagabweisung beantragt.
Sie hat vorab die Zuständigkeit des Landgerichts Karlsruhe gerügt. Eine den Voraussetzungen des Art. 17 des Europäischen Übereinkommens vom 27.9.1968 entsprechende Vereinbarung des Gerichtsstandes Karlsruhe sei zwischen den Parteien nicht getroffen worden. Hierzu behauptet die Beklagte, die ihr übersandten Bestellungen seien von der Klägerin nicht unterzeichnet gewesen und davor seien keine mündlichen Vereinbarungen getroffen worden. Daraus folge, daß in der Rücksendung der von der Beklagten unterzeichneten Auftragsdoppel eine Bestätigung mündlicher Vereinbarungen nicht gesehen werden könne. Soweit die Klägerin mit ihren späteren Schreiben nochmals Kopien der von der Beklagten unterzeichneten Auftragsdoppel übersandt habe, ändere dies nichts daran, daß die Beklagte nicht im Besitze einer von der Klägerin unterzeichneten gleichlautenden Urkunde sei.
Die Beklagte hat ferner die Meinung vertreten, sie habe ihre Verpflichtungen an ihrem Sitz zu erfüllen gehabt, so daß sich die Zuständigkeit des Landgerichts Karlsruhe auch nicht aus Art. 5 des Europäischen Übereinkommens vom 27.9.1968 ergebe.
Weiter hat sie behauptet, sie sei lediglich eine kleine Schuhfabrik und unterhalte kein großes Lederlager. Kurze Zeit nach den Bestellungen der Klägerin seien ihre maßgeblichen Lederlieferanten bestreikt worden und hätten erklärt, daß sie die Beklagte nicht mehr beliefern könnten. Deshalb habe sie nahezu alle Aufträge ihrer Kunden, auch die der Klägerin stornieren müssen. Sie habe sonach unverschuldet nicht liefern können, und der Klägerin stehe daher ein Schadensersatzanspruch nicht zu. Außerdem habe die Klägerin ihr keine Nachfrist gesetzt, was Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß § 326 BGB sei; das Schreiben der Klägerin vom 8.10.1973 habe sie nicht erhalten.
Schließlich könne die Klägerin entsprechend Nr. 6 ihrer Allgemeinen Einkaufs- und Zahlungsbedingungen auch keinen Schadensersatz verlangen, sondern allenfalls von den Verträgen zurücktreten.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin Ingrid P. Der gerichtlichen Auflage, bis spätestens 20.9.1975 die Originale der Auftragsbestätigungen Nr. 2750, Nr. 2808 und Nr. 2876 vorzulegen (I 156), ist die Beklagte nicht nachgekommen (I 169). Durch Urteil vom 5.2.1976, auf das Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Im wesentlichen hat es ausgeführt, die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Karlsruhe ergebe sich aus Art. 5 Nr. 1 des Europäischen Übereinkommens vom 27.9.1968 in Verbindung mit Nr. 12 der Allgemeinen Ein-kaufs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin. Die Klage sei jedoch unbegründet, da nicht erwiesen sei, daß die Klägerin der Beklagten gemäß § 326 BGB eine Nachfrist gesetzt habe, und der Nr. 6 der Allgemeinen Einkaufs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin nicht eindeutig entnommen werden könne, daß auf eine Nachfristsetzung verzichtet wird.
Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Sie wiederholt im wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen und ist der Meinung, eine Nachfristsetzung sei hier nicht nur deshalb entbehrlich gewesen, weil die Parteien gemäß Nr. 6 Abs. 2 der Allgemeinen Einkaufs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin auf eine solche Fristsetzung verzichtet hätten, sondern auch deshalb, weil die Beklagte in ihrem Schreiben vom 13.11.1973 mitgeteilt habe, sie habe „seinerzeit schon geschrieben, daß es nicht möglich sei, den Auftrag auszuliefern aufgrund höherer Gewalt, d.h. aufgrund fehlender Rohmateriallieferungen“.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zur Zahlung von DM 3.119,25 nebst 12 % Zinsen hieraus seit dem 1.1.1974 zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Fürsorglich beantragt sie,
ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung – auch Bankbürgschaft – abzuwenden.
