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Zusammenfassung der Entscheidung Zwischen den Parteien besteht ein Vertrag, wonach die deutsche Klägerin für die niederländische Beklagte Arbeiten ausführte. In ihrem ersten Schreiben verwies die Klägerin ausdrücklich auf ihre umseitig abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Nach diesen war Gerichtsstand für beide Teile Siegen (DE). Die Beklagte erteilte daraufhin den Auftrag, wobei sie ausdrücklich auf das Angebot der Klägerin Bezug nahm. In ihrer Auftragsbestätigung verwies die Klägerin erneut auf ihre umseitig abgedruckten AGB. Die Klägerin erhob vor dem LG Siegen Klage auf Zahlung eines Restbetrages. Die Beklagte rügte die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte.
Das LG Siegen (DE) hält sich für international und örtlich zuständig. Die Gerichtsstandsvereinbarung sei gem. Art 17 Abs. 1 EuGVÜ wirksam. Art. 17 EuGVÜ betreffe auch die Prorogation unter Vollkaufleuten und verdränge damit § 38 Abs. 1 der deutschen Zivilprozessordnung. Die von Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ geforderte Schriftform sei gewahrt. Dafür genüge es, dass der Vertrag durch einen Schriftwechsel der Parteien zustande komme, wenn den ausgetauschten Urkunden mit Sicherheit zu entnehmen sei, dass sich die Parteien über den Gerichtsstand geeinigt haben. Sei die Gerichtsstandsklausel in AGB enthalten, müssten diese der anderen Partei zugegangen sein und die zum Vertragsschluss führenden Schreiben müssten auf die AGB Bezug nehmen. Dabei reiche die Bezugnahme auf ein früheres, seinerseits auf die AGB bezugnehmendes Angebot aus. Zwar sei das erste Schreiben der Klägerin rechtlich nicht als Angebot, sondern als Aufforderung zur Angebotsabgabe, zu werten; das Angebot der Beklagten stimme aber inhaltlich mit diesem überein, da es darauf explizit Bezug nehme. Die Beklagte sei deshalb bereit gewesen, den Vertrag zu den AGB der Klägerin abzuschließen. Die Klägerin habe mit ihrer Auftragsbestätigung den Vertrag angenommen, wobei sie wiederum auf ihre AGB hingewiesen und diese nochmals umseitig abgedruckt habe.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Aufgrund einer Anfrage der Beklagten vom 15. November 1976 bot die Klägerin mit Schreiben vom 23. November 1976 der Beklagten für das Bauvorhaben Turnhalle Einhardt- Gymnasium in Aachen die Dacheindeckung mit bandverzinkten Stahltrapezblechen zum Preis von 25.772,50 DM zuzüglich Mehrwertsteuer an. In dem Schreiben, daß mit „Angebot (L) K 30/ 8520“ überschrieben war, nahm die Klägerin ausdrücklich Bezug auf ihre umseitig abgedruckten Allgemeinen Lieferbedingungen. Wegen des weiteren Inhalts dieses Schreibens wird auf Blatt 20, 21 der Akten verwiesen. In den Geschäftsbedingungen der Klägerin, auf deren Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird (Bl. 5 der Akten), ist unter Nr. 14 die Klausel enthalten, daß Gerichtsstand für beide Teile Siegen sei. Mit Schreiben vom 14. Dezember 1976 (Bl. 18 der Akten) erteilte die Beklagte der Klägerin den Auftrag für die Lieferung und Montage der Trapezbleche, wobei die Beklagte auf das „Angebot K 30/ 8520 vom 23. November 1976“ ausdrücklich Bezug nahm. Die Klägerin bestätigte den Auftrag mit Auftragsbestätigung vom 17. Dezember 1976. In der Auftragbestätigung, auf deren Inhalt verwiesen wird (Bl. 4 der Akten), ist erneut auf die umseitig abgedruckten Geschäftsbedingungen der Klägerin Bezug genommen.
Die Klägerin führte den Auftrag aus und stellte ihre Leistungen der Beklagten am 22. Februar 1977 mit 30.976,05 DM einschließlich Mehrwertsteuer in Rechnung. Die Beklagte zahlte hierauf 7.750,‑ DM. Trotz Mahnung vom 3. Juni 1977 leistete die Beklagte keine weiteren Zahlungen. Mit der Klage begehrt die Klägerin Zahlung des Restbetrages von 23.226,05 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 22. März 1977 zuzüglich Mehrwertsteuer auf die Zinsen. Die Klägerin meint, daß die Beklagte seit dem 22. März 1977 in Verzug sei, da die Rechnung 4 Wochen nach Rechnungsdatum zur Zahlung fällig gewesen sei. Sie verweist darauf, daß sie Bankkredit in Anspruch nehme, den sie mit mindestens 8 % Jahreszinsen verzinsen müsse.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 23.226,05 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 22. März 1977 zuzüglich 11 % Mehrwertsteuer auf die Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte rügt die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts und beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen der Rechtsausführungen der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und im wesentlichen begründet.
