Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung u. a. für die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich erteilten europäischen Patents ... das auf einer am 17. November 1988 offengelegten Anmeldung vom 26. April 1988 beruht und dessen Erteilung am 16. Februar 1994 im Amtsblatt bekanntgemacht worden ist. Eine deutsche Übersetzung der Patentansprüche wurde am 19. März 1992 veröffentlicht. Das Klagepatent, das Immunoassays und analytische Testgeräte zu ihrer Durchführung betrifft, war Gegenstand eines Einspruchsverfahrens vor dem Europäischen Patentamt. Nachdem die Einsprüche zunächst erfolglos geblieben sind, hat die Technische Beschwerdekammer 3.3.4 die Entscheidung der Einspruchsentscheidung mit Beschluß vom 27. Januar 2000 aufgehoben und die Sache mit der Auflage zurückverwiesen, das Klageschutzrecht (u. a.) mit folgendem, eingeschränkten Patentanspruch 1 sowie einer daran angepaßten Beschreibung aufrechtzuerhalten:
„Analytisches Testgerät, umfassend einen trockenen porösen Träger (10), unmarkiertes spezifisches Bindungsreagenz für einen Analyten, welches unmarkierte Reagenz auf dem porösen Träger in einer Nachweiszone (14) permanent immobilisiert und daher in feuchtem Zustand nicht beweglich ist, und in trockenem Zustand in einer Zone (12) stromaufwärts von der Nachweiszone ein markiertes spezifisches Bindungsreagenz für dieselbe Nachweissubstanz, welches markierte spezifische Bindungsreagenz innerhalb des porösen Trägers in feuchtem Zustand frei beweglich ist, so daß die Flüssigkeitsprobe, die dem Gerät zugeführt ist, das markierte Reagenz aufnehmen und danach in die Nachweiszone eindringen kann, dadurch gekennzeichnet, daß der poröse Träger und das markierte spezifische Bindungsreagenz innerhalb eines hohlen Gehäuses (30) enthalten sind, das aus feuchtigkeitsundurchlässigem festem Material aufgebaut ist, der poröse Träger direkt oder indirekt mit dem Äußeren des Gehäuses derart in Verbindung steht, daß eine flüssige Testprobe auf den porösen Träger aufgebracht werden kann, das Gehäuse Mittel (32) zum Festhalten des Ausmaßes (sofern gegeben) beinhaltet, bis zu dem das markierte Reagenz in der Nachweiszone gebunden ist, der Markierungsstoff ein teilchenförmiger Direktmarkierungsstoff ist, das markierte spezifische Reagenz in einer ersten Zone (12) des trockenen porösen Trägers enthalten ist und das unmarkierte Reagenz in einer von der ersten Zone räumlich getrennten Nachweiszone immobilisiert ist, wobei die beiden Zonen derartig angeordnet sind, daß eine auf den porösen Träger aufgebrachte Flüssigkeitsprobe über die erste Zone in die Nachweiszone dringen kann.“
Die Beklagte zu 2) hat ihren Geschäftssitz in Frankreich. Sie stellt dort Schwangerschafts-Testgeräte her, die sie unter der Bezeichnung ... vertreibt. Zu den Abnehmern gehörte u. a. die in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Beklagte zu 1). Nach dem Vorbringen der Klägerin macht das Testgerät wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Auf der Fachmesse... die im Herbst 1996 in Düsseldorf stattfand, präsentierte die Beklagte zu 2) ein derartiges Gerät auf ihrem Messestand.
Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin – soweit für die Berufungsinstanz noch von Interesse – die Beklagte zu 2) aus dem deutschen Teil des Klagepatents auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung und Schadenersatz in Anspruch.
Das Landgericht hat der Klage auf der Grundlage der damals noch geltenden (erteilten) Fassung des Klagepatents stattgegeben und die Beklagte zu 2) – neben der Beklagten zu 1), welche die gegen sie gerichteten Ansprüche anerkannt hat – verurteilt,
1. es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland
analytische Testgeräte, umfassend ein hohles Gehäuse, aufgebaut aus einem feuchtigkeitsundurchlässigen festen Material und enthaltend einen trockenen porösen Träger, der direkt oder indirekt mit dem Äußeren des Gehäuses derartig in Verbindung steht, daß eine flüssige Testprobe auf den porösen Träger aufgebracht werden kann, wobei das Gerät ferner ein markiertes spezifisches Bindungsreagenz für eine Nachweissubstanz, welches markierte spezifische Bindungsreagenz innerhalb des porösen Trägers in feuchtem Zustand frei beweglich ist, und ein unmarkiertes spezifisches Bindungsreagenz für die gleiche Nachweissubstanz enthält, welches unmarkierte Reagenz auf dem porösen Träger in einer Nachweiszone permanent immobilisiert und daher in feuchtem Zustand nicht beweglich ist, wobei die relative Positionierung des markierten Reagenzes und der Nachweiszone derartig ist, daß eine auf das Gerät aufgebrachte Flüssigkeitsprobe das markierte Reagenz aufnehmen und danach in die Nachweiszone eindringen kann, wobei das Gerät Mittel zum Feststellen des Ausmaßes (sofern gegeben) beinhaltet, bis zu dem das markierte Reagenz in der Nachweiszone gebunden ist, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen, bei denen der Markierungsstoff ein teilchenförmiger Direktmarkierungsstoff ist;
2. der Klägerin Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfang sie – die Beklagte zu 2) – die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 16. März 1994 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, und
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.
