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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragsteller, die Kinder der Antragsgegnerin aus deren geschiedener Ehe, erwirkten am 9.2.2004 ein auf Unterhaltszahlungen gerichtetes Versäumnisurteil des Amtsgerichts Myslibörz (PL) gegen die Antragsgegnerin. Die Abschrift der Klageschrift, die Ladung zum Verhandlungstermin sowie die Belehrung über das Erfordernis der Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten in Polen wurden der Antragsgegnerin an ihrem Wohnort persönlich ausgehändigt. Sie ist im Verhandlungstermin nicht erschienen und hat auch im Verfahren nicht Stellung genommen. Das Versäumnisurteil wurde auf Antrag der Antragsteller vom zuständigen deutschen Landgericht für in Deutschland vollstreckbar erklärt. Dagegen erhob die Antragsgegnerin Beschwerde und beanstandete, dass ihr das polnische Urteil nicht zugestellt worden sei.
Das Oberlandesgericht Koblenz (DE) führt aus, dass sich die Vollstreckbarkeit der Entscheidung nach den Vorschriften der Art.13 ff. des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2. Oktober 1973 (HUVÜ) und Art. 31 ff. des LugÜ bestimme. Die Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung seien danach gegeben. Die Antragsteller hätten die nach Art.17 HUVÜ (Art. 33 i.V.m. Art. 46 und 47 LugÜ) erforderlichen Unterlagen vorgelegt, insbesondere den Nachweis der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes (Art. 17 Nr. 1, 3 HUVÜ, Art. 46 Nr. 2 LugÜ). Anerkennungs- bzw. Vollstreckungshindernisse i.S.d. Art. 5 HUVÜ (Art. 27 und 28 i.V.m. Art. 34 Abs. 2 LugÜ) bestünden nicht. Die von der Antragsgegnerin gerügte fehlende Zustellung des polnischen Versäumnisurteils begegne keinen Bedenken. Die Antragsteller hätten insofern nachgewiesen, dass es nach dem - hier maßgebenden - polnischen Recht der Zustellung eines Urteils dann nicht bedürfe, wenn die beklagte Partei - wie die Antragsgegnerin - keinen Zustellungsbevollmächtigten in Polen bestellt habe (Art. 1135 § 1 der polnischen Zivilprozessordnung).
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Antragsteller sind die gemeinsamen Kinder des Kindesvaters und der Antragsgegnerin aus ihrer zwischenzeitlich geschiedenen Ehe; sie leben beim Kindesvater in Polen.
Durch Urteil des Amtsgerichts – Familien- und Minderjährigenabteilung – Myślibórz (Polen) vom 9. Februar 2004 Geschäftsnummer: RC. 346/03 (Bl. 7 GA; Übersetzung Bl. 5/6 GA) wurde die Antragsgegnerin ab dem 26. November 2003 zur Zahlung einer gegenüber einem vorangegangen Urteil erhöhten Unterhaltsrente für die (minderjährigen) Antragsteller von jeweils 400,‑ PLN (Polnische Zloty) monatlich verpflichtet. Die Abschrift der Klageschrift, die Ladung zum Verhandlungstermin sowie die Belehrung über das Erfordernis der Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten in Polen wurden der Antragsgegnerin an ihrem Wohnort persönlich ausgehändigt (Zustellungszeugnis Bl. 8 GA); sie ist im Verhandlungstermin nicht erschienen und hat auch sonst zum Verfahren nicht Stellung genommen.
Das polnische Urteil wurde dem gesetzlichen Vertreter der Antragsteller am 11. Februar 2004 zugestellt; er hat keine Berufung eingelegt. Die Rechtskraft trat ausweislich der Bescheinigung der zuständigen Richterin in Polen (BI. 9/10 GA) am 4. März 2004 ein.
Die Antragsteller verfolgen die Vollstreckbarerklärung des Unterhaltstitels im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 23. Juli 2004 (Bl. 15/16 GA), der Antragsgegnerin zugestellt am 24. August 2004 (Bl. 24 GA), die Vollstreckbarerklärung ausgesprochen; die Vollstreckungsklausel wurde am 10. August 2004 erteilt (Bl. 22/23 GA).
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 6. September 2004, eingegangen beim Landgericht am selben Tage (Fax Schreiben Bl. 28/29 GA), „sofortige Beschwerde“ eingelegt; sie beantragt die Aufhebung des Beschlusses vom 23. Juli 2004. Sie beanstandet, dass ihr das polnische Urteil nicht zugestellt worden sei.
