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unalex. Rechtsprechung Entscheidung DE-472
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unalex. Rechtsprechung

Entscheidung DE-472  



BGH (DE) 06.10.2005 - IX ZB 360/02
Art. 27 Nr. 1, , 27 Nr. 2 EuGVÜ – unalexInhalt des verfahrensrechtlichen ordre public –unalexVersagung des rechtlichen Gehörs –unalexVerfahren der Berücksichtigung des ordre public-Vorbehalts –unalexDarlegungs- und Beweisregeln –unalexZustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks –unalexRechtzeitigkeit der Zustellung –unalexBemessung der Rechtzeitigkeit –unalexStrengere Anforderungen in überholten Übereinkommen

BGH (DE) 06.10.2005 - IX ZB 360/02, unalex DE-472


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de - Kommentar zur VO(EG) 44/2001 und zum Übereinkommen von Lugano (5 cit.) erweiternde - Kommentar zur VO(EG) 44/2001 und zum Übereinkommen von Lugano (5 cit.)



Das EuGVÜ hat gemäß Art. 55 Vorrang vor den in dieser Vorschrift genannten Abkommen, soweit diese sich auf Rechtsgebiete erstrecken, die unter seinen Anwedungsbereich fallen. In diesem Fall kann ein Abkommen auch dann nicht mehr angewandt werden, wenn es im Einzelfall weniger strenge Anforderungen für die Anerkennung und Vollstreckung stellt als die entsprechenden Regeln des EuGVÜ.

Eine schwerwiegende Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör kann die Annahme eines Verstoßes gegen den deutschen ordre public im Sinne von Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ rechtfertigen. Eine solche liegt nicht schon dann vor, wenn ein ausländisches Gericht, welches festgestellt hat, dass der Beklagte zu einer zunächst anberaumten Verhandlung nicht rechtzeitig geladen war und das Verfahren deshalb auf einen neuen Termin vertagt hat, den Beklagten zu diesem neuen Termin nicht erneut förmlich lädt. Das Grundrecht auf rechtliches Gehör gewährt dem Beklagten nur die zumutbare Möglichkeit, am Gerichtsverfahren teilzunehmen. Es schließt jedoch eigene Mitwirkungsobliegenheiten nicht aus, sobald der Beklagte von dem im Ausland gegen ihn eingeleiteten Gerichtsverfahren Kenntnis erlangt hat.

Für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Zustellung im Sinne von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ ist vom Gericht des Vollstreckungsstaates der Zeitraum zu berücksichtigen, über den der Beklagte vor dem Gericht des Urteilsstaates tatsächlich verfügte, um den Erlass einer vollstreckbaren Versäumnisentscheidung zu verhindern.

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Anerkennungshindernisses des Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ trägt diejenige Partei, die damit die Anerkennung verhindern möchte.


-  Zusammenfassung der Entscheidung 

Die Antragstellerin erwirkte ein Versäumnisurteil des Arrondissementgerichts Breda (NL) gegen den Antragsgegner. Klageschrift und Ladung zur mündlichen Verhandlung am 26.6.2001 waren dem Antragsgegner am 21.6.2001 zugestellt worden. Im diesem Termin erging wegen fehlenden Zustellungsnachweises kein Versäumnisurteil, sondern es wurde ein neuer Termin am 7.8.2005 bestimmt, zu dem der Antragsgegner nicht geladen wurde. Nach diesem Termin, zu dem der Antragsgegner ebenfalls nicht erschien, erging das Versäumnisurteil. Auf Antrag der Antragstellerin wurde das Urteil vom zuständigen deutschen Landgericht für in Deutschland vollstreckbar erklärt. Dagegen wandte sich der Antragsgegner erfolgreich mit der Beschwerde. Daraufhin erhob die Antragstellerin Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (DE).

Der Bundesgerichtshof (DE) entscheidet, dass Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ der Vollstreckbarerklärung nicht entgegenstehe. Eine ordnungsgemäße Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes sei erfolgt. Für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Zustellung sei der Zeitraum zu berücksichtigen, über den der Beklagte vor den Gerichten des Urteilsstaates tatsächlich verfügte, um den Erlass einer Versäumnisentscheidung zu verhindern. Dies sei hier der Zeitraum vom 21.6. bis zum 7.8. gewesen, der als ausreichend anzusehen sei. Zwar sei der Antragsgegner zu dem späteren Termin nicht geladen worden, solche späteren Beeinträchtigungen seien aber nur gemäß Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ zu berücksichtigen. Das Recht auf rechtliches Gehör sei jedoch nicht verletzt, denn es schließe eigene Mitwirkungsobliegenheiten des Beklagten nicht aus, der von einem gegen ihn eingeleiteten Verfahren Kenntnis erlangt habe. Wenn der Beklagte seine Verteidigungsbereitschaft geltend gemacht hätte, so wäre er auch zu dem späteren Termin geladen worden. Er hätte also den Erlass des Versäumnisurteils verhindern können.

 JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission

-  Entscheidungstext 

I. Die Parteien streiten um die Vollstreckbarerklärung des Versäumnisurteils des Arrondissementgerichts Breda/Niederlande vom 4. September 2001, das die Antragstellerin gegen den in Deutschland wohnenden Antragsgegner erwirkte. Der Antragsgegner ließ sich vor dem niederländischen Gericht nicht ein.

Die Klageschrift mit Ladung zur mündlichen Verhandlung am 26. Juni 2001 war dem Antragsgegner am 21. Juni 2001 zugestellt worden. In der Verhandlung am 21. Juni 2001 erging wegen fehlenden Zustellungsnachweises kein Versäumnisurteil. Erst nach einem neuen Termin am 7. August 2001, zu dem der Antragsgegner nicht geladen wurde, erging am 4. September 2001 Versäumnisurteil, das dem Antragsgegner zugestellt wurde. Er legte keinen Rechtsbehelf ein.

Auf Antrag der Rechtsbeschwerdeführerin hat das Landgericht angeordnet, dass das Versäumnisurteil vom 4. September 2001 mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht den Beschluss des Landgerichts abgeändert und das Gesuch zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.

II. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Es ist zulässig. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), form- und fristgerecht eingelegt (§ 15 Abs. 2, § 16 AVAG) und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet (§ 17 Abs. 1, 2 AVAG). Auf das Verfahren findet noch das Übereinkommen der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (EuGVÜ) Anwendung, weil die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (ABl. EG 2001 Nr. L 12, S. 1; im folgenden EuGVVO) erst am 1. März 2002 in Kraft getreten ist (vgl. Art. 66 Abs. 1, Art. 76 EuGVVO). Da die für vollstreckbar zu erklärende Entscheidung vor diesem Zeitpunkt erlassen worden ist, greift die Übergangsvorschrift in Art. 66 Abs. 2 LIT a EuGVVO nicht ein.

a) Nach Art. 34 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ wird eine Entscheidung nicht anerkannt und damit auch nicht mit der Vollstreckungsklausel versehen, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das dieses Verfahren einleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht ordnungsgemäß oder nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte. Die Klageschrift samt Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2001 ist dem Antragsteller am 21. Juni 2001 zugestellt worden.

Das Oberlandesgericht hat zwar offengelassen, ob die Zustellung ordnungsgemäß erfolgt ist. Dies ist indessen zwischen den Parteien unstreitig und ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen.

aa) Das Oberlandesgericht meint jedoch, die Zustellung sei nicht so rechtzeitig erfolgt, dass sich der Antragsgegner habe verteidigen können. Maßgebend für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Zustellung sei der Zeitraum zwischen tatsächlicher Zustellung am 21. Juni 2001 und dem Tag des Termins am 26. Juni 2001. Dieser Zeitraum von 5 Tagen unter Einschluss eines Wochenendes sei nicht ausreichend.

bb) Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Zustellung hat das Gericht des Vollstreckungsstaates denjenigen Zeitraum zu berücksichtigen, über den der Beklagte verfügte, um den Erlass einer nach dem Übereinkommen vollstreckbaren Versäumnisentscheidung zu verhindern (vgl. EuGH, Urt. v. 16. Juni 1981 – Rs 166/80, EuGHE 1981, 1593, 1594; BGH, Beschl. v. 23. Januar 1986 – IX ZB 38/85, NJW 1986, 2197; v. 21. März 1990 – XII ZB 71/89, NJW 1990, 2201, 2202; v. 20. September 1990 – IX ZB 1/88, NJW 1991, 641). Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ soll sicherstellen, dass eine Entscheidung nach den Bestimmungen des Übereinkommens weder anerkannt noch vollstreckt wird, wenn es dem Beklagten nicht möglich war, sich vor dem Gericht des Urteilsstaates zu verteidigen. Diese Verteidigung ist jedenfalls bis zu dem neuen Termin, auf den das Versäumnisurteil ergeht, möglich. Hiervon ist der Bundesgerichtshof bei gleichem Sachverhalt auch bisher ausgegangen (vgl. Senatsbeschl. v. 18. September 2001 – IX ZB 104/00, NJW-RR 2002, 1151).

