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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragstellerin erwirkte einen Mahnbescheid (decreto ingiuntivo) des Tribunale di Lecce (IT) gegen den Antragsgegner. Auf Antrag der Antragstellerin wurde vom zuständigen deutschen Landgericht angeordnet, den Mahnbescheid mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen. Dagegen erhob der Antragsgegner Beschwerde.
Das Oberlandesgericht Frankfurt (DE) stellt fest, dass die Vollstreckbarerklärung zu Recht erfolgt sei. Die Rüge des Antragsgegners, er habe im Vollstreckbarerklärungsverfahren keine Zustellungen erhalten, sei unbeachtlich, da es sich bei diesem Verfahren gemäß Art. 41 Brüssel I-VO um ein strikt einseitiges Verfahren handele. Die Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung seien gegeben. Der vom Landgericht Lecce für vollstreckbar erklärte italienische Mahnbescheid stelle eine Entscheidung iSd. Art. 32, 38 Brüssel I-VO dar. Die Förmlichkeiten der Art. 53, 54 Brüssel I-VO seien gewahrt. Eine Überprüfung der italienischen Entscheidung in der Sache selbst sei den Gerichten des Vollstreckungsstaates verwehrt (Art. 45 Abs. 2 Brüssel I-VO). Versagungsgründe lägen nicht vor. Das pauschale Vorbringen des Antragsgegners, es handele sich um einen „versuchten Prozessbetrug“, könne einen Vollstreckbarerklärungsversagungsgrund gemäß Art. 34 Nr. 1 Brüssel I-VO nicht begründen. Der diesbezügliche Vortrag des Antragsgegners sei nicht ausreichend. Auch der Einwand, dass der Antragsgegner durch die Zwangsvollstreckung einen „Bonitätsverlust“ erleiden könnte, sei insoweit unerheblich. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts Gießen angeordnet, dass der Mahnbescheid des Landgerichts Lecce (Az.: 89 D.I., 143 Cont., 205 Cron., 2003 Rep.), durch den der Antragsgegner verurteilt worden ist, an die Antragstellerin 14.346,65 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 3 % seit dem 30.05.2002 aus 1.833,85 EUR, seit dem 03.06.2002 aus 2.325,‑ EUR, seit dem 06.06.2002 aus 2.220,‑ EUR, seit dem 11.06.2002 aus 4.030,40 EUR, seit dem 21.06.2002 aus 3.937,50 EUR jeweils bis 31.12.2003 und in Höhe von 2,5 % seit dem 01.01.2004 aus 14.346,25 EUR, sowie Prozesskosten in Höhe von 522,50 EUR zu zahlen, mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist. Auf den Tenor dieser Entscheidung wird verwiesen.
Nach Zustellung des Beschlusses an den Antragsgegner persönlich am 30.07.2004 (Bl. 53 der Akten) hat dieser mit an das Landgericht gerichtetem Telefaxschreiben vom 03.08.2004 (Bl. 52 der Akten) über seinen Verfahrensbevollmächtigten „Beschwerde und alle anderen Rechtsmittel eingelegt“. Mit weiterem an das Landgericht gerichteten Schriftsatz vom 30.08.2004 (Bl. 66 der Akten) hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners erneut „alle Rechtsmittel“ eingelegt. Trotz Mitteilung an den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners, dass das Verfahren nun beim Oberlandesgericht geführt werde, hat dieser mit wiederum an das Landgericht gerichtetem Schriftsatz (Bl. 70 ff der Akten), dort eingegangen am 24.09.2004, beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem landgerichtlichen Beschluss vom 14.07.2004 ohne Sicherheitsleistung einzustellen. Auf die Begründung wird verwiesen. Der Senat hat, nachdem der Schriftsatz an das Oberlandesgericht weitergeleitet worden war, durch Verfügung vom 06.10.2004 (Bl. 72 ff der Akten) im Einzelnen mitgeteilt, dass für die beantragte Einstellung ohne Sicherheitsleistung kein Raum sein dürfte. Der Senat hat weiter darauf hingewiesen, dass die Beschwerde gegen die landgerichtliche Entscheidung noch nicht begründet worden sei.
