Der Kläger macht gegen die Beklagte eine Forderung auf Honorar und Auslagen wegen seiner Tätigkeit als Patentanwalt geltend. Zwischen den Parteien ist streitig, ob Auftraggeber des Klägers die – inzwischen in Konkurs geratene – deutsche Vertreterfirma der Beklagten war, nämlich die Firma H., oder ob die Beklagte selbst dem Kläger den Auftrag erteilt hat.
Der Kläger hat behauptet, die Firma H. habe ihm den Auftrag zu seiner patentanwaltlichen Tätigkeit ausdrücklich namens der Beklagten erteilt.
Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger den Betrag von 7.332,25 DM zuzüglich 10 % Zinsen p.a. seit dem 15.6.1972 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und geltend gemacht, für die Entscheidung des Rechtsstreits seien die italienischen Gerichte zuständig; selbst wenn die deutschen Gerichte zur Entscheidung des Rechtsstreits berufen seien, sei das angerufene Landgericht in Frankfurt am Main unzuständig, weil die Gebührenklage eines Patentanwalts keine Patentstreitsache sei; danach sei nicht das Landgericht in Frankfurt am Main als Patentstreitkammer zuständig, sondern das Landgericht in Darmstadt, weil der Wohnsitz des Klägers im Bezirk des Landgerichts Darmstadt liege und er von seinem Wohnsitz aus seine patentanwaltliche Tätigkeit entfaltet habe. Auch sachlich sei die Klage nicht begründet, da nicht sie, die Beklagte, sondern ausschließlich die Firma H. als Auftraggeber in Betracht komme und dementsprechend Honorarschuldner sei.
Das Landgericht hat durch Vernehmung des Zeugen G. Beweis über die Behauptungen des Klägers zur Frage der Person seines Auftraggebers erhoben; die Vernehmung des Zeugen erfolgte vor dem Berichterstatter als beauftragten Richter. Alsdann hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil die Beklagte antragsgemäß verurteilt. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die Beklagte könne auch nach den Vorschriften des Übereinkommens vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckbarkeit gerichtlicher Entscheidungen in Zivilsachen und Handelssachen (GÜV) in Deutschland verklagt werden und der Kläger müsse die Klage nicht bei einem italienischen Gericht erheben. Zuständig für die Entscheidung des Rechtsstreits sei das Landgericht in Frankfurt am Main als die für Hessen und Rheinland-Pfalz zuständige Patentstreitkammer; denn es handele sich auch bei der Gebührenklage des Patentanwalts um eine Patentstreitsache im Sinne des § 51 PatG. Die Klage sei auch begründet; denn die Beweisaufnahme habe ergeben, daß die Beklagte Auftraggeber des Klägers gewesen sei und nicht die in Konkurs geratene Firma H. Das pauschale Bestreiten der Höhe des geltend gemachten Anspruchs für Honorar und Auslagen sei nicht substantiiert und daher nicht ausreichend.
Gegen dieses Urteil, das am 15.6.1976 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung der Beklagten vom 5.7.1976, eingegangen am gleichen Tage, die zugleich begründet worden ist.
Die Beklagte trägt vor: Die Zeugenvernehmung durch den beauftragten Richter verstoße gegen § 348 ZPO in der seit dem 1.1.1975 geltenden Fassung. Die Übertragung des Rechtsstreits an den Einzelrichter nur zur Beweisaufnahme sei von der neuen Fassung der Vorschrift nicht mehr gedeckt. Entweder müsse der Einzelrichter den Rechtsstreit selbst entscheiden, was nicht geschehen sei, oder die Kammer müsse, wenn sie entscheide, die Zeugen unmittelbar vernehmen. Das angefochtene Urteil und das zugrundeliegende Verfahren müßten daher aufgehoben und die Sache zurückverwiesen werden. Darüber hinaus sei der Rechtsstreit an das sachlich und örtlich zuständige Landgericht in Darmstadt zu verweisen. Denn die Honorarklage des Patentanwalts sei, wie der erkennende Senat selbst in Übereinstimmung mit der Kommentarliteratur entschieden habe, keine Patentstreitsache im Sinne des § 51 PatG. Da für den Wohnsitz des Klägers und damit für den Erfüllungsort nicht das Landgericht in Frankfurt am Main, sondern das in Darmstadt zuständig sei, müsse der Rechtsstreit nach Darmstadt verwiesen werden. Der Anspruch des Klägers sei auch sachlich nicht begründet. Das Landgericht habe die Beweismittel nicht erschöpft, insbesondere nicht den Zeugen ... vernommen, und es hätte nicht der Aussage des von ihm vernommenen Zeugen ... folgen dürfen.
Die Beklagte beantragt,
I. in erster Linie:
1.) das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12.5.1976 und das ihm zugrundeliegende Verfahren aufzuheben,
2.) den Rechtsstreit an das Landgericht Frankfurt am Main – 6. Zivilkammer –, hilfsweise an den Einzelrichter der 6. Zivilkammer, gegebenenfalls an das Landgericht Darmstadt – Zivilkammer – zurückzuverweisen,
3.) hinsichtlich der Gerichtskosten des Berufungsverfahrens sowie der durch Erlaß des angefochtenen Urteils anfallendne Kosten gemäß § 8 GKG zu verfahren;
II. in zweiter Linie:
1.) unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen,
2.) dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen,
3.) das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären;
III. hilfsweise, für den Fall der Zurückweisung der Berufung:
1.) die Revision gegen das ergehende Urteil zuzulassen,
2.) der Beklagten nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung, die auch durch unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft eines inländischen, als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden kann, abzuwenden.