Des weiteren hat das Landgericht
3. festgestellt, daß die Beklagte zu 2) verpflichtet ist,
a) der Klägerin für die zu 1. bezeichneten, in der Zeit vom 19. April 1992 bis 15. März 1994 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen,
b) der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu 1. bezeichneten, seit dem 16. März 1994 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten zu 2), zu deren Begründung sie ausführt:
Zu Unrecht habe das Landgericht bereits seine internationale Zuständigkeit bejaht. Bei seinem Rückgriff auf Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ, der den (vorliegend allein in Betracht zu ziehenden) Gerichtsstand der unerlaubten Handlung regele, sei das Landgericht davon ausgegangen, daß sie – die Beklagte zu 2) – Benutzungshandlungen im Inland vorgenommen habe. Diese Annahme sei unzutreffend. Die von der Klägerin für ihren Verletzungsvorwurf in Bezug genommene Produktbeschreibung gemäß Anlage K 19 enthalte ausschließlich einen Hinweis auf die Beklagte zu 1). Die Beschreibung sei während der ... auch nicht von ihr – der Beklagten zu 2) – verteilt worden. Ebensowenig liege in der Präsentation eines Testgerätes der Version ... ein Angebot im patentrechtlichen Sinne. Die gegenteilige Auffassung des Landgerichts trage dem Umstand nicht hinreichend Rechnung, daß es sich bei der ... weniger um eine Verkaufsmesse als vielmehr um eine bloße Leistungsschau gehandelt habe. Soweit in der Vergangenheit Testgeräte der angegriffenen Art an die in Deutschland ansässige Beklagte zu 1) veräußert worden seien, könne auch dies einen den deutschen Teil des Klagepatents betreffenden Verletzungsvorwurf nicht begründen. Die Lieferungen seien ausnahmslos ... erfolgt, wobei die Ware entweder von der Beklagten zu 1) selbst oder von einem für sie tätigen Spediteur in Frankreich abgeholt worden sei. Mit Blick auf den geltend gemachten Entschädigungsanspruch könne der Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ ohnehin nicht gegeben sein, weil es sich beim Anspruch auf eine angemessene Entschädigung nicht um einen Schadenersatz-, sondern um einen Bereicherungsanspruch handele. Aus den besagten Gründen erweise sich die Klage nicht nur – mangels internationaler Zuständigkeit – als unzulässig. Das Anspruchsbegehren sei darüber hinaus – mangels einer im Inland begangenen Benutzungshandlung – auch sachlich nicht gerechtfertigt. Das gelte nicht zuletzt deshalb, weil die angegriffene Ausführungsform von der lediglich beschränkt aufrechterhaltenen Fassung des Klagepatents keinen Gebrauch mache. Der Verletzungsvorwurf sei unbegründet, weil der poröse Träger des streitbefangenen Testgerätes nicht – wie vom Klagepatent vorausgesetzt – einstückig, sondern mehrteilig ausgebildet sei.
Rechtsfehlerhaft habe es das Landgericht im übrigen für unerheblich gehalten, daß zwischen der Klägerin und ihr – der Beklagten zu 2) – vor dem Tribunal de Grande Instance in Rennes ein paralleler Verletzungsrechtsstreit anhängig sei, in dem die Klägerin sie – die Beklagte zu 2) – wegen Verletzung des französischen Teils des Klagepatents auf Feststellung der Verpflichtung zur Unterlassung, zur Auskunftserteilung und zum Schadenersatz in Anspruch nehme und sie – die Beklagte zu 2) – im Wege der Widerklage die Nichtigerklärung des französischen Teils des Klagepatents beanspruche. Da das in Frankreich geführte Verfahren denselben Anspruch wie der vorliegende Rechtsstreit betreffe – nämlich die Frage der Verletzung des Klagepatents durch das in beiden Prozessen streitgegenständliche Testgerät ... und das französische Verfahren als erstes anhängig gemacht worden sei, müsse die vorliegende Klage wegen ihres schlechteren Zeitranges gemäß Art. 21 Abs. 2 EuGVÜ als unzulässig abgewiesen werden. Zumindest sei es geboten, den Rechtsstreit bis zur Klärung der Zuständigkeitsfrage durch das in Frankreich angerufene Gericht nach Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ auszusetzen.
Da die im französischen und im deutschen Verfahren verfolgten Klagen unbestreitbar im Zusammenhang stünden, sei es – sofern eine Anwendung des Art. 21 EuGVÜ nicht in Betracht kommen sollte – im Interesse einer Verfahrenskonzentration und zur Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen in jedem Fall angezeigt, den vorliegenden Rechtsstreit gemäß Art. 22 Abs. 2 EuGVÜ an das Tribunal de Grande Instance in Rennes zu verweisen, das als allgemeines Sitzgericht für alle gegen sie – die Beklagte zu 2) – geltend gemachten Ansprüche zuständig sei. Hilfsweise sei der Rechtsstreit gemäß Art. 22 Abs. 1 EuGVÜ bis zum Abschluß des französischen Verfahrens auszusetzen.
