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unalex. Rechtsprechung Entscheidung DE-438
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unalex. Rechtsprechung

Entscheidung DE-438  



LG Paderborn (DE) 22.12.1994 - 5 S 302/94
Art. EuGVÜ – unalexAbgrenzung der zivilrechtlichen von den öffentlich-rechtlichen Streitsachen –unalexAnsprüche gegen ausländische Staaten –unalexBeschäftigungsverhältnisse der für einen Hoheitsträger tätigen Personen

LG Paderborn (DE) 22.12.1994 - 5 S 302/94, unalex DE-438


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de - Kommentar zur VO(EG) 44/2001 und zum Übereinkommen von Lugano (1 cit.) erweiternde - Kommentar zur VO(EG) 44/2001 und zum Übereinkommen von Lugano (1 cit.)



Bei dem Anspruch eines Pflichtverteidigers auf Anwaltshonorar handelt es sich um einen zivilrechtlichen Anspruch iSv Art. 1 Abs. 1 EuGVÜ. Auch wenn der EuGH die Gebühren von öffentlich-rechtlichen Institutionen und Notaren als öffentlich-rechtliche Ansprüche bewertet, übt ein Rechtsanwalt - auch wenn er als Pflichtverteidiger vom Staat beauftragt ist - im Gegensatz zu Notaren und Behörden keine hoheitlichen Rechte aus.


-  Zusammenfassung der Entscheidung 

Der italienische Kläger erhob am Wohnsitz des Beklagten in Deutschland Klage auf Zahlung eines Honorars. Dieses stehe ihm als strafrechtlichem Pflichtverteidiger des in Deutschland wohnhaften Beklagten, dem damaligen Angeklagten vor dem italienischen Militärtribunal, zu.

Entgegen der Auffassung des Beklagten bejaht das LG Paderborn (DE) seine internationale Zuständigkeit für die Honorarklage. Bei dem geltend gemachten Anspruch auf Anwaltshonorar handele es sich um einen zivilrechtlichen Anspruch, für welchen gemäß Art. 1 Abs. 1 EuGVÜ der Rechtsweg zu den deutschen Gerichten gegeben sei. Eine nach der Rechtsprechung des EuGH erforderliche „vertragsautonome“ Begriffsbestimmung der „Zivil- und Handelssachen“ iSv. Art. 1 Abs. 1 EuGVÜ ergebe, dass es sich bei dem Honorar eines Rechtsanwaltes – auch eines Pflichtverteidigers – nicht um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch handele, sondern um eine Forderung zivilrechtlicher Natur. Auch wenn der EuGH die Gebühren von öffentlich-rechtlichen Institutionen und Notaren als öffentlich-rechtliche Ansprüche bewerte, sei ein Rechtsanwalt – auch wenn er als Pflichtverteidiger bestellt sei – weder mit einer öffentlich rechtlichen Institution noch mit einem Notar zu vergleichen. Während der Pflichtverteidiger „nur“ eine vom Staat beauftragte Privatperson sei, seien Notare und Behörden zur Ausübung hoheitlicher Rechte, insbesondere zur eigenständigen Beitreibung von Gebühren für die Inanspruchnahme ihrer Dienste befugt. Einem vom Staat beauftragten Rechtsanwalt sei die eigenständige Schaffung eines Vollstreckungstitels zur Beitreibung seines Honorars hingegen nicht möglich. Daher sei das Honorar eines Pflichtverteidigers, der zur Durchsetzung seines Anspruchs gerichtliche Hilfe zur Schaffung eines Titels in Anspruch nehmen müsse, als Zivilsache im Sinne des Art. 1 Abs. 1 EuGVÜ zu bewerten, so dass für die Honorarklage der Rechtsweg zu den deutschen Zivilgerichten eröffnet sei.

 JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission

-  Entscheidungstext 

Die Berufung ist zulässig; insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden; sie ist in der Sache im wesentlichen auch begründet.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Lippstadt ist die Honorarklage des Klägers zulässig. Bei dem mit der Klage geltend gemachten Anspruch auf Anwaltshonorar handelt es sich um einen zivilrechtlichen Anspruch, für welchen gemäß Art. 1 EuGVÜ der Rechtsweg zu den deutschen Gerichten gegeben ist.

Gemäß Art. 1 EuGVÜ sind vor deutschen Gerichten ausschließlich Zivil- oder Handelssachen einklagbar. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH NJW 1977,489 f.) ist dabei der Begriff „Zivil- und Handelssachen“ nicht nach dem anwendbaren nationalen Recht zu entscheiden, sondern „vertragsautonom“ zu bestimmen.

