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Zusammenfassung der Entscheidung Die Parteien standen in laufenden Geschäftsbeziehungen. Die früheren Geschäfte der Parteien waren auf Grundlage der Lieferbedingungen (AGB) der deutschen Klägerin abgeschlossen worden. In diesen AGB befindet sich eine Gerichtsstandsklausel zugunsten deutscher Gerichte. Die Klägerin hatte ihre AGB der (ausländischen) Beklagten zweimal zugeschickt; auch die Beklagte hatte auf diese AGB ausdrücklich Bezug genommen und um Erläuterung gebeten. Im Rahmen dieser Geschäftsbeziehungen schlossen die Parteien einen weiteren Vertrag. Die Beklagte sandte hierbei der Klägerin einen Bestellschein, ohne Bezugnahme auf die AGB der Klägerin. Erst im Annahmeschreiben der Klägerin findet sich ein Hinweis auf ihre AGB.
Das Oberlandesgericht Stuttgart (DE) bejahte die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Die Parteien hätten zwar keine schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ getroffen, da die Vereinbarung nicht hinreichend deutlich aus den Urkunden hervorgehe. Dem Bestellschein der Beklagten sei nicht zu entnehmen, dass sie sich auf die AGB der Klägerin beziehen wolle. Dass die Annahmeerklärung der Klägerin auf ihre AGB Bezug nehme, reiche für die Schriftform des Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ nicht aus. Jedoch verstoße die Beklagte gegen Treu und Glauben, indem sie das Bestehen einer Zuständigkeitsvereinbarung leugne, und zwar deshalb, weil der vorliegende Vertrag im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien abgeschlossen worden sei, und weil diese Beziehungen in ihrer Gesamtheit den eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden AGB der Klägerin unterlägen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und auch sachlich gerechtfertigt. Zwar sind die Voraussetzungen einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 17 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 (EuGVÜ) an sich nicht erfüllt. Die Beklagte verstößt jedoch, indem sie die Zuständigkeitsvereinbarung leugnet, gegen Treu und Glauben. Die internationale Zuständigkeit des Landgericht Stuttgart ist daher gegeben.
1. Eine schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Art. 17 EuGVÜ haben die Parteien nicht getroffen.
Bei schriftlicher Gerichtsstandsvereinbarung muß die Vereinbarung aus den Urkunden hinreichend deutlich hervorgehen (Bülow-Böckstiegel, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil und Handelssachen, Anm. III 2a zu Art. 17 EuGVÜ). Das ist hier nicht der Fall. Das Fernschreiben der Beklagten vom 30.3.1977, mit dem sie die Regelanlagen bestellt hat, enthält insoweit keinerlei Hinweis. Zwar ist auch der Senat der Auffassung, daß die Beklagte sich den Verkaufs- und Lieferungsbedingungen der Klägerin mit der Gerichtsstandsklausel unterwerfen wollte. Das ergibt sich jedoch aus außerhalb des Bestellschreibens liegenden Umständen, nämlich den früheren Geschäften zwischen den Parteien, die sie auf der Grundlage der Verkaufs- und Lieferungsbedingungen der Klägerin abgeschlossen haben (dazu vgl. unten Ziff. 2). Dem Bestellschreiben selbst ist es nicht zu entnehmen. Daß die Annahmeerklärung der Klägerin einen Hinweis auf ihre Verkaufs- und Lieferungsbedingungen enthält, genügt für die Schriftform des Vertrags nicht.
2. Die Beklagte verstößt jedoch gegen Treu und Glauben, indem sie das Bestehen einer Zuständigkeitsvereinbarung leugnet, und zwar deshalb, weil der vorliegende Vertrag im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien abgeschlossen wurde, und weil diese Beziehungen in ihrer Gesamtheit den eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden Verkaufs- und Lieferungsbedingungen der Klägerin unterliegen.
Die Rechtsbeziehungen der Parteien insgesamt, die die Klägerin unter Vorlage der Urkunden im einzelnen dargelegt hat, zwingen zu der Feststellung, daß der vorliegende Vertrag sich in laufende Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien einfügt. Dem Vertrag waren 3 Geschäfte vorausgegangen, die – über den Vertragsschluß und die Lieferung hinaus – zu zahlreichen weiteren mündlichen und schriftlichen Kontakten zwischen den Parteien geführt haben (im einzelnen vgl. die Aufstellung der Klägerin Bl. 72 der Akten). Noch weitergehende Anforderungen können an den Begriff der laufenden Geschäftsverbindung nicht gestellt werden.
Diese Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien unterliegen insgesamt den Verkaufs- und Lieferungsbedingungen der Klägerin, also auch der darin enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Klägerin der Beklagten zweimal (mit Schreiben vom 4.8.1976 und 10.8.1976) ihre Bedingungen übersandt und auch sonst wiederholt auf sie hingewiesen hat (in sämtlichen Rechnungen sowie in den Schreiben vom 24.1.1977 und 14.4.1977). Auch die Beklagte hatte sich – in ihrem Fernschreiben vom 1.9.1976 – ausdrücklich auf die Bedingungen der Klägerin bezogen und um Erläuterung gebeten.
Unter diesen Umständen ist der Fall jedoch mit dem vom Europäischen Gerichtshof im Urteil vom 14.12.1976 (NJW 77, 495) entschiedenen vergleichbar, das sich allerdings mit der zweiten Alternative des Art. 17 EuGVÜ (mündliche, schriftlich bestätigte Gerichtsstandsvereinbarung) befasste. Nach dieser Entscheidung ist der Umstand, daß der Käufer einer einseitigen Bestätigung der anderen Vertragspartei nicht widerspricht, hinsichtlich der Gerichtsstandsvereinbarung grundsätzlich nicht als Annahme anzusehen. Etwas anderes soll jedoch dann gelten, wenn der mündlich geschlossene Vertrag sich in laufende Geschäftsbeziehungen einfügt, die zwischen den Parteien auf der Grundlage der eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Partei bestehen. Bei dieser Sachlage verstoße der Empfänger des Bestätigungsschreibens, der das Bestehen einer Zuständigkeitsvereinbarung leugne, gegen Treu und Glauben, auch wenn es an einer schriftlichen Annahme seinerseits fehle.
Der maßgebliche Gesichtspunkt dieser Entscheidung – daß nämlich zwischen den Parteien laufende Geschäftsbeziehungen auf der Grundlage der eine Gerichtsstandsvereinbarung enthaltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Partei bestehen, – gilt auch für den vorliegenden Fall. Daß es ... in dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall um die 2. Alternative des Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ (mündliche Vereinbarung und nachfolgende schriftliche Bestätigung), hier jedoch um die 1. Alternative geht (schriftliche Vereinbarung), kann nach der Ansicht des Senats keine abweichende Beurteilung rechtfertigen.
3. Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts/Stuttgart ist daher gegeben. Das angefochtene Urteil war demnach gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen. Von der Möglichkeit des § 540 ZPO (eigene Sachentscheidung) hat der Senat keinen Gebrauch gemacht. Im vorliegenden Fall, in dem die behaupteten Mängelansprüche noch nicht einmal substantiiert dargetan sind – im Hinblick auf die Anordnung des Landgerichts nach § 280 ZPO war dies auch nicht geboten –, wäre dies nicht sachdienlich.