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Zusammenfassung der Entscheidung Zwischen der deutschen Klägerin und der Beklagten ist ein mündlich abgeschlossener Stückgutfrachtvertrag über die Verschiffung von Waren zustande gekommen. Die von der Klägerin üblicherweise verwendeten Konnossementsbedingungen enthielten eine Klausel für einen deutschen Gerichtsstand. Die Klägerin hat später gegen die Beklagte vor einem deutschen Gericht Klage auf Zahlung von Fehlfracht erhoben.
Das OLG Hamburg (DE) ist der Auffassung, dass das erstinstanzliche Gericht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte zurecht bejaht hat. Die in den Konnossementsbedingungen getroffene Gerichtsstandsvereinbarung sei wirksam, weil sie in einer Form geschlossen worden sei, die einem internationalen Handelsbrauch i.S.v. Art. 17 Abs. 1 S. 2 lit. c EuGVÜ entspreche, welcher als der Beklagten bekannt angesehen werden könne. Die Beklagte wisse als am internationalen Seeverkehr teilnehmender Kaufmann, dass es für Linienreeder üblich sei, ihren Stückgutfrachtverträgen ihre Konnossementsbedingungen zugrunde zu legen, die vielfach eine Gerichtsstandsklausel enthielten. Die Tatsache, dass der Vertragsschluss mündlich erfolgt und es nicht zur Ausstellung des Konnossements durch die Klägerin gekommen sei, stehe der Wirksamkeit der Konnossementsbedingungen und der darin enthaltenen Gerichtsstandsklausel nicht entgegen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die zulässige Berufung der Beklagten ist sachlich nicht gerechtfertigt. Die Klage ist zulässig (I) und begründet (II).
I. Das Landgericht Hamburg hat zu Recht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bejaht. Die Klägerin beruft sich zutreffend auf die in Nr. 24 ihrer von ihr als Linienreederei üblicherweise verwendeten Konnossementsbedingungen bestimmte Gerichtsstandsklausel, nach der Streitigkeiten aus dem Vertrag ausschließlich durch die Hamburger Gerichte entschieden werden sollen. Die in den Konnossementsbedingungen getroffene Gerichtsstandsvereinbarung ist gem. Art. 17 Abs. 1 Satz 1 des EuGVÜ wirksam; denn sie ist im internationalen Handelsverkehr in einer Form geschlossen worden, die den internationalen Handelsbräuchen entspricht, die jedenfalls als den Parteien bekannt angesehen werden müssen. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden, denen der Senat folgt. Ergänzend ist folgendes auszuführen:
Mit dem Begriff „Handelsbrauch“ im Sinne dieser Bestimmung ist – wie der englische und französische Text des Übereinkommens verdeutlichen – gemeint, daß die faktische Gebräuchlichkeit einer Form ohne weiteres ausreichen soll (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. Art. 17 EuGVÜ Rn. 41; Schlosser in RIW 1984, S. 911 ff., 913).
Es ist aber gerade im internationalen Seerecht gebräuchlich, daß bei Stückgutverträgen der Gerichtsstand durch Konnossementsbedingungen geregelt wird. U.a., um diese im internationalen Seerechtsverkehr übliche Begründung eines Gerichtsstandes durch Konnossementsbedingungen zu ermöglichen, ist bei der Ergänzung des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EuGVÜ durch das Beitrittsübereinkommen von 1978 bestimmt worden, daß im internationalen Handelsverkehr grundsätzlich eine Form ausreichen soll, die den internationalen Handelsbräuchen entspricht (vgl. dazu Schlosser in RIW 1984, Seite 911 ff. Anm. zum Urteil des EuGH vom 19. Juni 1984 in der Rechtssache 71/83 sowie auch Kropholler aaO Art. 17 Rn. 40, 43, 79 f.).
Der Verbindlichkeit und Wirksamkeit der vorgenannten Konnossementsbedingung steht nicht der Umstand entgegen, daß hier der Frachtvertrag zwischen den Parteien – wie noch auszuführen sein wird – formlos zustande gekommen ist. Gerade im Stückgutverkehr werden – wie dem Seerechtssenat auf Grund seiner langjährigen Befassung mit derartigen Geschäften bekannt ist – Buchungen einzelner Partien häufig nur formlos telefonisch getätigt oder nach entsprechender Bestellung per Telex oder Telefax erfolgt die Annahme der Buchung telefonisch (oder umgekehrt). Der hier eingeschlagene Weg, daß die Beklagte per Telefax um die Buchung nachsuchte und alsdann – wie noch auszuführen ist – telefonisch der Vertragsschluß zwischen den Parteien erfolgte, ist eine im internationalen Handelsverkehr übliche Form.
