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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragstellerin, eine belgische Bank, erwirkte ein Urteil eines Gerichts in Eupen (BE) gegen die Antragsgegner. Auf ihren Antrag hin wurde vom zuständigen deutschen Landgericht das Urteil für in Deutschland vollstreckbar erklärt. Dagegen erhob die Antragsgegnerin zu 2) Beschwerde und machte geltend, dass der überwiegende Teil der titulierten Forderung vor Erteilung der Vollstreckbarerklärung durch Zahlung an die Antragstellerin erloschen sei. Dieses teilweise Erlöschen räumte die Antragstellerin auch ein.
Das OLG Köln (DE) führt aus, dass der Einwand der Erfüllung nach Erlass des Urteils zu berücksichtigen sei. Zwar werde im Anwendungsbereich der Brüssel I-VO teilweise vertreten, dass die Vorschrift des § 12 des deutschen Ausführungsgesetzes (AVAG), die dem Schuldner die Geltendmachung nachträglich entstandener materiell-rechtlicher Einwendungen gegen den titulierten Anspruch ermögliche, durch die Vorschrift des Art. 45 Brüssel I-VO verdrängt werde, die ausdrücklich bestimme, dass die Vollstreckbarerklärung nur aus einem der in Art. 34 oder 35 Brüssel I-VO genannten Gründe versagt werden könne. Die Gegenauffassung sei der Ansicht, dass die Behandlung nachträglich entstehender materiell-rechtlicher Einwendungen in der Brüssel I-VO gar nicht geregelt, sondern dem nationalen Gesetzgeber überlassen sei. Welcher dieser beiden Ansichten zu folgen sei, könne hier jedoch offen bleiben, da jedenfalls dann, wenn auch nach dem Tatsachenvortrag des Gläubigers die titulierte Forderung erloschen sei, dieser kein rechtlich geschütztes Interesse mehr an der Vollstreckbarerklärung seines Titels habe. In derartigen Fällen einer unstreitigen materiell-rechtlichen Einwendung sei der Antrag auf Vollstreckbarerklärung bereits wegen (teilweise) fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig mit der Folge, dass ein Schuldner mit einem entsprechenden Vortrag auch im Beschwerdeverfahren gehört werden könne.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Antragstellerin, eine belgische Bank, hat aus einer Baufinanzierung am 25.02.2003 ein Urteil des Gerichts erster Instanz in Eupen/Belgien gegen die Antragsgegner über 510.096,68 EUR erwirkt, das der Vorsitzende einer Zivilkammer des Landgerichts Aachen mit Beschluss vom 05.12.2003 wegen der Hauptforderung zuzüglich 84,03 EUR Tageszinsen bis zum Tag der Ladung am 23.07.2002 und gesetzlicher Zinsen von 7 % p. a. auf 477.239,95 EUR seit dem 23.07.2002 und zuzüglich der mit 766,38 EUR abgerechneten Kosten des Verfahrens für vollstreckbar erklärt hat.
Gegen diesen am 17.02.2004 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin zu 2. mit ihrer am 05.03.2004 eingegangenen Beschwerde. Sie macht geltend, dass der überwiegende Teil der titulierten Forderung erloschen sei, weil das finanzierte Objekt inzwischen verkauft und der Verkaufserlös der Antragstellerin zugeflossen sei. Die Antragstellerin räumt ein teilweises Erlöschen ein.
II. Die (befristete) Beschwerde ist gem. Art. 43 Abs. 1, 2, 5 S. 2 EuGVVO iVm §§ 11, 55 Abs. 2 AVAG zulässig, insbesondere hat die in Belgien wohnende Antragsgegnerin zu 2., für die nicht die Monatsfrist des § 11 Abs. 3 AVAG, sondern die Frist von 2 Monaten des § 43 Abs. 5 S. 2 EuGVVO gilt, das Rechtsmittel rechtzeitig eingelegt.
In der Sache hat die Beschwerde teilweise Erfolg.
Zwischen den Parteien ist es nicht im Streit, dass der Erlös aus dem Verkauf des finanzierten Objekts der Antragstellerin zugeflossen ist und sie nach den von ihr eingereichten Kontenabrechnungen am 03. bzw. 05.09.2003 Beträge von 333.049,44 EUR bzw. 73,35 EUR auf die Hauptforderung gutgeschrieben hat. Damit ist die Hauptforderung nach Erlass des Urteils des Gerichts erster Instanz in Eupen teilweise erloschen und der hierauf gestützte Erfüllungseinwand greift durch.
