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Zusammenfassung der Entscheidung Der Arrestkläger (Kläger), ein Italiener mit Wohnsitz in Deutschland, behauptete, einen Provisionsanspruch gegen die italienische Arrestbeklagte (Beklagte) zu haben. Er legte dar, dass die Beklagte eine Forderung gegen die Firma A., ansässig in Frankfurt a. M. (DE), habe. Als Arrestgrund hat er angegeben, dass andernfalls das ergehende Urteil im Ausland vollstreckt werden müsse. Das Landgericht Frankfurt (DE) gab dem Arrestantrag statt. Die Beklagte beantragte, den Arrest aufzuheben; zur Begründung trug sie unter anderem vor, dass das angerufene Gericht für den Arrestantrag im Hinblick auf Art. 3 EuGVÜ unzuständig sei, da es nicht das Gericht der Hauptsache sei. Daraufhin nahm der Kläger seinen Arrestantrag zurück.
Das Landgericht Frankfurt (DE) verneint seine Zuständigkeit. Gericht der Hauptsache sei aufgrund von Art. 2 EuGVÜ das für den Geschäftsitz der Beklagten in Italien zuständige italienische Gericht. Der Kläger könne sich nicht auf die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gemäß § 23 der deutschen Zivilprozessordnung (ZPO) berufen. § 23 ZPO begründe zwar bei Klagen gegen einen Ausländer einen Gerichtsstand am Ort der Belegenheit von dessen inländischem Vermögen; bei Forderungen gelte als Ort des Vermögens der Wohnsitz des (Dritt-) Schuldners. Art. 3 EuGVÜ spreche aber für den vorliegenden Fall aus, dass eine Zuständigkeit nach § 23 ZPO nicht geltend gemacht werden könne. Sei aber nach Art. 2 EuGVÜ für die Hauptsache eines inländischen Gläubigers gegen einen ausländischen Schuldner ein ausländisches Gericht zuständig, so könne ein nur auf § 917 Abs. 2 ZPO gestützter Arrest (wonach ein hinreichender Arrestgrund schon dann gegeben ist, wenn das Urteil im Ausland vollstreckt werden müsste) von einem inländischen Gericht nicht erlassen werden.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Der Arrestkläger (nachstehend als Kläger bezeichnet) hat behauptet, ihm stehe gegen die Arrestbeklagte (nachstehend als Beklagte bezeichnet) ein Provisionsanspruch wegen von ihm in die Bundesrepublik Deutschland gelieferter Waren in Höhe von mindestens 78.734,22 DM zu. Die Höhe und den Bestand der Forderung hat der Kläger durch eidesstattliche Versicherung vom 17.10.1974 glaubhaft gemacht. Der Kläger hat dargetan, die Beklagte habe einen Anspruch gegen die Firma … in Höhe von über 60.000,‑ DM. Weiter hat der Kläger vorgebracht, er sei italienischer Staatsbürger mit ständigem Wohnsitz in Deutschland, der für die Beklagte auf Provisionsbasis gearbeitet habe. Als Arrestgrund hat der Kläger angegeben, anderenfalls müsse das ergehende Urteil in Italien vollstreckt werden.
Am 23.10.1974 erließ die 23. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main antragsgemäß Arrestbefehl und Vollstreckungsbeschluß unter Az. 2/23 O 449/74, der wie folgt lautet:
Wegen des bezeichneten Anspruchs sowie der auf 6.000,‑ DM veranschlagten Kosten wird daher der dingliche Arrest in Höhe von 78.734,22 DM nebst einer Kostenpauschale in Höhe von 6.000,‑ DM angeordnet und in Vollziehung des Arrestes die angebliche Forderung der Schuldnerin an die Firma … für den Gläubiger gepfändet.
Durch Hinterlegung von 84.734,22 DM (in Buchstaben: vierundachtzigtausendsiebenhundertvierunddreißig 22/100 Deutsche Mark) wird die Vollziehung dieses Arrestes gehemmt und der Schuldner zu dem Antrag auf Aufhebung des vollzogenen Arrestes berechtigt.
Der Drittschuldner darf an den Schuldner nicht mehr zahlen.
Der Schuldner hat sich jeder Verfügung über die Forderung zu enthalten.
Die Kosten des Verfahrens werden der Schuldnerin auferlegt.
Der Beschluß beruht auf §§ 916 ff., 23, 91 ZPO.
Dieser Beschluß wurde der Beklagten am 27.10.1975 zugestellt.
Die Beklagte hat zunächst beantragt, den Arrest vom 23.10.1974 aufzuheben und die Kosten des Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen. Sie macht geltend, der Kläger habe am 11.3.1976 ein Urteil des Amtsgerichts – Arbeitsgerichts in Bergamo/Italien gegen sie erwirkt, das ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar sei. Darin werde die Beklagte zur Zahlung von 17.252.411,‑ Lira, d.h. ca. 48.450,‑ DM, nebst Zinsen und Kosten verurteilt. Weiter trägt die Beklagte vor, der Kläger habe am 26.4.1976 durch den Gerichtsvollzieher Webmaschinen im Werte von 30.000.000 Lira bei ihr pfänden lassen. Die Beklagte ist der Auffassung, es liege ein Fall veränderter Umstände vor. Es liege ein Urteil zur Hauptsache vor, aus dem der Kläger wie aus einem Arrest vollstrecken könne. Tatsächlich habe er bereits aus dem Urteil vollstreckt. Wegen der Einzelheiten der Vollstreckung bezieht sich die Beklagte auf die zu den Akten gereichte Übersetzung des Pfändungsprotokolls des Gerichtsvollziehers beim Landgericht Bergamo (vgl. Bl. 84/85 d.A).