Eine solche autonome Begriffsbestimmung ergibt nach Auffassung der Kammer, daß es sich bei dem Honorar eines Rechtsanwaltes – auch eines Pflichtverteidigers – nicht um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch handelt, sondern um eine Forderung zivilrechtlicher Natur. Der Auffassung des erstinstanzlich tätigen Sachverständigen …, welcher unter Hinweis auf die weite Ausdehnung des Begriffes „öffentlich-rechtlich“ durch den EuGH die Meinung vertritt, es entspreche der Logik der Rechtsprechung des EuGH, auch das Honorar eines Pflichtverteidigers als öffentlich-rechtlichen Anspruch zu qualifizieren, kann nicht gefolgt werden. Denn die Begründung des Sachverständigen, daß der Europäische Gerichtshof die Gebühren von öffentlich-rechtlichen Institutionen und Notaren als öffentlich-rechtliche Ansprüche bewerte und deshalb wohl auch das Honorar eines Pflichtverteidigers als öffentlich-rechtlichen Anspruch beurteile, überzeugt die Kammer nicht. Ein Rechtsanwalt – auch wenn er als Pflichtverteidiger bestellt ist – ist weder mit einer öffentlich rechtlichen Institution noch mit einem Notar zu vergleichen. Während der Pflichtverteidiger „nur“ eine vom Staat beauftragte Privatperson ist, sind Notare und Behörden zur Ausübung hoheitlicher Rechte befugt. Aus eben jener Ausstattung mit hoheitlichen Befugnissen ergibt sich aber die besondere Stellung von Notaren und Behörden im Verhältnis zu Privatpersonen, was sich insbesondere bei der eigenständigen Befugnis zur Beitreibung von Gebühren für die Inanspruchnahme ihrer Dienste niederschlägt. Gerade hierin aber liegt der entscheidende Unterschied zu einem Pflichtverteidiger. Bei ihm handelt es sich „lediglich“ um einen vom Staat beauftragten Rechtsanwalt, welchem aber nicht die eigenständige Schaffung eines Vollstreckungstitels zur Beitreibung seines Honorars möglich ist. Nach Auffassung der Kammer ist aus den vorgenannten Gründen das Honorar eines Pflichtverteidigers, der zur Durchsetzung seines Anspruchs gerichtliche Hilfe zur Schaffung eines Titels in Anspruch nehmen muß, als Zivilsache im Sinne des Art. 1 EuGVÜ zu bewerten, so daß für die Honorarklage der Rechtsweg zu den deutschen Zivilgerichten eröffnet ist.

Die Honorarklage ist auch begründet. Der Kläger hat gemäß Art. 2229 Abs. 1, 2233 Abs. 1 Codice Zivile einen Anspruch auf Zahlung restlichen Anwaltshonorars in Höhe von 1.747.374 Lire.

Auf den vorliegenden Rechtsstreit findet das italienische Recht Anwendung. Denn für das Rechtsverhältnis des Klägers als strafrechtlichen Pflichtverteidigers zum Beklagten, dem damaligen Angeklagten vor dem italienischen Militärtribunal, gilt das Recht des Staates, vor dessen Strafverfolgungsorganen das Strafverfahren stattgefunden hat. Wie auch bereits der Sachverständige … erstinstanzlich in seinem Gutachten ausgeführt hat, hat die Frage des anwendbaren Rechtes mit der Staatsangehörigkeit des damaligen Angeklagten, des Beklagten also, nichts zu tun. Auch der Umstand, daß der Beklagte damals schon seinen Wohnsitz in Deutschland hatte, ändert an der Rechtslage nichts. Soweit die ursprüngliche Beauftragung des Klägers als Pflichtverteidiger durch den italienischen Staat später durch ein Wahlverteidigerverhältnis ersetzt worden ist, ergibt sich die Anwendbarkeit des italienischen Rechts aus Art. 28 Abs. 2 Satz 2 EGBGB. Denn nach dieser Vorschrift unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist. Dies ist im vorliegenden Fall der italienische Staat, denn dort hat die Beauftragung des Klägers durch den Beklagten stattgefunden und hier hat der Kläger seine Dienste erbracht.

Ist demgemäß das italienische Recht anwendbar, so ergibt sich ein Anspruch des Klägers auf Zahlung seines Honorars aus den Art. 2229 Abs. 1, 2233 Abs. 1 Codice Zivile. Nach den vorgenannten Normen wird das anwaltliche Honorar – falls keine Vereinbarung von den Parteien getroffen worden ist – nach den Tarifen für die Berufsgruppen bzw. vom Gericht auf der Grundlage der Stellungnahme der Berufsvereinigung bestimmt. Vorliegend hat die Anwaltskammer von Verona unter dem 19. April 1993 eine entsprechende Stellungnahme abgegeben, nach der der Kläger das Honorar zu einem Betrag von 2.855.000 Lire als angemessen abrechnen kann. Dieses Honorar hat der Kläger dem Beklagten zuzüglich Gesamtausgaben und Steuern auch in Rechnung gestellt, so daß sich eine Gesamtforderung in Höhe von 3.539.674 Lire ergibt.