Nach Akteneinsicht hat der Antragsgegner durch Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 18.10.2004 (Bl. 76 ff der Akten) die Beschwerde begründet und verfahrensrechtliche Anträge gestellt. Auf diesen Schriftsatz nebst Anlagen wird verwiesen. Durch weitere Verfügung vom 21.10.2004 (Bl. 89 ff der Akten) hat der Senat verfahrensleitende Hinweise gegeben. Der Antragsgegner hat daraufhin durch Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten ohne Datum (Bl. 94 ff der Akten), beim Oberlandesgericht am 23.11.2004 eingegangen, ergänzend zur Beschwerde vorgetragen.
Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegen getreten.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß den Art. 43 EuGVVO, §§ 1 Abs. 1 Nr. 2 b, 11 ff AVAG statthaft und auch ansonsten zulässig, so insbesondere fristgerecht eingelegt worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung liegen vor; weder fehlt es an den formellen Voraussetzungen, noch ist ein Vollstreckbarerklärungsversagungsgrund gegeben (vgl. Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 34 Brüssel I-VO Rn. 22 ff, Rauscher/Mankowski, aaO, Art. 45 Brüssel I-VO Rn. 2 ff).
Zu Recht hat das Landgericht angeordnet, dass der Mahnbescheid (decreto ingiuntivo) des Landgerichts Lecce mit dem aus dem Tenor des angefochtenen Beschlusses ersichtlichen Inhalt mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist. Dabei ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der von dem vorbezeichneten Gericht für vollstreckbar erklärte Mahnbescheid eine Entscheidung im Sinne der Art. 32, 38 EuGVVO darstellt. Es handelt sich um eine von einem Gericht eines Mitgliedsstaates erlassene Entscheidung, Art. 32 EuGVVO. Der Mahnbescheid ist für vollstreckbar erklärt worden. Die Förmlichkeiten der Art. 53, 54 EuGVVO sind gewahrt. Insbesondere hat die Antragstellerin die Bescheinigung nach den Art. 54 und 58 der EuGVVO vorgelegt. Der Antragsgegner erhebt insoweit auch keine konkreten Einwendungen.
Der Senat hat den Antragsgegner bereits durch Verfügung vom 21.10.2004 darauf hingewiesen, dass er im vorliegenden Beschwerdeverfahren lediglich im Rahmen der Art. 45 EuGVVO, § 12 ff AVAG beschränkt entscheidungsbefugt ist, insbesondere auch die ausländische Entscheidung in der Sache selbst nicht überprüfen darf, Art. 45 Abs. 2 EuGVVO.
Dennoch hat der Antragsgegner relevante Einwendungen in diesem Verfahren nicht erhoben. Insbesondere ist nicht eingewandt und auch ansonsten nicht ersichtlich, dass die Vollstreckbarerklärung aus einem der in den Art. 34 und 35 EuGVVO aufgeführten Gründe versagt oder aufgehoben werden müsste.
So kann insbesondere den Ausführungen im Schriftsatz des Antragsgegners vom 18.10.2004 nicht entnommen werden, dass etwa die nicht ordnungsgemäße Zustellung des „verfahrenseinleitenden Schriftstücks“ im Sinne des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO gerügt werden soll. Auch darauf hat der Senat in der Verfügung vom 21.10.2004 (Ziffer 2.) hingewiesen, ohne dass der Antragsgegner hierzu vorgetragen hätte. In der vorgelegten Bescheinigung nach den Art. 54 und 58 der EuGVVO vom 28.01.2004 ist als Datum der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks der 04.07.2003 aufgeführt.
