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Zusammenfassung der Entscheidung Die Klägerin ist eine französische Bank und Gläubigerin der Firma A. & Sch., einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung französischen Rechts mit Sitz in Frankreich. Für deren Verbindlichkeit übernahmen der in Deutschland wohnhafte Beklagte, sein Bruder und der Mitbeklagte Sch. eine Bürgschaft. In der Bürgschaftserklärung, die in der Zweigniederlassung der Klägerin in Frobach (DE) geschrieben wurde, befand sich eine handschriftliche Erklärung, die die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts in Sarreguemines (FR) bestimmte. Die Bürgschaftserklärung wurde von den Bürgen sowie vom Direktor der Zweigniederlassung der Klägerin unterzeichnet. Die Klägerin nahm die Beklagten vor dem Landgericht Saarbrücken (DE) aus der Bürgschaft in Anspruch. Dieses wies die Klage aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung als unzulässig ab. Das Oberlandesgericht Saarbrücken (DE) hob das Urteil auf, da die Klägerin wegen Art. 17 Abs. 3 EuGVÜ auch am Wohnsitz des Beklagten klagen könne.
Der BGH (DE) hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache an das Berufungsgericht zurück, damit dieses prüfen könne, ob die Parteien bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung einen gemeinsamen Willen hatten, die Klägerin zu begünstigen. Der BGH führte aus, die Erklärung der Parteien in dem Bürgschaftsvertrag erfülle die Förmlichkeiten des Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ. Jedoch sei nicht geklärt, ob die Parteien mit ihrer Gerichtsstandsvereinbarung die Klägerin begünstigen wollten. Dies müsse sich klar aus dem Wortlaut der Gerichtsstandsvereinbarung oder aus der Gesamtheit der dem Vertrag zu entnehmenden Anhaltspunkte oder der Umstände des Vertragsschlusses ergeben. Die Benennung des Gerichts eines Vertragsstaates, in dem eine der Parteien ihren Wohnsitz hat, genüge für sich allein nicht, um den Schluss zuzulassen, es habe dem gemeinsam Willen entsprochen, diese Partei zu begünstigen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Klägerin ist eine französische Bank und Gläubigerin der Firma A. et S., einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung französischen Rechts, mit Sitz in S. /W., Frankreich. Für deren Verbindlichkeiten übernahmen der in Saarbrücken wohnhafte Beklagte, sein Bruder und der Mitbeklagte Georg S. die Bürgschaft. Sie unterzeichneten am 16. Mai 1967 in Forbach nach dem jeweils handschriftlich vollzogenen Satz:
„Lu et approuve. Bon pour caution solidaire et illimitee, plus les interets, commissions frais et accessoires.“
ein von der Klägerin verwendetes Bürgschaftsformular. Dessen letzter Absatz lautet:
„Toutes demandes et significations seront faites au (Name der Bank) a son Agence de ..., actuellement rue ... no ... et le Tribunal dans le ressort duquel cette Agence est situee sera seul competent pour statuer sur tout ce qui concerne l'execution des presentes, quelle que soit la partie defenderesse.“
Die Bürgschaftserklärung wurde für die Klägerin von dem Direktor ihrer Niederlassung in Fo abgezeichnet.
Mit der 1981 vor dem Landgericht Saarbrücken erhobenen Klage nahm die Klägerin aus der Bürgschaft den Beklagten und den Mitbürgen S. als Gesamtschuldner in Anspruch. Der Beklagte rügte die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, weil aufgrund der in dem Bürgschaftsvertrage getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung das französische Gericht in Sarreguemines ausschließlich zuständig sei. Der Mitbeklagte gab eine Erklärung dazu nicht ab. Das Landgericht wies die Klage als unzulässig ab. Auf die Berufung der Klägerin hob das Oberlandesgericht das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht zurück. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, soweit es ihn betrifft.
Der erkennende Senat hat mit Beschluß vom 20. Dezember 1984 (WM 1985, 382) dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung schon dann als im Sinne von Art. 17 Abs. 3 des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (EGÜbk) „nur zugunsten einer der Parteien getroffen“ anzusehen ist, wenn lediglich feststeht, daß die Parteien nach Art. 17 Abs. 1 wirksam die internationale Zuständigkeit eines Gerichts oder der Gerichte eines Vertragsstaates vereinbart haben, in dessen Hoheitsgebiet diese Partei ihren Wohnsitz hat. Auf diese Frage hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften durch Urteil vom 24. Juni 1986 – Rs 22/85 – für Recht erkannt:
„Eine Gerichtsstandsvereinbarung ist nicht schon dann als im Sinne von Artikel 17 Absatz 3 des Übereinkommens nur zugunsten einer der Parteien getroffen anzusehen, wenn lediglich feststeht, daß die Parteien die Zuständigkeit eines Gerichts oder der Gerichte eines Vertragsstaates vereinbart haben, in dessen Hoheitsgebiet diese Partei ihren Wohnsitz hat.“
Der Beklagte beantragt gegen die Klägerin, die trotz ordnungsgemäßer Ladung im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen war, Versäumnisurteil.
Entscheidungsgründe
Die Revision, über die aufgrund des festgestellten Sachverhalts durch Versäumnisurteil zu entscheiden ist (§§ 557, 331 ZPO; BGHZ 37, 79, 82), erweist sich als begründet.
