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Zusammenfassung der Entscheidung Die in Paris (FR) lebende Antragstellerin leitete gegen den in Deutschland ansässigen Antragsgegner vor dem Tribunal de Grande Instance in Paris ein Scheidungsverfahren ein. In diesem Verfahren erließ der Gerichtsvorsitzende am 14.10.1975 einen Nichtversöhnungsbeschluss ("ordonnance de non-conciliation"). In diesem wurde verfügt, dass die Personensorge für die Kinder der beiden Parteien der Antragstellerin übertragen wird. Ferner wurde verfügt, dass der Antragsgegner an die Antragstellerin eine monatliche Unterhaltsrente von insgesamt 2.100 FF für sie selbst sowie für die beiden Kinder zu zahlen hat. Das Urteil wurde auf Antrag der Antragstellerin mit der deutschen Vollstreckungsklausel versehen. Hiergegen wandte sich der Antragsgegner.
Das OLG Karlsruhe (DE) stellt fest, dass die in Art. 238 des Code Civil und Art. 878 des Code de Procédure Civile geregelte "ordnonnance de non-conciliation", die weitgehend der einstweiligen Anordnung gemäß § 627 der deutschen ZPO entspreche, eine Entscheidung im Sinne des Art. 25 EuGVÜ sei. Dass der Beschluss bereits nach dem Scheitern des gerichtlichen Sühneversuchs, also vor dem eigentlichen Scheidungsrechtsstreit erlassen werde, sei insoweit ohne Bedeutung. Wesentlich sei, dass die Anordnung selbst in einem gerichtlichen Verfahren erlassen worden und in Frankreich vollstreckbar sei. Auch sei das EuGVÜ gemäß Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 auf den vorliegenden Fall anwendbar. Dies ergebe sich daraus, dass die zu vollstreckende Anordnung der Unterhaltszahlung nicht personenstandsrechtlicher sondern vermögensrechtlicher Natur sei. Art. 42 EuGVÜ sehe ausdrücklich vor, dass eine ausländische Entscheidung auch dann teilweise für vollstreckbar erklärt werden könne, wenn sie mehrere Anordnungen enthalte, von denen nur für einen Teil eine Vollstreckbarerklärung nach dem EuGVÜ zulässig sei.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
1. Die zur Zeit in Paris lebende Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner, der in Karlsruhe wohnt, vor dem Tribunal de Grande Instance in Paris ein Scheidungsverfahren eingeleitet. Nach dem Scheitern des Sühneversuchs hat der Gerichtsvorsitzende am 14.10.1975 einen Nichtversöhnungsbeschluß (ordonnance de non conciliation) erlassen. In diesem ist u. a. verfügt, daß die Personensorge für die beiden Kinder der Parteien der Antragstellerin übertragen wird und daß der Antragsgegner an die Antragstellerin eine monatliche Unterhaltsrente von 2100 franz. FF [FF] zu zahlen hat, nämlich 500 FF für die Antragstellerin selbst und je 800 FF für die beiden Kinder.
Entsprechend dem Antrag der Antragstellerin hat der Vorsitzende der XI. Zivilkammer des LG Karlsruhe durch Beschluß v. 17.2.1976 angeordnet, den Beschluß des Tribunal de Grande Instance, soweit der Antragsgegner in ihm verpflichtet wird, für die Antragstellerin eine monatliche Unterhaltsrente von 500 FF zu leisten, gemäß Art. 31 ff. des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil und Handelssachen GVÜ v. 27.9.1968 (BGBl 1972 II 774) in Verbindung mit §§ 3 ff. des deutschen Ausführungsgesetzes zu diesem Übereinkommen v. 29.7.1972 (BGBl 1972 II 1328) mit einer Vollstreckungsklausel zu versehen.
2. Die gegen diesen Beschluß am 3.3.1976 eingelegte Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet.
a) Gemäß Art. 31 in Verbindung mit Art. 1 I des genannten GVÜ, dem u. a. Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland beigetreten sind (Baumbach/Lauterbach/ Albers, ZPO, 34. Aufl., S. 2226), werden die in Zivil und Handelssachen ergangenen gerichtlichen Entscheidungen, die im Staat des erlassenden Gerichts vollstreckbar sind, in einem anderen Vertragsstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten mit einer Vollstreckungsklausel versehen worden sind. Nach Art. 34 II u. III GVÜ kann der Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel nur aus einem der in Art. 27 und 28 GVÜ aufgeführten Gründe abgelehnt werden; eine Nachprüfung der ausländischen Entscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit ist nicht zulässig.
Die in den genannten Bestimmungen aufgeführten Voraussetzungen für die Erteilung der Vollstreckungsklausel sind im vorliegenden Fall erfüllt.
