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Zusammenfassung der Entscheidung Die Schuldnerin, eine Schweizer Gesellschaft mit Niederlassung in Deutschland, wurde von einem deutschen Gericht zur Auskunftserteilung verurteilt. Dieser Auskunftspflicht kam die Schuldnerin nicht nach, so dass das deutsche Gericht gegen sie einen Zwangsgeldbeschluss nach § 888 ZPO (deutsche Zivilprozessordnung) erließ. Dagegen wandte sich die Schuldnerin mit der Beschwerde und machte geltend, hierdurch würden Hoheitsrechte der Schweiz verletzt und dem stehe das Lugano Übereinkommen entgegen.
Das OLG Hamburg (DE) entscheidet, dass durch die Zwangsgeldfestsetzung des deutschen Gerichts gegen die schweizerische Schuldnerin weder Hoheitsrechte der Schweiz verletzt würden noch das LugÜ der Zwangsgeldfestsetzung entgegenstehe. Die Schuldnerin unterscheide in ihrem Vortrag nicht zwischen der Zwangsgeldfestsetzung einerseits und deren Vollstreckung im Falle der Nichterfüllung andererseits. Die bloße Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung eines auf Auskunftserteilung gerichteten Titels greife noch nicht in die Hoheitsrechte des Staates ein, in dem der Schuldner wohne oder seinen Sitz habe. Diese Fragen spielten erst bei der Vollstreckung des Zwangsgeldes gegen den Schuldner im Ausland eine Rolle. Dann habe der Gläubiger nach dem im Verhältnis zur Schweiz geltenden LugÜ die Vollstreckbarerklärung des deutschen Zwangsgeldbeschlusses zu betreiben. Im schweizerischen Vollstreckbarerklärungsverfahren sei dann gemäß Art. 31, 34, 27, 28 LugÜ zu prüfen, ob die Vollstreckung in der Schweiz abgelehnt werden könne. Dabei sei dann auch zu prüfen, ob die Auskunftserteilung nach Art. 27 Nr. 1 LugÜ gegen den Schweizer ordre public verstoße. Auch auf die unterschiedlichen Auffassungen zu Art. 43 LugÜ komme es nicht an. Auch diese Diskussion betreffe nur die Frage, wie im Vollstreckungsstaat mit dem ausländischen Zwangsgeldbeschluss zu verfahren sei. Im deutschen Ausgangsverfahren seien diese Fragen alle noch nicht zu beachten.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Beschwerde der Schuldnerin ist zulässig, bleibt aber im Ergebnis ohne Erfolg. Der Senat folgt der zutreffenden Bewertung des Landgerichts in dem angefochtenen Beschluss und in dem Nichtabhilfebeschluss vom 12.4.2005. Auch die Ausführungen der Schuldnerin in ihrem Schriftsatz vom 2.5.2005 geben keinen Anlass zu einer abweichenden Entscheidung.
Die Argumentation der Schuldnerin unterscheidet nicht ausreichend zwischen der Festsetzung eines Zwangsgeldes gemäß § 888 ZPO und seiner Vollstreckung im Falle der Nichterfüllung. Der Senat folgt ebenso wie das Landgericht der überzeugenden Entscheidung des OLG Köln vom 3.6.2002. Dieses hat eingehend dargelegt, dass mit der Festsetzung von Zwangsgeld und Ersatzzwangshaft zur Durchsetzung eines auf Erteilung einer Auskunft gerichteten Titels noch nicht in die Hoheitsrechte eines ausländischen Staates eingegriffen wird, in dem der Schuldner wohnt bzw. seinen Sitz hat (ebenso für die Ersatzzwangshaft OLG Köln FamRZ 2002, 895; zustimmend zu der Entscheidung des OLG Köln vom 3.6.2002: Stadler, IPRax 2003, 430). Zunächst – so das OLG Köln – mag bereits der Zwangsgeldbeschluss als solcher auch einen im Ausland wohnhaften Schuldner dazu veranlassen, nunmehr der Verurteilung zur Erteilung der Auskunft nachzukommen; ein Eingriff in fremde Hoheitsrechte erfolgt bei dieser Fallgestaltung ersichtlich nicht. Sodann besteht aufgrund des Zwangsgeldbeschlusses, der vom Gläubiger zugunsten der Staatskasse vollstreckt werden muss, zunächst die Möglichkeit, das Zwangsgeld nach den Regeln für die Vollstreckung von Geldforderungen in Vermögen des Schuldners im Inland zu vollstrecken oder im Falle der Nichtbeitreibbarkeit beim Prozessgericht einen Haftbefehl zur Vollstreckung der Ersatzzwangshaft gegen den Schuldner zu beantragen, wenn er sich im Inland aufhält (s. zu der Vollstreckung eines Zwangsgeldbeschlusses Zöller-Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 888 Rn. 13). In diesen Fällen sind die Hoheitsrechte eines ausländischen Staates ebenfalls nicht berührt.