In jedem Fall sei es geboten, den Rechtsstreit bis zum endgültigen Abschluß des Einspruchsverfahrens auszusetzen, der erst gegeben sei, wenn – was bislang nicht der Fall sei – die Beschreibung an die von der Technischen Beschwerdekammer – zu Unrecht – für patentfähig gehaltene Anspruchsfassung angepaßt sei.
Die Beklagte zu 2) beantragt, das landgerichtliche Urteil – soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist – abzuändern und die Klage abzuweisen; hilfsweise, das Verfahren gemäß Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ auszusetzen, bis die Zuständigkeit des Tribunal de Grande Instance in Rennes feststeht; weiter hilfsweise, den Rechtsstreit an das Tribunal de Grande Instance in Rennes zu verweisen;
weiter hilfsweise, das Verfahren gemäß Art. 22 Abs. 1 EuGVÜ bis zum instanzbeendenden Urteil des Tribunal de Grande Instance in Rennes auszusetzen; weiter hilfsweise, das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluß des das Klagepatent betreffenden Einspruchsverfahrens auszusetzen; weiter hilfsweise (für den Fall einer Aufrechterhaltung der Verurteilung zur Auskunftserteilung), ihr einen Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zu 2) zurückzuweisen.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und tritt dem Berufungsvorbringen der Beklagten zu 2) entgegen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
Mit Recht hat das Landgericht seine internationale Zuständigkeit angenommen und die Beklagte zu 2) im zuerkannten Umfang zur Unterlassung, zur Rechnungslegung, zur Entschädigung und zum Schadenersatz verurteilt. Lediglich der Urteilsausspruch ist an die während des Berufungsrechtszuges erfolgte Neufassung des Klagepatents anzupassen.
I. Die gegen die Beklagte zu 2) erhobene Klage ist zulässig.
1. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ gestattet es, eine Person, die ihren Sitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) hat, in einem anderen Vertragsstaat zu verklagen, wenn Ansprüche aus einer unerlaubten Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Zuständig im Sinne eines Wahlgerichtsstandes ist in einem solchen Fall – neben dem (Wohn-)Sitzgericht des Beklagten – das Gericht desjenigen Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Sinn und Zweck des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ ist es, den Prozeß vor dem Gericht des Vertragsstaates stattfinden zu lassen, der als Handlungs- oder Erfolgsort in einer besonders engen Beziehung zu der Streitigkeit steht und der deshalb aufgrund seiner Nähe zum Geschehen oder zum eingetretenen Schaden für eine etwaige Sachaufklärung am besten geeignet ist. Zuständigkeitsbegründend ist dabei der Eintritt eines unmittelbaren Schadens am Ort der Belegenheit des verletzten Rechtsgutes.
Da das europäische Patent kein für alle Benennungsstaaten einheitliches Schutzrecht, sondern ein Bündel separater, jeweils territorial begrenzt geltender Patente ist, die lediglich ihre Entstehung einem einzigen Erteilungsakt in einem vereinheitlichten Prüfungsverfahren verdanken, befindet sich – wie der Senat bereits entschieden hat (Urt. v. 22.07.1999 – 2 U 127/98) – sowohl der Handlungs- wie auch der Erfolgsort im Sinne von Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ dort, wo der betreffende Schutzrechtsteil belegen ist. Soweit mithin die Klägerin Ansprüche aus dem deutschen Teil des Klagepatents herleitet, ist das verletzte Rechtsgut (Schutzrecht) ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland belegen. Nur dort kann der deutsche Teil des Klagepatents verletzt werden; nur dort kann auch der unmittelbare Schaden eintreten.
Zur Begründung der Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf genügt es insoweit, daß die Klägerin unter Hinweis auf das Verhalten der Beklagten zu 2) während der ... 1996 und die Lieferung des angegriffenen Testgerätes an die Beklagte zu 1) schlüssig Tatsachen vorgetragen hat, aus denen sich das Vorliegen einer im Bezirk des angerufenen Gerichts begangenen Patentverletzung ergibt. Ob sich der behauptete Verletzungssachverhalt beweiskräftig feststellen läßt, ist eine Frage der Begründetheit des Anspruchsbegehrens und für die Beurteilung der Zuständigkeitsfrage unerheblich. Es entspricht einem allgemeinen Grundsatz, daß „doppelrelevante Tatsachen“, die gleichzeitig zuständigkeits- und anspruchsbegründend sind, für die Bejahung des vom Kläger gewählten Gerichtsstandes keines besonderen Nachweises bedürfen (BGH, NJW 1994, 1413).
Hinsichtlich des auf den deutschen Teil des Klagepatents gestützten Unterlassungs-, Rechnungslegungs- und Schadenersatzanspruchs hat das Landgericht – ausgehend vom Sachvortrag der Klägerin – nach allem zu Recht seine internationale Zuständigkeit gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ angenommen. Ob das gleiche auch für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch gilt, kann auf sich beruhen. Insoweit ergibt sich die Zuständigkeit des Landgerichts in jedem Fall aus der Tatsache, daß sich die Beklagte zu 2) in der ersten Instanz auf das Verfahren eingelassen hat, ohne den Mangel der Zuständigkeit zu rügen (Art. 18 EuGVÜ). Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 19. Januar 1999 ist der Einwand der internationalen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts von dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten zu 2) lediglich hinsichtlich der Ansprüche wegen Verletzung des französischen Teils des Klagepatents vorgebracht, und sind – hilfsweise – aus den Schriftsätzen vom 24. Februar 1998, 26. Juni 1998 und 30. November 1998 lediglich die Aussetzungsanträge gestellt worden. In ihrer Eingabe vom 30. November 1998 hat die Beklagte zu 2) eine Zuständigkeitsrüge ebenfalls nicht hinsichtlich des Entschädigungsanspruchs (Klageantrag zu V.1.), sondern ausschließlich wegen des mit dem Klageantrag zu II.1.1 verfolgten Unterlassungsanspruchs erhoben.