Sie wiederholt im wesentlichen unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ihr Vorbringen erster Instanz. Ferner ist sie der Meinung, daß das Landgericht zu Unrecht seine Zuständigkeit auf Art. 5 des Übereinkommens vom 27.9.1968 stütze. Sie, die Beklagte, sei kein Kaufmann, sondern einfacher Schuhhandwerker und habe deshalb auch nicht gemäß § 29 Abs. 2 ZPO einen Erfüllungsort mit der Folge vereinbaren können, daß in Karlsruhe ein Gerichtsstand begründet werde. Es treffe im übrigen nicht zu, daß die Beklagte die Lieferung abgelehnt habe. Sie, die Beklagte, habe der Klägerin in ihrem Schreiben vom 13.11.1973 lediglich mitgeteilt, daß und warum sie nicht liefern könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Das Oberlandesgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Peter R. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 4.11.1976 (II 63 ff) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig.
Die Klage ist zulässig. Die internationale erstinstanzliche Zuständigkeit der deutschen Gerichte und die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Karlsruhe ist gegeben.
Die Klägerin ist eine deutsche Firma mit Sitz in … die Beklagte eine italienische Firma mit Sitz in … Italien. Die Parteien haben damit ihren Sitz in Vertragsstaaten des EWG-Übereinkommens vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Bundesgesetzblatt 1972 II, 773 – im folgenden EWG-Übereinkommen-), das seit 1.2.1973 in Kraft ist. Gemäß Art. 54 EWG-Übereinkommen sind dessen Vorschriften auch auf die vorliegende, nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens erhobene Klage anzuwenden. Nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 EWG-Übereinkommen richtet sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für Rechtsstreitigkeiten eines Deutschen gegen Personen, die in dem Vertragsstaat Italien ihren Wohnsitz haben, ausschließlich nach den Zuständigkeitsvorschriften des 2. bis 6. Abschnitts des EWG-Übereinkommens. Sonach ist ein deutsches Gericht für den vorliegenden Fall international nur dann zuständig, wenn ein Zuständigkeitsanknüpfungspunkt nach dem 2. bis 6. Abschnitt (Art. 5 ff) des EWG-Übereinkommens gegeben ist (vgl. Geimer NJW 1976, 441, 442; Samtleben NJW 1974, 1590 ff).
Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist hier nach Art. 17 EWG-Übereinkommen gegeben. Nach Art. 17 Abs. 1 des EWG-Übereinkommens kann eine Vereinbarung über die gerichtliche Zuständigkeit getroffen werden. Eine solche Vereinbarung ist jedoch nach dieser Bestimmung nur dann wirksam, wenn sie schriftlich erfolgt oder aber auf einer Absprache, die schriftlich bestätigt wurde, beruht.
Im vorliegenden Falle hat die Klägerin nicht dargetan, daß die Parteien mündlich den Gerichtsstand Karlsruhe vereinbart haben. Die Zurücksendungen der mit ihrer Unterschrift versehenen Auftragsbestätigung an die Klägerin durch die Beklagte, womit sie die Allgemeinen Einkaufs- und Zahlungsbedingungen, welche die Gerichtsstandsvereinbarung enthalten, anerkannt hat, führt sonach in Ermangelung einer mündlichen Gerichtsstandsabrede nicht zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 17 Abs. 1 EWG-Übereinkommen. Indessen ist die nach dieser Vorschrift alternativ erforderliche Schriftform im vorliegenden Falle gegeben. Zur Wahrung der Schriftform genügt ein Schriftwechsel zwischen den Parteien (vgl. Samtleben aaO S. 1592 – Fußnote 33 – mit weiteren Nachweisen).
Im vorliegenden Falle übersandte die Klägerin die für die Beklagte bestimmten Antragsformulare ihres Auftragsdurchschreibsatzes (Auftragsbestätigung – weißes Blatt-) zusammen mit den Auftragsbestätigungen (gelbes Blatt des Auftragsdurchschreibesatzes) an die Beklagte. Daß die Beklagte diese Formulare auch erhalten hat, folgt schon allein daraus, daß sie die Auftragsbestätigungen (gelbes Blatt des Auftragsdurchschreibesatzes) unterschrieben an die Klägerin zurückgesandt hat (II 9-13). Der Senat ist auch davon überzeugt, daß die der Beklagten übersandten Auftragsformulare (weißes Blatt des Auftragsdurchschreibesatzes) die Unterschrift der Klägerin trugen. Zwar konnte die Zeugin P nicht mit Sicherheit sagen, ob sie oder der Inhaber der Klägerin oder dessen „rechte Hand“, der Zeuge R, die für die Beklagte bestimmten Auftragsformulare unterschrieben haben. Sie hat aber auch ausgesagt, daß das „weiße Blatt eines Auftrags in aller Regel von uns unterschrieben hinausgeht“. Diese Aussage in Verbindung damit, daß die Beklagte der gerichtlichen Auflage (I 156), die Originale der für die Beklagte bestimmten Auftragsformulare vorzulegen, mit der fadenscheinigen Begründung nicht nachgekommen ist, sie habe diese Formulare nicht gefunden, genügt dem Senat, um es als erwiesen anzusehen, daß die für die Beklagte bestimmten Auftragsformulare (weißes Blatt des Auftragsdurchschreibesatzes) von der Klägerin unterschrieben worden waren.