Soweit der Antragsgegner Zustellungen im landgerichtlichen Verfahren der Vollstreckbarerklärung an ihn persönlich und nicht an seinen Verfahrensbevollmächtigten rügt, so ist dies im vorliegenden Beschwerdeverfahren unerheblich. Das erstinstanzliche Verfahren der Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung ist gemäß Art. 41 EuGVVO ein strikt einseitiges Verfahren. Die erste Zustellung an den Antragsgegner hatte in Form des angefochtenen landgerichtlichen Beschlusses vom 14.07.2004 zu erfolgen (vgl. § 10 Abs. 1 AVAG). Da im anhängigen Verfahren bis dahin der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners noch nicht bestellt war, wäre zum einen an der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung nichts auszusetzen. Zum anderen wäre es ohnehin für das vorliegende Beschwerdeverfahren unerheblich, wenn die Zustellung unwirksam gewesen sein sollte. Für die Wirksamkeit des angefochtenen Beschlusses hätte dies zunächst keine Auswirkungen; der angefochtene Beschluss bliebe mit der Beschwerde anfechtbar. Eine fehlerhafte Zustellung des angefochtenen Beschlusses hätte allenfalls zur Konsequenz, dass die Beschwerdefrist nicht zu laufen begonnen hätte (vgl. Rauscher/Mankowski, aaO, Art. 42 Brüssel I-VO Rn. 5; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 43 EuGVVO Rn. 5). Hierauf kommt es jedoch nicht an, da die Beschwerde des Antragsgegners jedenfalls fristgerecht eingelegt worden ist.
Die weiteren vom Antragsgegner im vorliegenden Beschwerdeverfahren erhobenen Einwendungen sind ebenfalls unerheblich.
Soweit der Antragsgegner im Schriftsatz vom 18.10.2004 ohne nähere Darlegung von einem „Betrugsversuch in Form eines versuchten Prozessbetruges“ spricht, fehlt es an einem diesbezüglichen hinreichenden Sachvorbringen, um etwa ein Anerkennungsverbot bzw. einen Vollstreckbarerklärungsversagungsgrund gemäß den Art. 43, 34 Nr. 1 EuGVVO begründen zu können. Das pauschale Vorbringen im Schriftsatz vom 18.10.2004 und dem am 23.11.2004 eingegangenen Schriftsatz, sowie die vorgelegten Unterlagen, aus denen sich ergeben soll, dass der Antragsgegner die gelieferten Kartoffeln nicht bestellt und überdies an einen Dritten bezahlt haben will, lassen darauf keinen Schluss zu. Es wäre auch nicht ersichtlich, warum der Antragsgegner die Einwendung nicht bereits im Erstverfahren geltend gemacht hat (vgl. dazu Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 34 EuGVVO Rn. 63; Rauscher/Leible, aaO, Art. 34 Brüssel I-VO Rn. 18; Schlosser, aaO, Art. 34 – 36 EuGVVO Rn. 5b). Der Senat hat – wie ausgeführt – bereits in der Verfügung vom 21.10.2004 (Ziffer 4.) darauf hingewiesen, dass er im vorliegenden Verfahren die ausländische Entscheidung in der Sache selbst nicht nachprüfen darf, Art. 45 Abs. 2 EuGVVO.
Soweit der Antragsgegner ohne nähere Darlegung die Beiziehung anderer (Verfahrens-)Akten beantragt hat, verweist der Senat ebenfalls auf den Inhalt der Senatsverfügung vom 21.10.2004 (Ziffer 4.). Einer solchen Beiziehung bedurfte es nicht, da es an einem zugrunde liegenden ordnungsgemäßen Sachvorbringen des Antragsgegners fehlt. Soweit der Antragsgegner im am 23.11.2004 eingegangenen Schriftsatz sich nochmals explizit darauf beruft, dass der für vollstreckbar erklärte Titel materiell fehlerhaft sei, ist dies aus den bereits oben genannten Gründen im vorliegenden Verfahren unerheblich.
Der Einwand, dass der Antragsgegner zur Zahlung nicht in der Lage ist und durch eine nachfolgende Zwangsvollstreckung ggf. einen „Bonitätsverlust“ erleiden könnte, ist im vorliegenden Verfahren der Vollstreckbarerklärung ebenfalls nicht erheblich, würde an sich jedenfalls auch noch keinen Vollstreckbarerklärungsversagungsgrund gemäß den Art. 43, 34 Nr. 1 EuGVVO begründen können, abgesehen davon, dass entsprechende Umstände gar nicht hinreichend dargelegt wären.