2. Sonstige Zulässigkeitsbedenken gegen die erhobene Klage ergeben sich nicht. Das gilt – wie nachfolgend unter III. näher ausgeführt werden wird – auch mit Blick auf Art. 21, 22 EuGVÜ.
II. Mit Recht hat das Landgericht dem gegen die Beklagte zu 2) gerichteten Begehren in der Sache stattgegeben.
1. Keinen Bedenken begegnet zunächst, daß das angegriffene Testgerät ... wortsinngemäß von der technischen Lehre der Erfindung in der nach dem Ergebnis des Einspruchsbeschwerdeverfahrens maßgeblichen Formulierung Gebrauch macht.
a) Diese Feststellung ist unabhängig davon zu treffen, daß die Patentbeschreibung derzeit noch nicht an die von der Technischen Beschwerdekammer für patentfähig erachtete Anspruchsfassung angepaßt ist. Durch die Beschwerdeentscheidung hat das Klagepatent nicht vorübergehend seine Wirkung verloren. Die Tatsache, daß die der eingeschränkten Anspruchsfassung entsprechende Patentbeschreibung noch nicht vorliegt, steht auch einer Auslegung des Klagepatents, wie sie zur Schutzbereichsbestimmung erforderlich ist, nicht entgegen. Es entspricht vielmehr allgemeiner Rechtsauffassung, daß sich der Gegenstand eines teilvernichteten Patents aus den neugefaßten Patentansprüchen ergibt, wie er durch die Beschreibung und die Zeichnungen sowie die Gründe der teilvernichtenden Entscheidung umrissen wird (vgl. nur Benkard/Ullmann, Patentgesetz Gebrauchsmustergesetz, 9. Aufl., § 14 PatG Rn. 26).
b) In seiner hiernach geltenden Fassung stellt das Klagepatent ein analytisches Testgerät mit der Kombination folgender Merkmale unter Schutz:
(1) Auf einem trockenen porösen Träger ist
(a) in einer Nachweiszone ein unmarkiertes spezifisches Bindungsreagenz für einen Analyten permanent immobilisiert und daher in feuchtem Zustand nicht beweglich und
(b) in einer Zone stromaufwärts von der Nachweiszone in trockenem Zustand ein markiertes spezifisches Bindungsreagenz für dieselbe Nachweissubstanz enthalten, das innerhalb des porösen Trägers in feuchtem Zustand frei beweglich ist.
(2) Der Markierungsstoff ist ein teilchenförmiger Direktmarkierungsstoff.
(3) Die – stromaufwärts gesehen – erste Zone des trockenen porösen Trägers (welche das markierte Reagenz enthält) und die Nachweiszone (in welcher das unmarkierte Reagenz immobilisiert ist) sind räumlich voneinander getrennt.
(4) Die Anordnung ist so getroffen, dass eine Flüssigkeitsprobe, die dem Testgerät (bzw. dem porösen Träger) zugeführt wird, das markierte Reagenz aufnehmen und danach über die erste Zone in die Nachweiszone eindringen kann.
(5) Der poröse Träger und das markierte spezifische Bindungsreagenz sind innerhalb eines hohlen Gehäuses enthalten, das aus feuchtigkeitsundurchlässigem festem Material aufgebaut ist.
(6) Der poröse Träger steht direkt oder indirekt mit dem Äußeren des Gehäuses derart in Verbindung, daß eine flüssige Testprobe auf den porösen Träger aufgebracht werden kann.
(7) Das Gehäuse beinhaltet Mittel zum Feststellen des Ausmaßes (sofern gegeben), bis zu dem das markierte Reagenz in der Nachweiszone gebunden ist.
c) Von der genannten technischen Lehre macht das streitbefangene Testgerät wortsinngemäß Gebrauch.
Die Beklagte zu 2) selbst stellt dies nur im Hinblick darauf in Frage, daß der poröse Träger ihres Gerätes nicht einstückig ausgebildet ist, sondern sich aus zwei überlappenden Teilstücken unterschiedlichen Materials zusammensetzt, von denen das eine die erste Zone mit dem markierten spezifischen Bindungsreagenz für die Nachweissubstanz und das zweite die Nachweiszone mit dem unmarkierten spezifischen Bindungsreagenz aufnimmt. Die mehrteilige Ausgestaltung des Trägers führt die angegriffene Vorrichtung indessen nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatents heraus.