I. Auf den Streitfall zwischen der französischen Klägerin und dem deutschen Beklagten ist das Übereinkommen der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 anzuwenden, weil die Klage erst nach dessen am 1. Februar 1973 erfolgten Inkrafttreten (BGBl II 60) erhoben worden ist (Art. 54 Abs. 1 EGÜbk; vgl. auch EuGH Urt. v. 13. November 1979 – Rs 25/79, Leitsatz in NJW 1980, 1218 Nr. 14). Davon geht das Berufungsgericht zutreffend aus.
1. Der Beklagte macht geltend, in dem Bürgschaftsvertrage vom 16. Mai 1967 sei vereinbart worden, daß das französische Gericht in Sarreguemines für die Entscheidung zuständig sein solle.
a) Art. 17 Abs. 1 EGÜbk bestimmt, daß, wenn die Parteien, von denen mindestens eine ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, durch eine schriftliche oder durch eine mündliche, schriftlich bestätigte Vereinbarung bestimmt haben, daß ein Gericht oder die Gerichte eines Vertragsstaats über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige, aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit entscheiden sollen, dieses Gericht oder die Gerichte dieses Staates ausschließlich zuständig sind. Die Erklärung der Parteien in dem Bürgschaftsvertrage vom 16. Mai 1967 erfüllt diese Förmlichkeiten.
b) Das Berufungsgericht unterstellt zutreffend, daß die in dem Bürgschaftsvertrage getroffene Zuständigkeitsregelung die internationale Zuständigkeit habe regeln sollen.
c) Der Beklagte hatte geltend gemacht, er habe seine Bürgschaftserklärung wirksam angefochten. Eine (internationale) Gerichtsstandsklausel, die sich auf alle Streitigkeiten über die Beziehungen der Parteien aus einem Vertrage beziehen soll, umfaßt in der Regel auch Streitigkeiten über die Wirksamkeit und das Bestehen des abgeschlossenen Vertrages (vgl. BGH Beschl. v. 18. Februar 1976 – VIII ZR 14/75, WM 1976, 401). Das Vorbringen des Beklagten über die Anfechtung des Bürgschaftsvertrages steht deshalb der Geltendmachung der ausschließlichen Zuständigkeit des französischen Gerichts nicht entgegen.
2. Das Berufungsgericht ist aber der Ansicht, die Klägerin habe nach Art. 17 Abs. 3 EGÜbk das für den Wohnsitz des Beklagten zuständige deutsche Gericht anrufen können. Art. 17 Abs. 3 EGÜbk bestimmt:
„Ist die Gerichtsvereinbarung nur zugunsten einer der Parteien getroffen worden, so behält diese das Recht, jedes andere Gericht anzurufen, das aufgrund dieses Übereinkommens zuständig ist.“
Zur Begründung seiner Ansicht führt das Berufungsgericht lediglich aus:
„Haben die Parteien nämlich in dem Bürgschaftsvertrag die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ausgeschlossen, so haben sie diese Regelung nur zugunsten einer Partei, nämlich der Klägerin getroffen. Eine Zuständigkeitsvereinbarung ist immer dann „nur zugunsten“ einer Partei getroffen, wenn sie nur für eine Partei Vorteile hat. Eine andere Auslegung ist mit dem Sinn des Art. 17 Abs. 3 EuGVÜ, vor allem mit der Bedeutung der Wortfolge „nur zugunsten einer der Parteien“ nicht vereinbar.“
Diese Auslegung des Art. 17 Abs. 3 EGÜbk hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom 24. Juni 1986 verworfen. Nach seiner Entscheidung ist, weil Art. 17 des Übereinkommens eine Bestätigung des Grundsatzes der Parteiautonomie darstellt, Abs. 3 so auszulegen, daß der gemeinsame Wille der Parteien bei Abschluß des Vertrags respektiert wird. Der gemeinsame Wille, eine der Parteien zu begünstigen, muß sich daher klar aus dem Wortlaut der Gerichtsstandsvereinbarung oder aus der Gesamtheit der dem Vertrag zu entnehmenden Anhaltspunkte oder der Umstände des Vertragsschlusses ergeben. Die Benennung des Gerichts eines Vertragsstaats, in dem eine der Parteien ihren Wohnsitz hat, genügt in Anbetracht der Vielzahl von Beweggründen, die eine derartige Klausel veranlaßt haben können, für sich allein nicht, um den Schluß zuzulassen, es habe dem gemeinsamen Willen entsprochen, diese Partei zu begünstigen (EuGH aaO). Deshalb fehlt es, wie die Revision mit Recht als Verletzung von § 286 ZPO rügt, an einer Begründung für die Ansicht des Berufungsgerichts, die in der Bürgschaftsurkunde enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung sei nur zugunsten der Klägerin getroffen worden.
II. Die Aufhebung seines Urteils und Zurückverweisung der Sache gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit zu prüfen, ob sich ein gemeinsamer Wille der Parteien bei Abschluß des Vertrages feststellen läßt, durch die Gerichtsstandsvereinbarung die Klägerin, die sich nicht darauf beruft, gegenüber dem Beklagten, der sie für sich in Anspruch nimmt, zu begünstigen.