II. Der als befristete Beschwerde zu behandelnde Rechtsbehelf ist statthaft (Art. 13 HUVÜ iVm § 11 Abs. 1 Satz 1 AVAG; Art. 36 Abs. 1 LGVÜ) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben (Art. 36 Abs. 1 LGVÜ; § 11 Abs. 3 AVAG); er hat jedoch in der Sache keinen Erfolg:
1. Die gegenständliche Vollstreckbarerklärung bestimmt sich nach Maßgabe der Art. 13 ff. des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2. Oktober 1973 (BGBl. 1986 S. 826; hier: HUVÜ) und Art. 31 ff. des Luganer Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil und Handelssachen vom 16. September 1988 (BGBl. 1994 II S. 2658; hier: LGVÜ), ergänzt durch die Ausführungsbestimmungen des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes – AVAG – vom 19. Februar 2001 (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 lit. b und c AVAG).
Polen ist dem HUVÜ mit Wirkung zum 1. Juli 1996 und dem LGVÜ mit Wirkung zum 1. Februar 2000 beigetreten (OLG Zweibrücken OLGR 2005, 134 f.; Kroppholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl. 2002, Einl. Rn. 53); beide Übereinkommen haben nebeneinander Bestand (Art. 57 Abs. 1 und 5 LGVÜ; Art. 23 HUVÜ). Die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 EuGVVO.(ABl. EG Nr. L 12 S. 1) findet keine Anwendung; im vorliegenden Fall sind sowohl die Klageerhebung als auch der Erlass des polnischen Urteils vor dem 1. Mai 2004, dem Tag des polnischen Beitritts zur Europäischen Union, erfolgt (vgl. entsprechend Art. 66 Abs. 1 und 2 EUGVVO; OLG Zweibrücken. aaO).
2. Der Senat entscheidet in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung (§ 122 Abs. 1 GVG). Da hier im ersten Rechtszug der Vorsitzende der Zivilkammer entschieden hat (Art. 32 Abs. 1 LGVÜ iVm § 3 Abs. 3 AVAG), liegt kein Erkenntnis eines (originären) Einzelrichters iSd §§ 568, 348 ZPO vor (vgl. Senatsbeschluss vom 5. April 2004 – 11 UF 43/04 –).
3. Die vom Landgericht ausgesprochene Vollstreckbarerklärung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
a) Die Antragsteller haben die in Art. 17 HUVÜ (Art. 33 iVm Art. 46 und 47 LGVÜ) geforderten Unterlagen vorgelegt. Im Besonderen liegt auch beim Ursprungstitel handelt sich um eine Versäumnisentscheidung der Nachweis der ordnungsgemäßen Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks vor (Art. 17 Abs. 1 Nr. 3 HUVÜ; Art. 46 Nr. 2 LGVÜ); diese erfolgte was die Antragsgegnerin ausdrücklich bestätigt hat am 26. November 2003. Es steht damit weiter fest, dass der Antragsgegnerin eine ausreichend bemessene Frist zur Klageerwiderung eingeräumt worden war (Art. 6 HUVÜ; Art. 27 Nr. 2 LGVÜ).
b) Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anerkennungs- bzw. Vollstreckungshindernisses iSd Art. 5 HUVÜ (Art. 27 und 28 iVm Art. 34 Abs. 2 LGVÜ) sind im Übrigen weder ersichtlich noch von der Antragsgegnerin dargetan.
c) Die Antragsgegnerin rügt allein die fehlende förmliche Zustellung des polnischen Unterhaltstitels und stellt insofern den Eintritt der (formellen) Rechtskraft in Frage (Art. 4 Abs. 1 Nr. 2; 17 Abs. 1 Nr. 2 HUVÜ). Die Antragsteller haben indessen dargelegt und nachgewiesen, dass es nach dem hier maßgebenden polnischen Recht der Zustellung eines (Versäumnis-)Urteils dann nicht bedarf, wenn die beklagte Partei keinen Zustellungsbevollmächtigten in Polen bestellt hat (Art. 1135 § 1 der polnischen Zivilprozessordnung); die Rechtskraft tritt mit Ablauf einer Woche nach dem Zeitpunkt ein, in dem das (Versäumnis-)Urteil zu den Akten genommen wurde (Art. 1135 § 2 Satz 1 der polnischen Zivilprozessordnung). Dem ist die Antragsgegnerin nicht mehr entgegengetreten.
Über die – nachteiligen – Rechtsfolgen des polnischen Verfahrensrechts wurde die Antragsgegnerin in der Terminsladung ausdrücklich belehrt (Bescheinigung Bl. 9 GA). Es bestehen nach alledem keine durchgreifenden Bedenken – wie vom Ausgangsgericht auch bestätigt (Bl. 7 und 11 GA; Übersetzung Bl. 6 und 10 GA) – gegen den Eintritt der Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des polnischen Unterhaltstitels.