Der Anspruchswortlaut läßt gänzlich offen, ob der poröse Träger als einstückiges oder als mehrstückiges Bauteil konzipiert wird. Ebensowenig enthält der Patentanspruch Vorgaben dazu, aus welchen (ggf. unterschiedlichen) Materialien der Träger besteht. All dies steht nach der Anspruchsformulierung im freien Belieben des Fachmanns, solange nur die der Erfindung zugeschriebenen Wirkungen erreicht werden. Letzteres ist – wie auch die Beklagte zu 2) nicht in Zweifel zieht – vorliegend der Fall.
Die Gründe der Beschwerdeentscheidung sehen hinsichtlich der Ein- oder Mehrteiligkeit und der Materialbeschaffenheit des Trägers ebenfalls keinerlei Einschränkungen vor. Die gegenteilige Ansicht der Beklagten zu 2) beruht auf einer offensichtlich unzutreffenden Würdigung der Beschwerdeentscheidung. Die von der Beklagten zu 2) angeführten Textstellen befassen sich sämtlich nicht mit der Einstückigkeit oder Mehrstückigkeit des Trägermaterials: Auf Seite 10 wird die Tatsache abgehandelt, daß bei der Entgegenhaltung (6) die zu testende Probe mit einer markierten Bindungssubstanz gemischt und das resultierende Gemisch sodann auf einen Träger aufgebracht wird. Die Beschwerdekammer zieht daraus (aaO) den zutreffenden Schluß, daß Dokument (6) dem Fachmann nicht den (von der Erfindung des Klagepatents beschrittenen) Weg weist, das trockene markierte Bindungsreagenz – statt dessen mit der Probe zu mischen – direkt in den porösen Träger einzubetten. Seite 12 der Entscheidungsgründe befaßt sich mit der räumlichen Trennung der ersten Zone von der Nachweiszone. Eine Aussage zur Ein- oder Mehrstückigkeit des Trägers enthält die Passage damit nicht. Dasselbe gilt für die von der Beklagten zu 2) in Bezug genommenen Textstelle auf Seite 13. Es trifft dementsprechend auch nicht zu, daß die Technische Beschwerdekammer in der Einteiligkeit des Trägers, der beide Zonen aufnimmt, das Erfinderische der beanspruchten Lehre gesehen hat.
2. Unbestreitbar hat die Beklagte zu 2) die patentverletzende Vorrichtung des weiteren im Inland benutzt.
a) Ihrem eigenen Vorbringen zufolge hat sie dem Fachpublikum auf der ... 1996 ein Testgerät der angegriffenen Art präsentiert. Darin liegt eine Benutzung der Erfindung in Form des Anbietens.
Zwar entspricht es – worauf die Beklagten zu 2) an sich zutreffend hinweist – der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (GRUR 1990, 358, 359 f. – Heißläuferdetektor), daß die Ausstellung und Vorführung einer Vorrichtung auf einer allgemeinen „Leistungsschau“, die den Fachkreisen und der Öffentlichkeit einen Überblick über den erreichten Leistungsstand geben soll und die nicht den Charakter einer Verkaufsmesse hat, in der Regel kein patentverletzendes „Anbieten“ des geschützten Erzeugnisses darstellt. Die Beklagte zu 2) behauptet indessen selbst nicht, daß es sich bei der ... 1996 um eine reine Leistungsschau im genannten Sinne gehandelt hat. In ihrer Berufungsbegründung führt sie – im Gegenteil – lediglich aus, daß die ... „weit mehr einer Leistungsschau zuzuordnen (sei) als einer verkaufsorientierten Messe“. Daß die Messepräsentation – zumindest auch – kommerziellen Zwecken gedient hat, stellt die Beklagte zu 2) mithin selbst nicht in Abrede. Einer dahingehenden Behauptung stünde im übrigen der Inhalt des von der Klägerin als Anlage K 30 vorgelegten Messe-Kataloges entgegen, in dem es einleitend heißt:
„Auf internationaler Ebene hat die ... A weiterhin an Bedeutung gewonnen. Sie zeigt die internationale Arbeitsteilung nicht nur im kommerziellen Bereich, sondern in der Dreierkombination ... A/Cd/ ... mit vielen wissenschaftlichen Forschungsprojekten auf.
Gerade diese Internationalität wird durch die große Resonanz der ... im Ausland bewiesen. Mehr als 40 % aller Aussteller kommen in diesem Jahr aus dem Ausland und nutzen die ... A als weltweite Basis für Business.“
Daß die Beklagte zu 2) – wie sie behauptet – deutsche Messebesucher an die Beklagte zu 1) verwiesen hat, ist in diesem Zusammenhang ohne Relevanz. Eine widerrechtliche Benutzung der Erfindung im Inland liegt bereits in der Vorführung des ... -Testgerätes gegenüber irgendeinem Interessenten, gleich welcher Nationalität, sofern die Vorführung – wie hier geschehen – nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfindet.
b) Abgesehen von ihren Aktivitäten auf der ... 1996 trifft die Beklagte zu 2) der Vorwurf einer Patentverletzung auch im Hinblick auf die als solche unstreitige Lieferbeziehung zu der Beklagten zu 1).
Offenkundig ist dies zunächst für die Handlungsalternative des Anbietens patentgeschützter Testgeräte. Sie ist schon deshalb – auch – im Bundesgebiet begangen, weil die Beklagte zu 1) ihren Geschäftssitz in Deutschland hat und deshalb der Empfangsort der von der Beklagten zu 2) ausgehenden Angebote notwendigerweise im Inland liegt.
