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Zusammenfassung der Entscheidung Der deutsche Kläger übernahm aufgrund eines Handelsvertretervertrages die Vertretung der Produkte der französischen Beklagten in Deutschland. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass deutsches materielles Recht auf ihre Rechtsbeziehungen anzuwenden ist. Die Beklagte kündigte den Vertrag mit dem Kläger und lehnt seitdem eine weitere Zusammenarbeit ab. Der Kläger hat vor deutschen Gerichten seinen Provisionsanspruch geltend gemacht. Später erweiterte er seine Klage darauf, festzustellen, dass das Handelsvertreterverhältnis fortbesteht. Die Beklagte rügte die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte.
Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. (DE) verneinte die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte. Die Voraussetzungen des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ seien nicht erfüllt, da der Erfüllungsort für die vertragliche Verpflichtung der Beklagten nicht in Deutschland liege. Die Bestimmung des Erfüllungsortes habe nach deutschem materiellem Recht zu erfolgen, von dessen Anwendbarkeit die Parteien übereinstimmend ausgingen. Verpflichtung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ sei die streitgegenständliche Verpflichtung. Bei einer Feststellungsklage sei das Bestehen des Rechtsverhältnisses Gegenstand der Klage; somit würden die gegenseitigen Hauptpflichten, wie auch sämtliche Nebenpflichten erfasst. Dies sei aber lediglich Folge der besonderen Klageart der Feststellungsklage; das eigentliche Begehren des Klägers richte sich nur darauf, festzustellen, ob die aus dem Vertragsverhältnis resultierenden Pflichten die Beklagte treffen oder nicht. Mit seiner positiven Feststellungsklage behaupte der Kläger die Erfüllungsverweigerung bestimmter Pflichten durch die Beklagte. Damit seien die Ansprüche konkretisiert, die die "Verpflichtung" im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ darstellten. Dem Kläger gehe es materiell um seinen Provisionsanspruch. Dieser Anspruch sei nach deutschem Recht am Sitz des Unternehmers, hier am Sitz der Beklagten in Frankreich, zu erfüllen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Der Kläger hat für die Beklagte aufgrund eines Vertrages vom 22.02.1977, der in deutscher und französischer Sprache niedergelegt ist, die Vertretung von Produkten der Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland übernommen.
Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, daß deutsches materielles Recht anzuwenden ist. Es kam zwischen ihnen schon bald nach Aufnahme der vertraglichen Beziehungen zu Differenzen, doch setzten die Parteien ihre Zusammenarbeit zunächst fort, bis die Beklagte dem Kläger das Schreiben vom 24.07.1978 zusandte, in welchem sie ausführte, daß sie die Zusammenarbeit mit dem Kläger als zum 30.06.1978 beendet betrachtet. Sie hat seitdem die weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger abgelehnt.
Der Kläger hat mit seiner Klage zunächst Zahlung von Provisionen in Höhe von 8.553,03 DM geltend gemacht. Im Termin vom 16.01.1979 hat er die Klage erweitert und Feststellung verlangt, daß das Handelsvertreterverhältnis fortbestehe. Er hat ausgeführt, durch das Schreiben der Beklagten vom 24.07.1978 sei das Handelsvertreterverhältnis nicht aufgelöst worden. Die Beklagte hat die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gerügt und geltend gemacht, der Kläger müsse Klage vor den zuständigen französischen Gerichten erheben.
Das Landgericht hat abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage angeordnet. Mit seinem Urteil vom 21. Februar 1979, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, hat es die Klage abgewiesen. Da die internationale Zuständigkeit des Landgerichts … fehle, sei die Klage unzulässig. Erfüllungsort im Sinne der hier anzuwenden Vorschriften des europäischen Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) sei der Ort der gewerblichen Niederlassung der Beklagten in Frankreich, der damit auch zuständigkeitsbestimmend sei.
Gegen dieses ihm am 08.03.1979 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.04.1979 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel nach Verlängerung am 05.06.1979 begründet. Er verfolgt nunmehr lediglich noch seinen Feststellungsantrag weiter und meint, Erfüllungsort sei die Niederlassung des Handelsvertreters. Dies gelte nicht nur für den Provisionsanspruch, sondern auch für die Feststellung über das Bestehen des Handelsvertreterverhältnisses.