Diese Auftragsformulare (Auftragsbestätigungen) enthalten auf der Rückseite die Allgemeinen Einkaufs- und Zahlungsbedingungen Klägerin in deutscher und italienischer Sprache. Auf der Vorderseite dieser Auftragsformulare (Auftragsbestätigungen) wird deutlich sichtbar auf die „umstehenden Bedingungen“ verwiesen, und die Beklagte hat ihre Unterschrift unter die Auftragsbestätigungen (gelbes Blatt) neben dem Passus: „Wir bestätigen obigen Auftrag zu den vereinbarten Bedingungen“ gesetzt. Es unterliegt sonach keinem Zweifel, daß die Allgemeinen Einkaufs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin und damit auch die Gerichtsstandsvereinbarung von dem durch die Beklagte erklärten Vertragswillen umfaßt wurden.
Diese Auftragsbestätigungen hat die Beklagte auch an die Klägerin unterschrieben zurückgesandt. Somit ist davon auszugehen, daß sich jede der Parteien im Besitze einer gleichlautenden, von der Gegenseite unterzeichneten Vertragsurkunde befindet (§§ 126,127 BGB). Damit ist auch dem Erfordernis der Schriftlichkeit nach Art. 17 Abs. 1 EWG-Übereinkommen genügt, denn die Parteien haben gleichlautende Vertragstexte unterzeichnet und jeweils dem Gegner übersandt, in welchen auf die Allgemeinen Einkaufs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin ausdrücklich Bezug genommen wird (vgl. Urteil des Europ. Gerichtshofs vom 14.12.1976 in der Rechtssache 24/76).
Die Klage ist auch teilweise begründet.
Es wurde schon in erster Instanz von den Parteien nicht in Zweifel gezogen, daß auf ihre Rechtsbeziehungen zueinander im vorliegenden Falle deutsches Recht anzuwenden ist. Im übrigen folgt dies auch aus Nr. 10 der Allgemeinen Einkaufs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin, die wirksam vereinbart sind, nachdem die Beklagte die Auftragsbestätigungen an die Klägerin unterschrieben zurückgesandt hat. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung aus § 326 BGB gegen die Beklagte zu. Die Beklagte befand sich seit Ende Juli bzw. seit Ende August 1973 in Leistungsverzug. Zwar war die Leistung nicht auf einen bestimmten Kalendertag vereinbart, wohl aber haben die Parteien ausweislich der Auftragsbestätigungen (I 9-13) die Regelung getroffen,daß das Gekaufte innerhalb der II. Dekade Juli 1973 bzw. II Dekade August 1973 zu liefern ist. Insofern liegt eine kalendermäßige Bestimmung der Leistungszeit vor (vgl. RGZ 106,89; Palandt, 35. Aufl., Anm. 4 zu § 284 BGB), durch deren unstreitige Nichteinhaltung die Beklagte objektiv in Verzug geraten ist (§ 284 Abs. 2 Satz 1 BGB). Diesen Verzug hat die Beklagte auch zu vertreten. Nach § 285 BGB kommt der Schuldner dann nicht in Verzug, wenn die Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. Das Gesetz sieht das Vertretenmüssen nicht als Verzugsvoraussetzung, sondern das Nicht-Vertretenmüssen als Befreiungsgrund an. Die Beweislast für das Nicht Vertretenmüssen trifft damit die Beklagte (vgl. Palandt, 35. Aufl., Anm. 1 zu § 285 BGB). Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, daß kurze Zeit nach dem Zustandekommen der Lieferverträge ihre Lederlieferanten zufolge wilder Streiks sie nicht mehr beliefern konnten; deshalb habe sie die Aufträge der Klägerin stornieren müssen (I 147). Die Klägerin hat dieses Vorbringen bestritten (I 159). Gleichwohl bedurfte es einer Vernehmung des hierzu von der Beklagten benannten Zeugen R nicht. Denn das Vorbringen der Beklagten ist nicht ausreichend substantiiert, um ihr Nichtvertretenmüssen im Sinne von § 285 BGB zu rechtfertigen.