Darüber hinaus stellt die Lieferung der ... Testgeräte an die Beklagte zu 1) gleichfalls eine widerrechtliche Benutzung des Klagepatents dar. Insoweit kann dahinstehen, ob die Testgeräte – wie die Beklagte zu 2) vorträgt – stets von der Beklagten zu 1) oder einem für sie tätigen Spediteur in Frankreich abgeholt worden sind. Selbst wenn die Geschäftsbeziehung in der erwähnten Weise gehandhabt worden sein sollte, ändert dies nichts an der Tatsache, daß die Beklagte zu 2) die patentverletzenden Testgeräte in dem Bewußtsein ausgeliefert hat, daß sie von der Beklagten zu 1) in der Bundesrepublik Deutschland gewerbsmäßig in den Verkehr gebracht werden. Die Beklagte zu 2) hat insofern durch ihr Verhalten zurechenbar an den im Inland begangenen Verletzungshandlungen mitgewirkt.
3. Aufgrund der gegebenen Patentverletzungen ist die Beklagte zu 2) aus den vom Landgericht (LGU 31-33) zutreffend dargelegten Gründen – auf die gemäß § 543 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird – im zuerkannten Umfang zur Unterlassung, zur Rechnungslegung, zur Entschädigung und zum Schadenersatz verpflichtet.
Die Einräumung eines Wirtschaftsprüfervorbehaltes zugunsten der Beklagten zu 2) kommt nicht in Betracht. Soweit es um die Abnehmer, die Angebotsempfänger und die Menge der vertriebenen Testgeräte geht, steht dem bereits § 140 b Abs. 1, 2 PatG entgegen (BGH, GRUR 1995, 338, 341 – Kleiderbügel). Hinsichtlich der übrigen Einzeldaten hat die Beklagte zu 2), die insoweit darlegungs- und beweispflichtig ist (BGH, GRUR 1981, 535), keine Umstände vorgetragen, die es rechtfertigen könnten, die für die Schadensberechnung notwendigen Angaben nicht der Klägerin selbst, sondern statt dessen einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer bekanntzugeben (vgl. Benkard/Rogge, Patentgesetz Gebrauchsmustergesetz, 9. Aufl., § 139 PatG Rn. 89 a. E.). Allein der Hinweis darauf, daß die Parteien unmittelbare Wettbewerber sind und der vorliegend einschlägige Markt der Immunoassays „außergewöhnlich hart umkämpft ist“, ist ohne hinreichende Substanz und reicht nicht aus, die Rechnungslegungspflicht zu Lasten der Klägerin einzuschränken.
III. Der zwischen den Parteien vor dem Tribunal de Grande Instance in Rennes wegen des französischen Teils des Klagepatents anhängige Rechtsstreit gibt keine Veranlassung, das vorliegende Verfahren auszusetzen. Auch das hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen ausgeführt.
1. Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ, auf den sich die Beklagte zu 2) für ihr Aussetzungsbegehren in erster Linie stützt, bestimmt, daß, wenn bei Gerichten verschiedener Vertragsstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht werden, das später angerufene Gericht von Amts wegen die Aussetzung seines Verfahrens zu beschließen hat, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht. Das Tatbestandsmerkmal „derselbe Anspruch“ ist nach der Rechtsprechung des EuGH (NJW 1989, 665, 666 – Gubisch Maschinenfabrik/Palumbo; JZ 1995, 616, 618 – The Tatry/The Maciej. Rataj.) als autonom zu begreifen und unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Brüsseler Übereinkommens zu verstehen. Bei der Auslegung ist dem Umstand Rechnung zu tragen, daß Art. 21 EuGVÜ dazu dient, im Interesse einer geordneten Rechtspflege innerhalb der Gemeinschaft Parallelverfahren vor Gerichten verschiedener Vertragsstaaten und daraus möglicherweise resultierende gegensätzliche Entscheidungen zu verhindern. Die Aussetzungsregelung soll (soweit als möglich) von vornherein eine Situation ausschließen, wie sie in Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ vorgesehen ist, nämlich die Nichtanerkennung einer Entscheidung wegen Unvereinbarkeit mit einer Entscheidung, die zwischen denselben Parteien in dem Staat ergangen ist, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird (EuGH, aaO). Zur Erreichung dieser Ziele ist Art. 21 EuGVÜ grundsätzlich weit auszulegen (EuGH, NJW 1992, 3221 – Overseas Union/New Hampshire Insurance). Nicht die formale Identität der Klageanträge ist entscheidend; maßgeblich ist vielmehr, ob im Kern über dieselben Punkte gestritten wird (EuGH – Gubisch Maschinenfabrik/Palumbo, aaO; BGH, NJW 1997, 870, 872). In seinem Urteil „The Tatry/The Maciej. Rataj.“ (JZ 1995, 616, 618) hat der Gerichtshof demgemäß ausgesprochen, daß eine Klage, die auf die Feststellung, daß der Beklagte für einen Schaden haftet, und auf dessen Verurteilung zur Zahlung von Schadenersatz gerichtet ist, denselben Anspruch betrifft wie eine von diesem Beklagten erhobene Klage auf Feststellung, daß er für den Schaden nicht haftet.