Soweit der Beklagte die vom Kläger in Rechnung gestellten Leistungen bestritten hat, ist dieses pauschale Bestreiten angesichts der detaillierten Leistungsaufstellung des Klägers nicht hinreichend substantiiert.

Die Kammer hat nach durchgeführter Beweisaufnahme auch nicht feststellen können, daß der Beklagte mit dem Kläger eine von der vorgenannten Rechnung abweichende Honorarvereinbarung über 2.000.000 Lire getroffen hat. Die Behauptung des Klägers, daß zwischen den Parteien nach der Haftentlassung des Beklagten am 14.1.1993 eine konkrete Honorarvereinbarung über 2.000.000 Lire getroffen worden sei, ist nicht bewiesen. So hat der Zeuge … zwar ausgesagt, der Beklagte habe den Kläger gefragt, was er zu zahlen habe. Der Kläger habe darauf geantwortet, es würden etwa 1,8 bis 2 Mio. Lire sein. Nach Angaben des Zeugen haben die Parteien jedoch nicht darüber gesprochen, welche Leistungen des Klägers mit der Zahlung dieses Betrages abgegolten sein sollten. Darüber hinaus sei über das Anwaltshonorar nicht verhandelt worden.

Bei dieser Sachlage, die mit der Darstellung des Beklagten bei seiner Anhörung durch die Kammer gemäß § 141 ZPO übereinstimmt, ist bei der vom Zeugen … geschilderten Besprechung am 14.1.1993 in dem Cafe gegenüber der Strafanstalt keine Honorarvereinbarung getroffen worden; vielmehr hat der Kläger auf Befragen des Beklagten eine grobe Schätzung des angefallenen Anwaltshonorars abgegeben. Aus der Äußerung des Klägers, es seien etwa 1,8 bis 2 Mio. Lire zu zahlen, kann nicht geschlossen werden, daß sich dieser rechtsverbindlich mit einem Honorar von 2 Mio. Lire begnügen würde. Einen solchen Rechtsbindungswillen hat der Kläger schon deshalb nicht bekundet, weil zwischen den Parteien nicht darüber gesprochen worden ist, welche Leistungen mit den 2 Mio. Lire abgegolten sein sollten; insbesondere haben die Parteien nicht darüber gesprochen, ob dieses Anwaltshonorar lediglich für die Tätigkeiten des Klägers im Zusammenhang mit der Haftentlassung des Beklagten stünden, oder ob damit auch seine frühere Tätigkeit als Pflichtverteidiger vor dem Militärtribunal bezahlt sein sollte. Aus den vorgenannten Gründen hat die Kammer nicht festzustellen vermocht, daß Kläger und Beklagter ein Anwaltshonorar von 2 Mio. Lire vereinbart haben. Der mangelnde Beweis einer solchen Honorarvereinbarung geht zu Lasten des beweisbelasteten Beklagten.

Nach alledem hat der Kläger ursprünglich eine Honorarforderung gegen den Beklagten in Höhe von 3.539.674 Lire gehabt. Unstreitig gezahlt hat der Beklagte einen Betrag von 1. 792.300 Lire, so daß sich das Resthonorar auf 1.747.374 Lire beläuft. Diesen Restbetrag hat der Beklagte an den Kläger zu zahlen.

Die währungsrechtlichen Bedenken des Beklagten gegen das Verlangen des Klägers zur Zahlung in ausländischer Währung greifen nicht durch, da gemäß § 49 Außenwirtschaftsgesetz § 3 Satz 1 Währungsgesetz bei Rechtsbeziehungen zwischen Gebietsansässigen und Gebietsfremden keine Anwendung findet, so daß der italienische Kläger sein Honorar in italienischer Lire verlangen kann. Der Zinsanspruch des Klägers in Höhe von 10 % ergibt sich aus Art. 1284 Abs. 1 Codice Zivile. Danach ist der Honoraranspruch des Klägers von der Fälligkeit an zu verzinsen. Fällig ist der Honoraranspruch des Anwalts mit Zugang der Kostennote. Der Kläger hat nicht vorgetragen, wann die Kostenrechnung dem Beklagten zugegangen ist, so daß die Kammer bei der Fälligkeit auf den Zeitpunkt der Klagezustellung am 31.7.1993 abgestellt hat.

Nach alledem war das Urteil des Amtsgerichts Lippstadt vom 22. August 1994, wie im Tenor geschehen, abzuändern.





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