Durch den Vertragsabschluß sind auch zugleich die Konnossementsbedingungen der Klägerin Frachtvertragsbestandteil geworden, obwohl es im vorliegenden Fall nicht mehr zur Begebung eines Konnossements gekommen ist. Insoweit folgt der Senat den Überzeugenden Ausführungen das Landgerichts Hamburg, Urteil vom 13. März 1981 in Sachen 66 O 129/79 (VersR 1982, Seite 140 f.). Die Konnossementsbedingungen des Stückgutverkehrs sind nicht nur gem. § 656 Abs. 1 HGB für das Rechtsverhältnis zwischen Verfrachter und Empfänger maßgeblich, sondern auch für dasjenige zwischen Verfrachter und Befrachter (vgl. Prüßmann-Rabe, 3. Aufl. vor § 556 III C 1 c mN aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Reichsgerichts). Der Zweck dieser Klauseln ist es nämlich, für die Verfrachtung schlechthin, nicht nur für das Rechtsverhältnis des Verfrachters zum Empfänger, bindende Regeln aufzustellen (vgl. Wüstendörfer, Studien, Band 1 Seite 189). Demgemäß pflegen beim Stückgutfrachtvertrag die Linienreeder ihre Konnossementsbedingungen dem Frachtvertrag zugrunde zu legen. Da dies den am internationalen Seeverkehr teilnehmenden Kaufleuten bekannt ist oder jedenfalls bekannt sein muß, ist davon auszugehen, daß – sofern nicht ganz ausnahmsweise besondere Abreden getroffen werden – sie als Befrachter die Konnossementsbedingungen auch als Bestandteil des Stückgutfrachtvertrages stillschweigend annehmen (vgl. Wüstendörfer aaO Seite 189). Es entspricht demgemäß allgemeiner Übung, daß Verfrachter und Befrachter den Stückgutfrachtvertrag zu den Bedingungen abschließen, die im Konnossement als Vertragsordnung bereit liegen. Beim Stückgutfrachtvertrag werden demgemäß kraft Handelsbrauchs die Konnossementsbedingungen des Linienreeders auch dann Vertragsbestandteil, wenn dies bei Vertragsabschluß nicht besonders vereinbart worden ist (vgl. Wüstendörfer aaO Seite 189 f.).
Da die Konnossementsbedingungen häufig Gerichtsstandsklauseln – und neben der sog. Paramountklausel auch Rechtswahlklauseln – enthalten, stellt die in Nr. 24 der Konnossementsbedingungen der Klägerin enthaltene (Rechtswahl- und) Gerichtsstandsklausel eine durchaus übliche Klausel dar. Die Beklagte muß demgemäß diese Konnossementsbedingung auch dann gegen sich gelten lassen, falls ihr die Konnossementsbedingungen der Klägerin bei Vertragsabschluß noch nicht bekannt gewesen sein sollten. Die Klägerin weist insoweit zu Recht auch darauf hin, daß sich die Beklagte ohne weiteres diese Bedingungen vor Vertragsabschluß von der Agentin der Klägerin hätte beschaffen können.
Unerheblich ist weiter, daß es im vorliegenden Fall nicht mehr zu einer Begebung des Konnossements durch die Klägerin gekommen ist. Wie bereits ausgeführt, werden bereits bei Vertragsabschluß die Konnossementsbedingungen nach der Verkehrssitte Bestandteil des Stückgutfrachtvertrages. Daraus folgt ohne weiteres, daß diese schon vor der Aushändigung der Konnossementsurkunde unter den Parteien gelten (vgl. Wüstendörfer aaO Seite 190 sowie Landgericht Hamburg in VersR 1982, Seite 140 f. mN aus der deutschen und angloamerikanischen Rechtsprechung). Für die Annahme, daß im Rahmen eines Stückgutfrachtvertrages zwei verschieden geartete Vertragsverhältnisse, das eine bis zur Konnossementsbegebung nach der Abladung mit gesetzlicher Wirkung und von da ab nach Maßgabe des Konnossements wirksam seien, fehlt nämlich jeder Anhalt. Es erscheint ebenso willkürlich zu unterstellen, der Befrachter willige nur unter der Voraussetzung in die AGB des Konnossements ein, daß es tatsächlich zur Beendigung der Güterabladung und zur Begebung des Konnossements komme (vgl. auch Landgericht Hamburg aaO mwN). Für die vertragsschließenden Parteien muß im Interesse der Rechtssicherheit jederzeit erkennbar sein, welche Bedingungen für den Vertrag gelten sollen. Es muß ex ante bei Vertragsschluß klar sein, welchen Bedingungen der Frachtvertrag unterliegt. Das kann nicht von der Frage abhängen, ob später wirklich ein Konnossement ausgestellt und begeben wird. Vielmehr muß es bei der anfänglichen Geltung der Konnossementsbedingungen auch dann bleiben, wenn die zunächst geplante Ausstellung des Konnossements aufgrund veränderter Umstände ausnahmsweise unterbleibt. Es kann nur darauf ankommen, ob zur Zeit des Vertragsschlusses davon auszugehen war, daß im Rahmen der Vertragsabwicklung ein Konnossement zu den üblichen Bedingungen des Linienreeders ausgestellt werden würde. Das aber war hier der Fall.