a) Im Streitfall ist deswegen unschädlich, daß Gegenstand des in Frankreich anhängigen Verfahrens eine Feststellungsklage, Gegenstand des von der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland geführten Prozesses dagegen (hinsichtlich des Anspruchs auf Unterlassung und Rechnungslegung) eine Leistungsklage ist.
b) Wesentlich für die rechtliche Beurteilung indessen ist – wie das Landgericht richtig erkannt hat –, daß der Klagegrund in beiden Verfahren ein jeweils anderer ist. Während die Parteien im Verfahren vor dem Tribunal de Grande Instance in Rennes über eine Verletzung des französischen Teils des Klagepatents streiten, geht es im vorliegenden Rechtsstreit darum, ob das angegriffene Testgerät den deutschen Teil des Klagepatents (d. h. ein anderes Schutzrecht des europäischen Bündelpatents) verletzt.
Zwar ist der Schutzbereich des Klagepatents in allen Benennungsstaaten prinzipiell gleich zu bestimmen. Auszugehen ist von der Fassung des Patents in der vom Anmelder gewählten Verfahrenssprache (Art. 70 Abs. 1 EPÜ); auszulegen ist das Patent nach Maßgabe des Art. 69 EPÜ und der ergänzenden Erläuterungen des Auslegungsprotokolls. Dieselbe angegriffene Ausführungsform wird deswegen in aller Regel in sämtlichen Benennungsstaaten gleichermaßen entweder in den Schutzbereich des Klagepatents fallen oder vom Schutzbereich des Klagepatents nicht erfaßt werden (vgl. Senat, Beschl. v. 30.09.1999 – 2 W 60/98, Umdruck 20; Urt. v. 08.06.2000 – 2 U 55/99, Umdruck 7 f.). Das bedeutet allerdings nicht, daß auch über die Verletzungsklage als solche hinsichtlich jedes nationalen Teils gleich zu entscheiden wäre. Art. 2 Abs. 2 EPÜ bestimmt ausdrücklich, daß das europäische Patent in jedem Vertragsstaat, für den es erteilt worden ist, dieselbe Wirkung hat und denselben Vorschriften unterliegt wie ein in diesem Staat erteiltes nationales Patent. Art. 64 Abs. 1 EPÜ sieht ergänzend hierzu vor, daß das europäische Patent seinem Inhaber in jedem Benennungsstaat dieselben Rechte gewährt, die ihm ein im jeweiligen Staat erteiltes nationales Patent gewähren würde. Art. 64 Abs. 3 EPÜ schließlich ordnet an, daß die Verletzung des europäischen Patents nach nationalem Recht zu behandeln ist. Hinsichtlich jedes einzelnen Teils eines europäischen Patents bleibt insofern nationales materielles Recht anwendbar, das im Einzelfall – von Benennungsstaat zu Benennungsstaat unterschiedlich – über den Erfolg oder Mißerfolg der Patentverletzungsklage entscheiden kann. Ein Beispiel dafür bietet das Vorbenutzungsrecht, für welches das EPÜ keine vereinheitlichten Rechtsvorschriften enthält. Die Frage, ob und unter welchen tatbestandlichen Voraussetzungen ein die Rechtswidrigkeit der Patentbenutzung ausschließendes privates Vorbenutzungsrecht anzuerkennen ist, richtet sich aufgrund dessen nach dem jeweiligen nationalen Recht der einzelnen Benennungsstaaten.
Wegen des unterschiedlichen Schicksals, das die auf verschiedene Teile des Klagepatents gestützten Ansprüche nehmen können, scheidet es aus, die eine Verletzungsklage als unzulässig abzuweisen (bzw. auszusetzen), weil zwischen den Parteien in einem anderen Vertragsstaat ein zweiter (nach teilweise anderen Rechtsvorschriften zu beurteilender und deshalb gegebenenfalls auch im Ergebnis anders zu entscheidender) Verletzungsrechtsstreit schwebt.
c) Daß sich die Beklagte zu 2) sowohl im französischen wie auch im deutschen Verfahren mit dem Einwand verteidigt, die patentierte Lehre sei nicht erfinderisch und deshalb nicht rechtsbeständig, gibt ebensowenig einen Anlaß für eine Aussetzung des Rechtsstreits. Zwar ist über den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Erfindungshöhe in allen Benennungsstaaten nach demselben materiellen Recht zu befinden (Art. 56, 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ). Jedem Benennungsstaat ist allerdings nur die Befugnis eingeräumt, das europäische Patent mit Wirkung für sein Hoheitsgebiet für nichtig zu erklären (vgl. Art. 16 Nr. 4 EuGVÜ). Das schließt es – entgegen der Auffassung der Beklagten zu 2) – aus, daß die Gerichte eines Staates über die Nichtigkeit des nationalen Teils eines anderen Benennungsstaates entscheiden. Folgerichtig begehrt auch die Beklagte zu 2) mit ihrer Widerklage vor dem Tribunal de Grande Instance in Rennes lediglich die Vernichtung des französischen Teils des Klagepatents. Da der deutsche Teil des Patents, solange er besteht, der Klägerin Verbietungsrechte vermittelt und dementsprechend auch von den Verletzungsgerichten zu beachten ist, und der deutsche Teil des Klagepatents nur durch ein deutsches Gericht für nichtig erklärt werden kann, erspart die in Frankreich anhängige Widerklage unter keinen Umständen den in Deutschland zu führenden Nichtigkeitsprozeß. Die hiesige Klage kann deswegen auch nicht mit Blick auf das französische Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren als unzulässig abgewiesen oder der Rechtsstreit – im Vorgriff auf ein dahingehendes Prozeßurteil – ausgesetzt werden.