Er beantragt, das Urteil des Landgerichts … vom 21.02.1979 abzuändern und festzustellen, daß das Handelsvertreterverhältnis mit der Beklagten fortbesteht, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Gerichtshofes der europäischen Gemeinschaften in Luxemburg bezüglich der Auslegung des Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ über die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts für den Feststellungsantrag einzuholen, weiterhin hilfsweise, die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt weiter die Auffassung, die deutschen Gerichte seien für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht zuständig.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten und vorgetragenen Schriftsätze sowie deren Anlagen und die sonstigen überreichten Urkunden Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung seine internationale Zuständigkeit für die Entscheidung des Rechtsstreits verneint. Der Senat schließt sich den Ausführungen des Landgerichts zur Frage der Zuständigkeit bei einem Feststellungsantrag an.
Gemäß Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ wären vorliegend grundsätzlich die französischen Gerichte zur Entscheidung zuständig, da die Beklagte ihren Sitz in Frankreich hat. Die Voraussetzungen des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ (Gerichtsstand des Erfüllungsortes) sind nicht gegeben, da der Erfüllungsort für die vertragliche Verpflichtung der Beklagten nicht in der Bundesrepublik Deutschland liegt. Die Prüfung dieser Frage hat nach den Vorschriften des materiellen deutschen Rechts zu erfolgen (vgl. EuGH vom 06.10.1976 – NJW 77, 491), von dessen Anwendbarkeit beide Parteien übereinstimmend ausgehen. „Verpflichtung“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ ist, wie der europäische Gerichtshof entschieden hat (Urteil vom 06.10.1976 – NJW 77, 490), die den Gegenstand der Klage bildende Verpflichtung. Der europäische Gerichtshof hat sich – soweit ersichtlich – bisher nicht ausdrücklich mit der Frage befaßt, welches die „Verpflichtung“ bei einer Feststellungsklage ist. Da das Bestehen des Rechtsverhältnisses Gegenstand der Klage ist, werden sowohl die beiden gegenseitigen Hauptverpflichtungen, wie auch sämtliche Nebenpflichten erfaßt. Dies ist aber lediglich eine Folge der besonderen Klageart der Feststellungsklage, das eigentliche Begehren der klagenden Partei richtet sich nur darauf, feststellen zu lassen, ob die aus dem Vertragsverhältnis resultierenden Pflichten die beklagte Partei treffen oder nicht. Mit seiner positiven Feststellungsklage behauptet der Kläger die Erfüllungsverweigerung bestimmter Verpflichtungen durch den Beklagten. Damit sind Ansprüche aus dem Rechtsverhältnis konkretisiert, die die „Verpflichtung“ im Sinne der genannten Bestimmung des Übereinkommens darstellen. Auch für die Bestimmung des Gerichtsstandes des Erfüllungsortes im Sinne des § 29 ZPO gilt Entsprechendes. Bei mehreren aus einem Rechtsverhältnis fließenden Verpflichtungen kommt es für die Frage der Zuständigkeit auf den für den Kläger hauptsächlichen Anspruch an (vgl. Wieczorek, ZPO, 2. Aufl., § 29 Anm. B III d 1). Bei Anwendung dieser Kriterien und Berücksichtigung der Tatsache, daß es dem Kläger nach seiner Klagebegründung materiell um seinen Provisionsanspruch geht, fehlt es an einem inländischen Erfüllungsort. Der erwähnte Anspruch ist nämlich am Sitz des Unternehmers zu erfüllen (vgl. OLG Düsseldorf NJW 74, 2187; Schröder, Recht des Handelsvertreters, 5. Aufl., § 86 Rn. 51). Der Sitz der Beklagten befindet sich in Frankreich.
Einer Vorlage an den europäischen Gerichtshof gemäß Art. 3 des Protokolls betreffend die Auslegung des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 03.06.1971 i.V. mit dem deutschen Ausführungsgesetz vom 07.08.1972 (BGBl. Teil II S. 845) bedurfte es nicht, da es vorliegend nicht auf die Auslegung des genannten Übereinkommens ankommt. Der europäische Gerichtshof hat die Maßstäbe für die Auslegung der Voraussetzung „Verpflichtung“ in Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ in den bereits genannten Entscheidungen gesetzt. Es ist lediglich noch die Frage, ob nach dem nationalen Recht bei einer Feststellungsklage eine Verpflichtung bestimmt werden kann, die aus der Sicht der Klagenden und sich auf die Zuständigkeit der deutschen Gerichte berufenden Partei diese Kriterien erfüllt. Dies ist der Fall, da – wie bereits ausgeführt wurde – es auf die von der Beklagten gegenüber dem Kläger zu erfüllenden Ansprüche, mithin in erster Linie den Provisionsanspruch, ankommt.
Aus vorstehenden Gründen war es auch nicht erforderlich, die Revision gemäß § 546 Abs. 1 ZPO zuzulassen.