Nach allem ist die Gerichtsstandsklausel Bestandteil des zwischen den Parteien abgeschlossenen Frachtvertrages geworden. Diese Gerichtsstandsvereinbarung ist nach Art. 17 Abs. I Satz 2 EuGVÜ formwirksam, weil sie aus den angeführten Gründen im internationalen Handelsverkehr in einer Form geschlossen worden ist, die internationalem Handelsbrauch entspricht. Dieser Handelsbrauch muß als der Beklagten bekannt angesehen werden, weil sie als am internationalen Seeverkehr teilnehmender Kaufmann weiß, daß die Linienreeder ihren Stückgutfrachtverträgen ihre Konnossementsbedingungen zugrunde zu legen pflegen und daß die Konnossementsbedingungen vielfach Gerichtsstandsklauseln enthalten. Da sie mit einer in Hamburg ansässigen Linienreederei kontrahierte, mußte sie auch damit rechnen, daß deren Konnossementsbedingungen eine die Zuständigkeit der Hamburger Gerichte begründende Gerichtsstandsklausel enthielten. Es bedarf daher keiner weiteren Erörterung und Prüfung, ob der Beklagte nicht die Konnossementsbedingungen der Klägerin aus früheren Geschäften bereits bekannt waren. Dafür spricht allerdings der Umstand, daß nach der Aussage des Zeugen G. – was freilich im Sitzungsprotokoll keine Erwähnung gefunden hat – die vorliegende Buchung nicht das erste Geschäft zwischen den Parteien betraf. Vielmehr hatte die Klägerin schon zuvor Stückgutseetransporte für die Beklagte durchgeführt. Allerdings handelte es sich im vorliegenden Fall um den ersten Kühltransport, den die Klägerin für die Beklagte durchführen sollte.
Die nach allem wirksam zum Vertragsbestandteil gewordene Gerichtsstandsklausel in Nr. 24 der Konnossementsbedingungen erstreckt sich auch auf den von der Klägerin geltend gemachten Fehlfrachtanspruch. Bei dieser gesetzlich festgelegten Kündigungsentschädigung (vgl. Prüßmann-Rabe aaO § 580 HGB Anm. D 1 mwN) handelt es sich nämlich um einen vertraglichen Anspruch. Die Gerichtsstandsklausel bezieht sich aber nach ihrem klaren Inhalt auf alle Streitigkeiten, die aus dem Vertrag entstehen.