Die in Art. 238 des Code Civil (Cc) und Art. 878 des Code de Procedure Civile (CPC) geregelte ordonnance de non conciliation, die weitgehend der einstweiligen Anordnung gemäß § 627 der deutschen Zivilprozeßordnung (aF) entspricht, ist eine „Entscheidung“ iS des GVÜ (vgl. dazu auch Art. 25 GVÜ). Daß der Beschluß bereits nach dem Scheitern des gerichtlichen Sühneversuchs, also vor dem eigentlichen Scheidungsrechtsstreit, erlassen wird, ist insoweit ohne Bedeutung. Wesentlich ist, daß die Anordnung selbst in einem gerichtlichen Verfahren erlassen wird: von einem Gericht und, wie Art. 238 des Cc und Art. 878 des CPC ausdrücklich bestimmen, nach Anhörung der Parteien. Weiterhin ist der Beschluß, wie in ihm vermerkt, in Frankreich vollstreckbar („executoire par provision nonobstant appel“).
Schließlich ist im vorliegenden Fall keiner der in Art. 27 und 28 GVÜ genannten Versagungsgründe gegeben, die der Erteilung der Vollstreckungsklausel entgegenstehen würden.
b) Der Antragsgegner beruft sich gegenüber der Erteilung der Vollstreckungsklausel auf Art. 1 II Nr. 1 GVÜ, wonach das GVÜ u. a. nicht anwendbar ist auf Entscheidungen, die den Personenstand betreffen. Diese Bestimmung greift jedoch im Streitfall nicht ein.
Daß eine Entscheidung, die eine Unterhaltszahlung zwischen getrennt lebenden Ehegatten anordnet, für sich genommen den Personenstand nicht betrifft, ist offensichtlich (vgl. Art. 5 Nr. 2 GVÜ sowie Grunsky, JZ 1973, 640, 642) und wird auch vom Antragsgegner. nicht vertreten. Die Nichtanwendbarkeit des GVÜ nach Art. 1 II Nr. 1 ergibt sich aber entgegen der Rechtsauffassung des Antragsgegners auch nicht daraus, daß die ordonnance de non conciliation innerhalb des Scheidungsverfahrens, dessen Entscheidung den Personenstand betrifft, ergeht und dass sie auch personenrechtliche Verfügungen, wie beispielsweise die vorläufige Regelung der Personensorge für die Kinder, enthält. Art. 1 II Nr. 1 des Zuständigkeits und Vollstreckungsübereinkommens stellt darauf ab, ob die Anordnung selbst, um deren Vollstreckung es geht, personenstandsrechtlicher Natur ist oder nicht. Enthält eine zusammengesetzte Entscheidung verschiedene, trennbare Verfügungen, die teils den Personenstand, teils nicht den Personen stand betreffen (wobei offen bleiben kann, ob überhaupt eine der Anordnungen der ordonnance de non conciliation personenstandsrechtlicher Natur ist), so ist kein Grund ersichtlich, diejenigen Verfügungen, die nicht den Personenstand betreffen, nicht unter das GVÜ fallen zu lassen, Art. 42 GVÜ sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, daß eine ausländische Entscheidung verschiedene Anordnungen enthält, von denen nur für einen Teil eine Vollstreckbarerklärung nach dem GVÜ zulässig ist. Ebensowenig kann es darauf ankommen, daß die nichtpersonenstandsrechtlichen Anordnungen der ordonnance de non conciliation innerhalb eines den Personenstand betreffenden Verfahrens, des Scheidungsverfahrens, ergehen. Diese Verbindung ist lediglich äußerer Art. Die in der ordonnance de non conciliation getroffenen Anordnungen stehen mit dem eventuellen späteren Scheidungsausspruch in keinerlei Zusammenhang und könnten ebenso gut in einem gesonderten Verfahren erlassen werden.
c) Die vorstehende Auslegung des Art. 1 II Nr. 1 GVÜ entgegen der Rechtsauffassung des Antragsgegners kann der Senat in eigener Zuständigkeit vornehmen. Art. 2 Nr. 2 des Protokolls betr. die Auslegung des GVÜ v. 3.6.1971 (BGl. 1972 II 846) sowie die Bekanntmachung v. 21.7.1975 (BGBl 1975 II 1138) bestimmt, daß die Gerichte der Vertragsstaaten, sofern sie als Rechtsmittelinstanzen entscheiden und nicht zu den in Art. 2 Nr. 1 genannten obersten Gerichtshöfen gehören, eine die Auslegung des GVÜ betreffende Auslegungsfrage dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorlegen können. Von dieser Vorlagemöglichkeit Gebrauch zu machen, erscheint dem. Senat im vorliegenden Fall nicht zweckmäßig. Die vom Antragsgegner aufgeworfene Auslegungsfrage ist nach der Auffassung des Senats eindeutig zu beantworten, so daß divergierende Entscheidungen nationaler Gerichte, der die Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorbeugen soll, nicht zu befürchten sind. Außerdem handelt es sich vorliegend um die Vollstreckung einer in einem Scheidungsverfahren ergangenen vorläufigen Anordnung, deren alsbaldiger Vollzug durch eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ungemessen verzögert würde.
d) Nach alledem ist die Beschwerde des Antragsgegners mit der Kostenfolge des § 97 I ZPO zurückzuweisen.