2. Ohne Erfolg bleibt desgleichen der Hinweis der Beklagten zu 2) auf Art. 22 EuGVÜ.
a) Eine Verweisung des vorliegenden Rechtsstreits an das Tribunal de Grande Instance in Rennes kommt schon aus Rechtsgründen nicht in Betracht.
Art. 22 Abs. 2 EuGVÜ sieht vor, daß sich das später angerufene Gericht auf Antrag einer Partei für unzuständig erklären kann, wenn die Verbindung im Zusammenhang stehender Verfahren nach seinem innerstaatlichen Recht zulässig ist und das zuerst angerufene Gericht für beide Klagen zuständig ist. Notwendige Voraussetzung für die Unzuständigkeitserklärung (und die ihr nachfolgende Verweisung) ist demnach, daß das nationale Recht des später angerufenen Gerichts eine Verbindung zusammenhängender Klagen zuläßt, die vor verschiedenen Gerichten anhängig sind. Eine derartige Möglichkeit sieht das deutsche Prozeßrecht nicht vor. § 147 ZPO gestattet eine Verbindung zweier Verfahren – im Gegenteil – nur dann, wenn sie vor demselben Gericht schweben. Eine Verweisung des Rechtsstreits kommt folglich in der Bundesrepublik Deutschland nicht in Betracht (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 6. Aufl., Art. 22 Rn. 8; Zöller/Geimer, Zivilprozeßordnung, 21. Aufl., Anh. I Art. 22 GVÜ Rn. 8).
b) Unter den gegebenen Umständen ist auch eine Aussetzung des Rechtsstreits bis zur Entscheidung im französischen Verfahren (Art. 22 Abs. 1 EuGVÜ) nicht angebracht.
Angesichts des zeitlich limitierten Patentschutzes ist das Interesse der Klägerin anzuerkennen, zur Durchsetzung ihrer Ausschließlichkeitsrechte möglichst schnell in den Besitz einer gerichtlichen Entscheidung zu gelangen. Dieses Anliegen rechtfertigt es vorliegend bereits für sich, die auf den deutschen Teil des Klagepatents gestützten Ansprüche entsprechend der von der Klägerin getroffenen Gerichtsstandswahl in der Zuständigkeit der deutschen Gerichte zu belassen. Obwohl die Klagen in Frankreich und Deutschland praktisch parallel bei Gericht eingereicht worden sind, ist der Verfahrensstand in beiden Staaten ein völlig unterschiedlicher. Während im französischen Verfahren bisher nicht einmal eine erstinstanzliche Entscheidung vorliegt, findet der deutsche Verletzungsprozeß mit der vorliegenden Entscheidung bereits in zweiter Instanz seinen Abschluß. Allein das macht deutlich, daß es für die Klägerin schlechterdings unzumutbar ist, sich wegen ihrer Ansprüche aus dem deutschen Teil des Klagepatents auf das französische Verfahren verweisen zu lassen. Abgesehen davon ist auch der Wunsch der Klägerin zu respektieren, daß über die Verletzung des deutschen Teils des Klagepatents (der – wie dargelegt – teilweise nationalen Rechtsvorschriften unterliegt) ein deutsches und kein ausländisches Gericht entscheidet. Gegenüber beiden Gesichtspunkten hat das Interesse der Beklagten zu 2) an einer möglichst einheitlichen gerichtlichen Entscheidung der Verletzungsfrage hinsichtlich aller nationalen Teile des Klagepatents zurückzutreten.
3. Die im Zusammenhang mit Art. 21, 22 EuGVÜ zu entscheidenden Rechtsfragen sind durch den Europäischen Gerichtshof hinreichend geklärt oder angesichts der Rechtsnatur des europäischen Patents als eines Bündels nationaler Schutzrechte auf der Grundlage der bisherigen EuGH-Rechtsprechung eindeutig zu beantworten. Einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof bedarf es in Anbetracht dessen nicht.
4. Schließlich besteht auch kein Anlaß, den Rechtsstreit auszusetzen, bis die Einspruchsabteilung das Klagepatent nach Maßgabe der Beschwerdeentscheidung neu gefaßt hat. Wie oben ausgeführt, liegt in Gestalt der von der Technischen Beschwerdekammer für patentfähig gehaltenen Anspruchsfassung, der ursprünglichen Beschreibung und der Patentzeichnungen sowie der Gründe der teilvernichtenden Beschwerdeentscheidung eine hinreichende Grundlage für die Bestimmung des dem Klagepatent in seiner eingeschränkten Form zukommenden Schutzbereichs vor. Soweit die Beklagte zu 2) die sachliche Richtigkeit der Beschwerdeentscheidung bezweifelt, kann dies schon deshalb keine Veranlassung für eine Aussetzung geben, weil die Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer unanfechtbar ist. Im übrigen sind die Einwände der Beklagten zu 2) lediglich stichwortartig angegeben und mit diesem Inhalt ohne zureichende Substanz.