Die Beklagte ist weiter der Auffassung, das vom Kläger angerufene Landgericht Frankfurt am Main sei nicht zuständig gewesen, da es nicht Gericht der Hauptsache gemäß Art. 3 EWG-Abkommen habe sein können. Allenfalls habe eine ausschließliche Arrestzuständigkeit des Amtsgerichts der belegenen Sache bestanden. Da aber das Landgericht bei Erlaß des Arrests seine Zuständigkeit angenommen habe, sei es daran gebunden.
Der Kläger gesteht zu, daß er in Italien ein Urteil erstritten habe und daß er Maschinen der Beklagten habe pfänden lassen habe. Eine Übersicherung liege aber nicht vor, da der Gerichtsvollzieher den Wert der Maschinen nur vorläufig geschätzt habe. Ob dieser Betrag am Markt erlöst werden könne, sei fraglich.
Der Kläger meint, es sei unrichtig, daß § 917 Abs. 2 ZPO nur auf inländische Titel Anwendung finde. Im vorliegenden Fall hätte er auch in Deutschland klagen können, da es sich um das Verhältnis zwischen einem deutschen Handelsvertreter, auch wenn er Italiener sei, und einem italienischen Lieferanten handele. Er meint, die von der Beklagten herangezogene Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz (in NJW 1976, 2081) sei nicht einschlägig.
Der Kläger erklärt, er nehme den Arrestantrag wegen veränderter Umstände zurück und beantragt, der Beklagten die Kosten des Arrestverfahrens aufzuerlegen.
Die Beklagte stimmt der Rücknahme zu und beantragt, dem Kläger die Kosten des Arrestverfahrens aufzuerlegen.
Die Kosten des Arrestverfahrens sind dem Kläger kraft Gesetzes aufzuerlegen. Denn er hat seinen Arrestantrag vom 21.10.1974 mit Zustimmung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 22.11.1976 zurückgenommen, was zwangsläufig die Kostentragungspflicht für das Arrestverfahren auslöst (vgl. § 271 Abs. 3 ZPO in entsprechender Anwendung). Die Bestimmung des § 271 ZPO regelt unmittelbar nur die Rücknahme einer Klage. Es bestehen aber keine Bedenken, diese Bestimmung in entsprechender Anwendung auch für ein Arrestverfahren anzuwenden. Denn auch insoweit handelt es sich um einen Verzicht auf gerichtlichen Rechtsschutz.
Ein Fall des § 927 ZPO liegt nicht vor. Der Kläger hat keinen Antrag gemäß § 927 Abs. 1 ZPO gestellt. Er hat ausdrücklich nicht die Aufhebung des Arrestes vom 23.10.1974 wegen veränderter Umstände, insbesondere wegen Erledigung des Arrestgrundes, beantragt. Der Kläger hat vielmehr den Arrestantrag unter den Voraussetzungen der Klagerücknahme zurückgenommen. Die Begründung dieser Rücknahme „wegen veränderter Umstände“ ist nicht geeignet, den eindeutigen Antrag des Klägers als einen solchen gemäß § 297 ZPO zu werten.
Wegen der Rücknahme des Arrestantrages kann die Frage der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts dahingestellt bleiben. Dennoch wäre eine Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main im Hinblick auf Art. 2 des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EGÜbK) vom 27.9.1968 (BGB1 1972 II, 774 – in Kraft seit 1.2.1973) nicht anzunehmen gewesen. Danach hätte die Beklagte, da sie ihren Geschäftssitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, vor den Gerichten ihres Staates verklagt werden müssen. Die Bundesrepublik Deutschland und Italien sind Vertragsstaaten des EGÜbK. Der Kläger hätte sich demgegenüber nicht auf die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gem. §§ 23, 919 ZPO berufen können. Art. 3 EGÜbK spricht für den vorliegenden Fall aus, daß die Zuständigkeit des § 232 ZPO nicht geltend gemacht werden kann. Gericht der Hauptsache ist das für den Geschäftssitz der Beklagten in Bergamo/Italien zuständige Gericht, bei dem der Kläger im übrigen auch seine Hauptklage erhoben hat. Ist aber nach Art. 2 EGÜbK für die Hauptsacheklage eines inländischen Gläubigers gegen einen ausländischen Schuldner das ausländische Gericht zuständig, so kann ein nur auf § 917 Abs. 2 ZPO (Vollstreckung des Urteils im Ausland als Arrestgrund) gestützter Arrest von einem inländischen Gericht nicht erlassen werden (vgl. OLG Koblenz in NJW 1976, 2081).