Ein Streik bei den maßgebenden Lederlieferanten der Beklagten könnte allenfalls dann ein Nicht-Vertretenmüssen im Sinne von § 285 BGB rechtfertigen, wenn er die gesamte Zeitspanne von der Auftragserteilung bis zu der vereinbarten Lieferzeit angedauert hätte. Daß das der Fall gewesen sei, was im übrigen wenig wahrscheinlich ist, hat die Beklagte nicht dargetan. Selbst wenn die „maßgebenden Lieferanten“ der Beklagten über diesen gesamten Zeitraum hinweg bestreikt worden sein sollten, könnte sich die Beklagte allenfalls dann darauf berufen, wenn ihr eine anderweitige Beschaffung des für die Bestellung der Klägerin benötigten Leders nicht möglich gewesen wäre. Die Beklagte hat indessen nicht einmal behauptet, daß sie sich um eine solche anderweitige Beschaffung des Leders etwa im Ausland oder bei nicht bestreikten italienischen Lederlieferanten bemüht habe.
Einer Nachfristsetzurig im Sinne von § 326 BGB bedurfte es nicht. Die Parteien haben gemäß Nr. 6 der Allgemeinen Einkaufs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin auf die Fristsetzung ausdrücklich verzichtet. Nr. 6 der Allgemeinen Einkaufs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin hat folgenden deutschen Wortlaut:
„(1) Nur höhere Gewalt oder behördliche Maßnahmen berechtigen sowohl den Verkäufer wie den Käufer, die Lieferungs- und Annahmefristen um die Dauer der Behinderung, höchstens jedoch bis zu einer Dauer von zwei Wochen unter Ausschluß von Schadensersatzansprüchen zu verlängern. Nach Ablauf dieser Frist ist sowohl der Käufer als auch der Verkäufer berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten.
(2) In allen anderen Fällen des Verzugs gilt die gesetzliche Regelung (vgl. insbesondere § 326 BGB).
Eine Zeit von 12 Werktagen gilt als angemessene Nachlieferfrist. Der Käufer kann nach Ablauf der Nachlieferfrist, auf welche nicht nochmals hingewiesen zu werden braucht, auf Kosten des Verkäufers vom Vertrage zurücktreten. Bei verspäteter Lieferung gilt eine zusätzliche Valutierung der Rechnung nach Dauer der Verspätung als vereinbart.“
Der Beklagten kann nicht darin gefolgt werden, daß diese Bestimmung mehrdeutig sei. In Nr. 6 Abs. 2 wird nicht nur die Dauer der „Nachlieferfrist“ festgelegt. Die Formulierung: „Der Käufer kann nach Ablauf der Nachlieferfrist, auf welche nicht nochmals hingewiesen zu werden braucht, auf Kosten des Verkäufers vom Vertrag zurücktreten“ beinhaltet eindeutig auch einen Verzicht auf die Nachfristsetzung.
Soweit die Beklagte demgegenüber meint, Nr. 6 Abs. 2 Satz 3 der Allgemeinen Einkaufs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin sei dahin auszulegen, daß der Käufer, wenn er nicht auf die Nachlieferfrist von 12 Werktagen hinweist, nur zurücktreten oder weiterhin Erfüllung verlangen könne, und Schadensersatzansprüche ausgeschlossen seien, vermag ihr der Senat nicht zu folgen. Daß die Parteien die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen im Falle des Verzugs nicht ausgeschlossen haben, folgt schon daraus, daß sie ausdrücklich die Geltung der gesetzlichen Regelung für den Verzugsfall – höhere Gewalt ausgenommen – vereinbart haben (vgl. Nr. 6 Abs. 2 Satz 1 der Allgemeinen Einkaufs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin). Im übrigen enthält Nr. 6 Abs. 2 Satz 1 den Passus: „… auf Kosten des Verkäufers vom Vertrag zurücktreten“. Auch daraus ist ersichtlich, daß ein Verzicht auf Schadensersatzansprüche nicht gewollt war, sondern vielmehr ein Schadensersatzrecht auch für den Fall des Rücktritts Vereinbart wurde, was zulässig ist (vgl. RG 126,69).
