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Zusammenfassung der Entscheidung Die deutsche Klägerin hat mit einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft einen Mietvertrag über in Deutschland gelegene Räumlichkeiten abgeschlossen. Daraufhin gab die Beklagte, eine Gesellschaft mit Sitz in Finnland, gegenüber der Klägerin eine Patronatserklärung ab. Mit dieser Erklärung verpflichtete sich die Beklagte dafür zu sorgen, dass die Mieterin während der ganzen Vertragslaufzeit in der Lage ist, ihre Verpflichtungen aus dem Mietvertrag pünktlich zu erfüllen. Die Mieterin ist ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachgekommen. Die Klägerin hat anschließend gegen die Beklagte vor einem deutschen Gericht Klage auf Zahlung erhoben. Sie stützt ihre Ansprüche auf die Patronatserklärung der Beklagten.
Das Landgericht Düsseldorf (DE) ist der Auffassung, dass die deutschen Gerichte nicht international zuständig seien. Die finnischen Gerichte seien vielmehr gemäß Art. 2 EuGVO zuständig. Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVO greife hier nicht ein, weil der Erfüllungsort für die vertraglichen Verpflichtungen der Beklagten nicht in Deutschland liege. Für die Bestimmung des Erfüllungsorts i.S. dieser Vorschrift sei das deutsche Recht maßgeblich. Nach dessen Bestimmungen (§ 269 BGB) seien die streitigen Verpflichtungen der Beklagten an ihrem Sitz in Finnland zu erfüllen, da eine anderweitige Vereinbarung der Parteien über den Erfüllungsort nicht vorliege. Auch aus der Natur des Schuldverhältnisses ergebe sich nicht etwas anderes. Bei einer Patronatserklärung stehe es nämlich dem Patron grundsätzlich offen, in welcher Weise er seine Verpflichtungen erfüllen wolle. Ferner sei auch Art. 5 Nr. 5 EuGVO im streitigen Fall nicht einschlägig, weil es sich bei der Mieterin nicht um eine Niederlassung oder Agentur der Beklagten i.S. dieser Vorschrift handele.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf der Grundlage einer Patronatserklärung auf Zahlung in Anspruch.
Die Klägerin schloss unter dem 12./20.05.1999 mit einer zum damaligen Zeitpunkt in D ansässigen ... einen Gewerbemietvertrag hinsichtlich in B gelegener Räumlichkeiten (Bl. 14 GA).
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die ..., gab unter dem 31.08.1999 gegenüber der Klägerin eine so bezeichnete Patronatserklärung mit folgendem Inhalt ab (Bl. 53 GA):
„Wir haben davon Kenntnis genommen, dass ein Mietvertrag zwischen Ihnen und ..., besteht.
Wir verpflichten uns, dafür zu sorgen, dass die ..., während der Zeit, in der der Mietvertrag gültig ist, in der Weise geleitet und finanziell so ausgestattet wird, dass sie jederzeit in der Lage ist, ihre Verpflichtungen aus dem Mietvertrag pünktlich zu erfüllen“.
Die Mieterin, welche in der Folgezeit in ... umfirmierte, kam ab dem Jahre 2002 ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr in vollem Umfang nach, so dass die Klägerin das Mietverhältnis mit Schreiben vom 30.04.2003 fristlos kündigte.
Die Klägerin berühmt sich – teilweise bereits titulierter – Gesamtforderungen im Umfang von 85.365,42 EUR aus dem Vertragsverhältnis. Über das Vermögen der Mieterin ist am 02.02.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ausgleich der Forderung aus der Patronatserklärung in Anspruch und hält die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts für gegeben.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 85.365,42 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 39,48 EUR seit dem 06.06.2002, aus 2.788,80 EUR seit dem 04.07.2002, aus 6.288,80 EUR seit dem 06.08., 05.09., 07.10., 06.11., 05.12.2002, 07.01., 06.02., 06.03. und 04.04.2003, aus 14.790,44 EUR seit dem 21.11.2003 sowie aus 11.147,50 EUR seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klage für unzulässig, da die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht gegeben sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als unzulässig abzuweisen, da dem angerufenen Gericht die internationale Zuständigkeit zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits fehlt, was von der Beklagten durchgängig gerügt worden ist.
Die Beklagte ist nach der allgemeinen Zuständigkeitsregel des Art. 2 Abs. 1 EugVVO – welche vorliegend Anwendung findet – in Verbindung mit Art. 60 Abs. 1 EuGVVO grundsätzlich vor einem finnischen Gericht zu verklagen. Ein besonderer Gerichtsstand, welcher die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründen könnte, ist nicht gegeben.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 5 Nr. 1a EuGVVO – Nr. 1b ist vorliegend nicht einschlägig – sind nicht erfüllt, da Ansprüche aus der Patronatserklärung durch die Beklagte nicht in D zu erfüllen sind.