Der Zeitraum vom 21. Juni 2001 bis 7. August 2001 war auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Antragsgegner seine Rechtsverteidigung in den Niederlanden organisieren musste, ausreichend. Dies wird von ihm auch nicht in Frage gestellt.

cc) Art. 2 LIT c Nr. 2 des Vertrages vom 30. August 1992 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen (BGBl. II 1965 S. 27) hatte vorgesehen, dass die Anerkennung der ausländischen Entscheidung dann nicht versagt werden kann, wenn der Beklagte gegen die Entscheidung hätte Rechtsmittel einlegen können. Das EuGVÜ hat aber gemäß seinem Art. 55 Vorrang vor diesem Abkommen, soweit es sich auf Rechtsgebiete erstreckt, die durch das EuGVÜ erfasst werden. In diesem Anwendungsbereich kann das deutsch-niederländische Abkommen – entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde – deshalb auch dann nicht mehr angewendet werden, wenn es im Einzelfall weniger strenge Anforderungen für die Anerkennung und Vollstreckung stellt (BGH, Beschl. v. 18. Februar 1993 – IX ZB 87/90, WM 1993, 1352, 1354).

b) Der Antragsgegner ist zu dem Termin am 7. August 2001 allerdings unstreitig nicht geladen worden. Solche späteren Beeinträchtigungen der Verteidigungsmöglichkeit eines Beklagten können aber nur aufgrund des Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ einer Anerkennung in Deutschland entgegenstehen, nämlich wenn die Anerkennung gegen die deutsche öffentliche Ordnung in verfahrensrechtlicher Hinsicht verstoßen würde. Das käme insbesondere bei einer Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in Frage (BGH, Beschl. v. 18. September 2001 – IX ZB 104/00, NJW-RR 2002, 1151).

Das Grundrecht auf rechtliches Gehör gewährt dem Beklagten nur die zumutbare Möglichkeit, am Gerichtsverfahren teilzunehmen. Es schließt jedoch eigene Mitwirkungsobliegenheiten nicht aus, sobald der Beklagte von dem im Ausland gegen ihn eingeleiteten Gerichtsverfahren Kenntnis erlangt hat. Über die ordnungsgemäße Zustellung der Klageschrift hinaus gewährleistet Art. 103 Abs. 1 GG nur die – von Staats wegen ungehinderte – zumutbare Gelegenheit, sich am Gerichtsverfahren zu beteiligen. Das Grundrecht auf rechtliches Gehör fordert aber nicht eine bestimmte verfahrensrechtliche Ausgestaltung, insbesondere nicht eine Terminsladung. Nimmt der Berechtigte seine Mitwirkungsobliegenheiten nicht war, so hindert das nicht die Anerkennung des ausländischen Urteils. Für ihre eigene ordnungsgemäße Vertretung in einem ihr bekannten Gerichtsverfahren hat in erster Linie jede Partei selbst nach besten Kräften zu sorgen. Durch Untätigkeit vermag sie sich dieser Obliegenheiten nicht wirksam zu entziehen (BGHZ 48, 327, 330 f; 118, 312, 321 f; 141, 286, 297 f; BGH, Beschl. v. 21. März 1990 – XII ZB 71/89, NJW 1990, 2201, 2202; v. 18. September 2001 – IX ZB 104/00, NJW-RR 2002, 1151).

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Anerkennungshindernisses nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ trägt derjenige, der damit die Anerkennung verhindern möchte (BGH, Beschl. v. 18. September 2001 aaO). Entsprechende Voraussetzungen hat der Antragsgegner nicht dargelegt.

Es ist nichts dafür ersichtlich, dass er zu dem neuen Termin vom 7. August 2001 nicht geladen oder ihm dieser Termin nicht zumindest mitgeteilt worden wäre, wenn er seine Verteidigungsbereitschaft und sein Interesse an der Teilnahme an der Verhandlung binnen angemessener Frist nach Zustellung der Klageschrift am 21. Juni 2001 mitgeteilt hätte. Dass er zu diesem neuen Termin nicht geladen wurde, ist aus rechtsstaatlicher Sicht nicht unerträglich, nachdem er seine Verteidigungsbereitschaft auch bis zu dem neuen Termin nicht angezeigt hatte.

Der Antragsgegner hätte allerdings keine Veranlassung gehabt, seine Verteidigung anzuzeigen, wenn er hätte davon ausgehen müssen, dass das Verfahren bereits am 26. Juni 2001 durch Versäumnisurteil abgeschlossen wurde. Hierfür hatte er jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte. Da die Klageschrift am 21. Juni 2001 und damit erst kurz vor dem Termin zugestellt worden war, durfte er davon ausgehen, dass das Gericht in Breda/Niederlande die Sache vertagen würde. So ist es auch geschehen. Daher hätte er den Erlass eines Versäumnisurteils gegen sich durch eine Verteidigungsanzeige verhindern können. Dies gereicht ihm zum Nachteil.

Danach liegt kein Grund iSd Art. 34 Abs. 2 EuGVÜ vor, den Antrag der Gläubigerin zurückzuweisen.





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