Das LG Siegen ist aufgrund der von den Parteien getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung örtlich zuständig. Die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung ist nach Art. 17 des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) vom 27.9.1968 (BGBl. 1972 II, 774) zu beurteilen. Das Übereinkommen ist durch Bundesgesetz vom 24.7.1972 (BGBl. II, 773) ratifiziert worden und am 1.2.1973 in Kraft getreten. Es ist auf den vorliegenden Fall anwendbar, da die Beklagte ihren Sitz in den Niederlanden hat. Art. 17 EuGVÜ verlangt für die Gerichtsstandsvereinbarung unabhängig davon, ob die Vertragsparteien Vollkaufleute sind oder nicht, die Einhaltung der Schriftform. Eine mündliche Vereinbarung muß schriftlich bestätigt werden. Haben die Parteien in dieser Form die Zuständigkeit des Gerichts wirksam vereinbart, ist das Gericht ausschließlich zuständig. Die Vorschrift des Art. 17 EuGVÜ geht als lex specialis dem durch die Gerichtsstandsnovelle vom 21.3.1974 (BGBl. I, 753) neu gefaßten und am 1.4.1974 in Kraft getretenen § 38 Abs. 1 ZPO vor. Das Verhältnis des § 38 Abs. 1 ZPO, der unter Vollkaufleuten eine formfreie Gerichtsstandsvereinbarung zuläßt, zu Art. 17 GVÜ ist allerdings umstritten. Zum Teil wird die Ansicht vertreten, daß auch die internationale Prorogation nach § 38 Abs. 1 ZPO zu beurteilen sei, wenn beide Parteien Vollkaufleute seien, da das EuGVÜ für die Prorogation unter Vollkaufleuten keine Regelung getroffen habe (vgl. Wirth, NJW 1978, 460, 461; Thomas-Putzo, § 38 Anm. 2 b). Die Kammer schließt sich jedoch der wohl überwiegend vertretenen Auffassung an, daß Art. 17 EuGVÜ auch die Prorogation unter Vollkaufleuten betrifft und damit dem § 38 Abs. 1 ZPO als Spezialgesetz vorgeht (vgl. OLG Bamberg, NJW 1977, 505; OLG Frankfurt, NJW 1977, 506; Stein-Jonas-Leipold, ZPO, § 38 Rn. 12; Jauernig, Zivilprozeßrecht, 18. Aufl., § 11 II; Samtleben, NJW 1974, 1590 und 1975, 1606). Denn das EuGVÜ stellt nicht darauf ab, welche Personen die Gerichtsstandsvereinbarung abschließen. Art. 17 EuGVÜ betrifft Kaufleute und Nichtkaufleute. Vor allem für den internationalen Geschäftsverkehr der Vollkaufleute im Bereich der 6 Vertragsstaaten ist er von Bedeutung. Hätte der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 38 Abs. 1 ZPO Art. 17 EuGVÜ für Vollkaufleute außer Kraft setzen wollen, hätte er gegen den Zweck des Übereinkommens verstoßen, eine klare und in den Vertragsstaaten einheitliche Rechtslage herbeizuführen (Stein-Jonas-Leipold aaO).