Unter Berücksichtigung der beiderseitigen Parteiinteressen ist für die Bestimmung des Erfüllungsortes aus der Patronatserklärung auf deutsches Recht abzustellen, Art. 27 Abs. 1 EGBGB. Aus dem insoweit beachtlichen § 269 Abs. 1 BGB lässt sich D als Erfüllungsort der Verbindlichkeit der Beklagten allerdings nicht ableiten:
Unabhängig von der Frage der Beachtlichkeit einer Vereinbarung des Erfüllungsortes durch die Vertragsparteien im Rahmen von Art. 5 Nr. 1a EuGVVO kann vorliegend nicht festgestellt werden, dass die Parteien eine Bestimmung im Sinne von § 269 Abs. 1 BGB getroffen hätten. Entsprechendes kann dem Inhalt der Patronatserklärung vom 31.08.1999 nicht entnommen werden. Vielmehr werden in dieser lediglich die von der Beklagten übernommenen Verpflichtungen beschrieben. Dass dabei wiederholt der Sitz der Mieterin – D – in den Text mit aufgenommen worden ist, stellt sich ersichtlich nicht als Vereinbarung eines Erfüllungsortes dar, sondern als reine Förmlichkeit zu deren Identifizierung.
Ein Erfüllungsort in D ergibt sich auch nicht aus den (weiteren) Umständen, insbesondere nicht aus der Natur des Schuldverhältnisses.
Bei einer Patronatserklärung ist der Patron grundsätzlich frei, in welcher Weise er seine Verpflichtung erfüllen will. Dies bedeutet vorliegend, dass die Verpflichtungen der Beklagten nicht zwingend am Sitz der Mieterin zu erbringen waren. Hinsichtlich der erforderlichen finanziellen Ausstattung der Mieterin liegt dies auf der Hand. Besondere Umstände, welche vorliegend dazu führen könnten, die Erfüllung einer Zahlungsverpflichtung gerade nicht am Sitz des Schuldners anzunehmen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist dabei zu beachten, dass der Erfüllungsort der Zahlungsverpflichtung eines Sicherungsgebers nicht mit demjenigen des Schuldners – hier der Mieterin – gleichzusetzen ist (für den Bürgen: BGH NJW 1995, 1546/1547).
Vorliegend stellt sich die streitgegenständliche harte Patronatserklärung als eine solche dar, die in ihrer konkreten Ausgestaltung der Bürgenhaftung zumindest angenähert ist. Dies ergibt sich daraus, dass die Erklärung der Beklagten nur für eine bestimmte Forderung abgegeben worden ist, nämlich diejenige der Klägerin aus dem in Bezug genommenen Mietvertrag. Die Haftung der Beklagten war dementsprechend in einem klar begrenzten Umfang mit etwaigen Ansprüchen der Klägerin verknüpft, wie sich auch aus der Gestaltung des Mietvertrages zeigt, welcher in Ziffer 5.4. die Patronatserklärung als Mietsicherheit qualifiziert. Im Ergebnis können mithin die zitierten Grundsätze der Bürgschaftshaftung in Bezug auf den Erfüllungsort auf die streitgegenständliche Verpflichtung der Beklagten entsprechend angewendet werden.
Nichts anderes ergibt sich deshalb unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Beklagte auch für eine solche Leitung der Mieterin Sorge zu tragen hatte, die die ordnungsgemäße Erfüllung des Mietvertrages sicherstellen sollte. Insbesondere ergibt sich auch aus Umständen und Natur dieser Verpflichtung kein Erfüllungsort am Sitz der Mieterin, denn Einfluss auf deren Leitung konnte die Beklagte ohne weiteres durch entsprechende Anweisungen auch von ihrem eigenen Sitz aus nehmen.
Nach all dem ergibt sich ein Erfüllungsort D auch nicht aus dem rechtlichen Umstand, dass sich der geltend gemachte Zahlungsanspruch aus Schadensersatz wegen Nichterfüllung ableiten lässt. Für einen solchen ist Erfüllungsort eben derjenige, an dem die geschuldete Verbindlichkeit der Beklagten hätte erbracht werden müssen, was nach den obigen Ausführungen in Finnland der Fall war.
Eine von der allgemeinen Zuständigkeitsregel der EuGVVO abweichende Betrachtung ergibt sich auch nicht nach Art. 5 Nr. 5 EuGVVO, denn bei der Mieterin handelte es sich nicht um eine (Zweig-) Niederlassung oder Agentur der Beklagten. Zwar steht dabei die rechtliche Selbständigkeit der Tochtergesellschaft der Beklagten der Anwendung der zitierten Vorschrift nicht notwendigerweise entgegen. Diese trat aber vorliegend ersichtlich nicht als unselbständige Außenstelle der Beklagten auf, sondern nahm unter eigenständiger Firmierung am Geschäftsverkehr teil. So hat auch die Klägerin nicht dargelegt, dass bei ihr der Eindruck vermittelt worden wäre, die Mieterin handele im Ergebnis für die Muttergesellschaft in Finnland. Vielmehr war für die Klägerin klar erkennbar, dass durch den Mietvertrag nur die GmbH berechtigt und verpflichtet werden sollte.
Nach all dem ist eine Zuständigkeit des angerufenen Gerichts für den klageweise geltend gemachten Anspruch nicht gegeben.