Da die Beklagte die Schuhe unstreitig auch nicht innerhalb der Nachfrist Von 12 Werktagen geliefert hat, kann die Klägerin gemäß § 326 BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Diesem Schadensersatzanspruch steht auch Nr. 6 Abs. 1 der Allgemeinen Einkaufs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin nicht entgegen. Es mag dahinstehen, ob Nr. 6 Abs. 1 dieser Geschäftsbedingungen – wie die Beklagte meint – dahin auszulegen ist, daß im Falle von höherer Gewalt die Klägerin lediglich zum Rücktritt berechtigt sei. Selbst wenn dies zuträfe, kann sich die Beklagte im vorliegenden Falle auf höhere Gewalt nicht berufen. Höhere Gewalt ist eine besondere Art des Zufalls, d.h. eines Ereignisses das vom Vertragspartner nicht verschuldet ist und von ihm auch nicht bei Anwendung der allgemein erforderlichen Sorgfalt vorausgesehen und verhindert werden konnte (vgl. RGR-Komm., 12. Aufl. Rn. 3 zu § 203 BGB mit weiteren Nachweisen). Die Beklagte hat nicht ausreichend substantiiert dargetan, daß sie an der rechtzeitigen Lieferung aufgrund von Umständen gehindert war, die sie nicht zu vertreten hat. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen zum Vorbringen der Beklagten verwiesen, sie sei durch Streiks bei ihren Lieferanten außerstand gesetzt worden, ihrer Lieferverpflichtung nachzukommen. Den der Klägerin entstandenen Schaden schätzt der Senat unter Auswertung der glaubhaften Bekundungen des Zeugen R gemäß § 287 ZPO auf 2.000 DM.
Der Zeuge R hat ausgesagt, die Klägerin mache für Importe aus Italien grundsätzlich einen Verkaufsaufschlag von 45 % des Einkaufspreises. Darin seien 6-9 % – in Ausnahmefällen gelegentlich auch 12-15 % – Verkaufsspesen sowie Provisionen enthalten. Zwar sind der Klägerin im vorliegenden Falle keine Verkaufsspesen und auch keine umsatzabhängigen Verkaufsprovisionen angefallen. Das monatliche Fixum für ihre fest angestellten Verkaufsvertreter mußte die Klägerin indessen ungeachtet der Nichtlieferung der Beklagten aufbringen, so daß in Anbetracht dessen etwa 2 3 % des Einkaufspreises als Schaden der Klägerin berücksichtigungsfähig erscheinen.
Nach den Bekundungen des Zeugen R sind in den 45 % Verkaufsaufschlag ferner etwa 5 % Kosten für die Erstellung der Kollektionen, für Ausmusterung und Reisen aus Anlaß der Besichtigung von Musterkollektionen der Lieferanten enthalten. Diese Kosten sind der Klägerin auch im vorliegenden Falle erwachsen und daher voll zu berücksichtigen.
Soweit der Zeuge R ausgesagt hat, Porto- und Versandkosten beim Ein- und Verkauf in Höhe von 10 12 % – mitunter 12 17 % -seien in den 45 % Verkaufsaufschlag mit einkalkuliert, mußten diese Kosten hier außer Betracht bleiben, da sie im vorliegenden Falle nicht angefallen sind.
Ferner steht aufgrund der Bekundungen des Zeugen R zur Überzeugung des Senats fest, daß die Klägerin in die Verkaufspreise einen Gewinn von 3 % des Einkaufspreises einkalkuliert. Diese 3 % hat die Beklagte der Klägerin als entgangenen Gewinn zu ersetzen.
Schließlich kalkuliert die Klägerin – wie der Zeuge R bekundet hat – etwa 13 % des Einkaufspreises für Betriebsrisiken (z.B. Mahnungen, Telefonauslagen, Gewährleistungsansprüche der Kunden) in den Verkaufspreis ein, wobei etwa 3 % für den Schaden in Ansatz gebracht werden, der der Klägerin durch den Verlust von Kunden entsteht. Daß die Klägerin zufolge der Nichtlieferung der Beklagten Kunden verloren habe, ist nicht dargetan Der Senat erachtet rund 10 % des Einkaufspreises für Betriebsrisiken bei seiner Schadensschätzung für berücksichtigungsfähig.
Mithin kommen annähernd 20 % des Einkaufspreises als Schaden in Betracht. Unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten sowie der Auftragssumme von 2.520.000 LIT schätzt der Senat unter Zugrundelegung des unstreitigen, für den Schadenszeitpunkt maßgeblichen Umrechnungskurses von 4,126 DM für 1.000 LIT den von der Beklagten zu ersetzenden Schaden auf 2.000 DM.
Die Zuerkennung der Zinsen beruht auf §§ 284 Abs. 1, 286 Abs. 1, 288 Abs. 2 BGB. Die Klägerin arbeitet unstreitig mit Bankkredit, für den sie 12 % Zinsen zahlen muß.