Der Kläger beantragt,
1.) die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12.5.1976 (Az. 2/6 O 453/74) wird zurückgewiesen,
2.) die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens,
3.) hilfsweise, für den Fall, daß die Revision zugelassen werden sollte:
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM ..., die auch durch eine unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft eines inländischen, als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden kann, abzuwenden.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor: Bei der Beweisaufnahme vor einem beauftragten Richter handele es sich nicht um einen wesentlichen Verfahrensmangel, so daß durch die fehlende Rüge in erster Instanz gemäß § 295 ZPO der Verfahrensfehler geheilt sei. Das Landgericht in Frankfurt am Main sei auch zuständig gewesen, weil es sich bei der Gebührenklage eines Patentanwalts um eine Patentstreitsache handele. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müsse der Begriff der Patentstreitsache weit gefasst werden.
Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 516 ff. ZPO zulässige Berufung ist sachlich begründet. Das angefochtene Urteil und das ihm zugrundeliegende Verfahren waren aufzuheben und der Rechtsstreit war auf den Hilfsantrag des Klägers an das sachlich und örtlich zuständige Landgericht in Darmstadt zu verweisen.
1.) Mit Recht hat das Landgericht allerdings ausgeführt, daß nicht italienische Gerichte zur Entscheidung des Rechtsstreites berufen sind, sondern deutsche Gerichte. Die Regel des Art. 2 des Übereinkommens vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckbarkeit gerichtlicher Entscheidungen in Zivilsachen und Handelssachen (BGBl 1972 Teil II S. 773 ff.), wonach die Angehörigen der Vertragsstaaten grundsätzlich bei den Gerichten zu verklagen sind, wo sie ihren Wohnsitz haben, erleidet in Art. 5 Nr. 1 des Übereinkommens eine Ausnahme für den Fall, daß die Verbindlichkeit in einem anderen Vertragsstaat zu erfüllen ist als in dem Hoheitsgebiet des Wohnsitzes der Partei. Diese Ausnahme des „Gerichtsstandes des Erfüllungsorts“ trifft im vorliegenden Fall zu. Mit Recht hat das Landgericht ausgeführt, daß die Honoraransprüche des Patentanwalts aus Dienstvertrag abgeleitet werden und daß ein solcher Dienstvertrag dort zu erfüllen ist, wo der dienstverpflichtete Patentanwalt seine Praxis betreibt (vgl Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 36. Aufl, Vorbem. 6 d vor Art. 12 EGBGB). Soweit bei Palandt aaO unter Hinweis auf RGZ 151, 193 für Rechtsanwälte eine abweichende Auffassung vertreten wird (Erfüllungsort des Anwaltsvertrages soll danach der Ort der Zulassung des Rechtsanwalts sein), mag an sich schon fraglich erscheinen, ob die Rechtsprechung des Reichsgerichts insoweit richtig wiedergegeben ist, denn das Reichsgericht stellt aaO S 199 auf den „Wohnsitz“ und den „beruflichen Sitz“ des Rechtsanwalts ab. In jedem Fall könnte aber die bei Palandt aaO für Rechtsanwälte vertretene Ansicht auf Patentanwälte nicht übertragen werden. Denn diese betreiben ihre Praxis ohne Rücksicht auf eine spezielle Zulassung dort, wo sich ihre Kanzlei befindet, im Fall des Klägers mithin in S., das zum Landgerichtsbezirk Darmstadt gehört. – Da die Frage des Erfüllungsortes nach dem jeweiligen nationalen Kollisionsrecht des Prozeßgerichts zu entscheiden ist (Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 6.10.1976 in den Rechtssachen 14/76 und 12/76), hat das Landgericht auch mit Recht für die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 GÜV deutsches Recht herangezogen. – Die Beklagte ist denn auch auf ihren ursprünglichen Vortrag, wonach die italienischen Gerichte zur Entscheidung des Rechtsstreites berufen seien, nicht mehr zurückgekommen.
2.) Das angefochtene Urteil ist jedoch aufzuheben, weil das Landgericht in Frankfurt am Main sachlich zur Entscheidung des Rechtsstreits nicht zuständig war und die Beklagte die sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Landgerichts in Frankfurt am Main von Anfang an gerügt hat, danach ist das Rügerecht der Beklagten weder nach § 512a ZPO (der nur die örtliche Zuständigkeit betrifft) noch nach §§ 528, 530, 295 ZPO (durch rügelose Einlassung) verloren gegangen (vgl speziell zur Frage der sachlichen Zuständigkeit der Patentstreitkammern BGHZ 49, 99, 103ff = GRUR 1968, 307, 309 – Haftbinde; BGHZ 14, 72, 76 = GRUR 1955, 83, 85 – Autostadt).
Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts in Frankfurt am Main als Patentstreitkammer bestand nicht, weil es sich bei dem vorliegenden Rechtsstreit nicht um eine Patentstreitsache im Sinne des § 51 PatG handelt. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 21.4.1975 in Mitt 1975, 140 – wenn auch nur beiläufig – ausgeführt, daß es sich bei der Gebührenklage des Patentanwalts nicht um eine Patentstreitsache handele. Diese Auffassung steht in Übereinstimmung mit dem patentrechtlichen Schrifttum (Klauer-Möhring, Patentrechtskommentar, 3. Aufl, Bd II S 1459; Lindenmaier-Röhl, Patentgesetz, 6. Aufl, RdNr 4 zu § 51 PatG; Schulte, Patentgesetz, 1974, RdNr 4 zu § 51 PatG). Demgegenüber haben allerdings das Landgericht und auch der Kläger mit Recht ausgeführt, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und anderer Gerichte der Begriff der Patentstreitsache weit auszulegen ist und daß eine Patentstreitsache nicht etwa nur dann vorliegt, wenn die klagende Partei einen Anspruch aus dem Patentgesetz verfolgt (vgl u.a. BGHZ 49, 99, 107 = GRUR 1968, 307, 310 – Haftbinde; BGHZ 14, 72, 77 = GRUR 1955, 83, 86 – Autostadt; RGZ 170, 226, 229; OLG Düsseldorf GRUR 1960, 123; OLG Celle GRUR 1958, 292). Dieser weiten Auslegung des Begriffs der Patentstreitsache ist zu folgen, insbesondere genügt es für das Vorliegen einer Patentstreitsache, daß die Beurteilung patentrechtlicher Fragen für die Entscheidung des Rechtsstreits vorgreiflich ist (vgl Reimer-Nastelski, Patentgesetz, 3. Aufl, S 1787). So gesehen kann die Gebührenklage eines Patentanwalts durchaus Patentstreitsache sein, z.B. dann, wenn die beklagte Partei Einwendungen erhebt, die im Patentrecht begründet sind. Dazu kann der Einwand gehören, der Patentanwalt habe wegen Schlechterfüllung (und zwar sowohl im Erteilungsverfahren als auch im Verletzungsprozeß) seinen Honoraranspruch verloren bzw. die beklagte Partei habe Gegenansprüche. Dazu kann auch das bloße (substantiierte) Bestreiten der Höhe der Honorarforderung gehören, wenn über die Berechtigung der Höhe nur unter Einbeziehung patentrechtlicher Erwägungen entschieden werden kann. Von all dem ist im vorliegenden Fall aber nicht die Rede. Außer einem – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – unsubstantiierten Bestreiten der Höhe der Honorarforderung streiten sich die Parteien ausschließlich darum, wer dem Kläger den Auftrag gegeben hat, als Patentanwalt tätig zu werden. Diese Frage setzt nur die Befassung mit allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Erwägungen voraus und es ist kein Gesichtspunkt erkennbar, die Gebührenklage des Patentanwalts im vorliegenden Fall als Patentstreitsache zu behandeln.
3.) Der Senat hat – entsprechend dem Antrag der Beklagten – auch das Verfahren des Landgerichts aufgehoben; die Aufhebung des Verfahrens ist selbstverständlich, weil das zuständige Landgericht in Darmstadt die bisherige Beweisaufnahme vor dem Landgericht in Frankfurt am Main nicht verwerten darf. Der Senat stellt deshalb klar, daß die Aufhebung des Verfahrens nicht aufgrund des § 539 ZPO und wegen der verfahrenswidrigen Vernehmung des Zeugen G. erfolgt ist. Vielmehr läßt der Senat die Frage dahingestellt, ob die Vernehmung eines Zeugen durch den Einzelrichter des Landgerichts als beauftragter Richter – die zweifellos nach § 348 ZPO verfahrenswidrig ist – einen schweren Mangel des Verfahrens darstellt, der auch durch rügeloses Verhandeln gemäß § 295 ZPO nicht heilen kann (vgl. hierzu OLG Düsseldorf NJW 1976, 1103; OLG Köln NJW 1976, 1101; NJW 1976, 2218 und NJW 1977, 249; OLG Frankfurt am Main NJW 1977, 301; Dinslage NJW 1976, 1509; Müller MDR 1976, 850; E. Schneider, DRiZ 1977, 13 und NJW 1977, 301). Der Senat neigt dazu, einen nicht heilbaren Verfahrensmangel in diesen Fällen mit der Entscheidung des OLG Köln NJW 1976, 2218 und mit der (im übrigen noch weitergehenden) Entscheidung des OLG Frankfurt am Main NJW 1977, 301 jedenfalls nur dann zu bejahen, wenn die Vernehmung von Zeugen durch den Einzelrichter systematisch durchgeführt wird, um eine gesetzliche Vorschrift, die als unpraktisch empfunden wird oder auch tatsächlich mißlungen ist, zu „unterlaufen“. Ein derartiges Verhalten ist in dem zur Entscheidung stehenden Fall nicht erkennbar geworden.