Allerdings wird im Anwendungsbereich der EuGVVO in der Literatur teilweise in Zweifel gezogen, ob nicht die Vorschrift des § 12 AVAG, welche dem Schuldner die Geltendmachung von nachträglich entstandenen materiell-rechtlichen Einwendungen gegen den titulierten Anspruch ermöglicht, durch § 45 EuGVVO verdrängt wird, weil hierin ausdrücklich bestimmt ist, dass auf einen Rechtsbehelf nach Art. 43 EuGVVO, also in Deutschland auf eine Beschwerde, die Vollstreckbarerklärung nur aus einem der in den Art. 34 und 35 aufgeführten Gründe versagt werden darf, wozu nach Urteilserlass entstandene Einwendungen materiell-rechtlicher Art unzweifelhaft nicht gehören (so MünchKomm/Gottwald, ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsband, Art. 43 EuGVVO Rn. 7; Münzberg in Festschrift für Reinhold Geimer, S. 748 ff.; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 25. Aufl., Art. 45 EuGVVO Rn. 3; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 43 EuGVVO Rn. 14; Hub NJW 2001, 3145 [3147]; Micklitz/Rott EuZW 2002, 15 [22]). Dem wird allerdings entgegengehalten, dass die Behandlung materiell-rechtlicher Einwendungen gegen einen Titel in der EuGVVO nicht geregelt und es deshalb dem nationalen Gesetzgeber überlassen sei, eigenständig zu regeln, wie mit entsprechenden Sachverhalten zu verfahren sei, ob insbesondere nur der Weg über eine selbständige Vollstreckungsgegenklage eröffnet oder die Geltendmachung der Einwendungen aus Gründen der Verfahrensökonomie zeitlich vorverlegt und schon mit dem Rechtsbehelf gegen die Vollstreckbarerklärung kombiniert werde (so insbes. Wagner IPrax 2002, 75 [83]; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Art. 43 EuGVVO Rn. 27 ff.) Welcher dieser beiden Meinungen vom grundsätzlichen Ansatz her zu folgen ist, kann vorliegend aber letztlich offen bleiben. Die Frage der Berücksichtigung materiell-rechtlicher Einwendungen berührt das Spannungsfeld der Ermöglichung einer effektiven und schnellen Vollstreckung einerseits und des Schutzes des Schuldners vor der Inanspruchnahme aufgrund von Forderungen, die zwar tituliert, aber nach Titelerlass erloschen sind. Wenn auch nach dem Tatsachenvortrag des Gläubigers die titulierte Forderung erloschen ist, hat er kein rechtlich geschütztes Interesse daran, den Titel für vollstreckbar erklären zu lassen, bzw. kann er in dem hier gegebenen Fall einer teilweisen Erfüllung seinen Antrag auf die Restforderung beschränken. In derartigen Fällen einer unstrittigen materiell-rechtlichen Einwendung ist demzufolge der Antrag bereits wegen (teilweise) fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig mit der Folge, dass ein Schuldner mit einem entsprechenden Vortrag auch im Beschwerdeverfahren gehört werden kann (vgl. Münzberg aaO S. 751 sowie im Ergebnis auch Schlosser aaO). Insofern kann nichts anderes gelten wie etwa bei der Handlungsvollstreckung nach den §§ 887, 888 ZPO, bei der ebenfalls in den Fällen, in denen die dem Erfüllungseinwand zugrunde liegenden Tatsachen unstreitig sind, nach zutreffender Auffassung einem Vollstreckungsantrag des Gläubigers bereits das Rechtsschutzbedürfnis fehlt (vgl. Schuschke/Walker, Zwangsvollstreckung, 3. Aufl., § 887 Rn. 15, § 888 Rn. 20 mit Nachweisen zum Meinungsstand).
Dafür schließlich, dass über die vorgenannten unstrittigen Gutschriften hinaus, die Antragstellerin weitere Beträge auf die titulierte Forderung vereinnahmt hat, hat die Antragsgegnerin zu 2. auch auf die Verfügung des Berichterstatters vom 14.05.2004 hin, mit der ihr Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag gegeben wurde, Tatsachen nicht dargetan. Schon von daher stellt sich ebenfalls nicht die Frage, ob ggfls. ein strittiger Erfüllungseinwand beachtlich ist.