-
Zusammenfassung der Entscheidung Die französische Klägerin schloss mit dem deutschen Beklagten einen schriftlichen, nicht formularmäßigen Vertrag, aufgrund dessen die Klägerin dem Beklagten Isolierglas lieferte. In dem Vertrag wurde folgende Gerichtstandsvereinbarung getroffen: "Wenn die Firma M. (Beklagter) die Firma G. (Klägerin) verklagt, so muss das vor einer französischen Gerichtsbarkeit geschehen. Falls die Firma G. die Firma M. verklagt, muss dies vor einer deutschen Gerichtsbarkeit geschehen." Die Klägerin erhob bei einem deutschen Gericht Klage auf Restkaufpreiszahlung. Der Beklagte stellte Schadensersatzansprüche aus Vertrag zur Aufrechnung. Der Klage wurde teilweise stattgegeben und die Aufrechnung für unzulässig erklärt, da sie aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung nur vor einem französischen Gericht geltend gemacht werden könne. Der Beklagte erstrebt mit der Revision die Berücksichtigung seiner Aufrechnung.
Der Bundesgerichtshof (DE) erließ einen Vorlagebeschluss aufgrund von Art. 3 des Protokolls vom 03. 06. 1971 betreffend die Auslegung des EuGVÜ. Für den Erlass eines Urteils sei es erforderlich über folgende Fragen zu entscheiden: 1.Läßt Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ eine Vereinbarung wie die vorliegende zu? 2. Schließt eine nach Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ zulässige Vereinbarung mit diesem Inhalt zwingend jede Aufrechnung aus, die eine Vertragspartei wegen eines der Vereinbarung unterliegenden Anspruchs gegenüber der von der anderen Partei erhobenen Klage vor dem für diese Klage zuständigen Gericht geltend machen will? Wenn die Gerichtsstandsvereinbarung unwirksam sei, wären die deutschen Gerichte nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ für die Aufrechnungsforderung zuständig und die Aufrechnung damit zulässig. Sei sie wirksam, komme es darauf an, ob Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ auch eine Aufrechnung in einem anderen als dem für die Klage des Aufrechnenden vereinbarten Gerichtsstand ausschließe oder ob die Parteien für die Aufrechnung etwas anders vereinbaren könnten.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Auf den Streitfall zwischen der französischen Klägerin und dem deutschen Beklagten ist das Übereinkommen der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (BGBl 1972 II S. 774; im folgenden: Übereinkommen) anzuwenden, weil die am 3. Juli 1973 beim deutschen Gericht eingereichte Klage am 7. Juli 1973 in P. an den Beklagten zugestellt und damit nach deutschem Recht erhoben wurde (§ 253 Abs. 1 ZPO; Art. 54 Abs. 1 EGÜbk).
II. Auszulegen ist Art. 17 Abs. 1 des Übereinkommens.
III. Beide Parteien sind Kaufleute. Die Klägerin hat ihren Geschäftssitz in Frankreich, der Beklagte den seinen in der Bundesrepublik Deutschland. Im August 1972 schlossen die Parteien einen schriftlichen, nichtformularmäßigen Vertrag, aufgrund dessen die Klägerin den Beklagten in den folgenden Monaten mit Isolierglas belieferte. Unter anderem ist in dem Vertrage bestimmt:
„Maßgeblich sind ausschließlich die einschlägigen deutschen Gesetze für Geschäfte zwischen Vollkaufleuten, sofern die einzelnen Punkte des Vertrages nichts Gegenteiliges aussagen. …
Erfüllungsort für beide Teile ist P. ...
Wenn die Firma M. die Firma G. verklagt, so muß das vor einer frz. Gerichtsbarkeit geschehen. Falls die Firma G. die Firma M. verklagt, muß dies vor einer deutschen Gerichtsbarkeit geschehen.“
Die Klägerin hat beim Landgericht Trier Klage auf Zahlung eines Restkaufpreises von 126.501,22 DM nebst Zinsen erhoben. In der Berufungsinstanz hat das Oberlandesgericht Koblenz der Klage in Höhe von 49.509,96 DM nebst Zinsen stattgegeben; die vom Beklagten erklärte Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen wegen Lieferverzögerung und -verweigerung hat es für prozessual unzulässig erklärt, weil die Gerichtsstandsvereinbarung in dem schriftlichen Vertrag eine Aufrechnung des Beklagten mit vertraglichen Schadensersatzansprüchen vor einem anderen als einem französischen Gericht verbiete. Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte die Berücksichtigung der von ihm erklärten Aufrechnung. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
IV. Für den Erlaß eines Urteils durch den Bundesgerichtshof ist es erforderlich, über die eingangs gestellten Fragen zur Auslegung des Art. 17 Abs. 1 des Übereinkommens zu entscheiden. Ist die Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien unwirksam, wären die deutschen Gerichte nach Art. 5 Nr. 1 des Übereinkommens für die Entscheidung über die Aufrechnungsforderung zuständig und die Aufrechnung damit zulässig. Ist die Gerichtsstandsklausel wirksam, kommt es darauf an, ob Art. 17 Abs. 1 des Übereinkommens auch eine Aufrechnung in einem anderen als dem für eine Klage des Aufrechnenden vereinbarten Gerichtsstand ausschließt oder ob die Parteien für die Aufrechnung etwas Abweichendes vereinbaren können.