Die von Art. 17 EuGVÜ für die Gerichtsstandsvereinbarung geforderte Schriftform ist im vorliegenden Fall gewahrt. Zwar sind die Voraussetzungen, die § 126 Abs. 2 BGB für die gesetzliche Schriftform eines Vertrages aufstellt, nicht erfüllt. Dies ist aber auch nicht erforderlich. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), der nach dem Protokoll vom 3.6.1971 betreffend die Auslegung des EuGVÜ (BGBl. 1972 II, 846) über die Auslegung des EuGVÜ entscheidet, stellt zwar strenge Anforderungen an die schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 17 EuGVÜ, er läßt es aber genügen, daß der Vertrag durch einen Schriftwechsel der Parteien zustande kommt. Damit kommt er den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs entgegen. Dies ist zwei Urteilen des EuGH vom 14.12.1976 zu entnehmen, in denen der EuGH zu Auslegungsfragen Stellung genommen hat, die der BGH gemäß Art. 2 des Protokolls vom 3.6.1971 zu Art. 17 EuGVÜ dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt hat (NJW 1977, 494 und 495; vgl. hierzu Grüter, DB 1978, 381, 382, 383). Erforderlich ist allerdings, daß den ausgetauschten Urkunden mit Sicherheit zu entnehmen ist, daß sich die Vertragsparteien über den Gerichtsstand geeinigt haben. Ist die Gerichtsstandsklausel in den Geschäftsbedingungen einer Vertragspartei enthalten, müssen deshalb die Vertragsurkunde oder die Schreiben der Parteien, die zum Vertragsschluß geführt haben, auf die Geschäftsbedingungen Bezug nehmen. Dabei läßt der EuGH auch die Bezugnahme auf ein früheres Angebot zu, wenn dieses auf die eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der einen Partei ausdrücklich hinweist und der anderen Vertragspartei tatsächlich zugegangen ist (NJW 1977, 494). Dies ist hier der Fall. Die Klägerin hat der Beklagten mit Schreiben vom 23. November 1976 ein Angebot unterbreitet, in dem ausdrücklich auf die umseitig abgedruckten Geschäftsbedingungen der Klägerin hingewiesen ist. Zwar stellt dieses Schreiben rechtlich kein Angebot zum Abschluß eines Vertrages dar, da nach den Geschäftsbedingungen der Klägerin Verträge erst durch die schriftliche Bestätigung der Klägerin zustande kommen. Bei dem Schreiben der Klägerin vom 23. November 1976 handelt es sich deshalb um die Aufforderung zur Abgabe eines Vertragsangebotes durch die Beklagte. Dementsprechend stellt das Schreiben der Beklagten vom 14.12.1976 das Angebot zum Abschluß des Vertrages dar. Dieses Angebot der Beklagten stimmt aber inhaltlich mit dem Schreiben der Klägerin vom 23. November 1976 überein. Denn die Beklagte hat den Auftrag ausdrücklich unter Bezugnahme auf das „Angebot K 30/8520“ der Klägerin vom 23. November 1976 erteilt. Da bei der Auslegung einer empfangsbedürftigen Willenserklärung darauf abzustellen ist, wie der Erklärungsempfänger die Willenserklärung vernünftigerweise verstehen muß, ist festzustellen, daß die Beklagte bereit war, den Vertrag aufgrund des „Angebots“ der Klägerin vom 23.11.1976 und der darin mitgeteilten Geschäftsbedingungen der Klägerin abzuschließen. Das Vertragsangebot der Beklagten hat die Klägerin mit Auftragsbestätigung vom 17. Dezember 1976 angenommen, wobei sie erneut auf ihre umseitig abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen hingewiesen hat. Damit ist der Vertrag einschließlich der Gerichtsstandsvereinbarung zustande gekommen.
Die Einigung über den Gerichtsstand läßt sich anhand der zum Vertragsschluß führenden Schreiben der Parteien feststellen, da diese Schreiben übereinstimmend auf das Schreiben der Klägerin vom 23. November 1976 Bezug nehmen, das seinerseits einen ausdrücklichen Hinweis auf die der Beklagten gleichzeitig übermittelten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthält (vgl. Grüter, DB 1978, 384, 386).
Der Anspruch auf Zahlung des aus der Rechnung vom 22. Februar 1977 noch offenstehenden Restbetrages von 23.226,05 DM ist gem. den §§ 651 Abs. 1 S. 2, 631 BGB begründet. Auf den Vertrag sind die Vorschriften des deutschen Rechts anzuwenden, da die Vertragsparteien dies vereinbart haben (Nr. 15 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin). Sachliche Einwendung hat die Beklagte gegen den Klageanspruch nicht vorgebracht.
Der Zinsanspruch ist, soweit er zugesprochen worden ist, aus den §§ 352, 353 HGB, 284 Abs. 1, 286 Abs. 1, 288 Abs. 2 BGB begründet. Die Rechnung war spätestens am 22. März 1977 zur Zahlung fällig. Von diesem Zeitpunkt an kann die Klägerin 5 % Zinsen beanspruchen. Vom 4. Juni 1977 an kann sie Verzugszinsen in Höhe von 8 % geltend machen, da sie unwidersprochen vorgetragen hat, daß sie Bankkredit zu einem Zinssatz von 8 % in Anspruch nehmen müsse. Mit dem weitergehenden Zinsanspruch war die Klage dagegen abzuweisen, da die Klägerin nicht dargetan hat, daß sich die Beklagte bereits seit dem 22. März 1977 in Verzug befand. Nach ihrem Vortrag hat die Klägerin die Beklagte am 3. Juni 1977 gemahnt. Frühere Mahnungen hat sie nicht angegeben. Ihr Hinweis, daß die Rechnung vier Wochen nach Rechnungsdatum zu zahlen sei, ist nicht geeignet, einen Verzug ohne Mahnung gem. § 284 Abs. 2 BGB zu begründen (OLG Düsseldorf in MDR 1976, 41).