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Zusammenfassung der Entscheidung Die Parteien sind miteinander verheiratet. Durch Prozessvergleich vor dem Bezirksgericht Liesing (AT) verpflichtete sich der Antragsgegner unter anderem, an die Antragstellerin einen monatlichen Unterhalt für die beiden gemeinsamen Kinder zu bezahlen. Auf Antrag der Antragstellerin erklärte das zuständige deutsche Landgericht den österreichischen Prozessvergleich in diesem Punkt für in Deutschland vollstreckbar. Dagegen wandte sich der Antragsgegner mit der Beschwerde.
Das Oberlandesgericht Koblenz (DE) entscheidet, dass die Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung gegeben seien. Es sei die Brüssel I-VO auf das Verfahren anzuwenden. Zwar sei, da es sich um ein Verfahren auf Kindesunterhalt handele, vorrangig das im Verhältnis zu Österreich fortgeltende Haager Übereinkommen vom 15. April 1958 einschlägig, jedoch habe die Antragstellerin ausdrücklich das Verfahren nach der Brüssel I-VO gewählt (Art. 71 Abs. 2 lit. b Brüssel I-VO). Im Rechtsbehelfsverfahren beschränke sich die Überprüfung durch das Beschwerdegericht auf die Frage, ob die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich der öffentlichen Ordnung im Bundesgebiet offensichtlich widersprechen würde (Art. 57 Abs. 1 S. 2, Art. 58 S. 1 Brüssel I-VO). Dies sei weder dargetan noch überhaupt ersichtlich. Die vom Antragsgegner erhobenen Rügen - örtliche Unzuständigkeit, Rechtsschutzbedürfnis, Erfüllungseinwand - seien der Überprüfung durch das Beschwerdegericht entzogen. Der Wortlaut des Art. 57 Abs. 1 S. 2 sei insoweit eindeutig. Aus der Regelung in § 12 Abs. 2 des deutschen Ausführungsgesetzes (AVAG), die bei Vergleichen im Beschwerdeverfahren Einwendungen gegen den titulierten Anspruch zulasse, könne sich nichts anderes ergeben, da das innerstaatliche (Durchführungs-)Recht nicht Vorschriften des – höherrangigen – Gemeinschaftsrechts zu derogieren vermöge. Ungeachtet dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabes seien die vom Antragsgegner vorgebrachten Rügen auch in der Sache nicht durchgreifend.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Parteien sind miteinander verheiratet. Durch Prozessvergleich vor dem Bezirksgericht Liesing (Österreich) vom 9. Mai 2003 (Bl. 2 – 5 GA) hat sich der Antragsgegner – unter Ziffer III. – verpflichtet, ab 1. Juni 2003 an die Antragstellerin einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1.400,‑ EUR sowie für die (beiden) gemeinsamen Kinder für den Monat Juni 2003 einen Unterhaltsbetrag von jeweils 450,‑ EUR und ab dem Monat Juli 2003 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von jeweils 730,‑ EUR zu zahlen; der Antragsgegner hat sich des Weiteren verpflichtet, für den Monat Juni 2003 das Schulgeld für die beiden Kinder zu zahlen.
Die Antragstellerin, die aus dem Prozessvergleich gegen den Antragsgegner im Bezirk des angerufenen Landgerichts die Zwangsvollstreckung betreiben will (Gehalts- und Kontenpfändung; Bl. 1 und 32 GA), verfolgt die Vollstreckbarerklärung von Ziffer III. des – in Österreich vollstreckbaren (Bescheinigung des Bezirksgerichts Liesing vom 21.10.2003; Bl. 18 GA) – Prozessvergleichs vom 9. Mai 2003 „bezüglich der laufenden Unterhaltszahlungen“ (Bl. 11 GA).
Das Landgericht hat durch Beschluss vom 19. November 2003 (Bl. 12/13 GA) erkannt, dass Ziffer III. des gegenständlichen Prozessvergleichs mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist; die Vollstreckungsklausel wurde am 1. Dezember 2003 erteilt (Bl. 16/17 GA).
Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2003, eingegangen beim Landgericht am 22. Dezember 2003, Beschwerde eingelegt (Bl. 24/25 GA); er beantragt, den Beschluss des Landgerichts Mainz vom 19. November 2003 aufzuheben und die Vollstreckungsklausel für unzulässig zu erklären.
II. Die Beschwerde ist statthaft (Art. 43 Abs. 1 EuGVVO) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben (Art. 43 Abs. 5 Satz 2 EuGVVO); sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
1. Die gegenständliche Vollstreckbarerklärung bestimmt sich – worauf bereits das Landgericht zutreffend hingewiesen hat (Verfügung vom 30.09.2003; Bl. 5 Rs. GA) – nach Maßgabe der Art. 38 ff.; Art. 57, 58 EuGVVO, ergänzt durch die Durchführungsbestimmungen des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes vom 19. Februar 2001 (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. b, Abs. 2 Satz 1 AVAG). Der sachliche Anwendungsbereich der – unmittelbar geltenden (Art. 249 Abs. 2 EGV) – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates der Europäischen Union vom 22. Dezember 2000 ist eröffnet (Art. 1 Abs. 1 und 2 EuGVVO). Deutschland und Österreich sind Mitgliedsstaaten im Sinne der Verordnung (Art. 1 Abs. 3, Art. 68 EuGVVO); der Prozessvergleich vor dem Bezirksgericht Liesing wurde zeitlich nach dem In-Kraft-Treten der Verordnung am 1. März 2002 (Art. 76 EuGVVO) geschlossen (Art. 66 Abs. 1 EuGVVO).
