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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragstellerin erwirkte am 20.05.2003 ein Versäumnisurteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien (AT) gegen den Antragsgegner, worin der Antragsgegner zur Zahlung einer Hauptforderung einschließlich Zinsen und Kosten verurteilt wurde. Das Urteil wurde vom zuständigen deutschen Landgericht für in Deutschland vollstreckbar erklärt. Dagegen wandte sich der Antragsgegner mit der Beschwerde und machte geltend, er habe den Betrag der Hauptforderung am 20.05.2003 – dem Tag des Erlasses der Säumnisentscheidung – an die Antragstellerin überwiesen. Dies wurde von der Antragstellerin bestätigt.
Das Oberlandesgericht Dresden (DE) entscheidet, dass sich die Beschwerde des Antragsgegners nur auf die Hauptforderung beziehe und insoweit wegen nachträglicher Erfüllung des titulierten Anspruchs auch begründet sei. Zwar werde teilweise bezweifelt, ob § 12 des deutschen Ausführungsgesetzes (AVAG), wonach die Geltendmachung nachträglich entstandener materiell-rechtlicher Einwendungen gegen den titulierten Anspruch ermöglicht werde, nicht durch Art. 45 EuGVO verdrängt werde, der die Versagung der Vollstreckbarerklärung allein aus den in Art. 34 und 35 EuGVO aufgeführten Gründen zulasse. Diese Frage könne aber dann offen bleiben, wenn – wie hier – das Erlöschen der Forderung nach Titelerlass unstreitig ist. In derartigen Fällen einer unstreitigen nachträglichen materiell-rechtlichen Einwendung sei der Antrag auf Vollstreckbarerklärung bereits wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses des Antragstellers unzulässig.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Antragstellerin hatte vor dem Bezirksgericht für Handelssachen Wien einen Betrag von 521,85 EUR gegen den Antragsgegner eingeklagt. Die Klageschrift wurde dem Antragsgegner am 06.05.2003 zugestellt. Am 20.05.2003 erließ das Bezirksgericht für Handelssachen Wien ein Versäumnisurteil, in dem der Beklagte neben der Hauptforderung auch zur Zahlung von 12 % Zinsen aus der Hauptforderung seit dem 31.12.2002 und zur Zahlung von Prozesskosten in Höhe von 181,02 EUR verurteilt wurde.
Die Antragstellerin beantragte beim Amtsgericht Bautzen – eingehend bei Gericht am 29.11.2004 -, das Versäumnisurteil auch in Deutschland für vollstreckbar zu erklären. Das Amtsgericht leitete diesen Antrag formlos an das Landgericht Bautzen weiter, welches mit Beschluss vom 08.12.2004 dem Antrag der Antragstellerin in vollem Umfang nachkam. Der Beschluss wurde dem Antragsgegner am 23.12.2004 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 07.01.2005, der am 17.01.2005 beim Landgericht einging, erhob der Antragsgegner „Einspruch“ gegen den Beschluss des Landgerichts und führte zur Begründung unter Beifügung einer Kopie eines Kontoauszuges aus, dass er 521,85 EUR bereits am 20.05.2003 – dem Datum des Erlasses des Versäumnisurteils – an die Antragstellerin überwiesen habe.
Der Senat hat den Antragsgegner mit Verfügung vom 01.02.2005 darauf hingewiesen, dass es auf Grundlage des Inhalts der Beschwerdeschrift davon ausgeht, dass sich das Rechtsmittel allein gegen die Vollstreckbarkeitserklärung zur Hauptforderung richten soll.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 14.02.2005 mitgeteilt, dass tatsächlich am 20.05.2003 eine Zahlung an die Antragstellerin in Höhe von 521,85 EUR erfolgt sei und mithin noch die Zinsen für den Zeitraum vom 31.12.2002 bis zum 20.05.2003 in Höhe von 24,53 EUR, die im Versäumnisurteil angegebenen Prozesskosten in Höhe von 181,02 EUR sowie bisher angefallene Kosten für Einwohnermeldeamtsanfragen in Höhe von 48,80 EUR offen seien.
II. Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat in der Sache Erfolg.
1. Die gemäß § 11 AVAG statthafte Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss ist zulässig. Der Umstand, dass die Beschwerdeschrift statt bei dem Oberlandesgericht bei dem Gericht des ersten Rechtszuges eingelegt worden ist, ist unschädlich, § 11 Abs. 2 AVAG. Auch steht der Zulässigkeit der Beschwerde nicht entgegen, dass diese von dem Antragsgegner selbst verfasst ist, da insoweit kein Anwaltszwang besteht, weil der Senat keine mündliche Verhandlung angeordnet hat, § 13 Abs. 2 Satz 1 AVAG, § 78 Abs. 5 ZPO (vgl. KG NJW 1991, S. 644). Die Beschwerdefrist von einem Monat gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 AVAG wurde eingehalten.
2. Über die Beschwerde des Antragsgegners ist durch Senatsentscheidung und nicht durch Einzelrichter- entscheidung zu befinden. Ein gemäß §§ 1 bis 10 AVAG durch den Vorsitzenden einer Zivilkammer des Landgerichtes erlassener Beschluss ist nicht Entscheidung eines „Einzelrichters“ iSd § 568 ZPO, da sich dessen Zuständigkeit aus Art. 39 Abs. 1 EuGVVO ergibt. Dieser hat mithin – anders als der Einzelrichter nach § 348 ZPO, auf den sich § 568 ZPO bezieht – nicht die Möglichkeit, die Sache der Kammer zur Entscheidung anzudienen (ebenso OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.09.2002, Az. 5 W 25/02, OLGR Stuttgart 2003, S. 102 ff.; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., Rn. 2 zu § 568; vgl. auch OLG Köln IPrax 2003, 354; Senat, Beschluss vom 26.08.2003, 3 W 893/03).
3. Die Beschwerde des Antragsgegners, die darauf beschränkt ist, dass die Vollstreckbarkeit nicht auch auf die in dem Versäumnisurteil zugesprochene Hauptforderung zu erstrecken ist, ist auch begründet.
Zwar wird in der Literatur teilweise in Zweifel gezogen, ob die Vorschrift des § 12 AVAG, welche dem Schuldner die Geltendmachung von nachträglich entstandenen materiell-rechtlichen Einwendungen gegen den titulierten Anspruch ermöglicht, durch § 45 EuGVVO verdrängt wird, weil in dieser europäischen Norm ausdrücklich bestimmt ist, dass auf einen Rechtsbehelf nach Art. 43 EuGVVO die Vollstreckbarerklärung nur aus einem der in den Art. 34 und 35 EuGVVO aufgeführten Gründen versagt werden darf, wozu nach Urteilserlass entstandene Einwendungen materiell-rechtlicher Art nicht gehören (vgl. dazu OLG Köln, Beschluss vom 04.06.2004, Az. 16 W 7/04, OLGR Köln 2004, S. 359 f. mwN).
Allerdings schließt sich der Senat der Ansicht des OLG Köln (aaO) an, dass diese Frage jedenfalls dann offen bleiben kann, wenn zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die titulierte Forderung nach Titelerlass erloschen ist, da in derartigen Fällen einer unstrittigen materiell-rechtlichen Einwendung der Antrag bereits wegen – im Umfang des Erlöschens der Hauptforderung – fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig ist und dies auch im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen ist. Es verstieße in besonders hohem Maße gegen die Grundsätze der Verfahrensökonomie, in einem derartigen Fall den Schuldner auf die Einreichung einer Vollstreckungsgegenklage zu verweisen.