Erst dann, wenn die Gläubigerinnen den deutschen Zwangsgeldbeschluss vom 23.2.2005 im Ausland vollstrecken wollten, kommen die von der Schuldnerin angesprochenen Fragen zum Tragen. Im Verhältnis zur Schweiz gilt das Lugano-Übereinkommen vom 16.9.1988. Insbesondere handelt es sich bei der zwangsweisen Durchsetzung einer privatrechtlichen Auskunftsverpflichtung um eine Zivilsache im Sinne von Art. 1 Abs. 1 dieses Abkommens, unabhängig davon, ob das Zwangsgeld in die Staatskasse fließt oder an den Gläubiger gezahlt werden muss, wie es in anderen Rechtsordnungen der Fall ist (Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 49 Rn. 2). Die Gläubigerinnen werden im Falle einer Vollstreckung des Zwangsgeldbeschlusses in der Schweiz einen Antrag nach Art. 31 des Lugano-Übereinkommens zu stellen haben und die zuständigen Schweizer Gerichte haben sodann gemäß Art. 34 zu überprüfen, ob die Vollstreckung in der Schweiz aus Gründen des Art. 27,28 des Lugano-Übereinkommens abgelehnt werden kann. Dazu gehört auch die Prüfung, ob eine Auskunftserteilung nach Art. 27 Nr. 1 des Lugano-Übereinkommens mit dem Schweizer ordre public kollidieren würde, insbesondere ob die von der Schuldnerin genannte Vorschrift des Art. 273 des schweizerischen StGB einer Vollstreckung in der Schweiz entgegenstehen könnte. Im vorliegenden Verfahren der Zwangsgeldfestsetzung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil auf Auskunftserteilung spielt diese von der Schuldnerin genannte Bestimmung indessen keine Rolle. Selbst wenn dies so wäre, vermag der Senat ebenso wenig wie das Landgericht zu erkennen, dass diese Bestimmung hier einschlägig wäre und sie zum Schweizer ordre public zählt.
Ebenso wenig kommt es auf die unterschiedlichen Auffassungen zu Art. 43 des Lugano-Übereinkommens an. Denn – wie das OLG Köln zutreffend ausgeführt hat – betrifft diese Diskussion nur die Frage, wie in dem Vollstreckungsstaat mit einem ausländischen Zwangsgeldbeschluss zu verfahren ist. Hier geht es jedoch lediglich darum, ob das deutsche Gericht einen Zwangsgeldbeschluss als Grundlage für eine Vollstreckung (auch) im Ausland erlassen darf. Dies ist mit dem OLG Köln zu bejahen.
Der Senat vermag schließlich nicht zu erkennen, dass der vorliegende Fall deshalb anders zu beurteilen sein könnte, weil er sich gegen eine Schweizer Schuldnerin richtet, während die Schuldnerin im Falle des OLG Köln eine in Italien – also einem EU-Staat – ansässige Firma war. Die Argumentation des OLG Köln ist nicht auf das Verhältnis zwischen Deutschland und den übrigen EU-Staaten beschränkt. Besonderheiten ergeben sich insoweit auch nicht aus dem Lugano-Übereinkommen. Der von der Schuldnerin erwähnte Vorbehalt für die Schweiz aus dem Zusatzprotokoll Nr. 1, Art. IV Abs. 2 betrifft Fragen der Zustellung von gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücken. Der Senat sieht dementsprechend keine Veranlassung, zur Abklärung des Verhältnisses speziell zur Schweiz die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 ZPO zuzulassen.