Diese Rechtsgrundlage greift – unmittelbar – auch im Hinblick auf die titulierte Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Kindesunterhalt ein. Zwar ist insofern – vorrangig – das im Verhältnis zu Österreich fortgeltende Haager Übereinkommen vom 15. April 1958 (BGBl. 1961 II, S. 1006) einschlägig (Art. 71 Abs. 1, Abs. 2 lit. b Satz 2 EuGVVO; vgl. Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl. 2003, Anhang nach § 723 Rn. 5); die Antragstellerin hat indes ausdrücklich (Schriftsatz vom 12.11.2003; Bl. 9 GA) das Verfahren der Vollstreckbarerklärung nach der EuGVVO gewählt (Art. 11 HUÜ 1958; Art. 71 Abs. 2 lit. b Satz 3 EuGVVO; Hüßtege aaO, Art. 71 EuGVVO Rn. 5; Heiderhoff IPRax 2004, 99, 100 f.; s. allgemein zum sog. Günstigkeitsprinzip Linke, Internationales Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 2001, Rn. 339).
2. Der Senat entscheidet in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung (§ 122 Abs. 1 GVG). Da hier im ersten Rechtszug der Vorsitzende der Zivilkammer entschieden hat (vgl. Art. 39 Abs. 1 iVm Anhang II EuGVVO), liegt kein Erkenntnis eines (originären) Einzelrichters iSd §§ 568, 348 ZPO vor (Hüßtege aaO, Art. 43 EuGVVO Rn. 18).
3. Die vom Landgericht ausgesprochene Vollstreckbarerklärung des ausländischen Prozessvergleichs begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
a) In Ansehung des gegenständlichen Prozessvergleichs ist der Senat im Rechtsbehelfsverfahren auf die Prüfung beschränkt, ob die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich der öffentlichen Ordnung im Bundesgebiet offensichtlich widersprechen würde (Art. 57 Abs. 1 Satz 2, Art. 58 Satz 1 EuGVVO). Dies ist weder dargetan noch überhaupt ersichtlich.
b) Die mit der Beschwerde erhobenen Rügen – örtliche Unzuständigkeit; Rechtsschutzbedürfnis; Erfüllungseinwand – sind der Überprüfung durch den Senat entzogen. Nach dem keiner abweichenden Auslegung zugänglichen Wortlaut des Art. 57 Abs. 1 Satz 2 EuGVVO (s. auch Art. 45 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO für die Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung iSd Art. 32 EuGVVO) ist der Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren auf den dort genannten Gegenstand (ordre public) beschränkt; sonstige Einwendungen gegen die Entscheidungsfindung erster Instanz sowie Einwendungen gegen den titulierten Anspruch selbst sind ausgeschlossen (vgl. Hüßtege aaO, Art. 45 Rn. 3 und Art. 57 Rn. 8; Hub NJW 2001,3145,3147; Heiderhoff aaO, S. 101; a.A. contra legem Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht. 7. Aufl. 2002. Art. 45 Rn. 4 ff. und Art. 57 Rn. 14 ff.: s. auch EuGVVO Erwägungsgründe 15 – 18). Dem steht § 12 Abs. 2 AVAG nicht entgegen. Auch wenn die Vorschrift in § 55 AVAG (Vollzug der EuGVVO) nicht für unanwendbar erklärt ist vermag das innerstaatliche (Durchführungs-)Recht nicht Vorschriften des – höherrangigen – Gemeinschaftsrechts zu derogieren Im Hinblick auf Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch selbst bleibt der Schuldner auf Rechtsmittel bzw. Rechtsbehelfe im Ursprungsland oder aber auf die Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO verwiesen (vgl. Hüßtege aaO, der insofern aber – bedenklich – ergänzend die Beschränkung nach § 14 AVAG eingreifen lassen will).
c) Ungeachtet des nach Auffassung des Senats hier eingeschränkten Prüfungsumfangs (s. soeben unter b.) vermögen die Rügen aber auch in der Sache nicht durchzugreifen. Das Landgericht Mainz war zur Entscheidung über den Antrag örtlich zuständig, da die Zwangsvollstreckung nach dem – schlüssigen – Vortrag der Antragstellerin in seinem Bezirk durchgeführt werden soll (Art. 39 Abs. 2 EuGVVO; Lohn- und Kontenpfändung). Soweit der Antragsgegner – vollends pauschal eingewendet hat, dass er seinen Verpflichtungen aus dem gegenständlichen Vergleich nachgekommen ist und nachkomme lässt dies – worauf die Antragstellerin zutreffend hingewiesen hat – das Rechtschutzbedürfnis für die Vollstreckbarerklärung des Prozessvergleichs nicht entfallen (vgl auch §§ 257 258 ZPO).