II. Der von der Klägerin geltend gemachte Fehlfrachtanspruch ist auch begründet. Zwischen den Parteien ist ein Stückgutfrachtvertrag zustande gekommen, auf den gem. Nr. 24 der – wie im einzelnen unter I. ausgeführt – zum Vertragsbestandteil gewordenen Konnossementsbedingungen das deutsche Recht anzuwenden ist. Der Senat ist unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme und des gesamten Inhalts der Verhandlung davon überzeugt, (§ 286 ZPO), daß die Parteien einen Stückgutfrachtvertrag über die Beförderung der hier in Rede stehenden Partie von 650 mt gefrorener Hühner mit dem MS „Q.“ von Antwerpen nach Jeddah abgeschlossen haben. Schon aus dem Inhalt des Telefaxes der Beklagten vom 20. November 1990 (Anl. K 1) geht klar hervor, daß diese eine Partie von 650 mt gefrorener Hühner in Kartons fest auf dem MS „Q.“ für eine Beförderung nach Saudi Arabien bei der Agentin der Klägerin in Antwerpen buchen wollte. Die Beklagte hat nämlich in diesem Telefax die Agentin als Verfrachterin der Klägerin ohne jeden Vorbehalt um eine entsprechende Reservierung gebeten. Das bestätigt auch der im Gegensatz zu dieser festen Buchung stehende weitere Hinweis in dem Schreiben, daß möglicherweise noch eine andere Partie von 100 mt gebucht werden solle, was (noch) diese Woche bestätigt werden würde. Auf der Grundlage dieses Telefaxes der Beklagten sind dann – wie der Zeuge G. im einzelnen glaubhaft bekundet hat – die weiteren Details zwischen diesem Angestellten der Antwerpener Agentin der Klägerin und dem Angestellten de B. der Beklagten abgesprochen worden und ist, nachdem alles geklärt war, telefonisch der Vertragsabschluß erfolgt. Inhalt dieses Vertrages war, daß mit dem MS „Q.“ der Klägerin im Dezember 1990 650 mt gefrorener Hühner zu einer Frachtrate von 175 US$ von Antwerpen nach Jeddah befördert werden sollten. Die Bekundungen des Zeugen G. sind glaubhaft. Sie werden bestätigt einmal durch die handschriftlichen Vermerke des Zeugen auf dem Telefax der Beklagten (Anl. K 1), durch die die Bekundung des Zeugen gestützt wird, daß er weitere Details telefonisch mit der Beklagten abgeklärt hat. Darüber hinaus belegt das von A. A. an die Klägerin übersandte Computermemo (Anl. K 2) die Richtigkeit der Aussage des Zeugen, daß er in allen den Vertagsschluß wesentlichen Punkten mit der Beklagten Einigkeit erzielt hatte. Wie G. weiter glaubhaft bekundet hat, fand noch am 5. Dezember 1990 eine Vertragsabschlußfeier in den Räumen der A. A. statt, bei der man den ersten Vertragsabschluß zwischen den Parteien über eine Kühlladung feierte und sich für den nächsten Tag zu einem Treffen am Schuppen der Stauerei anläßlich des Eintreffens der ersten Ladung der Beklagten verabredete. Die Beklagte nimmt selbst nicht in Abrede, daß es am 5. Dezember 1990 zu einem Treffen in den Räumen von A. A. gekommen ist. Sie bestreitet allerdings den behaupteten Inhalt des Gesprächs, ohne allerdings bezeichnenderweise vorzutragen, welchen konkreten Gegenstand und Inhalt diese Unterredung gehabt haben soll. Allein der Umstand, daß der Zeuge G. Angestellter der Firma A. A. ist und deshalb möglicherweise ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits besitzt, begründet nach allem keine Zweifel an der Richtigkeit seiner Aussage.
Da die Beklagte den Stückgutfrachtvertrag unstreitig am 6. Dezember 1990 vor der Abladung gekündigt hat, schuldet sie grundsätzlich die volle Fracht abzüglich einer etwaigen Ersatzfracht in gleicher Weise wie bei der Kündigung des Vertrages nach der Abladung der Güter (vgl. BGH in NJW 1990, Seite 2255; Prüßmann-Rabe aaO § 589 HGB Anm. A). Auf die Frage, ob § 588 Abs. 3 HGB entsprechend anwendbar ist, kommt es schon deshalb nicht an, weil die Klägerin durch ihre Agentin der Beklagten am 6. Dezember 1990 den Fehlfrachtanspruch angekündigt hat (vgl. Anl. K 3).
Nach allem kann die Klägerin von der Beklagten die volle Fracht als Fehlfracht beanspruchen. Für eine Anrechnung von Ersatzfracht ist kein Raum. Die – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat weder dargetan noch unter Beweis gestellt, daß die Klägerin an Stelle der nicht gelieferten Güter andere Güter angenommen hat, deren Fracht die Klägerin sich anrechnen lassen müßte. Schon in ihrem Fernschreiben vom 6. Dezember 1990 hat A. A. überdies plausibel darauf hingewiesen, daß es der Klägerin wegen der kurzfristigen Kündigung der Beklagten nicht mehr möglich war Ersatzladung zu finden. Im übrigen wäre nach der gesetzlichen Regelung (vgl. §§ 587 Nr. 1, 588 Abs. 2 HGB) lediglich die Fracht für eine tatsächlich angenommene Ersatzladung anrechenbar gewesen. Außerdem stellt nur solche Ladung eine anrechenbare Ersatzladung dar, die das Schiff nicht mehr hätte mitnehmen können, falls der Befrachter seine Ladung rechtzeitig geliefert hätte.